Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stadt auf Rhodos
Band IX,1 (1914) S. 629633
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3) I. (ἡ Ἱαλυσός und Ἰάλυσος, Ἰηλυσός und Ἰήλυσος, vgl. Lobeck Prol. 433), nach Eustath. 315, 22 Name einer Stadt auf der Insel Rhodos, einer anderen am Adriatischen Meer (d. h. wohl Verwechslung mit Λισσός, jetzt Alessio im Süden Dalmatiens) und einer in Skythien (nicht nachweisbar). S. auch die Art. Ialysia und Ielysos.

ἡ Ἰηλυσός (ῐ, ῠ), var. Ἰήλυσος Hom. Il. II 656, bei Herodot. I 114 Ἰηλυσσός, vgl. dazu Lobeck Prol. 433 τε Ἱαλυσός ◡◡—?◡ mit Hiatus (also vielleicht Ϝιαλυσός) bei Pind. Ol. VII 74 ed. Schr. als eponymer Mannesname, Ἰηλυσός Dionys. per. 505; Iālysǐus Ovid. met. VII 365. Die Inschriften der Ialysier (Anc. Gr. Inscr. in the Brit. Mus. 349ff. und IG XII 1) haben ΙΑΛΥΣΟΣ, die attischen Tributlisten der delisch-attischen Symmachie ΙΗΛΥΣΟΣ; von den Münzen (Head-Svoronos Ἱστορία τῶν Νομισμ. II 179. Cat. Brit. Mus. Caria p. 226. Acquisit. Brit. Mus. 1889 nr. 28, nr. 2805–2808 bieten die AR der autonomen Reihe [nur solche sind vorhanden] nach phoinikischem Münzfuß: Av. Büste eines geflügelten Ebers oder Pferdes, Helm; Rev. Adlerkopf oder Rose [wohl eher Granatbaumblüte] in quadr. incus.: ΙΑΛΥΣΙΟΝ oder ΙΗΛΥΣΙΟΝ. Gewisse Münzen [Ἰαλύσια Diog.-Hesych.] von I. waren Besonderheiten). Je nach den Quellen erscheinen die Formen Ἰηλυσός z. B. bei Athen. Ptolem. V 2, 19 M.; vgl. FHG IV 389, 7, oder Ialysos, z. B. Mela II 7, 4. Schol. Theocr. XVII 69. FHG IV 324.

Den Namen Ἰ. (Ἰηλυσός, das in der Literatur zufällig früher erscheint, zeigt den Einfluß der ionischen Sprache und Literatur Bechtel Nachr. Gött Ges. d. Wiss. 1890, 132]), seiner Bildung nach ungriechisch, hält A. Fick Vorgriecn. Ortsnamen 45 für hettitisch, und vergleicht Ἄλυσις Berg auf Kreta, die ältesten Gräber aber weisen bereits auf mykenäische Kultur, Busolt Griech. Gesch. I² 47. 264. 355. Die urältesten Bewohner waren wohl Karer. So Beloch Gr. Gesch. I² 2, 73. Die aigaiische Kultur wurde nach der Ansicht einiger Historiker von der graeco-phoinikischen abgelöst. E. Assmann Philol. N. F. XXI [1908] 183) weist auf die Bestimmung (IG XII 1 nr. 677) hin, daß im Heiligtum der Alektronen in I. Beschuhung der Menschen und jedes [630] Einbringen von Gegenständen, die vom Schwein herrühren, verboten war, und bringt das mit semitischem Einfluß zusammen. Er weist (185) auf Diod. V 58 (Gründung des Poseidonheiligtums zu I. durch Phoiniker) hin. Beloch ist dagegen a. a. O. Nach den Phoinikern kamen Leute aus Thessalien und Mittelhellas, Busolt Gr. Gesch. I² 265. Auch wohl aus Tiryns, Rohde Rh. Mus. XXXVI 380ff. Der Name I. scheint in der Tat nicht griechisch zu sein. Bochart Geogr. sacr. 368 brachte ihn nach seiner Art mit dem semitischen (hebräischen) Wort יעליץ‎ d. h. ,Lieblichkeit‘ zusammen. Betreffs der Namen der Umgebung von I. s. den Art. Ialysia. Diese stammen aus der griechischen Sprache. So ist wohl I. in diesem Gebiet der älteste vorgriechische Name.

Die Stätte von I. und von Achaïa, der älteren Niederlassung und Hochburg von I. (diese Meinung des Meursius Rhodus und Newtons Travels and Discoveries in the Levant I billigt v. Wilamowitz-Möllendorf nicht, Hermes XIV [1879] 457, 3; nach Torr Rhodos 3 und van Gelder Gesch. der alt. Rhodier 10 ist auf Grund der Inschrift IG XII 1 nr. 677 die Identität gesichert), ist festgelegt: 1. durch Entfernungsangaben (von Rhodos 80 Stad. = 10,75 km Strab. XIV 655; ad quintum milliare [scheint Glossem zu sein] prope civitatem [d. h. Rhodum] Buondelmonte Lib. ins. 74; 2. durch die sich bis zum heutigen Dorf Κρεμαστός hinziehenden Grabstollen, Roß Reisen auf den griechischen Inseln ΙΙI 96. Biliotti und Cottret Ἡ νῆσος Ῥόδος (1881) 36ff. Guérin L’île de Rhodes 326. Furtwängler und Löschcke Myken. Vasen 1–18. Seliwanoff Topogr. Rhod. 1892, 88–103; 3. durch Inschriften (jetzt IG XII 1, 98ff. nr. 677ff.); 4. durch Reste der Hafenbauten mit Landungsbrücke an der Dünenküste Σχεδία, FHG IV 389, 7. Horizontale Stollengräber nach der gewöhnlichen mykenäischen Anordnung: Dromos, Stomion und viereckige Grabkammern wurden an den Westabhängen des seit dem Mittelalter Philérimos (φιλέρημος = ein Freund der Einsamkeit) genannten Berges (auch Rhoda Vecchia [Ch. T. Newton Travels I 257]) und nahe nordöstlich von dem heutigen Dorf Kremastos gefunden. Die sehr stattlichen mittelalterlichen Baureste auf der Höhe des Kammes des eben genannten, bei einem Plateauumfang von 1400 m 250 m hohen Hügels (Rottiers Monumens de Rhodes 353–379 Atlas Pl. LVIIIff.). an dessen westlichem Abhang noch jetzt eine Quelle fließt (vgl. FHG IV 405), zum größten Teil aus Werksteinen verschiedener Bauzeit des alten I., des Marmortempels der Hera Telchinia und des griechischen Städtchens Achala (= ? Ochyroma), zusammengestellt, Tozer Islands of Aegean 215. Da wo jetzt die Ruinen der Marienwallfahrtskirche und des Ritterklosters (Buondelmonte Lib. Ins. vers. gr. 28) der Johanniterritter steht, lag im Altertum das jedenfalls griechische Städtchen Achaïa, die erste Ansiedlung der mythischen Heliaden auf der Insel und Zufluchtsort der Ialysier, die an den Hängen und in der Niederung ihre eigentliche Stadt hatten, das nachdem es an Bedeutung nach der Gründung der Stadt Rhodos (408 v. Chr.) eingebüßt hatte, mit dem Appellativum Ochyroma bezeichnet worden zu [631] sein scheint. Es ist wohl anzunehmen, daß diese Niederlassung älter war als die Stadt I. an dem Westabhang des Berges, deren Spuren kaum mehr recht eine Rekonstruktion des Plans der späteren Stadt erlauben. Auf der Hohe hatten wohl anfänglich Karer und dann (15. Jhdt. zweite Hälfte Ἐφημ. ἀρχ. 1890 πιν. II 5) die Leute der mykenäischen Kultur gelebt, deren Reste in der Nekropolis die ältesten sind (vgl. den Art. Rhodos Nr. 3 Archäologie), bis nach der einen Ansicht s. o. (1492?) Phoiniker sich des Platzes bemächtigten. Nach E. Meyer Gesch. des Altert. I 230 § 191 war I. Mittelpunkt der phoinikischen Besiedlung von Rhodos. Nach Ergias aus Rhodos (s. o. Bd. VI S. 432) wurde der Phoiniker Phalanthos in I. oder Achaïa von Iphiklos (s. d.) belagert und in listiger Weise zum Abzug, auch zur Herausgabe vieler Schätze veranlaßt, FHG IV 405. Einen anderen Teil der Reichtümer sollen die Phoiniker an gezeichneten Orten vergraben haben. Beloch bestreitet die Wahrheit dieses Berichts Griech. Gesch. I² 2, 73ff.: ,auch sonst fehlt es für eine phoinikische Niederlassung auf Rhodos an jedem Beweis‘. Eine vordorische Besiedlung fand unter dem ἀρχηέτης Ἥλιος statt, Aristid. Rhod. I 807 D.; vgl. Rohde Rh. Mus. XXXVI (1881) 380ff. Darauf weist der Kultus der Göttin Alektrona, der aus Tiryns nach I. übertragen wurde (s. Alektrona Nr. 2 o. Bd. I S. 1364). Phorbas, ein mythischer Zeitgenosse des Pelops, der die Insel Rhodos von Schlangen befreit und dort Heroendienst erhalten haben soll (Diod. V 58), soll zur Zeit der Herrschaft des Heliaden Triopas nach seiner Rettung aus einem Schiffbruch mit seinen Leuten nach Schedia bei I. gekommen sein. Das weist auf Zuzug aus Thessalien hin (Phorbas, Sohn des Lapithes). Im Homerischen Schiffskatalog II 667ff. erscheint als Begründer der rhodischen Tripolis und Beherrscher der drei Städte der Herakleide Tlepolemos; König Diagoras Schol. Pind. Ol. VII 47 und Böckh FHG IV 389, 7. Als Begründer der griechischen Städte auf der Insel Rhodos gelten die Argeier: Ῥόδιοι Ἀργεῖον γένος Thuk. VII 57. Gründungslegende: Diod. IV 48. V 59. Strab. XIV 653. Apollod. II 82. III 21. Die Heliaden setzten sich in Achaïa fest; als Gründer von I. wird des Kerkaphos Sohn Ialysos angesehen, Zenod. Rhod. FHG III 177 LVII. In historischer Zeit sind der messenische König Aristomenes und in I. der Eratide Damagetos, des Diagoras Sohn, gleichzeitig, Paus. IV 24, 2. Siegesgedicht des Pindaros (Ol. VIII) von 465/4 v. Chr. auf Diagoras von I.

Bei der delisch-athenischen Symmachie war I. (Mitglied bis 412 v. Chr.) ebenso wie Lindos und (Kamiros?) in der zweiten Steuerperiode mit 10 Talenten Steuer veranlagt, in der dritten und sechsten Periode alle drei Städte mit 6 Talenten. 421 v. Chr. wurde der Ansatz auf 15 Talente erhöht, in der vierten Periode wurde eine niederere Steuer angesetzt, U. Koehler Abh. Akad. Berl. 1869/70 I 186.

Zur Zeit des Peloponnesischen Krieges (zwischen 428 [Thuk. III 8] und 412 v. Chr. [Thuk. VIII 35. 84]) wurde Diagoras, offenbar ein Nachkomme des obengenannten Königs, von den Parteigegnern (ἀντιστασιῶται) von Rhodos verbannt. I. [632] war eine der sechs, später nach dem Ausschluß von Halikarnassos fünf dorischen Städte von Kleinasien (Hexapolis bezw. Pentapolis, Schol. Theokr. XVII 69. FHG IV 324, 23)? Teilnehmer an der Bundesfeier am Triopischen Vorgebirge, Herodot I 144.

402 v. Chr. fielen die Bürger dreier Städte der Pentapolis, die von I., Kamiros und Lindos von der athenischen Symmachie ab, richteten Oligarchien ein und schritten zur Begründung der Stadt Rhodos (s. den Art. Rhodos I und II. Über diesen Synoikismos Thuk. VIII 44. Diod. XIII 75. Strab. XIV 655. Ein Versuch (von Athenerfreunden?), die Demokratie wiederherzustellen, mißlang (Diod. XIII 38, 45).

Da I. am nächsten der neuen Städtegründung gelegen war, ist es wohl denkbar, daß die Bürgerschaft dieser alten Stadt mehr als die zwei anderen sich an dem Synoikismos beteiligte. Ja Plinius (n. h. V 132) verwechselt I. mit Rhodos: habitata insula urbibus Lindo, Camiro, Ialyso nunc Rhodo; vgl. den Namen Rhoda Vecchia für Philerismos. s. o. Immerhin hatte I. eine gewisse Selbständigkeit in Verwaltungs- und Kultusangelegenheiten behalten, Kuhn Entstehung d. Städte der Alten 213ff. Ὁ σύμπας δῆμος war die Gemeinde der Insel Rhodos, das πλῆθος das Municipium I. An dessen Spitze standen ein Rat: μάστροι (Hesych. = βουλευταί) mit einem γραμματεύς und ein Kollegium von (3?) ἐπιστάται. Diese faßten mit der Gemeinde von I. Beschlüsse für I., Gilbert Staatsalt. 180f. Inschrift von I. aus dem 3. vorchristlichen Jhdt. IG XII 1, 677: Ἔδοξε τοῖς μάστροις καὶ Ἰαλυσίοις.

Kultus. Verehrt wurde: 1. die Hera Telchinia FHG III 175; 2. ἁ Ἀλεκτρώνα IG XII 1 nr. 677, s. auch o. bei der Gründungsgeschichte; s. o. Bd. I S. 1364, aus Tiryns nach I. übertragen durch die vordorische Kolonie unter dem ἀρχηγέτης Ἥλιος, Aristid. Rhod. I 807. Über Ἀλεκτρώνα v. Wilamowitz-Möllendorf Hermes XIV (1879) 457–460. E. Assmann PhiloL N. F. XXI (1908) 183) schließt aus den Kultvorschriften: Verbot der Beschuhung und das Hineinbringen von irgend etwas, das vom Schwein herrührt, auf semitischen Einfluß; 3. Poseidon in einem vom mythischen Kadmos errichteten Heiligtum, Diod. V 57; 4. Heros Phorbas s. o.; FHG IV 387; 5. über Damatriá und die Vermutung von Roß s. den Art. Ialysia o. S. 628.

Aus I. stammte Timokreon, ein Athlet (s. d.), auf den Semonides folgendes Epigramm gedichtet haben soll (Anth. lyr. VII 348):

πολλὰ πιὼν καὶ πολλὰ φαγὼν καὶ ολλὰ κακ’ εἰπών
     Ἀνθρώπους κεῖμαι Τιμοκρέων Ῥόδιος.

Im Altertum berühmt war das Gemälde des Protogenes, das den Gründungsheros Ialysos darstellte; s. den Art. Protogenes.

Die Bedeutung von I. war infolge der Begründung der neuen Stadt zurückgegangen. Die Wichtigkeit des festen Platzes Achaïa war durch die ausnehmend stark befestigte neue Stadt Rhodos überflüssig gemacht, der kleine Dünenhafen Σχεδία mußte vor den zwei hervorragend guten Häfen von Rhodos zurückstehen. Strabon nennt XIV 655 I. nur eine κώμη; die Richtigkeit dieser Bezeichnung bestreitet Hiller v. Gaertringen IG XII 1, 98. Irrigerweise wird in manchen Büchern angegeben, [633] noch jetzt heiße auf Rhodos ein Örtchen Ialyso. Im Verlauf der Zeiten und nicht zum wenigsten durch die Hospitaliter wurden die schönen Bausteine der Tempel, des ἐστιατόριον und anderer öffentlicher Gebäude zum Plateau des Philerimoshügels, der ja seinem Namen nach ebenfalls verödet war, hinaufgebracht und zum Bau der Ritterkirche ,Madonna aller Gnaden‘ und der Ritterzitadelle verwendet, wie sie die Johanniter auf allen von ihnen beherrschten Inseln an vielen Stellen errichteten. Über das Mittelalter von I. (d. h. Philerimos), die Bauten, die Höhle und Fresken außer dem Werk von Vertot: Rottiers, Biliotti et Cottret, Guérin (s.o.). Newton Travels and Discoveries in the Levant I 257ff. Vgl. Serg. Seliwanoff Očerki drewnej topografii ostrowa Rodosa 5. 15, 28. 87-103; s. die Art. Ialysia, Kamiros, Lindos, Matioi, Ochyroma, Rhodos, Schedia.