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Artikel „Spiegel, Jakob“ von Gustav Knod in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 156–158, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spiegel,_Jakob&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 21:22 Uhr UTC)
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Spiegel: Jakob S., kaiserlicher Geheimsecretär unter Maximilian I. und Karl V., dann Geheimsecretär des Königs Ferdinand, hervorragender humanistischer und juristischer Schriftsteller. Im Jahre 1483 zu Schlettstadt als Sohn eines Handwerkers geboren, Neffe des Humanisten Jacob Wimpfeling, zunächst in der Lateinschule seiner Vaterstadt, dann nach des Vaters frühem Tode unter Obhut des Oheims in einer geistlichen Schule zu Speier gebildet, studirte S. seit dem Jahre 1496 in Heidelberg, wo er mancherlei humanistische Anregung (namentlich durch Reuchlin und Wimpfeling) empfing und im Jahre 1500 zum bacc. art. promovirt wurde. Nachdem er sein schon in Heidelberg begonnenes juristisches Fachstudium in Freiburg unter Zasius zu einem einstweiligen Abschluß gebracht, gelang es ihm, auf Empfehlung seines älteren Schulgenossen, des kaiserlichen Schatzmeisters Jakob Villinger, in der kaiserlichen Kanzlei angestellt zu werden, wo er bald durch Eifer und Geschick zur Würde eines kaiserlichen Secretärs emporstieg. In den Jahren 1511 und 1512 hielt er sich noch einmal vorübergehend in Tübingen weiterer Studien wegen auf und bestieg dann im Jahre 1513 in Wien selbst den juristischen Lehrstuhl, nachdem er inzwischen (in Wien?) den Grad eines Licentiaten in der Rechtswissenschaft erlangt hatte. Die durch seine Stellung in der kaiserlichen Kanzlei bedingte häufige Abwesenheit von Wien nöthigte ihn schon im folgenden Jahre sein Verhältniß zur Universität zu lösen, doch blieb er mit den humanistisch gebildeten Vertretern der Wissenschaft an der Universität sowie mit den Mitgliedern der von Celtes gestifteten gelehrten Donaugesellschaft in dauernder freundschaftlicher Verbindung. Ueberhaupt war S., wie er sich selbst mit Vorliebe humanistischen Studien hingab, bestrebt, auf seinen mannigfachen Reisen im Gefolge des Kaisers, wo sich ihm Gelegenheit bot, seinen humanistischen Freundeskreis zu erweitern und für die humanistischen Ideen allenthalben Propaganda zu machen. Auch setzte ihn seine einflußreiche Stellung am kaiserlichen Hof in die Lage, seinen humanistischen Freunden manchen Liebesdienst zu erweisen. So hatte der aus Italien heimkehrende Ulrich v. Hutten den ihm vom Kaiser verliehenen dichterischen Lorbeer der wirksamen Fürsprache seines Freundes S. zu verdanken. – Durch den unerwarteten Tod des Kaisers Maximilian (Januar 1519) seiner Stellung enthoben, brachte S. die nächsten Monate in seiner Vaterstadt Schlettstadt zu, indem er sich einer umfassenden schriftstellerischen Thätigkeit widmete und zugleich an den freundschaftlichen Versammlungen der von Wimpfeling gegründeten Schlettstadter Gelehrten Gesellschaft mit Eifer sich betheiligte. So führte er die schon im Jahre 1516 auf Maximilian’s specielle Anregung unternommenen kritisch-exegetischen Arbeiten zur Austrias des Riccardus Bartholinus weiter (erschien erst 1531 bei Johannes Schott in Straßburg: „Richardi Bartholini Perusini Austriados Lib. [157] XII. Maximiliano Augusto dicati cum scholiis Jacobi Spiegelij Selesten.“; – zugleich mit seiner Ausgabe von „Guntheri Ligurinus“; – schon 1516 hatte S. bei Schürer in Straßburg „Emendationes nonnullorum locorum Austriadae“ herausgegeben); so entstanden um diese Zeit jene compilatorischen Vorarbeiten, aus denen etwa 20 Jahre später sein juristisches Hauptwerk, das „Lexicon iuris civilis“, erwuchs; auch fällt in diese Zeit die Fertigstellung seines Commentars zu einem Hymnus des Prudentius, der wenige Monate später auf Veranlassung seiner Schlettstadter Freunde – ein stattlicher Folioband – bei Laz. Schürer in Schlettstadt im Druck erschien. („In Aurelii Prudentii Clementis Caesar-augustani V. C. De miraculis Christi Hymnum ‚ad omnes horas‘ Jacobi Spiegel interpretatio.“) Ein Versuch, am kurfürstlichen Hofe zu Mainz unterzukommen, war ohne Erfolg; doch gelang es ihm im Mai 1520 in der Kanzlei des neugewählten Königs Karl eine Anstellung zu finden. So war S. im Frühjahr 1521 als kaiserlicher Secretär auf dem Wormser Reichstage hinter den Coulissen an den Verhandlungen über Luther in hervorragender, doch wenig ehrenvoller Weise betheiligt. Aus den Aleander-Depeschen ergibt sich, daß S., durch welsches Gold bethört, dem päpstlichen Geschäftsträger über die Verhandlungen der Stände mit dem Kaiser erwünschte Mittheilungen machte, auch sich verpflichtete, für „Ausrottung der lutherischen Ueberbleibsel“ zu wirken und „geheime Kunde zu geben von den Verhandlungen der Deutschen gegen den römischen Stuhl, die Umwandlung der Annaten in Gehalte für die Reichssenate betreffend“. Auch erfahren wir aus dieser Quelle, daß S. es war, welcher die kaiserlichen Mandate gegen Luther auszufertigen hatte. Durch seinen hierbei bewiesenen außerordentlichen Eifer hat er sich das besondere Lob des päpstlichen Nuntius erworben. – Ende des Jahres 1522 trat S., von Erasmus warm empfohlen, aus dem Dienste des Kaisers in den des Königs Ferdinand über, dessen besonderes Vertrauen er sich bald zu erwerben wußte. Ob und inwieweit S. bei den grausamen Maßregeln, welche Ferdinand bald darauf zur Unterdrückung der lutherischen Bewegung in seinen Erblanden traf, betheiligt war, läßt sich nicht feststellen, doch darf man seine Mitwirkung billig bezweifeln, da er im innersten Herzen nach wie vor freiere religiöse Anschauungen hegte. – Auf dem Speierer Reichstage von 1526 endigte Spiegel’s amtliche Laufbahn: der Sturz des Kanzlers Ortenburg (Salamanca) hatte auch Spiegel’s Rücktritt zur Folge; der Abschied wurde ihm in Ehren unter Gewährung einer kleinen Pension bewilligt. Er hatte noch die Genugthuung, seinen Bruder Maius, den er selbst zum Dienste in der Kanzlei herangebildet, in seine Stelle einrücken zu sehen. – Den Rest seiner Tage gedachte S. in seiner Vaterstadt in schriftstellerischer Muße zu verbringen. Nebenbei war er als juristischer Sachwalter thätig, auch pflegten sich die königlichen Brüder, namentlich Ferdinand gelegentlich noch seines Rathes zu bedienen. Wie sehr er sich noch der kaiserlichen Gunst erfreute, beweist der Umstand, daß ihm 1536 der Titel und die Rechte eines „kaiserlichen Pfalzgrafen“ verliehen wurden. So finden wir ihn 1536 an König Ferdinands Hofe in Augsburg, 1540 auf dem Reichstage zu Hagenau, 1542 auf dem Tage zu Speier und 1545 auf dem zu Worms anwesend. Zum letzten Mal wird er am 30. Juni 1547 urkundlich genannt. Sein Todesjahr ist unbekannt. – Hatte er sich in jungen Jahren mit Hutten und Stromer für eine gänzliche Emancipation der deutschen Nationalkirche von römischer Bevormundung begeistert, so begnügte er sich später, durch äußere Interessen bei der alten Kirche festgehalten, für eine Reform innerhalb des Rahmens der letzteren, etwa im Erasmischen Sinne zu wirken. Seine Hauptbedeutung liegt auf litterarischem Gebiete. Abgesehen von kleineren Gedichten, die er zu fremden Publicationen gespendet, hat er im Ganzen 22 Werke humanistischen, politischen und juristischen Inhalts erscheinen [158] lassen. Sein „Lexicon iuris civilis“ hat nicht weniger als 11 Auflagen erlebt. (Vgl. die Würdigung desselben bei Rivier in Nieuwe Bijdragen voor Regtsgeleerdheid en Wetgeving N. R. Deel 1, Stuk 2 Bl. 219 ff. und Stintzing, G. d. d. Rechtswissensch. S. 581 ff.)

Gesner, Bibl. univ. p. 363. – Pantaleon, Prosopogr. III, 102. – Adam, Vitae Germ. ICtor. p. 66. – Rivier und Stintzing a. a. O. – Aschbach, Die Wien. Univers. und ihre Humanisten. Wien 1877, S. 357 ff., durchgängig krititlos und vielfach unrichtig. – G. Knod, Jacob S. aus Schlettstadt, Beilage z. Progr. d. Realgymnasiums zu Schlettstadt, Theil I, 1884, Theil II, 1886.