Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
Caesar, [Germanicus Neffe des Kaisers Tiberius, cos.II 18 n. Chr.
Band X,1 (1918) S. 435464 (IA)
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138) Germanicus Iulius Caesar (der volle Name Dessau 107, 3), Sohn des Nero Claudius Drusus (o. Bd. III S. 2708) und der Antonia minor (o. Bd. I S. 2640), mithin Enkel der Kaiserin Livia, Enkel des Triumvirs M. Antonius, Neffe des Kaisers Tiberius, Großneffe des Augustus (Tac. ann. II 53). etc. etc.

Die Bildung und literarische Begabung des Germanicus wird gerühmt, Suet. Cal. 3 ingenium in utroque eloquentiae doctrinaeque genere praecellens. Ein goldenes Medaillon von ihm sollte inter auctores eloquentiae, wohl in der Palatinischen Bibliothek, angebracht werden, Tac. ann. II 83. Ovid rühmt ihn als Redner und Dichter, z. B. fast. I 21ff. (23 scimus et ad nostras cum te tulit impetus artes, ingenii currant flumina quanta tui). Überliefert sind unter dem Titel Claudi Caesaris Arati Phaenomena (Maass Herm. XXXI 418) 932 Hexameter, die zweifellos von ihm herstammen und die man mit Unrecht dem Domitian hat zuweisen wollen (z. B. noch Schenkl S.-Ber. Akad. Wien LXVIII 274); dem I. Caesar schreiben sie Firmic. II pr. 2. VIII 5, 3. Suid. s. v. zu. Statt Claudi müßte es Iulii heißen, und da die In- bezw. Subscriptio sicher antik ist (anders Gelzer o. S. 435; vgl. u. S. 463 über Priscian), so kann sie freilich nicht von Germanicus selbst herrühren, sondern aus einer späteren, die Phaenomena mit den Fragmenten vereinigenden Ausgabe.

Von den überlieferten Versen bilden 725 eine Übersetzung von Arats Phainomena, und nur auf sie paßt die genannte Subscriptio, wenn sie auch in den Hss. erst hinter den unten zu behandelnden Fragmenten steht. Wenn Germanicus den Arat nach Cicero und P. Varro nochmals übersetzte, so geschah es teils, um ihn in die dichterische Form seiner Zeit umzugießen, wie sie besonders von Vergil und Ovid geschaffen war, teils um Arat sachlich zu berichtigen, gewissermaßen eine neue verbesserte Auflage herzustellen. Denn es stand namentlich durch Hipparchs Kritik (Knaack o. Bd. II S. 395. Rehm Bd. VIII S. 1667) fest, daß Arats Angaben vielfach ungenau oder unrichtig waren, und ihr hat Germanicus Rechnung getragen im Gegensatze zu Cicero und Avienus, die sich mit der Wiedergabe von Arats Worten begnügen. So läßt Arat v. 69 den Engonasin den rechten Fuß auf den Kopf des Drachen setzen statt des linken: das verbessert Germanicus (vgl. Schol. Arat. 352, 17. Hygin. astr. 3, 6), vielleicht auch v. 272 (v. Winterfeld Herm. XXX 560). Die Angaben über die Stellung des Kepheus v. 188 sind nach Hipparch 52, 1 Man. verbessert, ebenso die über die Stellung des Ophiuchos zum Skorpion v. 81 nach Hipparch 40, 8. Daß der Aufgang des Fuhrmanns bereits mit dem der Fische (und nicht erst des Stieres) beginnt (v. 181ff.), war von Hipparch 48, 23 festgestellt. Die Behauptung des Arat v. 256f., daß von den angeblichen sieben Pleiaden nur sechs sichtbar seien, hat Germanicus vielleicht mit Rücksicht auf Hipparchs Kritik S. 62, 8 gestrichen. In der Lehre von den παρανατολαί hat Germanicus den Arat dadurch verbessert, daß er die einzelnen Zeichen genau schied; hier scheint v. 680 von Hipparch S. 166, 14 beeinflußt zu sein, ebenso 671 von S. 162, 4, v. 693 von S. 168, 7.

Es ist natürlich möglich, daß Germanicus die Schrift des Hipparch selbst gelesen hat. Sicher aber hat er außerdem noch anderes Erklärungsmaterial zu dem schwer verständlichen Dichter [459] benutzt, der ihm ohne dieses ebenso unzugänglich war wie uns, und er kann auch Hipparchs Ausstellungen durch Vermittlung eines der vielen Aratkommentare (Maass Philol. Unters. XII 121) kennen gelernt haben. Wir können die Berücksichtigung der Aratliteratur mit Hilfe der Scholien feststellen, deren Zusammenstellung nach Theon von Alexandria (4. Jhdt. n. Chr.) erfolgt ist, die aber in ihrem Kerne viel älter sind. Zu diesem Erklärungsmateriale kann man auch die Katasterismen rechnen, aus denen Germanicus sowohl Sternsagen als auch die Astrothesie der einzelnen Sternbilder entnehmen konnte. Aus dieser Literatur erweitert er seine Vorlage nicht unerheblich. So fügt er v. 26f. eine Beschreibung des Wagens hinzu (vgl. Schol. 345, 15 M.), 279ff. eine des Schwanes (vgl. Ps. Erat. 233 M. Schol. Germ. 85, 4 Br.), v. 329ff. des Orion, 352ff. der Argo (vgl. Schol. 410, 5 M.). v. 391 (vgl. 692) fügt er den südlichen Kranz hinzu, dessen Namen er zuerst erwähnt (Boll Sphaera 99. 149); vgl. Schol. 417, 23. v. 395f. sieht so aus, als übersetze er nicht den Arat, sondern das Schol. 419, 15 M., und diesen Eindruck hat man nicht selten. Andere astrothetische und astronomische Angaben v. 430. 476–481. 639 (vgl. Schol. 460, 6). 642.(Schol. 461, 2). 669 (Ps.-Erat. 266, 1). 691 (wo weder Arat noch Hipparch dasselbe sagen). 702 (Schol. 469, 4). Er faßt den Engonasin als Bittenden auf (v. 68 suppliciter passis ad numina palmis) in Übereinstimmung mit Asklepiades von Myrlea ἱκέταις ἁρμόζει ὁ ἐν Γόνασιν Catal. cod. astrol. V 188), als miserabile sidus (v. 74. 633) entsprechend dem Namen τάλας, den er in astrologischen Texten führt (Boll Sphaera 278. 545): das beweist die Kenntnis von allerlei Literatur neben Arat. Namentlich genügten ihm Arats Mitteilungen über Sternsagen nicht, und über diese macht er viele Zusätze (z. B. 72. 92. 157. 185. 235. 264. 275. 317ff. 363), die nicht alle aus Büchern geschöpft zu sein brauchen. Eine entlegene Sage aber ist es, wenn nur der bei der Durchfahrt durch die Symplegaden beschädigte Teil der Argo an den Himmel versetzt sein soll (v. 350), und wenn die Sage von Kassiepeia v. 665 an litus Canchli (sichere Emendation von Grotius nach Plin. n. h. V 65 statt caneri; falsch v. Voigt Philol. N. F. XXVI 157) verlegt wird. Von selbst versteht sich, daß Germanicus die Sternbilder aus eigner Anschauung kennt, von Globen oder Aratillustrationen (Thiele Antike Himmelsbilder, Berlin 1898); vgl. v. 68. 90. 161. 199. 254. 307. 387. 418. Zu diesen Erweiterungen, die sachliche Belehrung hinzufügen, kommen andere, die mehr oder weniger poetischer Art sind, außer dem Prooemium (s. u.) die Anrufung der Virgo v. 98ff. und besonders die eingehende Schilderung des Tierkreises v. 531–564, die man nur so lange für unecht halten durfte, als man an eine weitgehende Interpolation des Textes glaubte (s. u.). Kleinere poetische Zusätze finden sich z. B. v. 123. 129f. 149. 152. 173. 298. 339f. 397f. 704f. 708f. Hierher kann man auch die ursprünglich stoischer, damals aber allgemeiner Anschauung entsprechende Bezeichnung der Gestirne als Götter rechnen (v. 165. 180. 234. 440. 563. 601; vgl. Maass De Germ. prooemio S. IV; Herm. XXXI 419). V. 117 setzt er die gewöhnliche Ansicht vom goldenen [460] Zeitalter ein, von der Arat abgewichen war (Norden Jahrb. f. Philol. Suppl. XIX 427). Germanicus scheint aber etwas darin gesucht zu haben, trotz dieser Zusätze den Umfang von Arats Phainomena nicht zu überschreiten (er ist sogar um wenige Verse dahinter zurückgeblieben): dies erreichte er durch Zusammendrängung des Ausdrucks und durch Auslassungen z. B. von Arat v. 316. 321. 333. 370. 399. 434. 469. In den Ausgaben von Grotius, Buhle und Orelli ist manches (aber nicht alles) darüber bemerkt.

Daß es an Mißverständnissen des Arattextes nicht fehlt, ist kein Wunder; an manchen Stellen ist auch für uns die Entscheidung darüber schwer, ob nicht Germanicus’ Auffassung die richtige ist. v. 46 las er falsch μειοτέρη statt μειοτερῃ und folgte auch sonst manchmal falschen Lesarten: vgl. Maass’ Anm. zum Arattexte. v. 247 tut man besser, die Verwechslung von rechts und links anzuerkennen, als mit Gewalt oder Geist zu emendieren. Ein grober astronomischer Irrtum scheint v. 288 vorzuliegen tum brevis occasus ortusque intercipit hora, was man kaum anders als (mit Breysig) von der Kürze der Nacht verstehen kann, während tatsächlich beim Stande der Sonne im Steinbock Tag- und Nachtgleiche ist. v. 303 hat er οἱ δ’ἔτι πόρσω κλύζονται auf die Schiffer bezogen statt auf das Gestade. v. 141ff. haben außer durch den ungeschickten Ausdruck in v. 144 dadurch gelitten, daß Germanicus Arats v. 140 weggelassen hat. v. 530, dem bei Arat nichts entspricht, drückt mindestens etwas Selbstverständliches aus. v. 603 soll vielleicht außer Arat 588 auch 565 wiedergeben. Im allgemeinen aber hat sich Germanicus mit Erfolg um das Verständnis seiner Vorlage bemüht.

Weniger Lob wird man der eigentlich dichterischen Leistung zollen dürfen. Germanicus kennt natürlich die von seinen Vorgängern geschaffene Dichtersprache und hält sich unter Vermeidung von Archaismen und Neubildungen etwa auf dem Niveau des Vergil und Ovid. Ein starkes Anlehnungsbedürfnis im einzelnen zeigt er nicht, was z. T. am dem eigentümlichen Stoffe und der Gebundenheit an die Vorlage liegt, und obwohl seine Sprache abgesehen von technischen Wendungen konventionell wirkt und sich (abgesehen von vielem Prosaischen) aus Wendungen des Lucrez, Vergil, Ovid u. a. zusammensetzt, so wird man doch Nachahmungen bestimmter Stellen nur selten nennen können. Am ehesten solche aus dem stofflich nahe liegenden Manilius, z. B. 387. 562 Man. I 272, 71 Man. V 253, 184 Man. V 23 (nach Scaligers Vorgange Jo. Möller Studia Maniliana, Marburg 1901, 38). Der durch seinen Gegenstand verursachten Gefahr, prosaische Wendungen zu gebrauchen, ist er keineswegs entgangen, vgl. 316. 550. frg. 4, 137; namentlich die Übergänge sind stereotyp und hölzern, und der Stoff verleitete zu oftmaliger Anwendung desselben Ausdruckes. Es fehlt nicht an Ungeschicklichkeiten , z. B. 22 (pars .. . pars ,der eine . . . der andere‘). 144. 150. 205. 215ff. 259. 295. 329. 440. 680, auch nicht an Dunkelheiten, die z. T. durch das Original verschuldet sind, während manche der getrübten Überlieferung zur Last fallen mögen, s. 170. 301. 305. Wie alle Dilettanten füllt Germanicus den Vers gern durch [461] Epitheta, die nicht immer glücklich gewählt sind; s. 140. 203. 214. 231. 278. 306. 341. 487. 544. 603, und stellt sie gern in der künstlichen Weise der Neoteriker (Norden Vergils Aeneis VI S. 384): 36. 78. 124. 153. 204. 327. Pointierte Wendungen stehen 92 pensavit sidere vitam. 375 atque haec ipsa notast nullam praebere figuram. Vgl. frg. 4, 126. Da wo sich Germanicus von Arat entfernt, glückt es ihm besser; dies gilt namentlich auch von den Fragmenten (s. u.), wo er vielleicht prosaische Vorlagen periphrastisch behandelt. Griechische Namensformen behält er mit Vorliebe bei; s. Zwiener Bresl. phil. Abh. IX 6, 5. 24. 35 usw.

Die metrische Technik ist sehr sauber und unterwirft sich z. B. in den Cäsuren und der Vermeidung schwerer Elisionen den von Ovid vorgezeichneten Normen. Einsilbiger (148. 182. 290. 320) und vielsilbiger (162f. 289. 343) Versschluß wird nicht ohne besondere Entschuldigung zugelassen, letzterer nur bei Eigennamen, v. 23. 218. 508 mit gräcisierendem Hiatus verbunden (mit Spondeus im 5. Fuße frg. 4, 137). Spondeische Worte im ersten Fuße sind häufig. In der Kürzung des auslautenden o folgt er der Norm des Manilius.

Das Urteil über die Zeit der Herausgabe hängt von der Widmung und v. 558ff. ab. Jene ist an Stelle des Aratischen Zeushymnos getreten, was Germanicus ausdrücklich entschuldigt: ab Iove principium magno deduxit Aratus; carminis at nobis genitor tu maximus auctor. te veneror, tibi sacra fero doctique laboris primitias. Man hat das auf Augustus beziehen wollen (zuletzt Maass De Germanici prooemio, Greifswald 1893), aber den kann Germanicus nicht genitor nennen, sondern nur seinen Adoptivvater Tiberius. Daß er auch diesen als Friedensfürsten feiern konnte (v. 5–16), zeigt Tac. ann. II 26. Philo Leg. ad Gai. 141. Zum Überfluß zeigt die Stelle 558, daß Augustus bereits konsekriert war. So bleiben für die Abfassung die J. 14–19; die Herausgabe wird während seines Aufenthaltes in Rom J. 16/7 erfolgt sein (Maybaum 29). Dazu würde passen, daß er das erst nach Augustus’ Tode veröffentlichte Gedicht des Manilius bereits kennt, während anderseits Ovid (o. S. 458) sich anders äußern würde, wenn ihm Germanicus’ Arbeit bereits vorläge (anders Maass De Germ. prooemio XIV). Allerdings weiß Ovid von Gedichten des Germanicus, aber das mögen Epigramme u. dgl. Kleinigkeiten sein; Germanicus konnte, auch wenn diese schon vorhanden waren, von docti laboris primitiae sprechen (v. 3; s. o.).

Benutzt hat das Werk Lactantius, dann Calpurn. 4, 1 Germ. 1 (Maass a. O. XIV), Avien (Marx o. Bd. II S. 2388); der Anklang von CEL 386, 1 an v. 32 beruht kaum auf Abhängigkeit. Einen Beweis für die Beschäftigung mit Germanicus liefern auch die Scholien, deren ältestes Corpus schon dem Lactantius bekannt war; sie enthalten freilich keine eigentliche Erklärung des Textes, sondern belehren nur über die Sternbilder und anderes Astronomische, und zwar hauptsächlich auf Grund der an Arat anschließenden Literatur; im ältesten Corpus ist außerdem Nigidius herangezogen. Herausgegeben sind sie am besten von Breysig, Ausg. v. 1867 S. 55, schlechter von Eyssenhardt Martianus [462] Capella S. 377. Genaueres bei Wessner Teuffel R. Lit.-Gesch. II⁶ 187.

V. 444 erwähnt Germanicus die Absicht, später die Bewegung der Planeten zu besingen: hoc opus arcanis an credam postmodo Musis, tempus et ipse labor, patiantur fata, docebit. Das kann sich, wie schon Grotius gesehen hat, nur auf ein zweites Gedicht beziehen, nicht auf einen zweiten Teil der Phaenomena (so Maass De Germ. prooemio IX). Von diesem oder einem ähnlichen Werke stehen Fragmente in den Hss. der Phaenomena, irrtümlich nicht von ihnen getrennt (doch s. über Cod. Leidensis Maass De Germ. prooemio X), und zwar in der Klasse Z zunächt 28 Hexameter über die Bedeutung der Tierkreiszeichen für das Wetter; von v. 23 ab werden die durch die Stellung der Planeten in den Zeichen bewirkten Modifikationen beschrieben. Nach allgemeinen Bemerkungen über Saturn bricht das Fragment (N. 3 bei Breysig) mitten im Satze ab. Es fehlt die Beschreibung von Saturns σημασίσαι in den einzelnen Zeichen. An diese schloß frg. 4 an, das in Z fehlt, aber in O auf den Text der Phaenomena folgt; es behandelt in 163 Versen die Wirkungen des Iuppiter, Mars, der Venus und des Merkur. Also sollten frg. 3–4 ein in sich geschlossenes Ganze bilden und würden es auch, wenn nicht eben die μερικαὶ σημασίαι des Saturn fehlten (was Housman Class. Rev. XIV 36 übersieht). Hinter frg. 3 stehen in Z 16 Verse, die über die Planetenbahnen handeln; also eben das, was Germanicus in v. 444 in Aussicht gestellt hatte (frg. 2). Nur im Arundel. saec. XIII stehen hinter frg. 4 neun Verse, die aus einem Prooemium stammen könnten (frg. 5) und gegen deren Echtheit eigentlich Stichhaltiges nicht vorgebracht ist (auch nicht von v. Winterfeld, Festschr. für Vahlen 396). Daß es im Altertum noch mehr Reste des zweiten Werkes gab, scheint sich aus dem Zitate bei Priscian zu ergeben (s. u.). Mit Arat haben diese Reste nichts zu tun, weder mit den Phainomena noch mit den Diosemeia. Inhaltlich berühren sich allerdings frg. 3. 4 mit letzteren insofern, als es auch Wetterzeichen sind, aber im einzelnen besteht keinerlei Übereinstimmung. Also können diese Fragmente, weil sie ganz heterogen sind, mit den Phaenomena nichts zu tun haben, sondern sind Entwürfe aus Germanicus’ Nachlaß, die zu einem größeren astronomisch-astrologischen Werke gehören und die von den Herausgebern – etwa von Tiberius beauftragten Grammatikern – antiker Sitte gemäß unverändert mitgeteilt wurden. 4, 133-135 sind eine Dublette zu 130–132 und wären bei einer Schlußredaktion durch Germanicus selbst nicht stehen geblieben. Kroll Rh. Mus. LX 555. In astrologischer Literatur findet sich Verwandtes, aber nicht genau Entsprechendes (zu frg. 4 vgl. Catal. cod. astr. IV 83), und es ist ebenso möglich, daß Germanicus einen prosaischen Text poetisch erweitert, wie daß er griechische Lehrdichtung übersetzt hat. Ganz unglücklich ist der Gedanke, aus den Phaen. die v. 531–569 mit der zu Arat zugesetzten Beschreibung des Tierkreises herauszulösen und diesem späteren Werke zuzuweisen. Daß Germanicus die Beschreibung des Tierkreises im Gegensatze zu Arat mit dem Widder beginnt [463] d. h. der damals allgemein üblichen Anordnung folgt, ist nicht auffallend, ebensowenig, daß er v. 521 haec via Solis erit bis senis lucida signis später in frg. 2, 1 (una via est Solis usw.) wiederholt hat; diesen Vers aus den Phaen. interpoliert sein zu lassen, ist angesichts der Überlieferungsgeschichte unmöglich.

Die v. 1–725 bilden eine in sich geschlossene und lückenlose Wiedergabe von Arats Φαινόμενα. Schwierigkeiten macht nur das Zitat des Priscian II 417 H., der aus Caesar in Arato den Vers anführt cur (cur te?) divite lingua Graecia praecurram potiusque triangula dicam? Dieser Vers fehlt in unserer Überlieferung und kann in den Aratea auch nicht gestanden haben, da dort zwar ein deltoton vorkommt, aber keine τρίγωνα; diese haben vielmehr in astrologischen Erörterungen ihren Platz, und das Fragment gehört zu dem späteren Werke. Also hat auch Priscian oder sein Gewährsmann unter dem Ganzen die Subscriptio gelesen, die wir in unseren Handschriften finden; er las aber noch mehr von dem zweiten Werke als wir.

Die Reste des Germanicus sind in reicher Überlieferung auf uns gekommen, da das Mittelalter aus ihnen Astronomie lernte. Sie scheidet sich in eine lückenhafte, mit Scholien ausgestattete Klasse (O) und in die der scholienlosen vollständigeren Handschriften (Z). Näheres über die Klassifizierung s. bei v. Winterfeld Festschr. für Vahlen 391. O ist von jeder Interpolation frei, aber durch Verlesungen arg verderbt und enthält die Phaenomena nur bis v. 581 (an die frg. 4 anschließt). Z ist stärker verderbt, darf aber nicht grundsätzlich hinter O zurückgestellt werden (so Maybaum 30). In einzelnen Handschriften beider Klassen finden sich Bilder, die aus illustrierten Arathandschriften eingedrungen sind, die besten in Cod. Leidensis saec. IX der Klasse Z, in dem der Text nur eine Beigabe zu den Bildern ist (Thiele a. O. 77); der Bononiensis (in Boulogne) scheint eine Kopie davon zu sein (doch s. Breysig Praef. XV). Von Klasse O enthält Basil. saec. IX und Matrit. saec. XII Bilder (Thiele 143). Für den Text hat bei weitem das meiste Grotius geleistet (Syntagma Arateorum, Lugd. Bat. 1600), andere Ausgaben nennen Teuffel § 275, 6. Schanz § 363. Breysig Praef. XXXIII. Brauchbar ist nur die gegen die erste (Berlin 1867) sehr verbesserte zweite Ausgabe von Breysig, Leipzig 1899, doch ist besonders für die Fragmente noch manches zu tun. G. Sieg De Cic. Germ. Avieno, Halle 1886. Maybaum De Cic. et Germ., Rostock 1889.

Suet. Cal. 3 bezeugt, daß Germanicus oravit causas etiam triumphalis atque inter cetera studiorum monumenta reliquit et comoedias graecas. Ein Epigramm auf den Grabhügel eines Pferdes des Augustus nennt Plin. n. h. VIII 155. Durch Florilegien sind in lateinischer Sprache zwei Epigramme überliefert, eines Germanici Caesaris ad Hectoris tumulum durch die verschollene Handschrift des Binetus (Anth. Lat. 708 Riese), dazu die entsprechende griechische Fassung mit der Aufschrift: Ἀδριανοῦ Καίσαρος, οἱ δὲ Γερμανικοῦ· Ἡσύχιος δὲ εἰς Τιβέριον τὸν Καίσαρα ἀναφέρει αὐτό Anth. Pal. IX 387. Das andere De puero glacie perempto [464] (Anth. Lat. 709) trug in Binetus’ Handschrift die Aufschrift eiusdem Germanici, die erhaltenen schreiben es dem Iulius Caesar oder (so eine Handschrift saec. XV) dem Octavian zu; in griechischer Sprache steht es mit der Überschrift Φλάκκου (d. h. Statilius Flaccus, der dem Philipposkranze angehört), Anth. Pal. VII 542; unmöglich wäre nicht, daß das lateinische Gedicht in diesem Falle das Original ist (der paradoxe Stoff ist nicht originell, vgl. IX 56). Auf einen paradoxen Vorfall beziehen sich auch IX 17. 18, Variationen desselben Themas, beide mit der Überschrift Γερμανικοῦ Καίσαρος, doch ist heim ersten die Variante vermerkt Ἀδριανοῦ. Daß diese vier Epigramme wirklich von Germanicus herrühren, ist nicht zu bezweifeln. Breysig Progr. Erfurt 1873, 5. Riese scheint Anth. Lat. 709 dem Paulus Diaconus zuschreiben zu wollen, woran nicht zu denken ist, auch der Gedanke an Domitian als Verfasser (Baehrens PLM IV 40. Nipperdey Tac. ann. II 83) ist abzulehnen. Anth. Pal. VII 73. 74 haben mit Germanicus nichts zu tun.