Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Veiento, A. Didius Gallus Praetor unter Nero, Weihegabe in Mainz um 89 n. Chr.
Band VI,2 (1909) S. 19381942
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15) A. Didius Gallus Fabricius Veiento. a) Literatur: Borghesi Oeuvr. V 530. Keller Korr.-Bl. d. Westd. Ztschr. III 1884, 86f. Mommsen ebd. 103f. XII 1893, 124f. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 1885, 118. Gsell Essai sur le règne de l'emp. Domitien 1894, 58. 268. Hirschfeld Rh. Mus. LI 1896, 474f. Dessau Prosop. imp. Rom. II 10 nr. 61. Newton Epigr. evidence for the reigns of Vesp. and Titus (Cornell Studies XVI) 1901, 96. J. Willems Le sénat rom. en l'an 65 (Louvain 1902) 98.

b) Name. Der vollständige Name in der Mainzer Inschrift, s. u.; bei den Autoren Αὖλος Φαβρίκιος Dio LXI 6, 2: Fabricius Veiento Tac. ann. XIV 50. Plin. ep. IX 13, 13; Fabius Veiento (der Gentilname ist absichtlich verändert, vgl. Bücheler Rh. Mus. XXXIX 1884. 283f.) Statius frg. de bello Germ. (s. u.). Fabricius Iuven. IV 129; sonst Veiento.

c) Leben. F. führt die Namen des A. Didius Gallus, der unter Claudius und in den Anfängen Neros zu den ersten Persönlichkeiten des Staates gehörte (s. o. Bd. V S. 410f.), und vielleicht die eines senatorischen Zeitgenossen Ciceros (Fabricius) Veiento (s. o. Nr. 14). Er könnte ein leiblicher Nachkomme des letzteren und Adoptivsohn des Didius Gallus oder (durch seine Mutter) der Enkel des Gallus gewesen sein.

Seiner Abkunft nach ohne Zweifel dem Adel angehörig, schlug Veiento die senatorische Laufbahn ein und brachte es unter Nero (vor dem J. 62) zur Praetur (Dio Xiphilin. LXI 6, 2; die Stelle enthält keine bestimmte Zeitangabe und nötigt nicht, die Praetur des Mannes, der fast 50 Jahre später noch lebte, gerade in Neros erstes Jahr, 54/55, zu setzen; daß F. unter Nero auch [1939] zum Consulat gelangt sei, ist kaum anzunehmen, da ihn Tac. ann. XIV 50 sonst Consular nennen würde). Als Praetor machte er in der Hauptstadt durch die ungenierte Art von sich reden, mit der er gegen die maßlosen Forderungen der Renngesellschaften vor aller Welt demonstrierte; statt der Pferde verwendete er bei seinen Spielen dressierte Hunde (Dio LXI 6, 2. 3). Auch sonst scheint sich Veiento in jüngeren Jahren keinen Zwang auferlegt zu haben. In Büchern, denen er den Namen codicilli gab, sagte er Senatoren und Priestern (was auf das nämliche hinauskommt) viel Ehrenrühriges nach (Tac. ann. XIV 50). Es ist nicht zu ersehen, ob die Schrift ein unverhülltes Pamphlet oder eine Satire war und ob der Titel an die letztwilligen Bestimmungen erinnern sollte (Peter Geschichtl. Lit. üb. d. röm. Kaiserzeit I 180. Teuffel-Schwabe Gesch. d. röm. Lit. II5 723. Schanz G. d. r. L. II 22. 282) oder einfach ,Notizbücher‘ bedeutete (vgl. o. Bd. IV S. 175, 1). Die Publikation zog ihm natürlich Feindschaft und zuletzt eine Anklage zu, die Tullius Geminus im J. 62 – offenbar vor dem Senate – vertrat. Der Ankläger erhob außerdem noch die Beschuldigung, venditata ab eo munera principis et adipiscendorum honorum ius. Man kann daraus auf persönlichen Einfluß am kaiserlichen Hofe schließen. Daß dieser nicht allzu groß war, ersieht man jedoch aus dem Ausgang des Prozesses. Nero zog, da die Anklage die Person des Herrschers mitbetraf, die Sache vor sein Forum und verurteilte Veiento, dessen Schuld erwiesen war, zur Ausweisung aus Italien. Seine Schrift wurde verbrannt, aber, wie immer in solchen Fällen, infolgedessen erst recht gelesen. Als man sie später (frühestens unter Galba) wieder freigab, geriet sie in Vergessenheit (Tac. ann. XIV 50). Nach Neros Tode muß also das Urteil über Veiento aufgehoben worden sein. Unter der Flavischen Dynastie gelangte er zu außerordentlichen Ehren.

In der Inschrift einer Weihegabe, die Veiento und seine Gattin Attica in ein Heiligtum der keltisch-germanischen Göttin Nemetona bei Mainz stifteten, nennt er sich co(n)s(ul) III und Mitglied von drei hohen Priesterkollegien: XV vir sacris faciend(is), sodalis Augustál(is), sod(alis) Flavial(is), Titiális (CIL XIII 7253[1] = Dessau 1010, Abbildung in Altert. uns. heidn. Vorzeit Mainz V Taf. 21, Literatur zur Inschrift s. o. a). In die Priesterschaft, die den Kult des Divus Vespasianus, später auch den des Divus Titus zur Aufgabe hatte, ist er vermutlich schon bei ihrer Gründung von Titus aufgenommen worden; so könnte sich erklären, daß er abweichend vom sonstigen Gebrauch die geistliche Würde scheinbar als zweifache anführt (vgl. Gsell 51, 1). Begreiflicherweise genoß dieses Priestertum unter Domitian besonderes Ansehen (vgl. Dessau Ephem. epigr. III p. 213); überdies war Veiento der erste uns bekannte Senator, der gleichzeitig beiden sodalitates divorum, die es damals gab, angehörte (Mommsen Korr.-Bl. III 104. Howe Fasti sacerdot. 11): ein Beweis hoher kaiserlicher Gunst und unbedingt monarchischer Gesinnung.

Veiento war alle dreimal Consul suffectus; es ist nicht überliefert, in welchen Jahren. Doch kann man annehmen, daß er mindestens den ersten [1940] seiner Consulate Vespasian verdankte, dessen Priester er nach des Herrschers Konsekrierung wurde (s. o.). Den dritten Consulat verlieh ihm Domitian. Darauf weist zunächst die Angabe der Epit. de Caes. 12, 5 consulari honore functum ... apud Domitianum; ferner nennt ein Fragment des unter Domitian geschriebenen Carmen de bello Germanico von Papinius Statius, das uns die Iuvenalscholien des Valla (zu sat. IV 94) bewahrt haben, Veiento schon als dreifachen Consul (Nestorei mitis prudentia Crispi et Fabius Veiento, potentem signat utrumque purpura, ter memores implerunt nomine fastos, vgl. Jahn Rhein. Mus. IX 1854. 627. Bücheler ebd. XXXIX 1884, 283f. Schanz G. d. r. Lit. II 22, 127). Man nimmt gewöhnlich an, daß das Gedicht des Statius den ersten Germanenkrieg Domitians (83 n. Chr.) zum Inhalt hatte (Bücheler a. a. O. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 135; Westd. Ztschr. V 370 [gegen die Heranziehung von Iuven. IV 147 vgl. Friedländer z. St.]. Mommsen Korr.-Bl. XII 125. Gsell 48, 6. Vollmer Statius silv. S. 14). Dies ist aber keineswegs bewiesen; ebensogut kann es sich um den Krieg des J. 89 handeln und das Carmen de bello Germanico zwar verschieden sein von dem großen Epos über Domitians Taten, das Statius plante, aber – trotz Vollmers Widerspruch (a. a. O.) – identisch mit dem Panegyricus, der dem Dichter im albanischen Agon den Preis eintrug (daß Domitian im J. 89 am Kriegsschauplatz erschien – Ritterling Westd. Ztschr. XII 229 bestreitet es –, zeigen die von Gsell 197 angeführten Stellen). Es bleibt demnach unentschieden, ob Veientos dritter Consulat spätestens dem J. 83 oder 88 – das J. 89 ist ausgeschlossen (s. u.) – zuzuweisen ist; im ersteren Falle kämen, da Domitian am 13. September 81 die Regierung antrat, nur die J. 82 oder 83 in Betracht (Bücheler, Asbach, Mommsen und Gsell rekonstruieren aus der Statiusstelle ein Consulnpaar Fabricius Veiento und Vibius Crispus, doch erfordern die Worte des Poeten diese Deutung nicht; überdies läßt sich in keinem der Regierungsjahre Domitians ein Suffectconsulat zweier ter consules unterbringen, da diese nur zwei eponymen Consuln von mindestens gleichem Range folgen konnten – solche finden sich aber unter Domitian nicht; Veiento und Crispus können nur Suffecti des Kaisers selbst gewesen sein, und zwar in einem der J. 82–85 oder 88; in den J. 86 und 87 sind uns die unmittelbaren Nachfolger Domitians im Consulate bekannt, 89 fungierten Privatpersonen als ordinarii, vgl. Klein Fasti cos.; ganz unwahrscheinlich ist endlich, daß Statius an der zitierten Stelle den beiden Consularen einen Rang beilegt, den sie erst später erreichten).

Nach Mommsens allgemein gebilligter Anschauung (Korr.-Bl. XII 124f., vgl. Ritterling ebd. XVI 64. Gsell 186. Schumacher Altert. uns. heid. Vorzeit Mainz V 113) hat Veiento die Mainzer Votivgabe in demselben Jahre gestiftet, in welchem wir ihn (bei Statius) an einem kaiserlichen Consilium beteiligt finden; als einer der Comites Augusti im Gennanenkrieg habe er der Nemetona, einer von linksrheinischen Germanenstämmen verehrten Göttin des Kampfes (vgl. Ihm in Roschers Lex. d. Myth. III 166. Zangemeister [1941] zu CIL XIII 6131.[2] Schumacher a. a. O. Grünenwald Korr.-Bl. XXIV 212), seine Gabe dargebracht. Die Annahme hat viel für sich, nur wäre zu bemerken, daß Statius vielleicht eher den Kronrat vor dem Aufbruch des Kaisers von Rom, in der Albanervilla Domitians geschildert hat, an derselben Stätte, die dem parodistischen Gegenstück – Iuvenals vierter Satire – als Schauplatz dient (vgl. Vollmer a. a. O. S. 14; Mommsens später zurückgenommene Vermutung, daß F. der Senatsgesandtschaft angehörte, die Traian im J. 97 von seiner Adoption durch Nerva verständigte [Korr.-Bl. III 104], dürfte nicht das Richtige treffen; zu dieser Zeit hatte Veiento keinen Anhang mehr im Senate).

Unter Domitian muß Veiento eine große Rolle gespielt haben. Die höchste Auszeichnung, die ein Senator erlangen konnte, den dritten Consulat, empfing er von diesem Herrscher, der ihm wohl auch eine oder gar zwei seiner Priesterwürden übertrug. Das zitierte Bruchstück aus Statius zeigt ihn uns im Consilium des Kaisers, und auch in der Parodie Iuvenals beteiligt er sich mit Eifer an dem famosen Kronrat über die Meerbutte (IV 113. 123–129, vgl. Borghesi a. a. O. Friedländer z. St.), offenbar erwies er sich als gut verwendbar und vollkommen dem Kaiser ergeben, dem viel daran liegen mußte, in dem stets beargwöhnten, endlich bitter gehaßten Senat auf dies zu allem willfährige Werkzeug zählen zu können. Unter den hervorragenden Gehilfen, deren sich Domitians an bedeutenden Leistungen reiche Regierung erfreute, den boni amici dieses Kaisers (vgl. Hist. aug. Alex. 65, 5), kam Veiento gewiß keine geringe Rolle zu. Freilich betätigte er seine kaisertreue Gesinnung auch auf einem Gebiete, auf dem ihm andere dieser ,Freunde‘, wie Pegasus oder Rutilius Gallicus, keine Gesellschaft leisteten. Er wird in der Epitome de Caes. 12, 5 als heimlicher Delator bezeichnet (multos occultis criminationibus persecutum), und schon sein Zeitgenosse Plinius gedenkt seiner in nicht mißzuverstehender Weise (dixi omnia, cum hominem nominavi ep. IV 22, 4; auf ihn und seinesgleichen spielt vermutlich Tacitus in der Einleitung der Historien an, wo er von den Delatoren sagt sacerdotia et consulatus ut spolia adepti hist. I 2). Das gleich zu erwähnende Witzwort des Iunius Mauricus stellt ihn sogar einem der gefährlichsten Angeber, L. Valerius Catullus Messalinus, an die Seite. Dennoch erkennt man aus der relativ zurückhaltenden Art, in der Iuvenal und Plinius von ihm sprechen, daß Veiento es verstanden hat, die Dinge nicht auf die Spitze zu treiben – ein kluger Mann, vorsichtig und schmiegsam, in allen Sätteln gerecht (prudens Veiento Iuven. IV 113: ebd. v. 123ff. persifliert der Dichter seine für das Ohr des Gebieters berechnete, nicht aus der Fassung zu bringende Beredsamkeit; in lobendem Sinne nennt ihn Statius [s. o.] Fabius Veiento und will damit an den Cunctator erinnern, vgl. Bücheler a. a. O.).

Als sich nach dem Untergang Domitians der allgemeine Haß gegen die Stützen seines Regimes wendete, hatte Veiento ohne Zweifel keinen leichten Stand. Doch er verstand es, auch bei Nerva sein Ansehen zu behaupten. Er wurde engeren Hoftafeln [1942] zugezogen, war dort (offenbar als ranghöchster Senator) der unmittelbare Tischgenosse des Kaisers, mußte freilich bei einer solchen Gelegenheit, als Nerva fragte, was Catullus Messalinus geschehen würde, wenn er noch lebte, die boshafte Bemerkung des Iunius Mauricus hören: nobiscum cenaret (Plin. ep. IV 22, 4–6. Epit. de Caes. 12, 5). Im Senate fand sich der greise, an Ehren und Auszeichnungen wie kein anderer Standesgenosse reiche Mann recht vereinsamt. Er sprach im J. 97 als Erster von den Consularen für Publicius Certus, gegen dessen Vorgehen unter Domitian sich ein Angriff des jüngeren Plinius richtete (vgl. zur Zeitbestimmung Mommsen Hist. Schr. I 372. 424). Als er jedoch zum zweitenmal das Wort ergriff, wurde seine Rede, obgleich ihm ein Volkstribun seine Unterstützung lieh, durch Lärm und Zwischenrufe, zuletzt durch den Schluß der Sitzung unterbrochen; er nannte dies selbst eine contumelia, und mit einem Homerischen Vers klagte er bitter über die Respektlosigkeit der jüngeren Männer (Plin. ep. IX 13, 13. 19. 20) – freilich, gerade er, der Verfasser der codicilli, mit dem geringsten Recht. Auch Traians Regierungsantritt hat Veiento wahrscheinlich noch erlebt. Er wird der dreifache Consul gewesen sein, der dem Senate angehörte, als Traian im J. 98 den dritten Consulat für das folgende Jahr ablehnte (Plin. paneg. 58; vgl. Hirschfeld Rh. Mus. LI 474f.).

Es ist unsicher, ob Veientos Name bei Iuven. VI 113 die Vorstellung eines greisen oder äußerlich abstoßenden Mannes erwecken soll oder ob ihn der Dichter hier als Gatten der Eppia nennt, die, obwohl sie ihrem Gemahl Knaben geboren hatte, mit dem Gladiator Sergius nach Ägypten durchging (s. Friedländer z. St; in den Scholien ist von Veiento gesagt: senator, maritus contemptus). Da sich dieser Skandal vor dem J. 83 abspielte (s. o. Eppius Nr. 4, ferner Bd. V S. 1515), ist Eppia in letzterem Falle verschieden von Attica, welche die Mainzer Inschrift als Veientos Gemahlin nennt.

Noch an einer anderen Stelle wird Veiento von Iuvenal genannt (III 185). Quid das, fragt der Satiriker, ut te respiciat clauso Veiento labello ? Auch dieser Charakterzug steht dem Manne nicht übel, der aus einem dreisten Junker ein bedachtsamer Opportunist geworden war, Skrupellosigkeit aber in jeder Lebenslage bewiesen hat.

[Groag. ]

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 7253.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 6131.