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Artikel „Hatto I., Erzbischof von Mainz“ von Ernst Ludwig Dümmler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 26–29, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hatto_I.&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 22:22 Uhr UTC)
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Hatto I., Erzbischof von Mainz (891–913), wurde gegen die Mitte des neunten Jahrhunderts wahrscheinlich aus einer vornehmen schwäbischen Familie geboren. Niedere Herkunft wirft ihm nur eine wenig zuverlässige Quelle vor, wahrscheinlich war er ein Verwandter des Erzbischofs Liutbert von Mainz (863 bis 889), seines zweiten Vorgängers, dem er in dem Besitze der Abtei Elwangen nachfolgte. Zweifelhaft bleibt, wo er seine Bildung empfangen, doch liegt es am nächsten an das damals in hoher Blüthe stehende Kloster Reichenau zu denken, das ihn nach Roudho 888 zu seinem Abte erkor. Als Vorsteher dieses Klosters, mit welchem er Elwangen verband, trat er zu König Arnolf in nähere Beziehungen, dem er jedoch schon vorher bekannt gewesen zu sein scheint. Er erschien öfter bei Hofe und wurde mit manchen Gunstbeweisen bedacht, seine Treue und Ergebenheit aber war für Arnolf von um so größerem Werthe, als gerade in Schwaben, wo Kaiser Karl III. viel Anhang besessen hatte, eine gefährliche Bewegung zu Gunsten seines von der Nachfolge ausgeschlossenen Sohnes Bernhard im J. 890 zum Ausbruche kam. Sie wurde rasch unterdrückt, Bernhard mußte flüchtig werden, die Güter seines mächtigsten Anhängers aber, des Grafen Udalrich, eines Abkömmlings der alten Schwabenherzoge, wurden eingezogen und dem Abte H. zu Lehen gegeben. Die Abtei St. Gallen erhielt Salomon, ein Freund Hatto’s, der nun, gleich nachher zum Bischof von Constanz erhoben, mit ihm die königliche Partei in Schwaben vorzugsweise stützte. Bald darauf besuchte Arnolf den Abt von Reichenau und gab auf seine Fürsprache dem Grafen Udalrich den größten Theil der ihm entzogenen Besitzungen zurück, da derselbe sich mit ihm aufrichtig ausgesöhnt zu haben scheint. Die Entschlossenheit, welche H. in einem gefährlichen Augenblicke bewiesen hatte, vor allem die unerschöpfliche Gewandtheit seines Geistes und ein durchdringender Scharfblick, der mit reichem Wissen gepaart war, ließen ihn dem Könige für eine höhere und schwierigere Aufgabe geeignet erscheinen. Als daher am 26. Juni 891 der Erzbischof Sunderold von Mainz im Kampfe gegen die Normannen gefallen war, wurde durch königliche Gunst H. sein Nachfolger und empfing bald auch von dem Papste Formosus das erzbischöfliche Pallium. Da er unter diesen Umständen auf die Leitung der Abtei Reichenau verzichtet hatte, wurde er von den Mönchen, die sich dem Könige gefällig beweisen wollten, dennoch sogleich wieder zu ihrem Vorsteher gewählt. Als Erzbischof von Mainz blieb H. auch ferner Arnolfs vertrautester Rathgeber und stand ihm bei allen wichtigen Unternehmungen zur Seite, so daß er im Munde des Volkes nachmals das Herz des Königs genannt wurde. Die Idee der Reichseinheit und eines kräftigen Königthums bildete durchaus den Leitstern seiner staatsmännischen Thätigkeit, dagegen bewies auch Arnolf der Kirche und ihrem Anliegen die größte Geneigtheit, so namentlich auf der großen Synode, die im Mai 895 unter dem Vorsitze des Erzbischofs von Mainz zur Herstellung der vielfach gesunkenen Kirchenzucht zusammentrat. Auf dem nur bis Piacenza ausgedehnten ersten Römerzuge im Januar bis März 894 finden wir H. in der Begleitung des König, der ihm u. a. die Bewachung des aufständischen Bischofs Adalbert von Bergamo anvertraute. Nicht minder begleitete er ihn dann zur Kaiserkrönung nach Rom, zu welcher Arnolf im Herbste 895 aufbrach: bei dieser Gelegenheit schenkte Papst Formosus ihm das Haupt und noch ein Glied des heiligen Georg als kostbare Reliquie, für welche H. zu Oberzell auf der Insel Reichenau sogar eine eigene Kirche erbauen ließ. Leidend, mit gebrochener Kraft kehrte der Kaiser aus Italien in das heimische Baierland zurück, doch gelang es ihm wenigstens noch seinem unmündigen Sohne Ludwig die Thronfolge im voraus zu sichern. H., der Taufpathe des im J. 893 geborenen jungen Königs, übte im Vereine mit dessen Erzieher, dem Bischofe Adelbero von Augsburg, seit seiner Thronbesteigung im [27] J. 900 vorwiegenden Einfluß, ja man darf sagen, daß die Leitung der Reichsgeschäfte in seiner Hand lag. Durch ihn wahrscheinlich im Vereine mit mehreren fränkischen und lothringischen Grafen war auch der Sturz des Königs Zwentibald von Lothringen, des älteren unechten und unfähigen Halbbruders Ludwigs von längerer Hand her vorbereitet worden, durch welchen diesem im Sommer 900 auch in jenem Theile des Reiches die Herrschaft zufiel. Ein Schreiben Hatto’s an den Papst Johann IX., durch welches er die Wahl des jungen Königs gerechtfertigt und um päpstliche Genehmigung gebeten haben soll, erregt Zweifel gegen seine Echtheit. Als Lohn seiner Bemühungen um das Wohl des Ganzen ließ H. sich die reiche Abtei Lorsch an der Bergstraße schenken, ohne deshalb seine früheren Klöster aufzugeben, zu denen noch Weißenburg im Elsaß hinzugetreten war. In den inneren Wirren, die unter der Herrschaft des Kindes bald genug das Reich und zunächst Franken erschütterten, galt es zwischen den Streitenden Partei zu ergreifen und hier erblicken wir H. in enger Verbindung mit dem Geschlechte des Grafen Gebhard, das er schon unter Arnolf begünstigt hatte. Wenn von den vier Brüdern (den sog. Konradinern) aus denen dies Geschlecht bestand, Rudolf trotz großer Beschränktheit schon 892 zum Bischofe von Wirzburg erhoben wurde, so kann dies mindestens kaum gegen den Willen des vielvermögenden H. geschehen sein, der als Erzbischof von Mainz den Wirzburger zu seinen Suffraganen zählte. In der Fehde, welche seit 902 zwischen diesen Brüdern und den Söhnen des ostfränkischen Grafen Heinrich um den Vorrang im Frankenlande zum Ausbruch kam, stellte sich demnach der junge König auf die Seite der ersteren und bekämpfte die letzteren, die man nach ihrer an der Stelle des heutigen Bamberg gelegene Burg Babenberg die Babenberger zu nennen pflegt. Adalbert von Babenberg, ein erlesener Held, der in der Burg Theres am Main dem königlichen Willen trotzte, wurde endlich durch eine Belagerung in die Enge getrieben und bewogen, sich dem Könige auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Statt der erwarteten Begnadigung aber mußte er am 9. September 906 den Tod durch Enthauptung leiden. Für diese strenge, wiewol gerechte Bestrafung eines gefeierten Helden machte die Volksstimme H. verantwortlich; in treuloser Weise, indem er sich für die Sicherheit des Grafen verbürgte und ihm unter nichtigem Vorwande sein Wort brach, soll er denselben veranlaßt haben, sich unter seinem Geleite zum König zu begeben. Diese Geschichte wurde noch nach Jahrhunderten von den Bänkelsängern auf den Gassen gesungen: ob und was davon als beglaubigt gelten könnte, vermögen wir nicht mehr zu ermitteln. Wie dem auch sein mag, jedenfalls bewahrte H. bis an das Ende der Regierung Ludwigs seinen vorherrschenden Einfluß und wir dürfen annehmen, daß er ihn in Gemeinschaft mit der übrigen hohen Geistlichkeit des Reiches gegen die aufstrebende herzogliche Gewalt zu Gunsten der Krone geltend machte. Durchaus in seinem Sinne, wahrscheinlich auf sein Betreiben, geschah es dann, daß nach dem Aussterben des deutschen Zweiges der Carolinger im November 911 zu Forchheim der fränkische Graf Konrad, ein Mitglied jener von ihm in dem Kampfe gegen die Babenberger begünstigten Familie zum Könige erwählt wurde. Unter ihm bekleidete H. kurze Zeit sogar das Amt des Erzcaplans und bewahrte in vollem Maße die Stellung, welche ihm die Gunst der vorhergehenden Könige eingeräumt hatte. Es ist bekannt, wie Konrad, obgleich er zuerst mit dem alten Herzoge Otto von Sachsen in gutem Einvernehmen gestanden, nach dessen Tode (30. November 912) sich sogleich mit seinem Sohne und Nachfolger Heinrich überwarf. Der Grund der erbitterten Feindschaft, welche sich zwischen Beiden entwickelte und alle übrigen Gegensätze wach rief, lag darin, daß der König dem jungen Herzoge einen Theil der väterlichen Lehen vorenthielt, d. h., wie wol mit Recht angenommen wird, die thüringischen Grafschaften, [28] welche die Grundlage zur Ausdehnung seiner herzoglichen Gewalt über Thüringen bildeten. Die Schuld an diesem unheilvollen Zerwürfniß wurde von dem sächsischen Volke dem alten Ränkeschmied H. zugeschrieben, dessen Kirche von Alters her so bedeutenden Besitzungen in Thüringen hatte, daß eine Ausbreitung der mächtigen Liudolfinger in dieser Richtung ihm durchaus nicht erwünscht sein konnte. Man erzählte sich, daß H. Heinrichen ein ähnliches Ende zugedacht habe, wie er es einst dem Grafen Adalbert bereitet hätte: durch eine kunstvolle goldene Kette habe er die Absicht gehabt, die von dem Goldschmied verrathen worden sei, ihn bei einem Gastmahle zu erwürgen. Sicherlich betrachtete ihn Heinrich als seinen besonderen Widersacher, denn während H. dem königlichen Hoflager an den Rhein gefolgt war, überfiel jener die in Sachsen und Thüringen liegenden Besitzungen des Erzbisthums Mainz, um sich ihrer zu bemächtigen und griff gleichzeitig die thüringischen Grafen Burchard und Bardo an. Nicht lange überlebte H. diese unglückliche Wendung der deutschen Verhältnisse, den Anfang unabsehbarer Wirren. Er starb am 15. Mai 913 an einer Krankheit, in welche ihn der Kummer über die Auflehnung Heinrichs gestürzt haben soll. Hinter dem staatsmännischen Wirken Hattos tritt seine kirchliche Thätigkeit im engeren Sinne mehr in den Hintergrund, doch scheint sie keineswegs unerheblich gewesen zu sein. Die Synode von Tribur mit ihren Satzungen über die Kirchenzucht und über das Verhältniß der Kirche zur weltlichen Gewalt im Sinne einer Stärkung jener war seit langer Zeit die erste deutsche Reichssynode und blieb für lange Zeit die letzte. Mit diesen Bestrebungen steht es auch im Zusammenhange, daß H. den abgesetzten Abt Regino von Prüm, einen der gebildetsten Männer dieser Zeit des Verfalles, veranlaßte, eine Zusammenstellung der kirchlichen Gesetzgebung für die Visitation eines Sprengels herauszugeben und dadurch die Entstehung eines praktischen und geschätzten Handbuches hervorrief. Auf der Reichenau erbaute er, wie schon erwähnt, die St. Georgskirche, den Mainzer Dom stattete er prächtiger aus und die Stadt Mainz soll er bis zum Rheine ausgedehnt haben. Den ihm untergebenen Stiftungen, namentlich dem Kloster Reichenau, wußte er manche reiche Schenkung zuzuwenden, auch das mit Mainz eng verbundene Fulda erfuhr seine Gunst, obgleich es nicht unter seiner Leitung stand. H. wird von Regino in der Widmung des schon genannten Werkes wegen seiner wissenschaftlichen Bildung hochgerühmt (die er unter dem Namen der Philosophie zusammenfaßt), mit dem für seine Zeit reichbegabten Dichter, dem Bischof Salomon von Constanz, verband ihn innige Freundschaft, der berühmte Musiker und Schriftsteller Hukbald von St. Amand überreichte ihm sein wunderliches Gedicht zum Preise der Kahlköpfe mit einer Zueignung, aus der man schließen darf, daß H. ebenfalls eine Glatze besessen habe. Das Bild des gewaltigen Kirchenfürsten, der, obgleich nicht Erzkanzler des Reiches, dennoch eine ähnliche Stellung einnahm, wie die mächtigsten unter seinen Nachfolgern, ist uns leider nur in so trümmerhafter Gestalt überliefert, daß ein begründetes Urtheil über den Werth seiner Handlungen und Grundsätze kaum möglich scheint. Seine Gegnerschaft gegen die Herzoge, die sich der Volksgunst im Ganzen zu erfreuen hatten, bewirkte, daß die Nachwelt ihn sich als einen listigen Fuchs, als einen Mann von sehr zweifelhaftem sittlichen Charakter vorstellte. Während die anderen über ihn umlaufenden Sagen doch des geschichtlichen Kernes nicht ganz entbehren, hat sein vermeintlicher Tod durch die Mäuse in dem angeblich von ihm erbauten Mäusethurme bei Bingen schlechterdings gar keinen Zusammenhang mit den Thaten seines Lebens. Auch wird diese noch auf manche andere Sünder bezogene Sage häufiger als von ihm von dem Erzbischofe Hatto dem II. von Mainz (968–970) berichtet. Dieselbe ist lediglich auf mythische Vorstellungen zurückzuführen.

[29] Dümmler, Gesch. des Ostfränkisches Reiches, II., Berlin 1865. Waitz, Jahrbücher des deutschen Reichs unter Heinrich I., Berlin 1863. Dammert, Hatto I., Erzbischof von Mainz, Freiburg 1864. 1865. J. Heidemann, Hatto I., Erzb. von Mainz, Berlin 1865. Böhmer u. Will, Regesten der Mainzer Erzbischöfe, I., Innsbruck 1877.