Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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von der Stadt Potniai, König von Korinth, zerfleischt von seinen rasenden Rossen
Band VII,1 (1910) S. 14121413
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9) Glaukos von Potniai, nach korinthischer Sage Sohn des Sisyphos (Hom. Il. VI 154. Apollod. I 9, 3, 1. Paus. II 4, 3. VI 20, 19) und der Merope (Hellanikos frg. 56. Asklepiades bei Probus Georg. III 267. Schol. Plat. Rep. 611 D), König von Korinth (πόλις Γλαύκοιο Simonid. frg. 68 Hiller), Stifter der isthmischen Spiele, Clem. Alex. Strom. I 21, 137, Gemahl der Eurymede, Apollod. I 9, 3, 1, oder der Eurynome, Hyg. fab. 157, Vater des Bellerophon (Hom. Il. VI 156. Apollod. II 2, 3, 1. Paus. a. a. O. Lactant. zu Stat. Theb. IV 589. Doch s. Schol. Eur. Phoen. 1124), des Chrysaor. Steph. Byz. s. Μύλασα, und des Alkimenes oder Deliades oder Peiren, Apollod. II 2, 3.

In Potniai zwischen Plataiai und Theben hält er seine Stuten (Aischyl. frg. 326. Schol. Eur. Phoen. 1124. Strab. IX 409 und Schol. Prob. Georg. III 267), wird aber von den rasenden Rossen zerfleischt (Aischyl. Γλαῦκος Ποτνιεύς frg. 39. Schol. Eur. Orest. 318. Schol. Eur. Phoen. 1124. Verg. Georg. III 267 und Serv. und Interp. Serv. hierzu. Ovid Ibis 553. Apost. Cent. V 47. Palaeph. 25) a) in Potniai selbst, Schol. Eur. Phoen. 1124. Strab. IX 409. Etym. M. 685, 40; b) bei den Leichenspielen des Pelias aus dem Wagen geschleudert (Aisch. frg. 38. Nonn. Dionys. XI 143) und dann zerrissen (Aisch. frg. 39. Eurip. Phoen. 1124. Asklepiades bei Probus Georg. III 268. Paus. VI 20, 19. Hyg. fab. 250. 273. Eustath. 269, 35). Eine Abschwächung des Motivs im Etym. M. 54, 48 Ἄκτωρ: G. findet seinen Tod in Olympia durch den Zusammenstoß seines Rennwagens mit dem des Azeus, des Vaters des Aktor.

Die Veranlassung zum Rasendwerden der Rosse, bei Aischylos und Euripides nicht erkennbar, wird, wie bei G. Nr. 8, verschieden angegeben.

a) Genuß einer bei Potniai wachsenden Pflanze, Schol. Eur. Orest. 318; s. Plin. n. h. XXV 94. Etym. M. 685, 40.
b) Trunk aus einer heiligen Quelle bei Potniai, Strab. IX 409. Paus. IX 8, 2. Aelian. n. h. XV 25. Nach Interp. Serv. Georg. III 268 kommt G. zufällig bei der Fahrt zu den Leichenspielen nach Potniai.
c) Strafe der Aphrodite, Verg. Georg. III 267, cum sacra Veneris sperneret Serv. Georg. III 268, oder weil er seine Stuten, um ihre Schnelligkeit zu steigern, an der Begattung verhinderte, Serv. a. a. O.
d) Mangel an gewohnter Nahrung, denn er hatte sie mit Menschenfleisch gefüttert. Prob. Georg. III 267, also das Diomedesmotiv, s. o. Bd. V S. 817.

Andererseits wird die Raserei der Diomedesrosse ebenso begründet wie die der G.-Rosse bei Plin. n. h. XXV 94 (Giftpflanze) und Aelian. n. h. XV 25 (Wasser). Eustath. 269, 35 läßt die Diomedesrosse in Potniai durch den Trunk aus der Quelle rasend werden, und durch weitere Vermengung beider auf gleichen Ursprung zurückgehenden Sagenkreise – nach Schol. Lycophr. 754 wohnen, Thraker in Anthedon – wird Γλαῦκος Θράξ ὁ ἄγριος geschaffen, Schol. Eurip. Phoen. 1124. Ein Standbild des G. auf dem Isthmos galt als Ταράξιππος (Paus. [1413] VI 20, 9. Literatur bei Hitzig-Blümner Pausanias II 650f.), wie sonst Poseidon Hippios.

Euböisch-chalkidischen Siedlern wird die Übertragung des Gottes nach Korinth zuzuschreiben sein; er wurzelt in Boiotien, als Herr der Rosse von Potniai ausdrücklich vom Vater des Sisyphos geschieden im Schol. Eurip. Phoen. 1124. Aus Anthedon stammt die Legende von der in Raserei versetzenden Wunderblume, vgl. die Erzählung von den Rossen des Anthos bei Ant. Liber. 7; die Zauberquelle gehört wohl nach Potniai. Verwechslung beider G. Schol. Eurip. Orest. 318. Etym. M. 685, 40: der Sprung des anthedonischen wird nach Potniai verlegt, Schol. Plat. 611 D: G., des Sisyphos Sohn, springt ins Wasser, wie Glauke in Korinth. Das Motiv vom Zorn der Aphrodite erinnert an die Hippolytossage, s. Usener Rh. Mus. LIII 367.

Nach einer korinthisch-lakedaimonischen Sagenkontamination kam G. auf der Suche nach seinen Rossen (τῶν ἵππων ἄπολομενων) nach Sparta, verführt die Panteidyia, die dann den Thestios heiratet, so daß Leda tatsächlich des G., nominell des Thestios Tochter ist (Eumelos Korinthiaka, Schol. Apoll. Rhod. I 146, s. Pherekydes frg. 29 und G. Nr. 19), d. h. G. ist nach bekannten Analogien der Gott, auf den der Stammbaum zurückgeführt werden sollte, und dazu stimmt, daß Hom. Il. VI 191 Bellerophon als Sohn eines Gottes und Schol. Pind. Ol. XIII 98 als λόγῳ Γλαύκου, ἀληθεία. Ποσειδῶνος bezeichnet wird, s. Hyg. 157.

Nach euhemeristischer Deutung richtet sich G. durch seine Pferdezucht zugrunde, Palaeph. 25 (26). Apost. Cent. V 147; auch Etym. M. 54, 48 s. Ἄκτωρ ist wohl Rest eines rationalistischen Erklärungsversuches.

Durch argivische Kolonisten wird G. von Korinth nach Südkleinasien gebracht, doch s. u. G. Nr. 23, durch seinen Sohn Bellerophon Stammvater der lykischen Adelsgeschlechter, und lebt in der Person seines Enkels und Urenkels G. wieder auf (Plut. Mor. 958; s. Vollgraf Neue Jahrb. XXV 1910, 808. Gruppe Griech. Myth. 279. 328).