Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Quintus Cicero, Bruder des Redners Nr. 29
Band VII A,2 (1943–1948) S. 12861306
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31) Q. Tullius Cicero erfährt hier wie überall um seines Bruders M. willen und dank dem von diesem gebotenen Material eine ausführlichere Behandlung, als er durch seine eigene Bedeutung verdiente (schon in der alten Realencyklopaedie 6 Seiten, bei Drumann 30, in Handbüchern der Literaturgeschichte verhältnismäßig ebenso). Belegstellen aus Cicero werden ohne dessen Namen zitiert.

Q. war jünger als M. (Cic. ad Att. I 5, 2. XI 9, 3), nach dessen Angabe prope aequalis (ad Q. fr. I 3, 3), also schwerlich um volle vier Jahre, auf die der Abstand seiner Aedilität und Praetor von denen des Bruders führen könnte: Geburtsjahr zwischen 649 = 105 und 652 = 102, und Geburtsort ebenfalls Arpinum (leg. II 3). Als der jüngere Sohn mag er der Mutter näher gestanden haben; denn während in der reichen literarischen Hinterlassenschaft des M. von ihr nie die Rede [1287] ist, bringt Q. in einem der ganz wenigen von ihm erhaltenen Briefe die einzige Erinnerung an sie (fam. XVI 26, 2. o. Bd. VIII S. 229f.); auch die Erzählung von dem väterlichen Großvater (Nr. 27) und dessen Schwager wird ihm in den Mund gelegt (leg. III 3411). Als Knabe genoß er denselben Unterricht wie M. in Rom (de or. II 1f. vgl. I 1f. 23), und studierte noch 675 = 79 mit ihm zusammen in Athen bei dortigen Philosophen (fin. V 1. 3. 8. 96); an dem Unterricht in Rom nahmen die Söhne des C. Aculeo teil, deren Mutter die Schwester der Mutter der Ciceronen war, und an dem in Athen L. Cicero Nr. 26, dessen Vater der Bruder des ihrigen gewesen war, so daß es scheint, als ob die im Alter einander nahe stehenden Söhne verwandter Familien eine gewisse gemeinsame Erziehung empfingen, was schon der Kosten wegen ratsam war. Auf die Ausbildung zum Redner legte Q. keinen Wert (de or. II 10), ging aber doch wohl mit M. nach Asien und nach Rhodos, weil es kaum ein anderer sein kann, der mit ihm bei P. Rutilius in Smyrna war und daraufhin die Widmung der Schrift de rep. empfing (s. rep. I 13). Die Anknüpfung der bis in seine jüngeren Jahre hinaufreichenden Beziehungen zu dem fast gleichaltrigen Caesar (prov. cons. 40; ad Q. fr. II 13, 1; fam. I 9, 12) ist nicht genauer zu bestimmen. Q. heiratete die Schwester des T. Pomponius Atticus auf Veranlassung seines mit diesem eng befreundeten Bruders (Nep. Att. 5, 3); aber die Ehe war keine glückliche (s. W. H. Johnson Class. Journal VIII 160, mir nicht zugänglich), und ihr Stifter mußte oft zwischen den beiden Ehegatten und den beiden Schwägern vermitteln. Ein erster Keim des Unfriedens mag darin gelegen haben, daß Pomponia dem 644 = 110 geborenen Atticus im Alter nahe stand (prope aequalis! wie o.) und fest mit ihm zusammenhielt (Nep. Att. 17, 1), also vermutlich nicht unbedeutend älter als Q. war. Ein beständiger Quell des Zwistes war sodann, daß in der Auffassung und Behandlung geschäftlicher, zumal finanzieller Angelegenheiten von Hause aus bei den beiderseitigen Familien und bei dem Ehepaar große Gegensätze bestanden (s. über die materielle Lage des Q. zahlreiche, nicht immer leicht zu deutende Stellen in Ciceros Briefen und die darauf beruhenden Ausführungen, wie Drumann-Groebe GR² VI 659ff. A. Früchtl Die Geldgeschäfte bei Cic. [Diss. Erlangen 1912] 89–92. Kroll Die Kultur der Ciceron. Zeit I 119f.). Schon Ende 686 = 68 wandte sich Cicero an Q. mit Vorwürfen und Ermahnungen wegen seines Benehmens gegen Pomponia (ad Att. I 5, 2); damals stand die Heimkehr des Q. nach längerer Abwesenheit bevor (ebd. 8), vielleicht aus einer Provinz, in der er dieses Jahr als Quaestor verbracht hatte. Die Eintracht in der Familie wurde einigermaßen hergestellt, denn Q. war im Januar und Februar 687 = 67 auf den Besitzungen bei Arpinum mit seiner Frau und auch seiner Schwiegermutter, die ihn selbst noch überleben sollte (Nep.), friedlicher zusammen (ebd. 6, 2. 8, 1), und die Hoffnung auf ein dauerndes Einvernehmen verstärkte sich mit der Aussicht auf ein Kind (ebd. 10, 5 vom Mai); noch in diesem Jahre oder im folgenden 688 = 66 wurde der einzige Sohn, der den [1288] Vornamen des Vaters empfing, geboren (Nr. 32). Damals bewarb sich Q. um die plebeische Aedilität (ad Q. fr. I 3, 8; ad Att. I 4, 1) und wurde mit C. Vergilius für 689 = 65 gewählt, während die curulische dem Caesar und dem M. Calpurnius Bibulus zuteil ward (ad Att. I 1, 3; Planc. 20. 95. Auslegung der Zeugnisse bei Drumann-Groebe² VI 638). Daß er in den zwei Jahren 688 = 66 und 689 = 65 in Rom und bei den von M. geführten Prozessen zugegen war, bezeugt er selbst in der Schrift, die er im J. 690 = 64 (s. Bücheler 2f.) an ihn richtete (Aufschrift: Quintus Marco fratri s. d.), und am Schluß (58) als commentariolum petitionis bezeichnete (19: hoc biennio... scio, nam interfui), während sie in den Hss. meistens de petitione consulatus betitelt wird (wichtigste Sonderausgabe mit Einleitung und Kommentar von Bücheler Q. Ciceronis reliquiae. Lpz. 1869. 2–15. 25–63. Sonst in allen verbreiteten Ausgaben von Cic. ep. ad Q. fr., z.B. in der von H. Sjögren Bibl. Teubn. 1914, 81–94). Die Bedenken gegen die Echtheit dieser Schrift können als beseitigt gelten; es genügt, dafür auf Zusammenfassungen zu verweisen, wie Tyrrell bei Tyrrell und Purser The Corresp. of Cic. I³ (1904) 116*–132* (wo 128*ff. Zusatz zu I²). Bruhn Ilbergs N. Jahrb. XXI (1908) 254–263. Rice Holmes The Roman Rep. (1923) I 450f. Schanz-Hosius GdRL I⁴ (1928) 551; nur die Stellungnahme Mommsens verdient eine kurze Bemerkung, weniger wegen ihrer Autorität, als wegen ihrer unvollständigen Wiedergabe sogar bei den eben genannten Gelehrten: Mommsen hat seine Ansicht erst im J. 1887 geändert und vielleicht nur vorübergehend; denn er hat noch RG⁷ (1882) III 180, 1 und St.-R. III 114f., 5 (1887) die Schrift anstandslos als echt hingenommen und als ,Q. Cic. de pet. cons.‘ zitiert; erst St.-R. III 196, 2. 198, 2. 5 (dazu die Änderung von 114f., 5 im Stellenregister 1319c) hat er durch die veränderte Zitierweise ,[Q. Cicero] comm. pet.‘ seinen Zweifel zum Ausdruck gebracht, dann mit deutlichen Worten 260, 2 und 497, 3: ,In dem dem Q. Cicero untergeschobenen comm. pet.‘ und 484, 3: ,In der in früher Zeit dem Q. Cicero untergeschobenen Bewerbungsschrift‘ und endlich um dieselbe Zeit durch die Umgestaltung von RG⁸ (1887) III 180, 1. Es ist das Verdienst von Bruhn, auf die hier vorliegende Begründung des Zweifels an der Echtheit aufmerksam gemacht und sie zugleich widerlegt zu haben (258f.): Mommsen fand es nämlich allzu naiv und deshalb unwahrscheinlich, daß der eigene Bruder des Consulatsbewerbers über dessen Schaukelpolitik zwischen den Parteien ,sich so offenherzig öffentlich geäußert haben‘ sollte; aber er ließ dabei außer acht, daß diese Äußerungen zunächst eben nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern mehr vertraulich waren. Zwar hat der Verfasser dieser Denkschrift ebenso an ihre etwaige spätere Veröffentlichung gedacht (s. den Schluß 58), wie der ihres Gegenstücks, M. ad Q. fr. I 1, 36 (s. u.; über das Verhältnis beider zueinander Bücheler 10); aber Taktgefühl ist auch bei der Bekanntmachung vieler Briefe an Q. und sonstiger Stücke des Ciceronischen Nachlasses nicht das Maßgebende gewesen, [1289] und von wem und zu welchem Zwecke ,in früher Zeit‘ eine Arbeit dieser Art (s. über ihre stilistischen Mängel Bücheler 7f.) dem jüngeren und unbedeutenderen Bruder des Redners fälschlich zugeschrieben sein könnte, ist nicht abzusehen. Doch die Aedilität war mehr als andere Ämter das, worin ,der sonst untersagte Ambitus um die höheren Staatsämter einen gleichsam legitimen Spielraum‘ fand (Mommsen St.-R. II 517); da mochte Q. unmittelbar nach ihrer Verwaltung glauben, daß er Erfahrungen gesammelt habe, die seinem Bruder und weiterhin anderen Kandidaten nützen könnten, und verarbeitete seine Betrachtungen zu einer isagogischen Schrift (s. Bücheler 6f., auch Dahlmann Suppl.-Bd. VI S. 1249), deren Kenntnis sich in Ciceros Rede in toga candida verrät (Bücheler 8–10 u. a.). Größere Hilfe in der amtlichen Laufbahn konnte freilich dem Q. selbst von dem älteren Bruder gewährt werden, da er unter dessen Praetur zur Aedilität und unter seinem Consulat zur Praetur gewählt wurde. In dem Consulatsjahr 691 = 63 stand er dem M. treu zur Seite (ad Q. fr. I 1, 43) und bestärkte ihn nach der Verhaftung der Catilinarier am Abend des 3. Dez. noch in seinen Absichten (Plut. Cic. 20, 3); doch in der Senatssitzung des 5. Dez. ließ er sich gleich dem designierten Consul Silanus (o. Bd. X S. 1090) und vielen anderen durch die Rede Caesars umstimmen (Suet. Caes. 14, 2), was von Cicero in seiner folgenden Rede (Cat. IV 3) als Beweis der brüderlichen Liebe und Besorgnis aufgefaßt wurde, aber vielleicht noch mehr dem Wunsche guten Einvernehmens mit jenem alten Bekannten (s. o.) und früheren und künftigen Amtsgenossen entsprang. Denn als Praetor hatte Q. 692 = 62 seine drei Kollegen aus der Aedilität, Caesar, Bibulus, Verginius, wieder neben sich. Im Anfang seines Amtsjahres unterdrückte er die von dem Catilinarier C. Marcellus in Bruttium erregten Unruhen (Oros. VI 6, 7; o. Bd. III S. 2733f.). Im Laufe des Jahres führte er den Vorsitz im Prozeß des Dichters Archias (Schol. Bob. Arch. 354 Or. = 175 St.), bei dessen Verteidigung sein Bruder nur in der Einleitung und in den letzten Worten einen leisen Hinweis auf sein Verständnis für die ungewöhnliche Darstellungsart anbrachte, ohne ihn mit Namen zu nennen oder unmittelbar anzureden (Arch. 3. 32 E. Vgl. div. I 79: noster Archias im Munde des Q.). Im J. 693 = 61 mußte Q. die Verlosung der propraetorischen Provinzen abwarten, die bis nach der Entscheidung der über den Bona Dea-Prozeß eingebrachten Rogation verschoben wurde (ad Att. I 13, 5. 14, 5) und erst kurz vor dem 15. März stattfand. Er erhielt dabei die wichtige Provinz Asia (ebd. 15, 1. 17, 1. s. Mommsen St.-R. III 1103, 5) als Nachfolger des L. Valerius Flaccus (Flacc. 33. 49. Schol. Bob. z. d. St. 238 Or. = 100 St.) und durfte sich nach dem damaligen Sprachgebrauch als pro consule bezeichnen (div. I 58. Suet. Aug. 3, 2. Ein aus der Sammlung Tiepolo stammender Cistophor von Tralles mit der Aufschrift: Tulli pro cos. ist schon von Pinder Abh. Berl. Akad. 1855, 567 nr. 172 vgl. 545 [ebenso Borghesi Oeuvres I 288 vgl. 284] mit Bedenken verzeichnet und von Späteren [s. CIL I² app. 371 ff.] nicht mehr aufgenommen [1290] worden, offenbar ein falsch gelesenes Exemplar mit: Pulcher pro cos [Pinder 569 nr. 187 = CIL 375]; überhaupt war die Prägung von Cistophoren bis 696 = 58 eingestellt, anderwärts seit 687 = 67 [T. R. S. Broughton Amer. Journal of Archaeol. XLI 248f.], in Tralles schon viel früher [s. Ruge o. Bd. VI A S. 2108, 1ff. 2109, 7ff.]). Zwischen der Niederlegung des städtischen Amtes und dem Abgang in die Provinz ordnete Q. seine häuslichen Angelegenheiten; in Rom, wo ihm M. das väterliche Haus überlassen hatte (Plut. Cic. 8, 3), erwarb er ein Gebäude im Argiletum und verkaufte dafür ein Gut bei Tusculum (ad Att. I 14,7 vgl. XII 32, 3; ad Q. fr. II 3, 7. III 1, 14 mit den Erläuterungen von Jordan-Hülsen Topogr. I 3, 323f. 326. 328, 15); als Landaufenthalt bevorzugte er von jeher die ererbten und hinzuerworbenen Besitzungen bei Arpinum, besonders die oft genannten Arcanum und Laterium (s. Drumann² VI 660f. Nissen Ital. Landesk. II 674, beide mit den Belegstellen; auch Wiemer 21). Das Verhältnis des Q. zu seiner Frau und zu deren Bruder war damals wieder sehr getrübt, und Cicero bemühte sich ziemlich erfolglos, es vor der voraussichtlich längeren Trennung des Ehepaares zu verbessern. Deswegen lehnte Atticus die ihm von Q. angebotene Legatenstelle ab (Nep. Att. 6, 4), und Q. vermied auf der Reise von Dyrrachium nach Thessalonike einen Besuch bei dem auf seinen epeirotischen Gütern weilenden Schwager, machte vielmehr unterwegs seiner Verstimmung gegen ihn wiederholt Luft (ausführliche Erörterung besonders ad Att. I 17, 1–7 vom 5. Dez.; vgl. vorher 15, 1f. und nachher 19, 11). Als Legaten nahm Q. zwei andere Verwandte mit, L. Aelius Tubero (ad Q. fr. I 1, 10; Planc. 100. o. Bd. I S. 534) und M. Gratidius (ad Q. fr. I 1, 10; Flacc. 49. o. Bd. VII S. 1840), ferner den A. Allienus (ad Q. fr. I 1, 10 o. Bd. I S. 1585). Seine Statthalterschaft wurde zweimal verlängert, für 694 = 60 unter Mitwirkung seines Bruders, aber gegen seinen eigenen Wunsch (ebd. 1, 2) und für 695 = 59 gegen den Wunsch beider wie etwas Selbstverständliches (ebd. 1, 1. 2. 3. 8. 12. 30. 40. 46; ad Att. II 16, 4); da er nicht vor der zweiten Hälfte März 693 = 61 in die Provinz abreisen konnte, mußte er dort auch bis zum Eintreffen des ihn ablösenden T. Ampius Balbus Ende April 696 = 58 bleiben (ad Att. VI 6, 3; fam. II 15, 4). Hauptquelle für seine Tätigkeit in diesen drei Jahren sind zwei Briefe Ciceros an der Spitze der erhaltenen drei Bücher ad Q. fr., denen verschiedene andere Briefe an ihn (ebd. 1, 1. 31. 40. 2, 4. 7. 8. 11. 12f.) und von ihm (1, 2. 2, 4. 5. 13; ad Att. II 16, 4) vorausgegangen waren. Der erste Brief ist Ende 694 = 60 oder Anfang 695 = 59 nach der Verlängerung des Amtes für das dritte Jahr geschrieben, der zweite im November 695 = 59. Der erste ist, wie schon erwähnt, ein Gegenstück zu dem commentariolum petitionis des Q. selbst, eine Einführung in seine Aufgaben als Provinzialstatthalter; er kommt an Umfang dem comment. pet. gleich und übertrifft damit alle anderen Briefe Ciceros; er ist ihm in der Form weit überlegen, entsprechend der Verschiedenheit beider Verfasser; er ist ihm aber darin ähnlich, daß der Schreiber nach eigenem [1291] Eingeständnis (10. 18. 45) dem Empfänger an praktischer Erfahrung nachsteht und daß er für seine Ratschläge eine gewisse Allgemeingültigkeit in Anspruch nimmt, obgleich sie auf die Person des Q. und auf die bestimmten Verhältnisse Asiens zugeschnitten sind (Sonderausgabe für den Schulgebrauch, doch darüber hinausgehend von Atzert Ausgew. Briefe Ciceros II. Münster 1929). Der zweite Brief bringt verschiedene Beschwerden über die Verwaltung des Q. in genauerer Fassung und in schärferer Tonart. (Für die erschöpfende Ausbeutung des Inhalts s. Drumann² VI 640ff.) Suet. Aug. 3, 2, der die Briefe anführt, hat sich seine Ansicht von der parum secunda fama der Amtsführung lediglich aus ihnen gebildet, nicht aus anderen Quellen. Q. war ein Statthalter von Durchschnittsmaß; die zweimalige Verlängerung der Amtszeit und das Unterbleiben einer Anklage, die eine Zeitlang gefürchtet wurde, sprechen zu seinen Gunsten. Er hielt seine eigenen Hände rein von unrechtem Gut (1, 7. 8. 9. 14. 18. 25. 30. 32. 37. 45. 2, 7. 3, 5. 4, 2), und er scheint auch seinen Untergebenen wenigstens keine schlimmeren Erpressungen erlaubt zu haben, wenngleich er ihnen manches überließ und besonders seinem vertrauten Sklaven Statius, den er im dritten Jahre der Statthalterschaft durch Freilassung auszeichnete und in die Heimat vorausschickte, sogar in der amtlichen Tätigkeit einen weitreichenden Einfluß einräumte (1, 17. 2, 1–3. 8; ad Att. II 18, 4. 19, 1. o. Bd. III A S. 2215). Seine Verwaltung hielt Ruhe, Ordnung und Sicherheit aufrecht (1, 25) und bemühte sich um einen gerechten Ausgleich zwischen dem Wohl des Landes und den Interessen des Staates, zwischen den Pflichten der Untertanen und den Forderungen der Steuerpächter. Zur Erleichterung der Provinz hob er die Beiträge für die aedilicischen Spiele in Rom (1, 26) und für die gegen die Seeräuber gerichteten Schiffsbauten als nicht mehr zeitgemäß auf (Flacc. 33. Schol. Bob. z. d. St. 238 Or. = 100 St.). Die Abschaffung von Binnenzöllen innerhalb der Provinz (portorium circumvectionis) stieß auf Widerstand, so daß Q. nach Beratung mit seinem Consilium sie dem Senat zur Entscheidung unterbreitete (ad Att. II 16, 4). Er nahm vielfach die Provinzialen vor den Publicanen in Schutz (1, 6. 7. 10. 24. 32–35. 36), was dann heftige Beschwerden der betroffenen Unternehmer römischer (1, 19. 2, 6) und griechischer Nationalität (1, 19. 2, 4f.) zur Folge hatte. Verschiedene Städte blühten dank seiner Hilfe wieder auf, so Samos (1, 25 vgl. III 7, 2 und u.), Halikarnassos (1, 25), Tralles (Flacc. 52; vgl. 1, 17), Magnesia am Sipylos (II 9, 2). Neben der Verwaltung lag er der Rechtspflege mit großem Eifer, aber auch mit großer Strenge ob (1, 19–22. 32. 2, 6; Flacc. 49, auch 78). Die Strenge wurde zu furchtbarer Härte, zumal bei seiner Leidenschaftlichkeit und Reizbarkeit; iracundia war sein schlimmster Fehler (1, 37ff. 2, 5ff.); er milderte sich mit der Zeit (1, 39. 40. 2, 8) und kam vor allem in heftigen mündlichen und schriftlichen Ausbrüchen zu Tage, denen nicht immer die entsprechenden Taten zu folgen brauchten (1, 38. 2, 6f. 9. 10). Eine ungerechte Entscheidung in einer Erbschaftsangelegenheit [1292] war hauptsächlich Gegenstand des Vorwurfs, weil dadurch ein designierter Praetor geschädigt wurde (2, 10f.). Nicht Erpressungen, sondern anderweitiger Amtsmißbrauch konnte Stoff für eine etwaige Anklage bieten, vielleicht gerade auch wie bei der Hetze gegen M. anfechtbare Todesurteile (Vergleichung der beiderseitigen Amtstätigkeit im allgemeinen 1, 43). Vielleicht ist er als Amtsvorgänger eines späteren Proconsuls, wohl des Q. Minucius Thermus 703 = 51 (o. Bd. XV S. 1973, 9ff.), genannt in dem Milesischen Exemplar (nicht in dem unvollständigeren Prienensischen, Inschr. von Priene 106) eines Erlasses (Milet II [Berl. 1908] 101–103 nr. 3 Z. 37: .... ο Κοϊν[τ]ου Τ.....ο .. 39.. ι Κικέρ[ων]ι....). Ein Ehrendenkmal beim Heraion in Samos, eine halbrunde Exedra, ist entweder unter seinem Proconsulat oder bei dem gemeinsamen Besuch im Juli 703= 51 (ad Att. V 13, 1) mit seiner und seines Bruders Statue geschmückt worden (Schede Abh. Akad. Berl. 1929. 3, 13f. mit Abb. 10); die Aufschrift der letzteren lautet: Ὁ δῆμος Μάρκον Τύλλιον (Athen. Mitt. 1919. XLIV 84; danach Hondius SEG I 381, auch Wiemer 28, 103 als Beleg zu ad Q. fr. I 1, 26); die der ersteren gibt Groebe bei Drumann² VI 639, 18: [Ὁ δῆμος] Κόιντον Τύλλι[ον Μαάρκο]υ υἱὸν Κικέρωνα, nach eigener Kenntnis eines anderweitig noch nicht publizierten Fundes (Auskunft von A. Rehm). Ob die freundlichen Beziehungen des Q. zu Deiotaros von Galatien (div. I 26 vgl. II 20; ad Att. V 17, 3. 18, 4 s. Nr. 32) bis auf das Proconsulat zurückgehen, ist kaum zu entscheiden. In der Provinz empfing er hohe Ehren (1, 30f. Planc. 100), u.a. durch Aufstellung eines überlebensgroßen Brustbilds, das M. im J. 703 = 51 sah (Macrob. Sat. II 3, 4. Wohl in Samos oder in Ephesos). Aber in Rom hatte sich in seiner Abwesenheit die Lage sehr verändert, und das bekam auch er zu spüren. M. beschwor ihn, sowohl auf die Triumvirn Pompeius und Caesar, wie auf die Ritter Rücksicht zu nehmen; da er selbst immer schwerer gefährdet war, mußte auch Q. darauf gefaßt sein, daß dieselben Gegner ihn angreifen würden (1, 41. 43). Er konnte nicht daran denken, sich nach der Rückkehr etwa um das Consulat zu bewerben; Ciceros Verbannung machte alle derartigen Hoffnungen der Familie zunichte, und ein Traum, den Q. noch in Asien hatte, gab ihm damals schwerlich Trost (div. I 58. II 136. 140). In denselben letzten Tagen des April 696 = 58 verließ M. Italien und Q. seine Provinz, indem jener von Brundisium und dieser von Ephesos abfuhr (ad Att. III 8, 1); in den nächsten Wochen waren beide gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung unterwegs, so daß die Vereinbarung einer Begegnung auch bei gutem Willen nicht leicht war (ebd. III 7, 3), und die von dem einen an den andern geschickten Boten nicht zu den richtigen Zeiten eintrafen; das zeigen besonders die Briefe, die Cicero, als es schon längst für ein Zusammentreffen zu spät war, aus Thessalonike am 13. Juni sowohl an Atticus (III 9) wie an Q. schickte (I 3) und anscheinend dessen Freigelassenen Phaethon zur Beförderung übergab (ad Att. III 8, 2; ad Q. fr. I 4, 4. o. Bd. XIX S. 1515, 63ff.). Denn inzwischen [1293] war Q. am 15. Mai in Athen (ad Att. III 9, 1) und Anfang Juni in Rom eingetroffen (de domo 59; Sest. 68). Auf das Wiedersehen mit dem Bruder während dessen Verbannung hatte er ebenso wie jener und wohl noch leichter verzichtet, um rasch nach Hause zu kommen (ad Att. III 9, 1. 10, 2; ad Q. fr. I 3, 1. 4), weil schon seit längerer Zeit von den gemeinsamen Feinden gegen ihn eine Anklage wegen seiner Provinzialverwaltung vorbereitet wurde (ad Att. II 4, 2. 18, 2. III 8, 2. 3. 4. 9, 1. 3; ad Q. fr. I 3, 2. 4. 10). Die Freunde in Rom empfingen ihn mit Sorge (Sest. 68; vgl. de domo 59. 96), zumal da ihm in einem Repetundenprozeß die beredte Verteidigung seines Bruders gefehlt hätte, die vor noch nicht ganz einem Jahre seinem schwer belasteten Amtsvorgänger L. Valerius Flaccus (s. d.) zur Freisprechung verholfen hatte; doch zum Glück entschwand die Gefahr einer Anklage sehr bald (ad Att. III 13, 2. 17, 1; ad Q. fr. I 3, 5f. 4, 2. 5). Q. konnte nun seinerseits für die Rückberufung des M. zu wirken anfangen (ad Att. III 15, 4. 6. 18, 2. 19, 2. 22, 1f.; ad Q. fr. I 4, 4f.). Die gemeinsame Bedrängnis wies die in Rom vereinigten Familienglieder auf festes Zusammenhalten trotz ihrer nie aufhörenden Spannungen hin (ad Att. III 11, 2. 13, 2. 17, 3. 19, 3. 22, 2. 23, 5; vgl. die gleichzeitig am 25. und wieder am 29. Nov. aus Dyrrachium an Atticus und an Frau und Kinder gerichteten Schreiben ebd. III 22f. und fam. XIV 1. 3; z. B. XIV 1, 4: De Quinto fratre nihil ego te accusavi, sed vos, cum praesertim tam pauei sitis, volui esse quam coniunctissimos). Mit dem Amtsantritt der neuen Volkstribunen am 10. Dez. 696 = 58 und der neuen Consuln Lentulus Spinther und Metellus Nepos am 1. Jan. 697 = 57 besserten sich die Aussichten für Ciceros Heimkehr; Q. war dafür unablässig tätig mit Klagen und Bitten bei Senat und Volk (p. red. in sen. 37; ad Quir. 5. 7f.; ad Att III 26. IV 1, 8; ad Q. fr. II 3, 7) und bei den führenden Männern (Sest. 145), wie dem Consul Metellus Nepos (schon ad Att. III 22, 2. 23, 1. 24, 2, dann fam. V 4, 1. 2 an Metellus selbst) und Pompeius, bei dem er sich förmlich für M. verbürgte (fam. I 9, 9 vgl. 10. 12. Plut. Pomp. 49, 3). Er geriet sogar in Lebensgefahr, als er den Antrag des Tribunen Q. Fabricius auf Ciceros Rückberufung am 23. (nicht 25., wie o. Bd. VI S. 1931, 3 gesagt ist) Jan. unterstützte und bei dem von den Clodianern erregten Tumult schwer verwundet als tot auf dem Comitium liegen blieb (Sest. 76. Plut. Cic. 33, 4; Pomp. 49, 3). So verdiente er den Dank und das Lob, die ihm Cicero zumal in den ersten Reden nach seiner Rückkehr Anfang Sept. in vollen Tönen aussprach (z. B. p. red. in sen. 37: pietate filius, consiliis parens, amore, ut erat, frater; fast wörtlich ebenso ad Quir. 8 und früher ad Q. fr. I 3, 3; s. auch u.). Als dann am 3. Nov. Clodius den begonnenen Neubau von Ciceros Haus gewaltsam störte, wurde von ihm das benachbarte Haus des Q. in Brand gesteckt (ad Att. IV 3, 2; Cael. 78; Mil. 87; vgl. fam. I 9, 5). Inzwischen hatte Pompeius die Getreideversorgung Roms übernommen und dem Cicero eine der 15 Legatenstellen angeboten, die ihm dafür bewilligt worden waren (ad Att. IV 1, 7. 2, 6); vielleicht an Ciceros Stelle, andernfalls an [1294] seine Seite trat Q. und ging wirklich Mitte Dezember als Legat nach Sardinien hinüber (ad Q. fr. II 1, 3 vgl. 1), wo er bis gegen den Juni des folgenden Jahres 698 = 56 blieb und die Briefe ad Q. fr. II 1–6 empfing (s. Sternkopf Herm. XXXIX 383ff.). Er selbst schrieb dem Bruder bald nach seiner Ankunft auf der Insel aus Olbia (ad Q. fr. II 3, 7. 6, 1), dann aber längere Zeit nicht mehr; Cicero meinte zwar, es wäre öfter Gelegenheit, Briefe von Sardinien nach Rom zu befördern, als umgekehrt (II 2, 1), doch war im Winter der Seeverkehr meistens unterbrochen (II 4, 7). Er sehnte sich nach Nachrichten von Q. und immer lebhafter nach dessen Rückkehr (II 2, 1. 4. 3, 7. 4, 7. 5, 3f. 6, 1. 2; ad Att. IV 9, 2). Er berichtete ihm über private und öffentliche Angelegenheiten, u. a. über den Prozeß des P. Sestius, weil Q. ihn wiederholt an die Dankesschuld gegen diesen gemahnt hatte (II 2, 1. 3, 6. 4, 1; s. o. Bd II A S. 1888, 18ff.); er suchte den Anfang April von Rom abreisenden Pompeius auf und bat ihn um baldige Entlassung des Q. (5, 3); aber Pompeius begab sich zunächst zu der Zusammenkunft in Luca, und als er von dort in Sardinien eintraf und mit Q. zusammentraf, machte er diesem schwere Vorwürfe über die Haltung, die Cicero beim Sestiusprozeß und sonst in letzter Zeit gegen die Triumvirn eingenommen hätte, und forderte von ihm geradezu die Einlösung des im Namen beider Brüder verpfändeten Wortes (fam. I 9, 9. 12). Q. brach jetzt sein langes Schweigen, indem er die Warnungen und Drohungen an M. weitergab (ebd. 9, 10; ad Q. fr. II 6, 1), bei dem sie ihre sofortige und nachhaltige Wirkung taten. Q. scheint sich in Sardinien übrigens gut bewährt zu haben (ad Q. fr. II 4, 7; Scaur. 39). Während seiner Abwesenheit war seine Familie in einer Mietwohnung untergebracht, weil sein Haus in den Carinen anderweitig vermietet war (ad Q. fr. II 3, 7). Für den Neubau des Hauses auf dem Palatin sorgte Cicero (ebd. 2, 2) und hoffte, daß er es nach dem 1. Juli, der gewöhnlichen Zeit des Wohnungswechsels (s. dazu fam. XIII 2. Suet. Tib. 35, 2. Petron. 38, 10. MartiaL XII 32, 1. CIL IV 138 = Dess. 6032), wieder beziehen könnte (ebd. 3, 7 vgl. 4, 2. 5, 3); aber die innere Einrichtung war noch im Herbst 700 = 54 nicht vollendet (ebd. III 1, 6. 14. 2, 3. 3, 1). Die zweite Hälfte des Jahres 698 = 56 und das folgende J. 699 = 55 unter dem zweiten Consulat des Pompeius und Crassus verlebte Q. ruhig in Rom und auf dem Lande, wo er während vorübergehender Trennung von dem Bruder im Februar dessen Brief ad Q. fr. II 7 empfing, Ende April einen an ihn richtete (ad Att. IV 9, 2) und im Mai darauf die Antwort II 8 bekam; für das eigene Leben des Q. ist diesen Briefen nichts Wesentliches zu entnehmen (trotz der ausführlichen Erörterung der alten Realencyklopädie über II 7, 2 und dessen Zusammenhang mit III 1, 14 de aede Telluris; s. dazu Jordan-Hülsen Topogr. d. St. Rom I 3, 324, 4, auch o. Bd V A S. 805). Aber er empfing damals die Widmung der bedeutenden Erzeugnisse der wissenschaftlichen Arbeit des M., der drei Bücher de oratore (I 1f. 4f. 23. II 10. III 1. 13. 15) und vermutlich auch der nach ihnen begonnenen [1295] Bücher de re publica (I 13. s. o.). Auch im nächsten Jahre 700 = 54 war er während der ersten Hälfte des Februar fern von Rom auf seinen Gütern und erhielt hier die Briefe ad Q. fr. II 9. 10. 11 als Erwiderung auf eigene Mitteilungen verschiedenen Inhalts (u. a. II 9, 3 die vielerörterte Bemerkung über Lucreti poemata; s. dazu Mewaldt o. Bd. XIII S. 1660. 1663). Er erwartete damals bereits Nachrichten von Caesar (II 10, 4), seinem früheren Amtsgenossen in der Aedilität und Praetur, in dessen Dienst er als Legat eintreten wollte; der Titel wird ihm von seinem Bruder (fam. I 9, 21) ausdrücklich beigelegt (s. auch Schol. Bob. Mil. 200 Or. = 124 St.), doch nirgends von Caesar selbst. Die Notwendigkeit einer näheren Verbindung mit Caesar hatte Q. vielleicht früher und schärfer erkannt als M. (ad Q. fr. II 13, 2 Anf. Juni: diu te me hercule saepe excitante) und hatte daraufhin seinen Entschluß gefaßt (II 10, 4f.); dieser mußte die Billigung des M. finden, weil er auch ihm in höchstem Maße zugute kam (III 8, 1 u. ö.); aber es heißt doch wohl, die Dinge allzu einseitig von Ciceros Standpunkt aus betrachten, wenn man Q. nur als von ihm zu Caesar ,geschickt‘ ansieht (so Drumann² VI 650. Maßvoller Kroll Kultur d. Cic. Zeit I 66f.). Die Abreise des Q. aus Rom erfolgte kurz vor dem 1. Mai (= 8. April Julianisch) 700 = 54, an welchem Tage M. ebenfalls von dort abreiste, doch in entgegengesetzter Richtung auf seine campanischen Besitzungen; Q. schrieb ihm von unterwegs schon kurz nach dem Aufbruch, dann aus Ariminum (DI 12, 1; s. M. Kapelle De epistulis a Cicerone a. LIV scriptis. Diss. Münster [Lpz.] 1906, 2ff.), weiterhin gegen Ende Mai aus Placentia und nach dem Zusammentreffen mit Caesar aus einem sonst unbekannten Orte Blandeno (II 13, 1; vgl. ad Att. IV 14, 2), nach der Vermutung Groebes (bei Drumann² VI 688ff.) Biandronno am Lago di Varese, unmittelbar vor dem Überschreiten der Alpen; er mahnte ihn immer wieder, sich mit Caesar und den gegenwärtigen Machthabern gut zu stellen (II 12, 1. 13, 2. 15, 1), zumal da dieser ihn selbst (II 13, 1) und andere von M. empfohlene Persönlichkeiten, wie C. Trebatius Testa (II 12, 1; an diesen fam. VII 7, 2. 17, 1; s. Sonnet o. Bd. VI A S. 2256f.), auf das freundlichste aufnahm und den M. direkt und indirekt seiner Freundschaft versicherte (II 13, 1. 15, 5. III 1, 9; ad Att. IV 17, 6). Q. hatte sofort in diesem Sommer Gelegenheit, an dem zweiten Zuge nach Britannien teilzunehmen, der wohl weniger von ihm selbst, als von dem Bruder daheim unter dem Gesichtspunkt betrachtet wurde, welchen reichen Stoff er für poetische Schilderung und Verherrlichung abgeben könnte (II 13, 2. 15, 4 s. u.). Soweit es die Kriegslage, die Seeverbindung, das Nachrichtenwesen (s. dazu Reincke o. Bd. XVI S. 1534. 1538. 1540) zuließen, war der Briefwechsel zwischen den Brüdern ziemlich lebhaft. Q. schrieb mehrere Male aus Gallien (ad Att. IV 15, 10 vom 27. Juli; fam. VII 7, 1, von Ende Juni. Sternkopf Herm. XL 18f.) im Laufe des Juni, zuletzt gegen dessen Ende (= Anfang Julianisch) vor der Überfahrt nach Britannien (ad Q. fr. II 14, 1); dann schickte [1296] er Nachrichten aus Britannien in den Monaten Juli (II 15, 4) und August, die bei raschester Beförderung in 27 Tagen in Rom eintrafen (III 1, 17. 25; ad Att. IV 18, 5), aber auch erheblich länger unterwegs waren (III 1, 13 vom 10. Aug. bis 13. Sept.; ebd. 14: pervetus epistola, sed sero adlata, noch früher abgeschickt; s. über die wirklichen Zeiten Groebe bei Drumann² III 802f., Anm.). Cicero antwortete zwischen dem 14. und 18. Sept. auf dem Arpinatischen Gute auf drei gleichzeitig erhaltene Briefe (ad Q. fr. III 1, 1—14 Mitte), einen umfangreichen (8—11) und zwei kürzere (11 und 12), und auf die zwei am 13. Sept. eingegangenen (13 und 14 s. o.); er fügte dann in Rom drei Nachschriften hinzu, am 20. Sept. (14 Mitte —19), im Laufe der folgenden Woche (20—22) und abschließend am 29. Sept. (23—25), worauf der ganze Brief abgeschickt wurde. Die erste Nachschrift war veranlaßt durch den Empfang eines Briefes Caesars und von Briefen des Q. an ihn (17; wegen der Überlieferung des Datums umstritten und z. B. von Kapelle 8ff. anders angesetzt) und an den Sohn Q. (19), die zweite dadurch, daß der Freigelassene Hippodamos auf Aufforderung des Q. (9) zu seinem Herrn gereist war, ohne etwas von M. für ihn mitzunehmen (21 f.), die dritte durch das Eintreffen eines Schreibens Caesars vom 1. Sept. (= 6. Aug. Julianisch), wonach dieser und Q. damals mit verschiedenen Transporten nach Gallien zurückkehrten (25; vgl. Caes. bell. Gall. V 23, 2 und Kraner-Meusel17 z. d. St.). Von da an blieben alle Nachrichten bis in das letzte Drittel des Oktober hinein aus, so daß Cicero über die Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz mehr als fünfzig Tage lang nichts erfuhr und daher in große Unruhe und Sorge geriet (III 3, 1 vom 21. Okt. Sternkopf 37). Schon in diesen Monaten hatte sich Q. zu längerem Verbleiben in Caesars Dienst entschlossen (II 14, 3. III 1, 9. 17); es mochte dazu beitragen, daß seine Erwartungen auf baldigen materiellen Gewinn durch die geringen Ergebnisse der britannischen Expedition (III 1, 10. 11. 8, 1; ad Att. IV 17, 6. 18, 5; günstiger Caesar selbst ad Q. fr. III 1, 25; vgl. Catull. 29, 4. 12. 20) enttäuscht worden waren. Nach Wiederherstellung des Postverkehrs empfing Cicero im November und Dezember (= Okt. und Nov. Julianisch) wiederholt Briefe von Q. (III 5, 3f. 8, 1. 3. 9, 2. 4. 9; ad Att. IV 19, 2), mußte aber bei der Unsicherheit der Verbindungen in allen Äußerungen vertraulicher Art Vorsicht beobachten und anraten (III 1, 21. 8, 2. 9, 3). Näheres Eingehen auf die in den Briefen dieses Jahres besprochenen Verhältnisse, auch nur auf die privaten und geschäftlichen des Q. ist hier nicht möglich und nicht nötig. Nach der Rückkehr auf gallischen Boden war es zunächst noch nicht sicher, wo er das Winterquartier beziehen würde (III 3, 4). Nachdem Caesar sich wegen der Verpflegungsschwierigkeiten zur Verteilung der einzelnen Legionen über einen weiteren Raum entschlossen hatte (bell Gall. V 24, 1), ließ er dem Q. selbst eine gewisse Auswahl (ad Att. IV 19, 2) und übergab ihm dann den Befehl über die ins Gebiet der Nervier gelegte Legion. Diese Nachricht von Q. ist ziemlich die letzte in den erhaltenen Briefen Ciceros an ihn [1297] (III 8, 2 wegen der Briefbeförderung: Ubi enim isti[!] sint Nervii et quam longe absint nescio. Ob etwa Wortspiel 9, 2 E. über Unterstützung der Consulatsbewerbung Milos: ego sustinebo ut potero, et tu ut possis est tuorum nervorum?) und die erste in dem Bericht Caesars über ihn (bell. Gall. V 24, 2). Das Winterlager bei den Nerviern war ungefähr 50 römische Meilen (= 74 km) von dem bei den Eburonen entfernt (ebd. 27, 9), das mit 11/2 Legionen unter Q. Titurius Sabinus und L. Aurunculeius Cotta belegt wurde. Hier kam unter Führung des Ambiorix sehr bald der Aufstand zum Ausbruch, der durch seine Plötzlichkeit und Stärke und durch das Versagen des höheren der beiden Legaten (s. d. o. Bd. VI A S. 1576f.) die vollständige Vernichtung dieses römischen Heeres erreichte. Der siegreiche Ambiorix eilte mit seiner Reiterei in der nächsten Nacht zu den Atuatukern, die sich ihm sofort anschlössen, und am folgenden Tage weiter zu den Nerviern, die er ebenso rasch dafür gewann, mit ihm und seinen und ihren eigenen Verbündeten den nichtsahnenden Cicero mit gewaltiger Übermacht zu überfallen (ebd. 38, 1ff. 39, 1. 3). Der Hauptbericht über die folgenden Ereignisse ist der Caesars (38, 1—53, 1); soweit Q. im Mittelpunkte steht, ist er selbst dessen Hauptquelle gewesen. Die späteren Historiker (Liv. ep. CVI mit Nennung der Treverer statt der Nervier. Oros. VI 10, 2-8. Plut. Caes. 24, 1-4. Dio XL 7, 1—10, 3; auch Frontin. strat. III 17, 6. Polyain. VIII 23, 6 Appian. Celt. frg. 20 aus Suid.) hängen wesentlich von Caesar ab. Die gründliche Verwertung der neueren Forschungen bis zu Rice Holmes und C. Jullian in den Erläuterungen von Kraner-Meusel17 erspart deren Anführung für Einzelheiten, wie für die vielbehandelte Ortsfrage (Erläuterung zu 39, 1. 42, 5. 43, 6. 48, 2. 49, 5; auch Linckenheld o. Bd. XVII S. 59f.) oder das Datum des Überfalls (Erläuterung zu 37, 2. 38, 2). Die Überraschung der Römer war so geglückt, daß eine Anzahl von ihnen, die zum Holzfällen in den Wäldern zerstreut waren, niedergemacht und das Lager mit knapper Not vor einem Handstreich gerettet, aber sogleich vollständig eingeschlossen wurde (39, 2—4); abgesandte Eilboten wurden an diesem wie an späteren Tagen durchweg abgefangen (40, 1. 45, 1). In der folgenden Nacht erhöhten die Römer in fieberhafter Eile den Wall durch 120 hölzerne Aufbauten (40, 2: turres s. dazu Drumann-Groebe III 278, 3. Mit den 42, 5 geschilderten feindlichen Belagerungstürmen zusammengeworfen bei Oros. 3). Am zweiten Tage wiederholten die beträchtlich verstärkten Feinde den Sturmangriff und füllten den Graben aus, wurden aber wiederum zurückgeschlagen, ebenso wie an den nächsten Tagen; regelmäßig mußten die Belagerten die ganze Nacht hindurch angestrengt tätig sein, um die Verteidigungsanlagen für den folgenden Tag wieder instand zu setzen; auch die Kranken und Verwundeten legten Hand an (40, 2—6), und Q. selbst schonte seine ohnehin schwache Gesundheit so wenig, daß er von seinen Soldaten gezwungen werden mußte, sich etwas Ruhe zu gönnen (40, 7). Die Feinde versuchten nun, auf demselben Wege wie bei Q. Titurius Sabinus durch Unterhandlung [1298] und Überlistung bei ihm ihr Ziel zu erreichen (41, 1—6. Dio 2); aber er ließ sich nicht einschüchtern und nicht in die Falle locken, sondern wies mannhaft jede Verhandlung ohne vorhergehende Waffenniederlegung der Aufständischen ab (41, 7f.). Darauf entschlossen sie sich zu einer förmlichen Blockade und Anwendung von Belagerungswerkzeugen nach der den Römern abgelernten Art und Weise; bei ihrer gewaltigen Masse, die bis gegen 60 000 Mann anschwoll (49, 1. Plut 3), vermochten sie in kaum drei Stunden trotz des Mangels an Arbeitsgerät einen 10 Fuß hohen Wall und 15 Fuß tiefen Graben im Umfang von drei Meilen (= 4½ km) um das Lager zu ziehen (42, 1—4. Oros. 3) und in der Folgezeit auch Belagerungstürme von der Höhe des Festungswalles zu bauen (42, 5. Oros. [s. o.]). Der schlimmste Tag für die Bedrängten war der siebente (über dessen Berechnung Kraner-Meusel17 zu 42, 5), wo es den Angreifern gelang, durch Brandgeschosse eine große Feuersbrunst im Lager hervorzurufen (43, 1—5. Oros. 4f.); auch diese Gefahr wurde überstanden, und einzelne tapfere Centurionen zeichneten sich besonders aus (43, 6f. 44, 1—14). Doch die Kräfte der kleinen Truppe wurden immer schwächer, da schließlich nicht mehr der zehnte Mann unverwundet war (45, 1. 52, 2f.). In dieser höchsten Not schlich sich endlich einer der abgeschickten Boten, der Leibeigene des allein auf römischer Seite kämpfenden Nerviers Vertico, glücklich zu Caesar durch und brachte ihm die Nachricht von der schweren Bedrängnis der Legion (45, 2—5. Oros. 6. Dio 8, 2). Zu der Frage, wo er diese erhielt, ob nach dem Aufbruch aus Samarobriva (j. Amiens) zum Süden (so Plut. 4. Appian. Dio 9, 1), s. Kraner-Meusel17 zu 45, 4, aber auch die Meinung des Q. Titurius Sabinus über den erfolgten Aufbruch 29, 2. Caesar traf mit seiner gewohnten Schnelligkeit und Tatkraft alle Maßregeln und eilte mit zwei Legionen dem Q. zu Hilfe. Dessen Benachrichtigung von dem nahen Entsatz war bei der engen Einschließung nicht leicht und verzögerte sich durch einen Zufall noch um zwei Tage (ausführlich darüber 48, 2—8. Dio 9, 1—4. Polyain.); sie erregte dann die größte Freude und erhielt bald durch Rauchsignale Caesars ihre Bestätigung (48, 9f. Dio 10, 1. Polyain.). Die Feinde hoben die Belagerung auf und zogen dem Entsatzheer entgegen, das durch einen von Q. geschickten Boten, wiederum einen der Leute des Vertico, rechtzeitig von der veränderten Lage in Kenntnis gesetzt wurde (49, 1—4). Caesar schlug die Kelten vollständig und traf noch an demselben Tage im Lager des Q. ein (52, 1). Nachdem er hier die volle Einsicht in die Verhältnisse bekommen hatte, sprach er ihm, den Offizieren und der ganzen Legion seine wohlverdiente große Anerkennung aus (52, 2—53, 1). Er hat sie auch durch die Darstellung in den Commentarien zum Ausdruck gebracht (s. Kraner-Meusel17 zu 24, 2. 40, 7. 52, 4), und man darf daraufhin dem Urteil Boissiers (Ciceron et ses amis 254) beistimmen: Ce beau fait d’armes relève Quintus.....et l’aide à soutenir avec un peu plus d’honneur le rôle ingrat et difficile de frère cadet d’un grand homme. Q. blieb auch in den zwei folgenden Jahren in Gallien [1299] und hatte 701 = 53 noch einmal eine ähnliche Gefahr wie bei den Nerviern zu bestehen. Er wurde, während Caesar den Rachezug gegen Ambiorix und die Eburonen unternahm, mit der 14. Legion und 200 Reitern zur Bewachung des gesamten Gepäcks im Lager von Atuatuca, der Stätte der Niederlage des Sabinus und Cotta, zurückgelassen (Caes. VI 82, 3—6). Sieben Tage lang, in deren Verlauf Caesar seinen Zug zu beenden gedachte, hielt Q. seine Truppen in dem festen Lager beisammen, ließ dann aber im Gefühl der vollen Sicherheit die Hälfte der aus Rekruten bestehenden Legion und eine aus Rekonvaleszenten anderer Legionen zusammengesetzte Abteilung mit großem Troß zum Getreideholen in die Umgegend ausrücken (36, 1—3). Er wußte nicht, daß 2000 germanische Reiter aus dem Stamme der Sugambrer den Rhein überschritten hatten, raubend im Lande umherschweiften und auf das nahe und schwach besetzte, eine reiche Beute versprechende Römerlager einen Anschlag machten (35, 4—10). Sie brachen plötzlich aus den Wäldern hervor und wären beinahe durch die kaum bewachte Porta Decumana und andere Eingänge ins Lager eingedrungen (37, 1—10). Mit Mühe hielt die wachhabende Cohorte stand, bis sich die übrigen innerhalb der Befestigungen befindlichen gesammelt hatten und wenigstens hier die Gefahr abwehrten (38, 1—4). Aber die ringsum im offenen Gelände fouragierenden Mannschaften waren abgeschnitten und schwer bedroht, zumal da die Rekruten und die Troßknechte ganz rat- und hilflos waren (39, 1—40, 3). Die 300 altgedienten Leute schlugen sich in ihrem geschlossenen Verbande durch (40, 4), und die Tapferkeit und Aufopferung einiger Centurionen ermöglichten schließlich auch den meisten der übrigen, sich in das Lager zu retten (40, 5—8); aber es wurden doch so viele umzingelt und niedergemacht, daß die gesamten Verluste der Stärke von zwei Cohorten gleichkamen (40, 8. 44, 1). Die Germanen konnten nichts weiter versuchen und kehrten mit ihrer vorher gemachten Beute ungehindert heim, und Caesars Rückkehr mit der Hauptmacht befreite Q. und die Seinigen von aller Furcht. Der Oberfeldherr mißbilligte die mangelhafte Wachsamkeit der Untergebenen, enthielt sich aber öffentlich und in seinem Berichte eines schärferen Tadels (42, 1—3; vgl. 35, 2; dagegen vertraulich Caesar epistolarum ad Ciceronem: Neque, inquit, pro cauto ac diligente se castris continuit Charis. GL I 126, 11). Von Briefen des Q. an seinen Bruder ist aus diesem Jahre einer über die Freilassung des Tiro erhalten (fam. XVI 16). 702 = 52 blieb er von Rom abwesend (Cic. Mil. 102 mit Schol. Bob. [s. o.]) und kam vielleicht damals in nähere Berührung mit A. Hirtius und C. Vibius Pansa, die ebenfalls unter Caesar dienten (fam. XVI 27, 1. 2 s. o. Bd. VIII S. 1957, 1ff. Auch Bekanntschaft mit Divitiacus [div. I 90], falls dieser damals noch lebte, was zweifelhaft ist). Er nahm jedenfalls an der Niederwerfung des großen Keltenaufstands teil und bezog danach mit der schon im Vorjahr von ihm geführten 14. Legion das Winterquartier bei den Haeduern in Cavillonum am Arar, j. Chalon-sur-Saône (Caes. VII 90, 7 vgl. VIII 4, 3). Aber er ist wohl [1300] noch vor dem Ende des Jahres von Caesar entlassen worden und nach Rom zurückgekehrt, um sich seinem Bruder im nächsten Jahre in der diesem zugewiesenen Provinz Kilikien zur Verfügung zu stellen. Cicero begann damals die nicht vollendete Schrift de legibus; er wählte dafür als Personen sich selbst, Q. und Atticus, als Schauplatz des Gesprächs seines und des Bruders gemeinsame Heimat Arpinum und als Zeit die unmittelbare Gegenwart. Es wird daraus zu entnehmen sein, daß Q. zwischen der Heimkehr aus Gallien und dem Aufbruch nach dem Osten hauptsächlich auf seinem Arcanum in dieser Gegend weilte, wie er sich auch hier Anfang Mai 703 = 51 dem M. für die Reise anschloß. Sein letztes Zusammensein mit seiner Gattin Pomponia bei der Abreise wird von diesem (ad Att. V 1, 3f.) als Augen- und Ohrenzeugen so geschildert, als ob Q. versöhnlich und freundlich, die Frau aber schroff und lieblos gewesen sei. Beide Brüder nahmen ihre jungen Söhne mit. Während ihres Aufenthalts in Athen Ende Juni war Q. mit dem dortigen Geschäftsträger des Atticus, Xenon, viel zusammen (ebd. V 10, 5 vgl. 11, 6). In dem Stabe des Proconsuls M. war er als praetorischer Legat der ranghöchste und erfahrenste nach C. Pomptinus, der ein Jahr vor ihm Praetor gewesen war (ebd. VI 3, 1. 6, 3; fam. II 15, 4. XV 4, 8), und hatte das Hauptverdienst an den kriegerischen Erfolgen gegen die Gebirgsstämme des Amanos. Bei dem Überfall am 13. Okt. führte er eine der drei Heeresabteilungen, und zwar die, bei der Cicero selbst als der nominelle Oberbefehlshaber war (fam. XV 4, 8). Dann leitete er anscheinend die Belagerung von Pindenissos bis zu der Einnahme in den letzten Tagen des Dezember (ebd. XV 4, 10; ad Att. V 20, 5). Er verteilte die Truppen auf die eben bezwungenen, aber noch unzuverlässigen Ortschaften als Winterquartiere und blieb selbst bis zum Juni 704 = 50 hier an der Ostgrenze der Provinz, getrennt von seinem Bruder und weiter als dieser von der Heimat entfernt (fam. XV 4, 10; ad Att. V 20, 5. 21, 6; vgl. 14. VI 1, 12. 3, 2). Deswegen empfing sein Sohn in Laodikeia am 17. März nach seinem Wunsch, aber in seiner Abwesenheit die Männertoga (ad Att. V 1, 12) und öffnete manche für ihn bestimmten Briefe, ehe sie bis zu ihm gelangten (ebd. 3, 8), darunter auch solche über Pomponias Absicht der Scheidung ihrer Ehe (ebd. VI 2, 1f. 3, 8. 7, 1. 9, 3). Cicero bestellte damals dem bithynischen Statthalter P. Silius Grüße von Q. (fam. XIII 62. 63, 1) und erwog dessen Einsetzung zu seinem Stellvertreter, weil er selbst die Ankunft eines Nachfolgers nicht abwarten wollte und den Pomptinus bereits entlassen hatte; er ließ den Gedanken aus verschiedenen Gründen fallen, teils weil Q. schon die asiatische Statthalterschaft ungewöhnlich lange geführt hatte, teils weil er gar keine Lust zu der Übernahme der Stellvertretung hatte (ad Att. V 21, 9. VI 1, 14. 3, 1f. 4, 1. 6, 3f. 9, 8. VII 1, 1; fam. II 15, 4), teils weil er bei seiner unberechenbaren Heftigkeit den bisherigen guten Ruf der Verwaltung Ciceros schädigen konnte (ad Att. V 6, 4; vgl. 2, 2; fam. II 15, 4). So wurde die Rückreise von den Brüdern und ihren Söhnen gemeinsam angetreten und in langsamen Fahrten [1301] und mit Aufenthalt an verschiedenen Orten zurückgelegt; von Patrai bis Korkyra in der ersten Hälfte des November fuhren Q. und sein Sohn auf einem besondern Schiff (fam. XVI 3, 1) und machten einen Abstecher nach den epeirotischen Gütern des Schwagers Atticus (ebd. 7; ad Att. VII 2, 3; Erinnerungen an den Besuch [anachronistisch] verwertet leg. II 7; gemeinsame Briefe von diesem Teil der Reise an Tiro fam. XVI 1. 3. 4. 5. 6 Aufschr.). Nach einem Zusammentreffen in Korkyra am 16. November (fam. XVI 7 Aufschr.) setzten sie vielleicht die Fahrt auch weiterhin getrennt fort; es ist nicht klar, ob alle vier oder nur M. und sein Sohn am 24. Nov. in Brundisium eintrafen, wo sie von Terentia, doch nicht von Pomponia empfangen wurden (ebd. XVI 9, 2; ad Att. VII 2, 1f.). Jedenfalls trennten sich die Brüder für eine Weile im Dezember auf italischem Boden. Wenn Cic. ad Att. VII 5, 2 um den 16. Dez. vom Formianum aus sein Befremden äußert, daß Pomponia nicht nach dem Arcanum gekommen sei, so wird Q. kurz vorher auf dieser seiner Besitzung angelangt sein und wider Erwarten seine Frau nicht vorgefunden haben. In derselben Zeit wird Q. den Brief mit dem Gruße seines Sohnes an Tiro gerichtet haben, der fam. XVI 8 vor dem Briefe des M. und seines Sohnes aus Brundisium vom 26. Nov. steht und dieselbe Mahnung zur Vorsicht bei der Seefahrt wie dieser (ebd. 9, 4) enthält; die Datierung auf Dez. 704 = 50 ist auch von O. E. Schmidt (Briefwechsel des Cic. 102 vgl. 402) gegeben worden, aber im Widerspruch dazu noch eine zweite auf Ende Januar 705 = 49 (ebd. 121 vgl. 404), wobei anscheinend die Verschiedenheit der Briefschreiber Q. und M. übersehen worden ist (ebenso bei Drumann-Groebe² VI 358, 5). In den ereignisreichen Tagen im Anfang 705 = 49 waren Q. und sein Sohn mit M. und dessen ganzer Familie vor Rom zusammen (fam. XVI 11 vom 12. Jan.: Tullius et Cicero, Terentia, Tullia, Q. Q. Tironi s. p. d., ohne Pomponia). Am 23. Jan. waren die Brüder in Minturnae (fam. XIV 14, 2 an Terentia), folgten am 3. Febr. der Aufforderung der Consuln zu einer Zusammenkunft in Capua (ad Att. VII 18, 1), brachen am 17. Febr. mit ihren Söhnen zu Pompeius nach Apulien auf, kehrten aber angesichts der veränderten Lage in Cales wieder um (ad Att. VIII 11 D, 1. 3) und warteten die weitere Entwicklung auf ihren Landsitzen ab. An der Unterredung des M. mit Caesar in Formiae am 28. März nahm Q. nicht teil, empfing jedoch bald darauf in den ersten Tagen des April den Besuch des Bruders auf seinem Laterium (ad Att. X 1, 1) und seinem Arcanum (ebd. X 2, 1. 3). Sie entschieden sich jetzt endgültig für die Partei des Pompeius, und gerade daraufhin sagte sich plötzlich der junge Q. von ihnen los und eilte zu Caesar nach Rom; der Vater mißbilligte das ganz und gar, obgleich der Sohn auch in seinem Interesse zu handeln behauptete (ad Att. X 4, 6, wo simulatio pietatis einseitige Auffassung ist). Später, nachdem sich die Entscheidung als falsch erwiesen hatte, beschuldigten die Brüder sich gegenseitig, daß der eine den andern nach sich gezogen habe, und Q., der als früherer Legat Caesars von vornherein fürchten mußte, daß sein [1302] Übergang zu Pompeius ihm als Verrat an Caesar angerechnet würde (ad Att. IX 1, 4), erhob die Beschuldigung gegen M. mit umso leidenschaftlicherer Bitterkeit (ebd. XI 9, 2. 12, 1). Dessen Äußerungen aus dem März und April 705 = 49 klingen in der Tat so, als ob sich Q. nach ihm gerichtet hätte (IX 1, 4. 6, 4. X 4, 5. 6), und im Anfang 707 = 47 erhob er bei Caesar auf die Kunde, daß dieser dem Q. auf das höchste zürne (XI 9, 2) und ihn für seine damalige Haltung verantwortlich mache (XI 12, 1: lituum meae profectionis fuisse.....scripsit; vgl. das ähnliche Bild: tuba belli civilis fam. VI 12, 3), ausdrücklichen Einspruch dagegen (ebd.: Nihil enim erat, quod minus eum vellem existimare quam me tanta de re non meo consilio usum esse. 2: illum.....fuisse mei... itineris comitem non ducem). Auch in diesen Monaten von 705 = 49 vor dem Verlassen Italiens sah sich Q. einerseits durch die Auseinandersetzungen mit seiner Frau (X 11, 1. 3), anderseits durch die Notwendigkeit, die finanzielle Hilfe ihres Bruders in Anspruch zu nehmen (ebd 2; vorher VII 18, 4 vom 3. Febr., gleich nachher X 15, 4 vom 8. Mai), in zwiefacher Bedrängnis. Im Lager der Pompeianer war Q. gleich seinem Bruder M. nichts als ein untätiger Beobachter der Ereignisse (Cic. div. II 53). Nach der Schlacht bei Pharsalos am 9. Aug. 706 = 48 waren sie erst in Korkyra zusammen, dann in Patrai, wohin nach ihnen auch der Sohn Q. kam, und hier folgte nun das bereits erwähnte Zerwürfnis (ad Att. XI 5, 4). In tiefem Groll schieden sie voneinander; Cicero begab sich nach Brundisium, wo er ein volles Jahr in peinlicher Ungewißheit über seine Zukunft verleben sollte, und die Quinti blieben in Achaia und wollten möglichst bald versuchen, Caesar zu erreichen und seine Verzeihung zu erbitten. Anfangs hatte der Vater vor, selbst nach Asien zu gehen (XI 6, 7); da dies bei der weiteren Entwicklung der Dinge nicht ausführbar war, blieb er in Achaia, eine Zeitlang in Sikyon (XI 7, 7. 8, 2), dann wieder in Patrai (XI 10, 1. 16, 4; vgl. auch Achaici deprecatores u. ä. 14, 3. 15, 1. 16, 2), und schickte nur seinen Sohn dem Caesar nach (s. Nr. 32). Bis dieser in Antiocheia seinen Auftrag erfüllen konnte, wurde es Mitte Juli 707 = 47; dann gewährte Caesar auf Fürsprache des Hirtius und nach Nepos (Att. 7, 3) auch aus Rücksicht auf Atticus ohne weiteres dem Vater und dem Sohne die volle Begnadigung (XI 20, 1. 21, 3. 22, 2), wie er sie ja auch dem Cicero zuteil werden ließ. Indes die Wartezeit war für Q. in Griechenland nicht viel kürzer als für M. in Brundisium und nicht minder quälend und ungewiß, zumal unter dem Eindruck der wechselnden Nachrichten von Caesars Bedrängnis und der Sammlung seiner Gegner in Afrika. In dieser Stimmung wiederholte Q. gegenüber dritten Personen mündlich (XI 8, 2. 10, 1. 11, 2. 12, 1. 16, 4) und schriftlich (XI 9, 2f. 10, 1. 12, 1. 13, 2) stets aufs neue die Vorwürfe gegen seinen Bruder und erregte diesem vorübergehend die Furcht, er würde ihm durch seine Rückkehr zu den Pompeianern schaden (XI 14, 1. 3. 15, 2), weit mehr und nachhaltiger die, er würde es bei Caesar erreichen (XI 7, 7. 8, 2. 20, 1. 22, 1). Briefe des Q. an andere waren so gehässig, daß M. nach [1303] ihrer Lektüre an seinem 60. Geburtstage in die Klage ausbrach, er wünschte nie geboren zu sein oder nie einen Bruder bekommen zu haben (XI 9, 21.); ein Brief, den Q. schließlich auf Anregung des Atticus im März unmittelbar an M. schrieb, war ebenfalls bitter und unfreundlich (XI 13, 2. 4. 15, 2. 16, 4; s. O. E. Schmidt 217f.), und noch, als die Wendung zum Guten eingetreten war, erneuerte die nachträgliche Einsicht eines Briefes des Q. an Atticus bei M. alle schmerzlichen Gefühle (XI 21, 1. 22, 1. Ende August). Die Wendung zum Guten, die Begnadigung durch Caesar, hatte Q. bereits Anfang Juli erfahren und durch einen neuen, diesmal glückwünschenden Brief an den Bruder die Versöhnung eingeleitet (XI 23, 4). Unter Caesars Herrschaft sah er sich vollkommen kaltgestellt; deshalb begrüßte er im Sommer 708 = 46 die Aufnahme seines Sohnes unter die Luperci als Gunstbeweis der Machthaber (XII 5, 1) und billigte wohl auch Ende des Jahres seinen Eintritt in Caesars Dienst für den Feldzug in Spanien, wo freilich mitunter seine politische Gesinnung von dem Sohne selbst verdächtigt wurde (XIII 37, 2). Am 24. Nov. 708 = 46 nahm er mit Cicero, Atticus und Q. Axius an einer Beratung teil, die vielleicht die Wiederverheiratung seines von Terentia geschiedenen Bruders zum Gegenstande hatte (XII 1, 2 vgl. 1. O. E. Schmidt 267f.). Seine eigene Ehe mit Pomponia war im Grunde schon längst gelöst und brach im Laufe des Jahres 709 = 45 ganz auseinander, obgleich Cicero und Atticus mündlich und schriftlich wiederholt zu vermitteln suchten (XII 28, 3. XIII 20, 3. 21, 2. 47, 3), und der zwischen den entzweiten Eltern hin und her gerissene Sohn bei der Rückkehr aus Spanien im August sich mit Klagen und Anklagen einmischte (XIII 38, 1. 39, 1. 40, 2. 41, 1. Zur Datierung s. Nr. 32) und dem Vater seine Verstimmung noch später zeigte (XII 42, 1 E. vom Dezember. XIV 10, 4. 13, 5 vom April 710 = 44). Jedenfalls war die Scheidung im Frühjahr 710 = 44 vollzogen; Q. hatte zwar Schwierigkeiten bei der Rückzahlung der Mitgift Pomponias, fühlte sich aber sonst wie befreit und wies den Gedanken einer neuen Ehe ab (XIV 13, 5; vgl. zu dem angeblichen Heiratsplan noch 17, 3). Er war in der Folgezeit meistens mit Cicero auf dem Lande zusammen, im Mai (XIV 17, 3. 20, 3. XV 1, 4. 2, 2. 3, 2) und wieder im Juli (XV 29, 2. XVI 1, 6) in Campanien, im Juni auf dem Tusculanum (XV 19, 2. 20, 4. 21, 1. 26, 1); an diesen Ort und in diese Zeit verlegte Cicero die Unterhaltung mit ihm, die den Inhalt der schon früher entworfenen, aber erst damals nach Caesars Tod abgeschlossenen Bücher de divinatione bildet (I 8). In der Beurteilung der politischen Lage war Q. damals mit dem Bruder einig; er verurteilte infolgedessen die Parteinahme seines Sohnes für den ermordeten Dictator und dessen Nachfolger (XIV 17, 3. 19, 3) und war nach anfänglicher Bestürzung (XV 19, 2) sehr erfreut, als sich der junge Mann von ihnen zu den Republikanern wandte (XV 21, 1); er unterstützte deshalb auch die Bitte des Sohnes, daß sich Cicero für diesen bei Atticus verbürgen sollte (XVI 1, 6 vgl. 3, 3. 5, 2). Gegen Ende des Jahres war Q. nicht mit Cicero an demselben Orte, sondern mit ihm in [1304] brieflichen Verkehr (XVI 11, 8 vom 5. Nov. von dem Puteolanum). Aus dieser Zeit sind von ihm zwei Briefe an Tiro erhalten; der erste (fam. XVI 26) enthält nur einen Vorwurf über das Fehlen eines Schreibens Tiros in einer Postsendung des M. und liegt dem zweiten nicht viel voraus, weil dieser darauf zurückgreift (ebd. 27; vgl. die Anfänge, zumal die Wiederholung von verberari); der zweite stellt ein Wiedersehen in Rom am 30. Dez. in Aussicht, ist also etwas früher geschrieben, und verspricht sich wenig von den am 1. Jan. 711 = 43 ihr Amt antretenden Consuln Pansa und Hirtius. In derselben Zeit, am 20. Dez., wurde Q. von M., als dieser seinen Sohn gegen Antonius in Schutz nahm, so erwähnt, als ob zwischen Vater und Sohn nur herzliches Einvernehmen herrschte und nie getrübt worden wäre (Phil. III 18). Die einzige Erwähnung des Q. im J. 711 = 43 ist die seiner Anwesenheit in Ciceros Hause bei einer Besprechung am 26. Mai (fam. X 25, 3 an C. Furnius, den Legaten des L. Plancus in Gallien). Er war auch bei Cicero auf dem Tusculanum im Anfang Dezember, als sie erfuhren, daß sie beide mit ihren Söhnen auf die Proscriptionsliste der Triumvirn gesetzt seien; sie beschlossen die Flucht nach Astura (Plut. Cic. 47, 1) und weiter übers Meer. Aber unterwegs stellten sie fest, daß Q. gar nicht und M. nur notdürftig mit Mitteln versehen sei; deswegen kehrte jener nach schmerzlichem Abschied nochmals um (ebd. 2—4); er fiel nach einigen Tagen mit seinem Sohne durch Verrat seiner Sklaven den Häschern in die Hände und wurde getötet (ebd. 4). Von ihrem Ende berichtet Appian (bell. civ. IV 83 vgl. für die Ächtung 73), daß jeder von beiden bat, ihm vor dem andern den Tod zu geben (vgl. als Gegenstück die Brüder Titii im J. 708 = 46 bell. Afr. 28, 4 o. Bd. VI A S. 1557, 39f.), und daß darauf die Mörder beide gleichzeitig umbrachten; Dio XLVII 10, 6f. erzählt, der Sohn habe den Vater gerettet und verborgen und habe auch auf der Folter das Versteck nicht verraten, worauf der Vater selbst sich ausgeliefert habe. Schwerlich ist eine dieser zwei Versionen glaubwürdig; aber sie zeigen, daß das bekannte Urteil, die Söhne der Proscribierten seien die treulosesten von allen Angehörigen gewesen (Vell. II 67, 2), in diesem Fall nicht zutrifft, und sind insofern gegenüber manchen ungünstigen Eindrücken von Vater und Sohn nicht ohne Wert.

Ein unbefangenes Urteil über Q. wird dadurch erschwert, ja beinahe unmöglich gemacht, daß die Zeugnisse für sein Leben und Wesen fast ausschließlich von seinem Bruder herrühren. Das Verhältnis zu diesem war bis zu dem nach Pharsalos erfolgten Bruch ein sehr herzliches und wurde auch in den letzten Lebensjahren ziemlich so warm wie früher. Die lebhaftesten Äußerungen der brüderlichen Liebe hat M. in den Zeiten tiefster Niedergeschlagenheit oder im Rückblick auf diese getan (z. B. ad Q. fr. II 3, 7: tua..... prudentia, patientia, virtute, pietate, suavitate; ad Att. III 10, 2: quem ego.....quom pluris facerem quam me ipsum semperque fecissem. IV 1, 8: insigni pietate, virtute, fide praeditus; Sest. 145: incredibili pietate, amore inaudito; p. red. in sen. 37; ad Quir. 8. s. o. häufig Anrede [1305] und Bezeichnung: frater optimus, amantissimus, dulcissimus, carissimus, unicus u. dgL); Nep. Att. 16, 2 vgl. 5, 3 meint aber, M. sei mit Atticus am engsten befreundet gewesen, ut ne frater quidem ei Quintus carior fuerit aut familiarior, was für die spätere Zeit durch die Briefe bestätigt wird. Die vorherrschende Meinung ist, daß Q. trotz eigener geistiger Begabung sich dem weit überlegenen Bruder voll Hingebung und Bewunderung unterzuordnen pflegte (Drumann² VI 663f. Wiemer 17–19. Kroll Kultur d. Cic. Zeit II 111); aber dessen eigenes Anlehnungsbedürfnis war so groß, daß er seinerseits den Q. nicht selten um Rat fragte und auf seinen Rat hörte (einzelne Beispiele s. o.) und öffentlich aussprach (de or. I 4): Neque auctoritate quisquam apud me plus valere te potest neque voluntate. Es ist beachtenswert, daß er dem Q. die beiden ersten großen Erzeugnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit widmete, daß er zu dem einen, den Büchern vom Redner, von ihm angeregt worden ist (de or. I 1. 5. II 10. III 13. 15) und bei dem andern, den Büchern vom Staate, vorübergehend daran dachte, sich selbst und Q. als Sprecher einzuführen (ad Q. fr. III 5, 2), und daß er nicht ohne Grund und ohne die Zustimmung des Q. in späteren Dialogen, in denen er das tat, gerade ihm gewisse Anschauungen in den Mund legte, wie die scharfe Verurteilung des revolutionären Volkstribunats (leg. III 19ff.) – des Amtes, das M. und Q. verschmäht hatten, – oder die Vertretung der stoischen Divinationslehre (div. I 9–132). Es ist auch nicht belanglos, daß der menschenkundige und beide Brüder gut kennende Caesar die größere Schuld an ihrer Parteinahme im Bürgerkrieg dem Q. beimessen wollte (ad Att. XI 12, 1 s. o.).

Q. hatte eine gute Bildung empfangen und suchte sie durch die Erwerbung einer griechischen und lateinischen Bibliothek zu ergänzen (ad Q. fr. III 4, 5. 5, 6; ad Att II 3, 4). Als Redner hat er sich nicht versucht, sondern meinte öfter im Scherz, ein solcher sei genug für eine Familie, sogar beinah für die ganze Bürgerschaft (de or. II 10). Für Geschichtschreibung hatte er Interesse (leg. I 8), so für die des Philistos von Syrakus (ad Q. fr. II 11, 4; vgl. die Anführungen in seinem Munde div. II 39. 73); doch die von ihm in Asien begonnenen Annales (ad Att. II 16, 4) sollten wohl eher eine Dichtung nach Ennianischem und anderen Mustern werden, als ein Geschichtswerk in Prosa (Bücheler 15; vgl. Peter Hist. Rom. rel. II p. XVII; anders Schanz-Hosius 552). Unausgeführt blieben auch die Absichten beider Brüder, die in den Briefen des Jahres 700 = 54 wiederholt erörtert werden, die Expedition nach Britannien in einem Epos zu behandeln (ad Q. fr. II 13, 2. 15, 4. III 1, 11. 4. 4. 5, 4. 8, 3. 9, 6. Bücheler 16; vgl. Peter p. VII); nur daraufhin rechnet Schol. Bob. Arch. 354 Or. = 175 St. den Q. als (non solum) epici (verum etiam tragici) carminis scriptor, und versichert ihm M. (ad Q. fr. III 4, 4), daß er ihm als Dichter den Vorrang vor sich selbst gebe. Auch die Tragödien des Q. sind nichts als dilettantische Übungen im Übersetzen griechischer Dramen gewesen und sind nicht über den allerengsten Kreis hinaus bekannt geworden. Seinen guten Geschmack zeigt die Neigung für Sophokles [1306] (fin. V 3), von dessen Werken er vielleicht die Σύνδειπνοι bearbeitete (ad Q. fr. II 15, 3; die gewöhnliche Auffassung bestritten von Latte Herm. LX 6, 1; über das noch von ihm für ein Satyrspiel gehaltene Original s. von Blumenthal o. Bd. III A S. 1055f.). Doch daß er im Feldlager in 16 Tagen vier Tragödien ,erledigte‘ (absolvere ad Q. fr. III 5, 7), läßt nicht allzu hoch von seiner Leistung denken; neben dem gesicherten Titel einer Elektra steht (a. O.) ein zweiter, im Mediceus trodam überlieferter und von den Herausgebern verschieden hergestellter (Troades, Troilus, Aeropa s. Bücheler 17f.), und als dritter der einer Erigona (a. O. s. o. Bd. VI S. 45, 1. 13); der Verlust der Erigona auf der Reise von Gallien nach Rem wurde von den Leidtragenden mit ähnlich guter Laune hingenommen (ad Q. fr. III 1, 13. 9, 6) wie etwa der des Aiax des Caesar Octavianus (Suet. Aug. 85, 2). Überliefert werden unter dem Namen des Q. 20 Hexameter (die vier letzten vielleicht nicht zugehörig) über die Zeichen des Tierkreises. Sie werden von Ausonius zur Vergleichung mit einem eigenen Gedicht (ecl. 17 p. 102 Peiper) als ecl. 26 (p. 107f.) aufgenommen und sind von zweifelhafter Echtheit (Bücheler 20. 68f. Anth. Lat. 642 [I 2, 108 Riese²]. Morel FPL² 79; auch Wiemer 8–12). Echte Proben der geistigen Betätigung des Q. sind nur die o. in seiner Lebensgeschichte verwerteten, das commentariolum petitionis und die vier unbedeutenden Briefe, fam. XVI 16, an M., 8. 26. 27, an Tiro (auch bei Bücheler 64–67; s. 21f. über diese und über sonstige Spuren der Briefe).

Die Neubearbeitung von Drumanns Behandlung des Q. GR² VI 637–666 durch Groebe erschien Ende 1929 und konnte nicht mehr benutzt werden von W. Wiemer Q. Tullius Cicero Jenenser Diss. (Halle a. S.) 1930. Dessen zweiter Teil über das öffentliche Leben ist schwach, besser und selbständiger der erste über das Privatleben.