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Artikel „Pez, Bernhard“ von Franz von Krones in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 569–575, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pez,_Bernhard&oldid=- (Version vom 8. Dezember 2024, 12:32 Uhr UTC)
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Pez: Bernhard P., geb. zu Ybbs in Niederösterreich am 22. Februar 1683, † im Kloster Melk am 27. März 1735, Geschichtsforscher. – Sohn eines bemittelten Gastwirths, an den Gymnasien in Wien und Krems geschult, verlor P. früh den Vater, fand jedoch an der Mutter die Stütze zur Vollendung der Humanitätsstudien und faßte dann den Entschluß, Klostergeistlicher zu werden. Mit 16 Jahren trat er in das Kloster Melk, O. S. B., als Novize ein, um hier zugleich im Hausstudium den philosophischen Curs zu vollenden und 1703 am Stiftsgymnasium als Lehrer der ersten Grammatikalclasse Verwendung zu finden. Außerdem verlegte er sich mit vielem Eifer auf das Studium der lateinischen und griechischen Classiker, der hebräischen und der französischen Sprache. 1704 wurde er in die theologischen Studien nach Wien entsandt. Den 29. Mai 1708 las er als Priester seine erste Messe. Wie begeistert er für das Ansehen und die Geltung seines Ordens war, zeigt am besten seine Jugendarbeit, daß „Protrepticon philologicum“, aber ebenso sehr athmet darin der Eifer für die Pflege der Latinität. Der innerste Drang zur Geschichtsforschung, – als Geschichtschreiber versuchte sich P. bereits früh genug, indem er unter dem Namen Bernardus Isipontanus 1709 zu Wien bei Georg Schlegel das Büchlein „De irruptione bavarica in Tirolim anno 1703 a Gallis et Bavaris facta“, libri III (12°), erscheinen ließ, – gewann an dem Studium der bahnbrechenden Werke der französischen Ordensbrüder (Mauriner), insbesondere eines Mabillon, Halt und Nahrung und bestimmte ihn, dem das Amt eines Klosterbibliothekars übertragen worden, zur rastlosen Aufnahme archivalischer Studien in den Klosterbüchereien, so zunächst in Melk und Wien. Er war es auch, der seinen leiblichen Bruder und jüngere Klostergenossen hierfür gewann. Abt Berthold gewährte ihm 1715 einen Urlaub. Er wandte sich nach Seitenstetten, dann nach Oberösterreich, in die Klöster Garsten, Gleink, S. Florian, Kremsmünster, Lambach und Baumgartenberg, um, wie dies die Mauriner für ihre Bibliotheca thaten, Mabillon durch sein Iter Germanicum nahe legte, die handschriftlichen Schätze der österreichischen Benedictinerklöster aufzuspüren und zur Geltung zu bringen, wie sich dies in seiner „Epistola encyclica ad omnia ordinis Benedictini monasteria …“ (Acta erudit. Lipsiens. 1716, Sept.) ausgesprochen findet. An diesem Streben hatte auch die zwischen dem Benedictiner- und Jesuitenorden längst vorhandene Rivalität ihren Antheil. – Im J. 1714 [570] war zu Wien aus der Feder eines Jesuiten ein Büchlein unter dem Titel Cura salutis, sive de statu vitae mature et prudenter deliberandi methodus … erschienen. Dessen Inhalt erschien unserm P. so herausfordernd, daß er nicht säumte, im J. 1715 eine ausführliche Apologie des Benedictinerordens nicht bloß, sondern auch der Cistercienser und Prämonstratenser unter dem Pseudonym „P. Mellitus Oratius“ als „Herausgebers“ der „Epistolae apologeticae pro ordine Sancti Benedicti R. D. P. Bernardi Pezii Benedictini et Bibliothecarii Mellicensis, adversus libellum »Cura salutis« zu schreiben …“ In dieser (303 Octavseiten starken) Druckschrift erscheinen zunächst der Brief eines gewissen Antonius Florbert, der in das Benedictinerkloster Melk als Novize eintrat, aber nach der Rückkehr zu den Wiener theologischen Studien durch die Lectüre des Büchleins Cura salutis für die Vertauschung des Benedictinerordens mit dem der Jesuiten gewonnen wurde und die Gründe dieses Standeswechsels dem Melker Professen und Bibliothekar P. kundgab und das bewußte Büchlein seinem Schreiben (datirt vom 1. Juli 1714) beischloß, sodann die 10 Briefe Pez’s gegen die Anwürfe der Jesuiten, mit erläuternden Anmerkungen ausgestattet. P. zeigt sich da als beredter und sachkundiger Vertheidiger der Benedictiner und der andern alten großen Orden, sowohl in Hinsicht ihrer Verfassung als auch ihrer Thätigkeit auf allen Gebieten geistlichen Wirkens. Den Schluß dieser Apologie bildet zum Beweise des unentwegten wissenschaftlichen Strebens der Benedictiner der „Catalogus scriptorum, qui ab anno 1600 usque ad hoc tempus in ordine S. Benedicti claruerunt“. Als Epilog hat die „Epistola XII“ zu gelten, worin jener Florbert erklärt, durch die Argumente Pez’s über das Nichtige der Jesuitenstrategie wider den Benedictinerorden belehrt und für den ursprünglichen Entschluß, dessen Genosse zu werden, gewonnen zu sein. – Es ist begreiflich, daß die Jesuiten dieses Buch unseres P. nicht unbeantwortet ließen. Wir werden seinerzeit darauf zu sprechen kommen. Im J. 1716 rüstete sich P., um in Gemeinschaft seines Bruders Hieronymus die niederösterreichischen Klöster zu durchforschen. Das Forscherpaar begann mit der Donaufahrt nach Klosterneuburg, einer Reise, die zufolge eines fürchterlichen Gewittersturmes bei Tulln leicht einen tragischen Ausgang finden konnte, begab sich dann in die Mauerbacher Karthause, nach Heiligenkreuz, Klein-Mariazell, Lilienfeld, wo sie Abt Chrysostomus mit offenen Armen aufnahm und eine reiche Fundstätte sich erschloß, ferner nach Göttweig, Zwettl, Altenburg und Pernegg.

Zwischen diese und die nächste Forschungsreise fällt, abgesehen von dem oben bereits angeführten Rundschreiben an alle Benedictinerklöster zur Unterstützung des von ihm geplanten litterargeschichtlichen Werkes und der Schrift: „Triumphus castitatis s. acta et vita venerab. Wildburgis, virginis reclusae Sanct-Florianensis“ (1715), die „Generalis Bibliotheca Benedictina“ und die Veröffentlichung des Buches: „Bibliotheca Benedicto-Mauriana, seu de ortu, vitis et scriptis Benedictinorum e celeberrima congregatione Sti Mauri in Gallia libri II“, worin P. den Verdiensten der französischen Ordensgenossen und ihres litterarischen Verbandes Rechnung trug, um die österreichischen Mitbrüder für eine gleiche Thätigkeit zu gewinnen; andrerseits gab P. den „Anonymus de scriptoribus ecclesiasticis“ aus der Melker Bibliothek heraus. Die nächste Forschungsreise der Gebrüder Pez galt den Klöstern Baierns und des Schwabenlandes; doch sollte auch der Weg durch Oberösterreich und Salzburg nicht ohne Arbeit und Gewinn bleiben, welchen insbesondere die Klöster Lambach, Mondsee, andrerseits das St. Peterskloster und die erzbischöfliche Bibliothek in Salzburg abwarfen. Ueber Traunkirchen ging es nun ins Baiernland, zunächst in das Kloster Seon, nach Ettal, Rot, Beihartingen und Weyern. Ungemein lohnend waren die Ergebnisse in Tegernsee und Benedictbeuren, gering in Bernried und [571] Polling, bedeutend zu Wessobrunn. Ueber Andechs oder Heiligenberg erreichten die Forscher München, um hier die kurfürstliche Bibliothek in Augenschein zu nehmen. Dem ersten Besuche Freisings schloß sich der Besuch Weihenstephans an und von hier eilten sie nach Freising zurück, in den Handschriftenwust des Capitelarchivs. Dann besuchte P. das Prämonstratenserstift Neu-Zell, über Weihenstephan das Kloster Scheyern und schlug dann die Straße nach Augsburg ein, die ihn über Thierhaupten führte. Namhaft war die Ausbeute in der Dombibliothek Augsburgs und im dortigen Benedictinerkloster zum h. Udalrich.

Obschon P. vor Begierde brannte, die Schätze von Weingarten, Ottobeuern, Reichenau und insbesondere von St. Gallen zu besehen, so nöthigten ihn doch körperliche Gebrechen, Magenleiden und Schwindelanfälle, an den Heimweg zu denken, welchen er in Gesellschaft seines Bruders über Holzen, Schwäbisch-Werde, Weltenburg, Regensburg, Priflingen, Oberaltaich, Windberg, Metten, Niederaltaich, Passau, Formbach und von Passau aus ins Heimathland einschlug. Den Schluß der ergiebigen Forschungsreise machte der Aufenthalt in der Vaterstadt Ybbs, wo er seine Mutter begrüßte, um dann am 22. September wieder in Melk einzutreffen, das er den 3. Mai verlassen.

Um diese Zeit mußte P. eine litterarische Fehde ausfechten, die ihm seine Mittheilung in den „Acta erud. Lipsiensium“ (Januar 1717) über den von P. im Cistercienserkloster Zwettl eingesehenen Codex Udalrici Babenberg. episcopi zuzog. P. hatte in jener Mittheilung über den Inhalt dieser Handschrift alle Urkunden, Briefe u. s. w., die ihm als noch ungedruckt erschienen waren, von den andern, die er als bekannt wußte, durch ein Sternchen unterschieden und das Vorhaben geäußert, den ganzen 350 Nummern umfassenden Codex herauszugeben. Der damalige Vorsteher der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien, Benedict Gentilotti, dem ein zweites Exemplar dieser Handschrift vorlag und deren theilweise Benutzung durch Gretser und Tengnagel bekannt war, verschanzte sich nun hinter einen angeblichen Brief seines Landsmannes und Studiengenossen „Angelo Fontejo“ aus Verona, an Prof. Joh. Burkhard Mencken in Leipzig, worin sich Angelo Fontejo (Mai 1717) in zwei Richtungen über jenen Aufsatz unseres P. abfällig äußerte. Erstlich habe P. viele Urkunden, Briefe und andere Denkmaler in dem bewußten Codex durch Sternchen als noch nicht veröffentlicht bezeichnet, die es thatsächlich längst bereits wären, und fürs zweite sei schon aus diesem Grunde ein Abdruck der ganzen Handschrift überflüssig. P. beeilte sich nun, in der Form eines Briefes an Gentilotto, eine ausführliche Selbstvertheidigung (1717) zu veröffentlichen und Gentilotto gewissermaßen als Schiedsrichter anzurufen. Gentilotto antwortet darauf mit einem langen Briefe des Angelo Fontejo und einem Vorworte an P., daß bei aller Verbindlichkeit und Glätte den eigentlichen Sachverhalt wohl durchschimmern läßt.

Wie ausdauernd und rasch unser P. zu arbeiten verstand, beweist die Thatsache, daß er die Früchte seines Sammeleifers für sein namhaftestes Quellenwerk, den „Thesaurus anecdotorum novissimus, seu veterum monumentorum, praecipue ecclesiasticorum, ex Germanicis potissimum bibliothecis adornata collectio recentissima“, bereits 1721 (1.–3. Band) der gelehrten Welt unterbreiten konnte. Kaiser Karl VI. berief ihn und seinen Bruder Hieronymus nach Wien und nahm deren beiderseitigen Werke mit freundlicher Anerkennung entgegen.

Mitten in diese rastlosen und aufreibenden Publicationen in verschiedener Richtung (1722–23 erschien der 4. Band des Thesaurus und 2 Bände einer „Bibliotheca ascetica, antiquo-nova …“) fällt das Wiederaufflackern der Benedictiner- und Jesuitenfehde. Als Kämpe des letztgenannten Ordens trat damals der allerdings kenntnißreiche und streitbare Ordensmann Marcus Hansiz unter dem Pseudonym „Modestus Taubengall“ auf. 1723 erschien nämlich unter [572] dem Titel Modesti Taubengall Apologeticus adversus Umbras Oratii Melliti pro fama A. R. P. Gebrielis Hevenessi et universae Societatis Jesu in causa libelli, qui „Cura salutis“ inscribitur, praecipiens methodum de statu vite mature ac prudenter deliberandi, mit dem angeblichen Druckorte Verona, ein ziemlich umfangreiches Büchlein, den Ordensgenossen gewidmet. Darin wurde als Verfasser jenes „bestgemeinten“ Werkes Cura salutis der Vorstand des Wiener Profeßhauses, Gabriel Hevenessi († 1715), ein unsäglich fleißiger Polyhistor, enthüllt und in allerdings überschwänglicher Weise gegen jeden Anwurf vertheidigt. Hatte P. den Benedictinerorden thunlichst verherrlicht, so läßt es „Taubengall“ an einer saftigen Apologie der Gesellschaft Jesu nicht fehlen. P. verzichtete, auf diesen ziemlich heftigen Angriff zu antworten, indem er bloß die Erklärung abgab, daß er an dem ihm fälschlich zugemutheten Libellus pro defensione status Petrini adversus anonymum Jesuitam Viennensem editum (gegen die Cura salutis gerichtet) ebensowenig theilhabe als an den bezüglichen Streitschriften des Joh. Barth. Werdinger. Mitten in seine weiteren Arbeiten (1724–26 erschien der 3.–10. Band der Bibliotheca ascetica, 2 Bände der Homiliae des Admonter Abtes Gottfried, der 5. und 6. Band des Thesaurus und die Ausgabe der Opuscula philosophica des Admonter Abtes Engelbert) fällt ein Ereigniß von entscheidender Bedeutung. P. erhielt nämlich die Einladung, den Hofkanzler Grafen von Sinzendorf, Mandatar Kaiser Karls VI. zum Congresse von Soissons, nach Frankreich, dem Lande seiner wissenschaftlichen Sehnsucht, zu begleiten (1728). Hier erschlossen sich ihm fruchtbare Bekanntschaften mit wissenschaftlich bedeutenden Ordensbrüdern und andern Gelehrten, einem Montfaucon, Martene, Durand, François le Texier, Aug. Calmet, Jaques Martin u. A. Alle Ordensbibliotheken, die er besuchen wollte, standen ihm offen. Auf der Rückreise aus Frankreich besuchte P. auch deutsche Klöster, so das Zwiefaltener, zur Ergänzung seiner Forschungen. Es wurde ihm auch bald die ehrende Aufgabe zu Theil, von dem Hofkanzler nach Wien eingeladen, seine Meinung über das seit Leibnitz (s. Artikel) im Zuge befindliche, aber unverwirklicht gebliebene Project der Errichtung einer kaiserlichen Akademie der Wissenschaften abzugeben. Von Wien in sein Kloster heimgekommen beschäftigte sich P. mit der Ausarbeitung zweier Dissertationen in Briefform. Die eine an den Jesuiten P. M. Hansiz (den unter dem Pseudonym Taubengall versteckt gewesenen Widersacher) gerichtet (Wien 1731), mühte sich mit der St. Rupertusfrage ab und stieß auf dessen herben Widerspruch, die andere war dem Hofkanzler Sinzendorf zugedacht und behandelte den Namen und Ursprung der Habsburger (Wien 1731).

Zwei litterarische Angelegenheiten bereiteten unserm P. empfindlichen Verdruß. Die eine betraf seine Schrift: „Vita et revelationes Venerab. Virg. Agnetis Blanbekin (Leben und Visionen einer Wiener Nonne, Zeitgenossin der ersten Habsburger), die von der Censur unterdrückt wurde, weil man darin Anstößiges für gläubige Gemüther entdeckte. Die zweite hing mit dem von P. im Kloster Zwiefalten gemachten Funde der Acta St. Trudperti des Erchanbaldus zusammen, und zwar mit der darauf fußenden Schrift unsers P. über das Zeitalter des heiligen Rupert, deren oben gedacht wurde. Hansiz veröffentlichte nämlich 1731 eine Responsio ad epistolam P. Bern. Pezii Bened. et Biblioth. Mellic. super vita Sti Trudperti …, worin er zunächst erklärte, daß er dadurch in seiner Annahme von der Zeit der Mission des heiligen Rupert durchaus nicht erschüttert werden könne, und überhaupt die Combinationen des P. ziemlich erfolgreich anfocht. Während P. nach seiner Rückkehr vom Besuche des Klosters Göttweig an einer ausführlichen Gegenschrift oder Apologie arbeitete, überraschte den Unermüdlichen am 24. März 1735 ein heftiger Krankheitsanfall, der aller ärztlichen Hilfe spottete und ihn am 27. d. M. im 53. Jahre aus einem der Wissenschaft geweihten Leben riß.

[573] Aus dem stattlichen Nachlasse erschien noch zu Nürnberg 1736: „Francisci Tagii, Physici et equitis, descriptio, seu liber de obsidione urbis Papiensis de captivitate Francisci I Regis Galliae, e Bibl. Mellicensi“. Massenhaftes Material war für die Bibliotheca Benedictina Generalis, für das Museum historico-theologico-asceticum etc. vorbereitet, desgleichen eine Ausgabe der Comm. allegorici des Admonter Abtes Irinbert und zahlreiche Abschriften mittelalterlicher Denkmäler.

Seine litterarische Bedeutung ruht vornehmlich darin, daß er mit ungemeiner Arbeitskraft und vielseitigem Blicke begabt, das Streben der Mauriner nach Oesterreich zu verpflanzen bemüht war, eine Fülle historischen Materials zu Tage förderte und die Geschichtskunde des Mittelalters in Oesterreich durch ihn einen neuen und nachhaltigen Anstoß erfuhr, abgesehen davon, daß er für sie seinen jüngeren Bruder Hieronymus, den getreuen Arbeitsgenossen, dauernd gewann.

Kropf (sein jüngerer Klostergenosse und Bibliothekar), Bibliotheca Mellicensis, s. Vitae et scripta inde a sexcentis et eo amplius annis Benedictorum Mellicensium … Vindobonae MDCCXXXXVII, p. 545–656. – Archiv f. Gesch., Statistik u. s. w. h. v. Hormayr 1810, S. 416–17. – Ersch u. Gruber, Encyklop. III. S. 20. Thl. u. dem Schlagwort. – Wurzbach im biogr. Lex. XXIII. (1870) 145–148. – A. Mayer, Gesch. der geistigen Cultur Nied.-Oesterreichs, 1. Bd. Vgl. auch die Lit. bei Hieronymus Pez.

Hieronymus P., der jüngere Bruder, Kloster- und Arbeitsgenosse des Vorgenannten, geb. zu Ybbs am 24. Februar 1685, † am 14. October 1762. Wir haben in der biographischen Skizze Bernhard’s P. die Familienverhältnisse bereits angedeutet und ebenso der gemeinsamen Forschungsreisen gedacht, und können diese biographische Skizze um so kürzer halten, je geräuschloser, ohne litterarische Polemik das Leben dieses Gelehrten, trotzdem es ungleich länger währte, verlief. In Gemeinschaft mit seinem Bruder zu Wien und Krems (an letzterem Orte von dem Jesuiten Franz Wagner) als Gymnasiast geschult, absolvirte P. die philosophischen oder Lycealcurse in Linz. Am 26. December 1703 legte er als Novize des Melker Klosters die Profeß ab, wurde Priester daselbst (8. September 1711), nachdem er drei Jahre im Stiftsgymnasium unterrichtet und ein Jahr in Melk, drei Jahre in Wien Theologie studirt, und widmete seine Muße, auch da Hand in Hand mit seinem Bruder, historischen Studien und historischer Forschung. Nach dem Tode seines Bruders Bibliothecarius primarius, 1733 (aber nur für ein Jahr) Novizmeister geworden, lebte und webte P. nur in dem Gedanken, der vaterländischen Geschichte eine quellenmäßige Grundlage zu geben, und in dieser Beziehung war seine, innerhalb engerer und festerer Grenzen sich bewegende Forschung an Planmäßigkeit und nachhaltiger Bedeutung der auf weiter Fläche sich bewegenden, wahrhaft massenhaften Production seines älteren Bruders, der um dreißig Jahre früher, mitten in seinem rastlosen, vielseitigen Schaffen dahingerafft wurde, überlegen, wie eng verwandt und einander ergänzend auch sonst die Arbeiten der Brüder waren. Sie boten ein nicht eben häufiges Beispiel inniger und fruchtbarer Lebensgemeinschaft. Seine erste litterarische Arbeit knüpft sich an das J. 1713. Es sind dies die kritisch erläuterten Acta S. Colomani. Das letzte Druckwerk, 1746 (16 Jahre vor seinem Ableben), ist eine Monographie über Markgraf Leopold den Heiligen von Oesterreich. Zwischen die beiden fällt die Hauptarbeit, sein eigentliches Lebenswerk, die „Scriptores rerum austriacarum veteres ac genuini“, deren 1. Band zu Leipzig, bei Gleditsch, im J. 1721 erschien. Das Ziel und die Methode dieser thatsächlich bahnbrechenden Quellenpublication findet sich in der I. vorangestellten Dissertation erörtert. Bekanntermaßen seien, heißt es hier, die Angelegenheiten Oesterreichs mit denen Gesammtdeutschlands seit mehreren [574] Jahrhunderten so innig verknüpft und verwoben, daß eine erschöpfende Kenntniß der letzteren nicht ohne umfassendere Erforschung der ersteren glücke; daher hätten die Kenner dieses Sachverhaltes die Ueberzeugung gewonnen, dieser Schwierigkeit könne nur dadurch abgeholfen werden, wenn von einem der Dinge nicht Unkundigen, gewissenhaften und rechtschaffenen Manne eine Specialsammlung der älteren Geschichtschreiber Oesterreichs veranstaltet würde. Bis jetzt sei dies noch nicht geschehen, wie sehr dies auch von einem Lambeck und Daniel Nessel zu hoffen war. Sein geliebter und verehrter Bruder Bernhard sei denn in ihn so lange gedrungen, bis er die eigenen Bedenken überwand. – Er habe sich also entschlossen, die Geschichte Oesterreichs im Spiegel lauterer, zeitgenössischer und ursprünglicher Quellen vorzuführen und zu diesem Zwecke es an der Durchforschung österreichischer und bairischer Bibliotheken nicht fehlen lassen. Er kommt dann auf die Arten seiner Quellen zu sprechen, verweist auf die Wichtigkeit der Passauer Chroniken und Kataloge, der Vitae et acta SS. des 3., 4., 5., 11. und 12. Jahrhunderts, der Chroniken, Genealogien, Nekrologien, Fragmente, der Urkunden, Privilegien, Schenkungen u. s. w. Er betont sodann die Nothwendigkeit kritischer Erläuterungen und richtet einen Appell an die Klostervorstände, seine schwierige Arbeit thunlichst zu fördern. Ein besonderes Gewicht legt er auf die Codices traditionum (Salbücher), deren Benutzung ihm ausgiebigst gewährt werden möge. Dann folgen 5 Dissertationen und zwar: (I) über die verschiedene Benennung Oesterreichs im Wechsel der Zeiten, (II) über die ältesten Bewohner Oesterreichs, (III) über die ersten christlichen Glaubensboten in diesem Lande, (IV) über den Eintritt des ersten Babenbergers in die Geschichte Oesterreichs und (V) über die angeblichen und rein fabelhaften Missethaten der Babenberger: Leopold des Schönen und seines Bruders Albrecht. – Obschon die Ergebnisse sämmtlicher Abhandlungen von der Zeit und Forschung überholt, veraltet sind, so läßt sich doch an sich ebensowenig der historische Wahrheitstrieb als die umfassende Belesenheit des Autors verkennen. Die in diesem Bande aufgespeicherten Quellen, 44 an Zahl, haben zum Schwerpunkt die Melker, Klosterneuburger und Zwettler, anderseits die Salzburger Chronographie oder Annalistik, sodann die Chronik des Wieners Paltram Vatzo, den sog. Anonymus Leobiensis (in der damals noch unerforschten Verquickung mit der Chronik Johanns von Viktring), die (deutsche) Chronik Oesterreichs des sog. Mathäus oder Gregor Hagen und Arenpeck’s Chron. Austriacum. Ein Index rerum et verborum macht den Schluß. Schon nach zwei Jahren (1723) war der 2. Band der Scriptores erschienen. Er enthält 57 Stücke; darunter als die relativ namhaftesten: die Admonter Chronik, die Salzburger Annalen des St. Rupertusstiftes, den Kreis kleinerer Quellen zur Geschichte Kaiser Friedrichs III. und vor allem die große Chronik Ebendorfers in 5 Büchern (bis 1463), abgesehen von der böhmischen Chronik des Neplacho, der deutschen „Chronic der Behemen“ u. a.

Nach längerer Frist erschien 1745 in einem anderen Verlage, E. F. Bader zu Regensburg, der 3. Band; er bescheerte uns die ganze Reimchronik Ottokars. Beweist schon dieser Verlagswechsel die Schwierigkeit, solche Publicationen unter die Presse zu bringen, so begreifen wir eben so leicht, daß eine Fortsetzung des Unternehmens, in welchem Jahrzehnte rast- und selbstloser Arbeit staken, an mehr als einer Klippe scheitern mußte. Immerhin boten die drei Foliobände der Scriptores den Grundstock der Geschichtschreibung in und für Deutsch-Oesterreich, und wenn auch dann die sich vielfach mit Pez’schen Scriptores berührenden und deckenden Rerum austriacarum Scriptores, herausgegeben von Adrian Rauch (1793–1794), erschienen, wenn endlich die Monumenta Germaniae im 11. (9.) Bande die von Wattenbach in neuer Anordnung und Gestalt der [575] Wissenschaft bescheerten Annales Austriae erschlossen, so müssen wir die Pez’sche Sammlung noch immer zur Hand nehmen, falls es sich um die österreichische Chronik Hagen’s, um Arenpeck, Ebendorfer und die Reimchronik Ottokar’s handelt. Der handschriftliche Nachlaß der Brüder, worin die „Ephemerides rerum in Monasterio et Austria nostra gestarum a die 31. Juli 1741, quo serenissimus elector Bavariae Passaviam occupavit“ unserm Hieronymus angehören, zeigt am besten, wie vielseitig ihre gemeinsame Sammlerarbeit war.

Vgl. Kropf, Biblioth. Mellic. (s. o.) p. 677–682 (bis z. J. 1746). – Wurzbach 149–150 und die andern bei Bernhard P. angeführten Werke; ferner Scriptores ordinis S. Benedicti qui 1750 a. a. 1880 fuerunt in Imperio Austr. Hungarico (Vindobonae 1881) p. 340 (Bernhard P. fehlt dort.) – Ein genaues, chronologisches Verzeichniß der Werke der Gebrüder Pez s. b. Kropf a. a. O. u. z. a) des Bernhard P. S. 602–608. (Außerdem druckt Kropf (S. 609–656) ab: eine Jugendarbeit Bernhard’s, das Protrepticon philologicum seu disceptatio literaria in qua tria potissimum examinantur: I. utrum viri eloquentes in ordine Si. Benedicti ab eo condito usque ad a. Domini 1400 floruerint?, II. quibus ex causis cultura latinitatis ab hujus ordinis scriptoribus neglecta videatur?, III. Sitne decorum a Monastici instituti sectatoribus splendorem orationis, et latini sermonis coli, ac illius in sacris elucubrationibus rationem haberi? quae singula eo fine proponuntur, ut intermissum latini sermonis studium in hujus ordinis civibus hac maxima aetate redintegretur. – Personae in dialogo colloquentes: Synegorus: latine defensor Benedictorum; Polemonachus: Oppugnator Benedictinorum; Hieronymus: Interlocutor et fautor monachorum.) – b) des Hieronymus P. S. 679–682. – Ueber den Nachlaß der Gebrüder s. insbesondere Hormayrs Archiv J. 1821, II, S. 516–518; J. 1828, Nr. 148 bis 155.