ADB:Phrygio, Paulus Constantinus

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Phrygio, Paulus Constantinus“ von Gustav Knod in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 92–93, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Phrygio,_Paulus_Constantinus&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:32 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 26 (1888), S. 92–93 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Paul Phrygio in der Wikipedia
Paul Phrygio in Wikidata
GND-Nummer 139240969
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|26|92|93|Phrygio, Paulus Constantinus|Gustav Knod|ADB:Phrygio, Paulus Constantinus}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=139240969}}    

Phrygio: Paulus Constantinus P., eigentl. Paul Seidensticker gen. Costenzer, Humanist und Theologe, hat sich als eifriger Zwinglianer an der Neugestaltung der kirchlichen Verhältnisse in Oberdeutschland sowie an der Reorganisation der Universitäten Basel und Tübingen in protestantischem Sinne in hervorragendem Maße betheiligt. Geboren um 1483 in Schlettstadt und zunächst auf der Schlettstadter Stadtschule unter Crato Hofmann gebildet, widmete er sich seit dem Jahre 1499 in Freiburg philosophischen Studien und wurde schon im darauffolgenden Jahre zum magister artium promovirt. Ein weiterer Studienaufenthalt in Paris ist wahrscheinlich. Im Frühjahr 1510 wird er an der Universität Basel zu theologischen (exegetischen) Vorlesungen zugelassen und 1513 daselbst zum Doctor der Theologie ernannt; doch wendet er sich bald der pfarramtlichen Praxis zu, indem er zunächst in Eichstädt, dann seit 1519 als Pfarrer in seiner Vaterstadt wirkt. Ein ebenso eifriger Humanist wie treuer Hüter seiner Gemeinde nimmt er an den wissenschaftlichen Bestrebungen der von Wimpfeling geleiteten Schlettstadter sodalitas litteraria lebhaften Antheil und wird bald neben Beatus Rhenanus, Jo. Sapidus, Paul Volz, Jac. Spiegel zu den hervorragenden Mitgliedern derselben gezählt. Wie die Mehrzahl der Schlettstadter Gelehrten von vornherein reformfreundlich gesinnt, tritt er seit 1520 in Wort und Schrift gegen den Papismus in die Schranken und weiß der neuen Lehre bald zahlreiche Anhänger in seiner Gemeinde zu gewinnen. Er schafft das Kerzen- und Weihwassersegnen ab, predigt gegen die Processionen und führt die deutsche Messe ein. Seit 1524 wiederholt mit dem katholisch gebliebenen Magistrat in Conflict, legt er, nachdem der Magistrat die Wiederherstellung der Ceremonien befohlen, im Herbst 1525, ein Märtyrer seiner Ueberzeugung, sein Amt nieder und wandert, arm wie Hiob, nach Straßburg, um dort ein Unterkommen zu finden (November 1525). Noch im October 1526 begegnet er uns in dieser Stadt, doch scheint er bald darauf eine Pfarrstelle in Illkirch übernommen zu haben. 1529 wird er als erster evangelischer Pfarrer an St. Peter in Basel berufen und entwickelt nun von der Kanzel, seit 1532 auch, als Professor der Theologie an der reorganisirten Universität, vom Catheder herab eine eifrige Thätigkeit, um der protestantischen Sache zu vollständigem Siege zu verhelfen; gleichzeitig aber ist er bestrebt, eine Einigung mit den Straßburger Reformatoren herbeizuführen, wie er denn auch als Abgeordneter der Stadt Basel im J. 1533 auf einer Straßburgischen Synode erscheint. Im Januar 1535 auf Grynaeus’ Veranlassung von dem restituirten Herzog Ulrich von Würtemberg als Pfarrer und Lehrer der heil. Schrift nach Tübingen berufen, bald darauf auch zum herzoglichen Commissär bei der durchzuführenden Universitätsreorganisation ernannt, wird er doch erst im darauf folgenden Jahre, wie es scheint nicht ohne Widerspruch, in die theologische Facultät aufgenommen und mit dem Fache der neutestamentlichen Exegese betraut. Von seinen Collegen, [93] namentlich dem streng lutherischen Jo. Forster, vielfach angefeindet, scheint er sich in der Folge vorzugsweise auf seine pfarramtliche Thätigkeit geworfen zu haben; auch mancherlei häusliches Kreuz, Krankheiten in der Familie und häufige Geldnoth, verbitterten ihm seine Tage. Im August 1542 starb seine Gattin im Wochenbett, ihm drei unmündige Kinder hinterlassend. Kaum ein Jahr später, am 1. August 1543, folgte er ihr selbst in die Ewigkeit nach. – Ein einfacher, ernster, gläubig-frommer Mann, ohne hervorstechende geistige Begabung, doch von gründlicher humanistischer und theologischer Bildung, von den Zeitgenossen wegen seiner Kenntnisse in der hebräischen und griechischen Sprache mit Auszeichnung genannt. Verfasser einiger alttestamentlicher Commentare („In Micheam Prophetam commentarius D. Pauli Constantini Phrygionis.“ Argent. 1538. 8°. 155 S. und „In Leviticum Explanatio Pauli Constantini Phrygionis“. Basil. 1543. kl. 4°. 134 S.) und einer synchronistischen Weltchronik („Chronicum regum regnorumque omnium catalogum et perpetuum ab exordio mundi temporum seculorumque seriem complectens ex optimis quibusque Hebraeis, Graecis & Latinis auctoribus congestum, Paulo Constantino Phrygione autore“. Basil. 1534. 2°), die seinen Biographen Pantaleon zu einigen schwungvollen Distichen begeisterte; auch als Verfasser der anonymen Flugschrift: „Oratio Constantini Eubuli Moventini de virtute clavium“ s. l. e. a. (1520) 4°. 13 Bl. zu nennen. Erwähnt werden von Pantaleon noch als von ihm verfaßt ein Commentar in Exodum und die Schrift „De causa Boemica“. (Letzteres trägt allerdings auf dem Titel den Namen Paul. Constantius, charakterisirt sich aber als eine Apologie des Constanzer Concils.) Im Briefwechsel mit Capito, Butzer, Rhenanus, Spiegel, Pirkheimer u. s. w. – Die Begründung vorstehender Angaben an anderm Orte.

Litteratur: Dürftige z. Th. unrichtige Nachrichten bei Pantaleon, Prosopograph. Bas. 1565, III, 182; Adam, Vit. Germ. theol. Frankf. 1643, p. 97; Athenae Rauricae. Bas. 1778. – Auf diesen Quellen fußend Hagenbach, Die theol. Schule Basels und ihre Lehrer. Bas. 1860 und Boecking, Opp. Hutten. suppl. II, 437. Ueber den Freiburger Aufenthalt vgl. Schreiber, Gesch. d. Univers. Freiburg, 1868, I, 92. über den Schlettstadter Walther, Histoire de la réforme à Gélestadt, Strasbourg 1843, über den Tübinger Schnurrer, Biogr. u. litter. Nachricht. v. ehemal. Lehrern der hebr. Litteratur in Tübingen. Ulm 1792 und Weizsäcker, Lehrer u. Unterricht an der Ev. theol. Fakultät der Universität Tübingen. Tübingen 1877. – Vgl. auch Röhrich, Gesch. d. Ref. im Elsaß, I, 400 und Knod, Jac. Spiegel, I u. II. (Schlettst. Progr.) 1884, 86. Briefe von ihm in Heumann, Docum litter. Altorfii 1758 und Horawitz und Hartfelder, Briefwechsel des Be. Rhenanus, Leipz. 1886. Ungedruckte Briefe von ihm in Basel, Schlettstadt, St. Gallen und im Thomas-Archiv zu Straßburg. – Vgl. auch die Collect. Simler in Zürich und den Thes. Baum. auf der U.-Bibl. in Straßburg. Ueber die oben erwähnte Flugschrift Geiger, Vierteljahrsschrift I, 396.