Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Personifizierung des Greisenalters
Band VII,1 (1910) S. 12401242
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Geras (Γῆρας), das Greisenalter personifiziert und vergöttlicht; eine Ausgeburt der Nacht, Hesiod. theog. 225 (Γ. οὐλόμενον), ebenso Senectus unter den Kindern der Nox und des Erebus, Hygin. fab. praef. p. 9, 7 Sch. Cic. de nat. deor. III 17, 44. Claudian. in Ruf. I 31 (leto vicina Senectus); bei Verg. Aen. VI 275 erscheint Senectus im Vorhof des Orcus unter all den Schreckgestalten, untergeordneten göttlichen Wesen, die stets bemüht sind, der Unterwelt neue Bewohner zuzuführen, unter den Übeln, die am Leben des Menschen nagen, speziell zusammen mit den Morbi (pallentes Morbi tristisque Senectus), vgl. auch Sen. Herc. f. 696 (iners Senectus adiuvat baculo gradum, wozu Ovid. met. VI 26f.); auch hier geht Morbus voraus (v. 694 Morbus tremens); ferner Sen. Oedip. 594 (gravis Senectus, v. 593 Morbus). Sil. Ital. XIII 583 (queribunda Senectus, v. 581 Morbi). Claudian. a. O. (Morbus v. 32); vgl. Engelhard De personif. quae in poesi atque arte Romanor. inveniuntur, Gött. 1881, 25ff. Usener Götternamen 365f. und o. Bd. VI S. 1979f.; vgl. auch C. Hense Poet. Personif. in griech. Dicht. usw. I 268ff. So werden außer [1241] der Zeit und den Teilen der absoluten Zeit auch die der menschlichen Lebenszeit vergöttlicht, neben Hebe (Iuventas, Iuventus) auch G. (Senectus); so hatten die Bewohner von Gades, die nach Philostratos περιττοί εἰσι τὰ θεῖα, wie dem Eniautos (s. d.), wie der Penia und der Techne, so auch dem G. einen Altar errichtet, bezw. ein Heiligtum geweiht, Philostr. v. Apoll. Tyan. V 4 p. 167 Kayser. Ailian. π. προνοίας frg. 19 p. 195 Hercher, bei Eustath. in Dion. Perieg. 453 (Geogr. Gr. min. II 302): ἔστι δὲ καὶ Γήρως ἱερὸν τοῖς ἐκεῖ τιμῶσι τὴν ἡλικίαν τὴν μαθοῦσαν πολλά; Leop. Ranke sprach davon, vgl. du Bois-Reymond S.-Ber. Akad. Berl. 1886, 317. Mimnermos läßt τὸ ἀργαλέον καὶ ἄμορφον γ. über dem menschlichen Haupt aufgehängt sein, frg. 5, 5f. (wiederholt bei Theognis v. 1021f., nur οὐλόμενον statt ἀργαλέον), ähnlich Theognis v. 205f. die ἄτη, was beides erinnert an die Vorstellung von dem über dem Haupt des Menschen hängenden Tod, Simon. frg. 39, 3. Cic. de fin. I 18, 60 (mors quae quasi saxum Tantalo semper impendet); der Gedanke des Mimnermos kehrt wieder bei Euripides, der im Herakles 637ff. den Chor die Jugend preisen und das Alter verwünschen läßt (vgl. auch Soph. Oidip. Kol. 1235ff.): ,Eine Last, schwerer als des Aitna Felsen, liegt immerdar das Alter auf unserm Haupt ...‘ (637–640); ,das traurige, mörderische Alter (τὸ δὲ λυγρὸν φόνιόν τε γ.) hasse ich; möchte es unter die Wogen tauchen und nie nahen den Häusern und Städten der Sterblichen, sondern stets im Äther auf Schwingen dahinziehen‘ (649ff.). Das Alter weilt im Olympos, Aristoph. Vö. 606; personifiziert ist es auch bei Herondas I 15f. 62f. II 71f. (ὦ γῆρας, σοὶ θυέτω). G. spielt eine Rolle in der Heraklessage. Freilich, in das Lied von den zwölf Heraklestaten ist sein Kampf mit G. nicht aufgenommen, deshalb in der Literatur gänzlich verschollen; dagegen ist dieser mehr volkstümlich burleske Zug der Sage aus Bildwerken bekannt, die groteske Darstellung durch Beischriften gesichert auf zwei rf. Vasen. Auf der rf. Amphora des streng schönen Stiles im Britischen Museum nr. 864 sieht man G., durch nackten welken Körper charakterisiert, weit ausschreitend linkshin fliehen vor Herakles, der mit der Keule auf ihn eindringt, vgl. Cecil Smith Journ. hell. stud. IV 1883, 96–110 z. pl. XXX (wiederholt Philol. N. F. IV 1891 Taf. 2. Roscher Myth. Lex. III 2083, 1); die von Smith p. 105 beigefügte sf. Hydria zu Neapel nr. 2777 behandelt, wie Furtwängler (bei Roscher I 2215, 36ff.) festgestellt hat, den Kampf des Herakles mit Kyknos. Sodann die rf. Pelike des älteren schönen Stiles im Louvre nr. 343: G. (𐰩A𐤭ƎΛ), als altes nacktes Männchen gegeben mit großer Hakennase, langem spitzem Kinn, eigentümlich stark vortretendem Nabel und übermäßig großem hängendem Glied, mit Krückstock in der Linken (vgl. Sen. Herc. f. 696. Ovid. met. VI 27), erhebt flehend die Rechte zu dem viel größer gebildeten Herakles, der ihn im Genick gepackt hält und mit der geschwungenen Keule bedroht, vgl. Hartwig Philol. L, N. F. IV 1891, 185–190 Taf. 1 (wiederholt bei Roscher III 2083, 2); mit dieser rf. Pelike ist identisch die von Loeschcke Arch. Ztg. XXXIX 1881, 40, 32 beschriebene angeblich sf. Pelike, die dieser im Februar 1878 [1242] bei Sig. Doria zu Capua gesehen. Von Loeschcke wurde a. O. auch auf des Herakles Kampf gegen G. gedeutet die Darstellung eines altargivischen Relieffragments aus Olympia in dünnem Bronzeblech, Ausgrabung. v. Olympia IV 18, 3 Taf. XXV. E. Curtius Das archaische Bronzerel. aus Olympia S. 14 und Furtwängler Die Bronzefunde aus Olympia S. 94f. (beides in den Abh. Akad. Berl. 1879): Herakles verfolgt mit der Keule eine rechtshin entfliehende, sich umblickende Gestalt mit häßlichem Gesicht, borstig gesträubtem Haar und stark gekrümmter Nase, ,wie sie zur Typik des Greisenalters bei den Griechen gehört‘ (Furtwängler bei Roscher I 2215, 32f.); dagegen hat Furtwängler im Textband zu den Bronzen von Olympia wieder Bedenken geäußert: das borstige Haar passe wenig zu G., ja es sei wohl möglich, daß die Figur weiblich, etwa ein gorgoartiges Wesen sei. Unsicher bleibt auch die Deutung auf Herakles und G. bei der Darstellung der sf. Kanne (nicht Pelike) aus Vulci zu Berlin nr. 1927, Furtwängler Beschr. d. Vasens. im Ant. I 405: Herakles dringt mit gezücktem Schwert auf seinen Gegner ein, den er mit der Linken am linken Unterarm gepackt hat; dieser, mit langem Bart und langem Haupthaar, etwas stumpfer Nase und sehr dicker Oberlippe, ist, rechtshin entweichend, bei weit ausschreitender Stellung tief in die Knie gesunken, wendet den Oberkörper zu Herakles um und streckt beide Arme flehend gegen ihn aus; neben ihm rechts steht schräg ein langer weißer, dicker Knotenstock, den er offenbar hat fallen lassen. Der in den Heraklesmythen so oft wiederkehrende Gedanke der Überwindung des Todes und der Erringung der Unsterblichkeit durch diesen faustischen Helden erscheint hier, bei Besiegung des G., in burlesk volkstümlicher Fassung, vgl. C. Robert Herm. XIX 1884, 483f. ,Der Held, welcher den Tod überwindet, den Hades zur Flucht treibt, die ewige Jugend und Hebe sich erringt, verjagt auch das häßliche Alter, das Kind der Nacht, das machtlos ist ihm gegenüber‘, Furtwängler bei Roscher I 2215, 20ff., vgl. auch Roscher Rh. Mus. LIII 179; Abh. d. Sächs. Ges. XX 1900, 52. Gruppe Griech. Myth. 454. 772, 2, der diese Besiegung des G. durch Herakles als ,Rest der alten Vorstellung von Herakles, dem Heilgott‘, dem göttlichen Arzte betrachtet. Auch in der Sisyphossage tritt G. auf: Sisyphos, durch List zu neuem Leben gelangt, wollte nicht wieder in den Hades zurückkehren und mußte durch das Alter hinabgeführt werden, Eustath. zu Od. XI 593 p. 1701, 51ff. Vgl. Preller-Robert Griech. Myth. I 442, 1. 536, 1. 871. Gruppe Griech. Myth. 454, 8. 772, 2. 1021, 2. 1023, 2. 1065, 1. 1068, 1. Roscher Myth. Lex. I 1628, 6ff. 2215. 20ff. 2234, 31ff. III 2073, 56. 2085, 1ff. 2089, 37. 51. 57. 2103, 18. 2106, 67. 2136, 38ff. 2166. 39f.

[Waser. ]