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Artikel „Wenzel (der Heilige), böhmischer Herzog“ von Adolf Bachmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 748–749, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wenzel_der_Heilige&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 19:41 Uhr UTC)
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Wenzel **) (der Heilige), böhmischer Herzog, angeblich Enkel Bořivoj’s und der Ludmilla, des ersten Herzogspaares des Czechenstammes in Böhmen aus dem Hause der Přemysliden, war nach gewöhnlicher Annahme der älteste Sohn Herzog Wratislav’s († 920?), der einst vereint mit seinem älteren Bruder Spitighniew Böhmens Unabhängigkeit gegen die Mährer (und Ungarn) geschützt hatte und nach Spitighniew († 912?) allein die Oberherrschaft über die slavischen Stämme in Böhmen führte. Wenzel’s Mutter war Drahomira aus einem Fürstenhause der Liutizen. W. war unmittelbar nur Herr eines Theiles Böhmens. Davon lag ein kleines Gebiet auf dem rechten Moldauufer, wo später Wenzel’s Bruder Boleslav das (Alt-)Bunzlauer Theilfürstenthum besaß. Ueberdies stand W. zu Beginn seiner Regierung unter der Vormundschaft seiner Mutter. Aber mit Klugheit und Festigkeit wußte sie die neue Machtstellung des Prager Herzogshauses gegen die bisher nahezu gleichberechtigten Gentil-Häupter des alten Czechengau und die botmäßigen Fürsten im Lande zu sichern, was namentlich durch die Vermählung ihrer Töchter mit einigen derselben gelang. Auch Wenzel’s Großmutter Ludmilla arbeitete angeblich durch eifrige Beförderung des Christenthums für den Thron ihres Enkels, den die Lehre vom [749] pflichtgemäßen Gehorsam der Unterthanen gegen die Obrigkeit nur fördern konnte. Sie zuerst unterlag dem Hasse der Gegner, und nicht ohne Erfolg wußten sie die Schuld an der Frevelthat zu Tetin, Ludmilla’s Ermordung, der Herzogin Drahomira aufzubürden. Sie verließ das Land, als der mündig gewordene Sohn der Einflüsterung der Großen, die Mutter strebe nach ungesetzlicher Herrschaft, Glauben schenkte.

Bald erkannte W. seinen Irrthum. Er rief die Mutter zurück und trat durch Gebot und Beispiel als eifriger Förderer des Christenthums hervor. In der That gelang es ihm, die neue Heilslehre so fest Wurzel fassen zu lassen, daß sie von nun an alle heidnischen Gegenströmungen verhältnißmäßig leicht überwand. Dagegen erfahren wir nicht, daß Herzog W. die natürliche Politik seines Hauses, die noch im Lande vorhandenen fürstlichen Gewalten zu unterdrücken, weiter verfolgte. Vollends unmöglich fiel es ihm, dem unter K. Heinrich I. erstarkenden Deutschland gegenüber seine Unabhängigkeit zu behaupten. Nachdem schon Herzog Arnulf von Baiern 922 in Böhmen gekämpft, brachte K. Heinrich 929, unterstützt von Arnulf, den Böhmenherzog zur Unterwerfung und zur Zusage eines Jahrestributs. Vielleicht weil W. jede Erneuerung des Kampfes gegen das Reich zurückwies, bot endlich sein eigener Bruder Boleslav die Hand zu des Herzogs Beseitigung. W. wurde bei einem Besuche Boleslav’s in Bunzlau, gelegentlich einer Kirchenweihe, ermordet (28. Sept. 935).

Palacky, Gesch. v. Böhmen, Bd. 1. – M. Büdinger, Oesterr. Gesch., Lpz. 1858. – A. Huber, Gesch. Oesterreichs, 1. Bd., Gotha 1885, S. 155 ff.

[748] **) Zu Bd. XLI, S. 732.