ADB:Poppo (Erzbischof von Trier)

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Artikel „Poppo, Erzbischof von Trier“ von Paul Wagner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 431–434, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Poppo_(Erzbischof_von_Trier)&oldid=- (Version vom 8. Oktober 2024, 18:39 Uhr UTC)
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Poppo: Erzbischof von Trier, 1016–1047, war ein jüngerer Sohn des Markgrafen Liutpold von Oesterreich aus dem Hause der Babenberger, ein Bruder des älteren Herzogs Ernst von Schwaben und Oheim des in Sage und Dichtung vielgefeierten jüngeren Herzogs Ernst. Er wurde in Regensburg erzogen und scheint früh schon mit dem späteren Kaiser Heinrich II. bekannt geworden zu sein, dessen besondere Gunst er sich erwarb. Denn zum Throne gelangt, machte ihn dieser einige Zeit vor dem Jahre 1015 zum Dompropst in dem neugestifteten Bisthum Bamberg; und als es sich nach dem Tode des Erzbischofs Megingaud von Trier Weihnachten 1015 für Heinrich II. darum handelte, diesen wichtigen erzbischöflichen Stuhl mit einem ihm ergebenen angesehenen Manne zu besetzen, bestimmte er hierzu P. Ob derselbe bereits am 1. Januar 1016 die Weihen empfangen hat, wie bestimmt versichert wird, bleibt zweifelhaft; sicher aber ist, daß diese Handlung, die in Gegenwart der beiden Suffraganbischöfe, Heimo von Verdun und Dietrich von Metz, auf Befehl des Kaisers von dem Erzbischof Erkanbald von Mainz vorgenommen werden sollte, Veranlassung zu einem Streit gab, da der Bischof von Metz als sein Recht beanspruchte, die Weihe zu ertheilen. Der Kaiser indessen beachtete die Forderung nicht, sondern ließ die Consecration in der von ihm angeordneten Weise durch den Mainzer vornehmen. Kurze Zeit darauf soll P. eine Reise an den päpstlichen Hof gemacht haben; doch steht nur so viel fest, daß Papst Benedict VIII. [432] ihm bereits am 8. April 1016 das Pallium verlieh. Der neue Erzbischof war nicht nur von vornehmer Abkunft und im Besitze weitreichender Familienverbindungen, sondern war auch durch Kraft und Stärke seines Willens ausgezeichnet und darum besonders geeignet, in die zerfahrenen Verhältnisse des Erzstiftes Trier wieder Ordnung zu bringen. Sein Vorgänger Megingaud war in Coblenz gestorben und hatte seine Metropole kaum zu sehen bekommen, in der sich ein Schwager des Königs und ehemaliger Prätendent auf den erzbischöflichen Stuhl, Adalbero, Propst vom Stifte St. Paulin, aus dem Hause der Lützelburger Grafen, festgesetzt hatte, um von hier aus fast das ganze obere Erzstift zu beherrschen. Zwar hatte derselbe dem Erzbischof Megingaud kurz vor dessen Tode den größten Theil des besetzten Landes zurückgegeben, aber noch behielt er sich den Palast in Trier und eine Reihe von Burgen vor. Es bedurfte, wie es scheint, eines gewaltsamen Vorgehens, ehe er sich zur Herausgabe des Restes entschloß. Erst als er die Ueberzeugung gewann, daß er sich gegen P. nicht würde halten können, gab er die noch in seinem Besitz befindlichen Orte heraus und zog sich in das Stift St. Paulin zurück. Freilich scheint es, daß der Verzicht auf seine Stellung nicht bedingungslos erfolgte. Wir hören, daß im J. 1017 Kaiser Heinrich II. dem von ihm abgesetzten Herzoge Heinrich von Baiern das Herzogthum zurückgab, weil er dies P. versprochen. Nun hatte der Herzog, der, wie Adalbero, aus dem Lützelburger Hause stammte, sein Land verloren, weil er sich an einer Empörung Adalbero’s und der Lützelburger gegen den Kaiser betheiligte. Man hat daher wohl nicht mit Unrecht in der Wiedereinsetzung des Herzogs die Gegenleistung für den Verzicht Adalbero’s auf das Erzstift Trier gesehen. Indessen auch nach dem Rücktritt des letzteren war P. noch nicht sogleich seines Erzstiftes Herr. Räuberisches Volk aus dem Dienste Adalbero’s hatte sich der Burg Berncastel bemächtigt. Ein anderes Schloß, Skiva und das Castell bei Trier hielt ein gewisser Adelbert besetzt, der namentlich von dem Castell aus den Erzbischof beständig belästigte. Berncastel und Skiva wurden nun erobert und zerstört, das Castell von Trier fiel gleichfalls in Poppo’s Hände. Auch was außerdem an festen Orten dem Erzstift abwendig gemacht worden, gewann er allmählich zurück. – Wie hier von seiner weltlichen, so machte P. auch von seiner geistlichen Gewalt nachdrücklichen Gebrauch. Besonders ließ er sich angelegen sein, die stark gelockerte Zucht der Klöster wiederherzustellen, und eben hieraus wird man abnehmen dürfen, daß er der strengeren kirchlichen Richtung seiner Zeit angehört hat. In das Benedictinerkloster St. Mariae ad martyres zu Trier, aus dem die Mönche verjagt worden waren, um Kanonikern Platz zu machen, führte er die Mönche wieder zurück. Das Nonnenkloster Pfalzel, dessen Insassen sich ihm nicht fügen wollten, soll er aufgelöst und die Nonnen theilweise in andere Klöster untergebracht haben. Mit dem Gute der oft sehr reichen kirchlichen Stiftungen schaltete er ziemlich willkürlich. Er scheute sich nicht, Besitzungen von St. Paulin und Pfalzel an sich zu reißen und an diejenigen auszugeben, auf deren Hülfe er bei seinen kriegerischen Unternehmungen angewiesen war, während er freilich anderseits auch bedürftige Klöster durch Landschenkungen bereicherte. Welchen Antheil P. an den Reichsangelegenheiten genommen, entzieht sich unserer Kenntniß. An Gelegenheit dazu kann es ihm umsoweniger gefehlt haben, als ihm Kaiser Heinrich II. neben dem Erzstift Trier auch die Vormundschaft über den jungen Herzog Ernst übertrug, nachdem sich dessen Mutter Gisela mit dem Herzog Konrad von Franken vermählt hatte. Noch im J. 1024 besaß er die vormundschaftliche Regierung, ohne daß man von seinem Wirken etwas Näheres wüßte. Im J. 1017 begleitete er den Kaiser bis zur Elbe auf dessen Zuge gegen Polen. Auch in der Umgebung der Nachfolger Heinrich’s II., der Kaiser Konrad II. und Heinrich III., finden wir [433] ihn zuweilen, doch scheint er unter ihrer Regierung ebenso wenig thätigen Antheil an den Reichsgeschäften genommen zu haben, wie unter Heinrich II. Er gehörte zu den Wählern Konrad’s II. auf der Versammlung zu Kamba im J. 1024 und begleitete 1027 den König auf dem Zuge nach Italien, wo er in Rom Zeuge der Kaiserkrönung war. Ebenso nahm er an dem zweiten Römerzuge Konrad’s 1037 theil. Sehr bezeichnend für den willensstarken und die Rechte seines Amtes, wie seiner Kirche eifrig vertretenden Mann ist sein Verhalten 1027 bei der Weihe des Bischofs Bruno v. Toul, des späteren Papstes Leo IX., eines Vetters des Kaisers. Konrad hatte gewünscht, daß die Handlung von Papst Johann XIX. am selben Tage, an dem er die Kaiserkrone empfing, vollzogen würde. Dem aber widersprach P. als Metropolitan des Bischofs, indem er das Recht in Anspruch nahm, seinen Suffragan selbst zu weihen. Bruno erkannte die Berechtigung dieses Anspruches an und suchte, nachdem er vom Kaiser die Erlaubniß hierzu erhalten, die Weihe bei P. nach. Bevor sie ihm dieser jedoch ertheilte, verlangte er die Ablegung des Gelöbnisses, daß Bruno in allen Dingen seinen Rath einholen und nichts ohne denselben unternehmen werden. Die Forderung war unerhört, und Bruno darum nicht gewillt, sich ihr zu unterwerfen. Es bedurfte erst der Vermittelung des Kaisers, bevor P. davon Abstand nahm. Er begnügte sich dann mit dem Versprechen des Bischofs, sich wenigstens in geistlichen Dingen seines Rathes zu bedienen, worauf letzterer am 9. September 1027 die Weihe empfing. – Durch seine Beziehungen zu den Kaisern war P. im Stande, seinem Erzstift einige nicht unwesentliche Zuwendungen zu verschaffen. Die wichtigste davon ist die Schenkung des bisherigen Königshofes Coblenz und der Abtei St. Florin daselbst durch Heinrich II. im J. 1018. Konrad II. verlieh 1031 dem Erzbischof die Grafschaft Marivelis im Einrichgau, die Heinrich III. 1039 ihm bestätigte. – Mit vielem Eifer scheint P. seines kirchlichen Amtes gewartet zu haben. Wir hören öfters, daß er Kirchen und Capellen in- und außerhalb seines Sprengels weihte, so 1018 die Allerheiligen-Capelle im Kloster St. Maximin bei Trier, im selben Jahre das Kloster Burtscheid und 1031 die Abteikirche zu Echternach. Kirchlicher Eifer und frommer Sinn trieb ihn auch, es ist ungewiß, in welchem Jahre, 1028/29 oder 1032/34, eine Pilgerfahrt nach Jerusalem zu unternehmen. Zum Begleiter und Führer auf dieser Reise hatte er einen Einsiedler Simeon, der einst mit den aus Palästina heimkehrenden Aebten Richard von Verdun und Eberwin von Tholey, später von St. Martin zu Trier, in das Abendland gekommen war. Ihm bot P. nach der Rückkehr Aufenthalt in dem Erzstifte an. Simeon wählte Trier, wo er sich in dem alten, aus römischer Zeit stammenden Thorbau, der Porta nigra, einschließen ließ und hier angeblich nach 7 Jahren, am 1. Juni 1035, starb. Das exemplarische Leben des Einsiedlers hatte in Trier solches Aufsehen erregt, daß P. veranlaßt wurde, die Heiligsprechung desselben in Rom zu beantragen, die durch Papst Benedict IX. am 25. December 1041 erfolgte. Zum Gedächtniß des Heiligen errichtete darauf P. in der Porta nigra das St. Simeonsstift, das er mit Kanonikern besetzte und dessen Kirche er am 17. November 1042 weihte. Schon vorher hatte er den langjährigen Freund Simeons, den Abt Eberwin von St. Martin, veranlaßt, eine Lebensbeschreibung des Heiligen zu verfassen. – Ein noch heute sichtbares Andenken an seine Regierung weist der Dom von Trier auf, der beim Antritt seines bischöflichen Amtes einzustürzen drohte, da sich eine der vier Säulen, auf denen die alte römische Basilika ruhte, gesenkt hatte. P. ließ sie unterfangen und mit den übrigen in Pfeiler einmauern, so daß das Gebäude neue Festigkeit erhielt. Darauf begann er nach Westen und Osten hin den Dom zu erweitern, der dadurch [434] um ein Drittel seines Umfanges vergrößert wurde. Noch heute ist der P.’sche Theil an dem gewaltigen Bau deutlich zu unterscheiden. Vollendet wurde der Umbau wohl erst im 12. Jahrhundert, doch bleibt P. das Verdienst, den Plan hierzu gefaßt und die erste Ausführung veranlaßt zu haben. Nachdem das Gebäude für den Gottesdienst wieder eingerichtet worden war, weihte er es (1037?) von neuem ein und übertrug hierher aus dem Kloster S. Matthias die Gebeine des in Trier vielgefeierten h. Maternus. Er selbst fand jedoch, als er am 16. Juni 1047 starb, nicht hier seine Ruhestätte, sondern wurde in der Stiftskirche zu St. Simeon, zu Füßen des von ihm hochverehrten Einsiedlers, beerdigt. Hier fand man seinen Körper, als der Sarkophag auf Veranlassung Kaiser Maximilian’s I. am 8. Januar 1512 geöffnet wurde, noch unversehrt vor, angethan mit den Gewändern und allen Zeichen seiner erzbischöflichen Würde. Bei der Aufhebung des St. Simeonsstiftes wurden die Gebeine des Erzbischofs mit denen des h. Simeon zusammen in die Gervasiuskirche übergeführt und bei dieser Gelegenheit auch der ihm ins Grab mitgegebene Ring, sowie ein Kelch und eine Patene wiederaufgefunden. – An die Person Poppo’s knüpfen sich eine Menge von Fabeln und Legenden, so die Geschichte von der Nonne aus dem Kloster Pfalzel, die dem Erzbischof Caligen anfertigen mußte, bei deren Anlegung seine Sinnenlust angeregt wurde, ferner die Erzählung von dem Nagel vom Kreuze Christi, der während Poppo’s Pilgerreise den diebischen Bischof von Metz verwundete, oder die Legende von der Mildthätigkeit Poppo’s, der, um die Noth der Hungrigen zu lindern, sein eigenes Roß schlachten ließ. Entstanden in Trierer Klöstern, sind sie in die Gesta Trevirorum aufgenommen und von dem ersten Fortsetzer derselben in aller Breite erzählt worden. Sie beweisen wenigstens so viel, daß die Person Poppo’s einen nachhaltigen Eindruck bei seinen Zeitgenossen hinterlassen und ihre Phantasie vielfach angeregt hat. So wird es auch erklärlich, daß gerade an seine Geschichte angeknüpft werden konnte, wenn man in den Klosterschulen Stilübungen mit Zugrundlegung geschichtlicher Stoffe machen wollte, wie der von dem Fortsetzer der Gesta aufgenommene Briefwechsel zwischen P. und Papst Benedict IX. wegen der Ernennung eines Coadjutors und der Heiligsprechung des Simeon zeigt, dessen Unechtheit neuerdings nachgewiesen worden ist. Besser freilich beweisen die Aussagen glaubwürdiger Schriftsteller, welche ehrenvolle Beurtheilung P. bei seinen Zeitgenossen und noch im folgenden Jahrhunderte erfuhr. Wipo nennt ihn einen frommen und demüthigen Mann, und die Lebensbeschreibung des Bischofs Meinwerk führt ihn mit an erster Stelle unter denjenigen Bischöfen auf, von denen sie hervorhebt, daß sie sich durch Weisheit und Wissen, durch Sorge um ihre Unterthanen und um das Reich auszeichneten. Einen besonders interessanten Ausdruck aber hat die Stimmung wenigstens der geistlichen Kreise seines Erzstiftes für ihn gefunden in der dichterischen Zuschrift, die unzweifelhaft ein Kleriker an ihn richtete. In fast rührender Weise wird er darin gebeten, sich der verwahrlosten Diöcese anzunehmen, indem der Verfasser das Vertrauen ausdrückt, daß sie durch ihn zu neuem Glanze emporsteigen werde.

Gesta Trevirorum. – Thietmar. – Vita S. Simeonis. – Browerius et Masenius, Antiquitates et annales Trevirenses I. – Goerz, Mittelrh. Regesten I. – Marx, Gesch. d. Erzstifts Trier IV. – Hirsch, Heinrich II. – Breßlau, Konrad II. – Steindorff, Heinrich III. – Harttung, Bemerkungen über Erzb. Poppo von Trier und St. Simeon in Pick’s Monatsschrift III. – Aus’m Werth, Kunstdenkmäler des christl. Mittelalters. I., 3. – Jaffé, Cambridger Liederhandschrift in Haupt’s Ztschr. IV.