Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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griechischer und römischer Kalender, Wetterprognose an Stichtagen
Band S VII (1940) S. 175198
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Episemasiai.

I. Wort und Begriff. Bearbeiten

Das Substantivum E. ist in hellenistischer und römischer Zeit (offenbar schon vor der Isagoge des Geminos, die den Ausdruck ohne nähere Erklärung gebraucht) die gang und gäbe Bezeichnung für Witterungsangaben, [176] die mit kalendarischen Daten verbunden sind. Bis ins späteste Altertum (Geoponika, z. B. VII 10), als längst der julianische Kalender in der ganzen griechisch-römischen Kulturwelt eine einheitliche, auf das feste Sonnenjahr gegründete Datierung üblich gemacht hatte, ist das Bewußtsein lebendig geblieben, daß der Ausdruck E. mit der ursprünglichen Art der griechisch-römischen Wetterkalender, den Parapegmen (s. Art. Parapegma), zusammengehört, d. h. daß E. eine Witterungsangabe meint, die mit einer Sternphase (wozu noch die Jahrpunkte treten) verbunden ist. Der substantivische Ausdruck ist abgeleitet von dem verbalen ἐπισημαίνει, der, als eine bestimmte, häufig auftretende Art dieser Notate, für die ganze Gattung als charakteristisch angesehen wurde, z. B.: (wenn die Sonne den 15. Tag im Skorpion steht) Εὐκτήμονι Πλειάδες δύονται (d. i. Frühuntergang)·καὶ ἐπισημαίνει. Aber als E. wird es nach gemeinem Gebrauch auch bezeichnet, wenn etwa Eudoxos zu der nämlichen Phase nicht ἐπισημαίνει, sondern καὶ χειμάζει beischreibt. Mit dem angeführten Beispiel ist schon das Wesen der literarisch überlieferten Parapegmen gekennzeichnet. Den praktischen Gebrauch hat uns der Fund der Reste zweier Parapegmen auf Stein bei den Ausgrabungen von Milet kennen gelehrt (s. Diels und Rehm S.-Ber. Akad. Berl. 1904, 92ff. 752ff.). Das Jahr ist auch dort gegliedert nach dem Weg der Sonne durch die Tierkreiszeichen, aber anstatt daß den Phasen und E. ,Zodiakaltage’ beigeschrieben sind, ist die entsprechende Zahl von Löchern am Rande [177] bzw. zwischen den Zeilen angebracht. Die Zodiakaltage konnte man also nicht ablesen, sondern mußte sie abzählen. In die Löcher aber wurden Plättchen gesteckt – dem Texte also beigesteckt, woher der Name παράπηγμα stammt –, die das bürgerliche Datum kenntlich machten. Bürgerliches Datum, Zodiakaldatum, Sternphase, E. sind also die vier Elemente eines griechischen Witterungskalenders. Überall, wo es kein festes Sonnenjahr gab, war somit das literarische Parapegma praktisch nur dann zu verwenden, wenn man auch eine Anleitung für die Gleichung der Zodiakaltage mit dem bürgerlichen Kalender zur Hand hatte, und zur Besteckung der Steinparapegmen brauchte der damit Beauftragte das nämliche Hilfsmittel, d. h. es war die Kenntnis des maßgebenden Schaltzyklus erforderlich. In Milet war denn auch eine solche Gebrauchsanweisung für jeden der beiden Kalender auf dem Stein als Einleitung aufgezeichnet. Wo ein festes (d. h. durch Tagesschaltung geregeltes) Sonnenjahr eingeführt war, brauchte man das Lochsystem nicht mehr und konnte auch auf dem Papier alle vier Elemente verzeichnen, wie denn schon in dem Kalender Hibeh-Papyri I nr. 27 (3. Jhdt. v. Chr.) geschehen ist. Als sich das julianische Jahr durchgesetzt hatte, konnte z. B. um 200 n. Chr. der Kalender des Antiochos (Gr. Kal. I, s. Lit.-Verz. am Schlusse) auf das Zodiakalschema verzichten, und im 5. Jhdt. gibt Polemius Silvius (s. p. 314ff. W.) nur julianische Daten und dazu E. Das Ursprüngliche aber ist das Lochsystem, die gescheite Erfindung des Atheners Meton nach einhelliger antiker Überlieferung (s. Bd. XV S. 1464), der das erste Parapegma im Jahre des Apseudes (433/32) in seiner Vaterstadt Athen aufgestellt hat. Soviel mußte über diese Kalender gesagt werden, um die Eigenart der E.-Angaben verständlich zu machen. Damit ist auch gezeigt, daß uns hier nur die kalendarisch festgelegten Witternngsnotate angehen. Über die im Altertum ebenso reich entwickelten sonstigen Wetterregeln s. Art. Wetterzeichen. Klar ist ferner, daß die E. den Witterungsangaben des ,Hundertjährigen Kalenders’, wie er nach Knauer von Hellwig 1702 (s. Hellmann III 19) gestaltet worden ist, vergleichbar sind. Die Analogie gilt sicherlich noch weiter, insofern nämlich, als ursprünglich tatsächliche Wetterbeobachtungen an einem bestimmten Ort, gewonnen höchst wahrscheinlich in einer Reihe von Jahren, zugrunde liegen (Überlieferung darüber bei [Theophr.] de signis 4. Ptol. phas. p. 275 W.); so ist ja auch der ursprüngliche ‚Hundertjährige‘ von dem Abt Knauer hergestellt worden (s. Hellmann III 15ff.). Nur war Knauer bescheidener als Meton und seine Nachfolger, insofern als er den Anspruch auf dauernde Geltung für seine Aufzeichnungen nicht erhob; bei seinem Glauben an die Planeten als Jahresregenten konnte er das für das Kalendarium eines Jahres gar nicht tun. Andererseits legte die viel größere Regelmäßigkeit des jährlichen Witterungsablaufes im subtropischen Griechenland die Verallgemeinerung der Ergebnisse kurzfristiger Beobachtungsreihen in viel höherem Grad nahe. In derzeit schwer übersehbarer Menge liegen uns Witterungskalender und damit E. vor; zudem steht noch ganz in den Anfängen die Erforschung [178] ihrer Abhängigkeitsverhältnisse, die doch die Voraussetzung für eine Geschichte der antiken Witterungsprognosen ist. Für die hier verfolgten Zwecke dürften einige vorläufige Angaben genügen. Von den 22 Kalendarien, die wir ganz oder zum Teil besitzen, sind für die Grundfragen immer noch am wichtigsten das älteste, das in der Überlieferung meist der Isagoge des Geminos angehängt ist (= G), aber sicher nicht mit ihr zusammengehört (in der Ausgabe des Geminos von Manitius mit nicht immer richtiger deutscher Übersetzung) und das von Claudios Ptolemaios im – allein erhaltenen – II. Buch seiner Phaseis (= P) mitgeteilte, das für die Phasen ganz neu bearbeitet ist, die E. aber den alten Quellen, zum Teil den gleichen Vorlagen wie G, entnimmt (s. Gr. Kal. III 34ff.). Sie sind unsere Gewährsmänner für die E. der ältesten Parapegmatisten. Besäßen wir das II. milesische Parapegma nicht gar so trümmerhaft, so würde es als wertvollster selbständiger Zeuge daneben treten. Sonst ist für unsere Fragen der Materialzuwachs seit Wachsmuths Lydus nicht sehr ergiebig. Alles handschriftlich überlieferte Neue ist in Bolls Gr. Kal. I–IV bearbeitet. – Das ganze Material, mit dem wir hier zu tun haben, gehört ins Gebiet einer von Astrologie von Hause aus völlig unberührten, auch späterhin von ihr kaum beeinflußten Astrometeorologie. Es könnte nur Verwirrung stiften, wollten wir die astrologische Wettervorhersage, die den angenommenen Einfluß des Mondes, der Planeten, der Tierkreiszeichen hereinzieht, berücksichtigen (Material, allerdings wenig geordnet, bei J. Röhr. Die Sonderfrage nach dem ποιεῖν oder σημαίνειν der Gestirne ist, wohl abschließend, von Pfeiffer behandelt; s. Lit.-Verz.).

II. Vorstufen. Bearbeiten

Die Abhängigkeit des Witterungscharakters im großen vom Sonnenstand ist auch in griechischen Breiten so sinnenfällig, daß sich die Verknüpfung von Wetterkunde und Kalender von selbst ergab, wie so ziemlich auf der ganzen Erde und zu allen Zeiten. Das hat M. P. Nilsson Primitive Time-reckoning (Lund 1920) an einer überwältigenden Fülle von Material klargemacht unter Berücksichtigung auch der griechischen Verhältnisse. Die unmittelbare Beobachtung der Sonnenstände, auch die Beobachtung der obendrein für jeden Ort anderen Aufgangs- und Untergangsörter der Sonne (auf griechischem Gebiet s. Syll.³ 1264) reicht aber für die Bedürfnisse von Landbau und Schifffahrt nicht aus. Weit bessere Marken ergab die – immer noch durchaus vorwissenschaftliche – Beobachtung, daß im Lauf des Jahres immer wieder andere Sterne und Sterngruppen kurz vor dem Aufgang oder nach dem Untergang der Sonne auf- oder untergehend dem Horizont nah zu sehen sind (ἀνατολαί, auch ἐπιτολαί, und δύσεις, auch κρύψεις; das Nähere s. Bd. VI S. 2423ff.). In frühester Zeit werden überhaupt noch wenige Einzelsterne und Sterngruppen – wie die Pleiaden und Hyaden – beobachtet. Größere Gruppen werden zu Sternbildern zusammengefaßt; aber Phasen, ἀνατολαί und δύσεις, werden nur von wenigen vermerkt. Die Pleiaden, die Homer Il. XVIII 486 kennt, aber, wohl zufällig, nicht in ihrer sonst durch die ganze Welt gehenden kalendarischen [179] Bedeutung (s. Nilsson 274ff.; ihre Kenntlichkeit rühmt schon Plin. n. h. XVIII 225) erwähnt, erscheinen bei Hesiod in den Erga wiederholt als Jahrteiler (v. 383. 615. 619f.). Der Sirius aber ist schon bei Hom. Il. XXII 26H. in berühmten Versen Zeichen (σῆμα) der krankheitdrohenden Hochsommerzeit, ja er ist es, der (bei seinem Frühaufgang) den Sterblichen viel Fieber bringt (φέρει): die früheste Stelle, die literarisch die Beziehung zwischen Sternphase und Witterung zeigt, stellt somit gleich auch die schon S. 178, 35 berührte später so viel erörterte Frage nach dem σημαίνειν oder ποιεῖν (s. Pfeiffer 2ff.). Der ganze Fragenkreis ist von Nilsson 110ff., für die klassische Antike vorher Arch. f. Rel. XIV (1911) 427ff., behandelt worden; s. auch Gundel Myth. Lex. VI 1055 (die zur Zeit vollständigste Darstellung der Sternbilder, ihrer Geschichte und Geltung mit reichster Literaturangabe). Man wird übrigens nicht fehlgehen, wenn man dem Sirius in der Rolle eines Urhebers der verderblichen Hitze eine Sonderstellung zuschreibt (ein spätes Denkmal davon ist seine Sonderbehandlung bei Geminos Isag. c. 17, 26ff.); hat er doch, gewiß schon in sehr früher Zeit, beim Frühaufgang in Griechenland Opfer empfangen und späterhin Wirkungen in solcher Fülle zugeschrieben erhalten wie kein anderes Gestirn (s. Bd. III A S. 336ff. 342ff.). Sonst aber hat man den Eindruck, daß in der Frühzeit die Sternphasen nur eben Kennmarken für den Gang der Jahreszeiten waren wie andere wechselnde Naturerscheinungen auch. Der beste Beleg dafür ist Hesiod in den ‚ἡμέραι‘, v. 383ff. Die Phasen stehen unterschiedslos neben dem Herbstregen, dem Kranich- und Schwalbenzug, Grillenzirpen, Artischockenblüte, Blattsprossen, dem Verhalten der Schnecke – und einem vereinzelten Monatsnamen (v. 504). Bemerkenswert ist, daß Hesiod ebenso wie die Phasen auch die beiden Sonnenwenden verwendet (v. 479. 564. 663, in ausreichend genauer Beobachtung, um von der Wende aus mit bestimmten Tagzahlen zu rechnen). Ausgerichtet ist aber bei Hesiod das alles nach den Bedürfnissen des Landmannes und des Seefahrers; darum wird, übrigens gar nicht in systematischer Vollständigkeit, auch der Witterung gedacht. Aber E. im eigentlichen Sinn würde man bei Hesiod vergeblich suchen.

Immerhin kann man aus Hesiod schon eine wesentlich auf den Vorgängen am Himmel aufbauende Jahrteilung herauslesen (vgl. Ginzel Handb. d. Chronol. II 311 – auch zum Folgenden). Die Jahreszeiten werden durch Sternphasen soweit möglich abgegrenzt; aber wo man den Frühling zeitig im Februar beginnen ließ, stand eine Phase nicht zur Verfügung, sondern man betrachtete vielfach das erste meteorologische Frühlingszeichen, das Auftreten des ζέφυρος, das denn freilich ziemlich willkürlich auf einen bestimmten Zodiakal- bzw. bürgerlichen Tag gesetzt wurde, als die Lenzepoche. Unsere meteorologisch so unzulängliche Begrenzung der Jahreszeiten durch die vier ,Jahrpunkte’ (die Wenden und Gleichen) ist altgriechischer Auffassung fremd (s. u. S. 191, 20). Man kann wohl einen der Jahrpunkte benützen, wie es zum Teil für die Lenzepoche geschah, aber die Jahreszeiten überschneiden sich meist mit den durch [180] den Sonnenlauf gegebenen Jahresvierteln ganz regellos, – und es brauchen nicht vier zu sein. Populär scheint sogar die Fünfteilung, dadurch bedingt, daß man zwischen θέρος und μετόπωρον (auch φθινόπωρον) eine eigene Hochsommerzeit, die schon Homer geläufige, gegenüber dem μετόπωρον natürlich ursprünglichere ὀπώρα, einschob. Aber der ,Hippokrateer’ von περὶ ἑβδομάδων kann es sich erlauben, durch Dreiteilung des Winters sogar sieben Jahreszeiten zu konstruieren. Sind somit die Jahreszeiten durch ihren vorwaltenden Witterungscharakter klarer als bei uns gekennzeichnet, so ist dadurch ohne weiteres gegeben, daß die ,Jahreszeitpunkte’ Tage sind, die man besonders beobachtet, weil man an ihnen oder in ihrer Nähe einen Wechsel der Witterung erwartet. Daß dieser Wechsel es ist, der von Hause aus mit dem Wort ἐπιστημαίνει bezeichnet wird, wird im Folgenden zu zeigen sein.

III. Ἐπιστημαίνει. Bearbeiten

Der Ausdruck ἐπιστημαίνει ist ein Impersonale wie insgemein die Verba, die atmosphärische Erscheinungen bezeichnen (anders Pfeiffer 85, dessen Auffassung in dieser Frage auch sonst von der hier vertretenen mehrfach abweicht. Gegen ihn auch Röhr 298). Er gehört aber gar nicht allein der meteorologischen Sphäre an; gerade die Parallelen aus anderen Gebieten dürften den Begriff klären helfen, der augenscheinlich der lebenden Sprache des 5. und 4. Jhdts. v. Chr. ganz geläufig war. Im hippokratischen Corpus, epid. I 18, περὶ ἄρθρων 30 (p. 147, 20 K.), bedeutet es das Auftreten bedenklicher Symptome, Aristot. hist. an. VI 18 p. 572 b 32 steht es von Zeichen geschlechtlicher Vorgänge bei Tieren und wird alsbald mit γίνεται τὰ σημεῖα wieder aufgenommen, und p. 573 a 1 werden wieder die Anzeichen der Geburt so bezeichnet; ähnlich gen. 40 an. I 20 p. 728 b 29. Daß die Praep. ἐπί hier ,mit Bezug auf’ bedeutet, zeigen Stellen mit σημαίνει ἐπί: [Aristot] probl. 26, 12 p. 941 ἐπὶ πᾶσι μὲν σημαίνει τοῖς ἄστροις δυομένοις ἢ ἐπιτέλλουσιν (= c. 32 p. 944 a 8). Thuk. II 8, 3 (Deutung des Erdbebens von Delos) ἐλέγετο δὲ καὶ ἐδόκει ἐπὶ τοῖς μέλλουσι γενήσεσθαι σημῆναι. Arat. v. 873. 904. So wird denn auch mit Recht seit I. G. Schneider De signis 57 gelesen ἐπὶ δὲ τοῖς ἄστροις εἴωθεν ὡς ἐπὶ τὸ πολὺ σημαίνειν (statt τοῖς δ’ ἄστροις). Darnach ist natürlich auch φιλεῖ ἐπισημαίνειν ἐπ’ αὐτῶι (τῶι Ὠρίωνι)) G p. 232, 22 M. zu verstehen; singulär und unsicher ἐπισημαίνει αὐταῖς (ταῖς Ὑάσι) S.-Ber. Akad. Berl. 1904, 756. 758. Mit τὰ σημεῖα γίνεται umschreibt Aristoteles ἐπισημαίνει in physiologischem Zusammenhang; genau das Nämliche tut in meteorologischem der Hippokrateer von περὶ ἀέρων c. 10 mit Beifügung von ἐπὶ τοῖς ἄστροισ δύνουσί τε καὶ ἐπιτέλλουσι, wie in De sign, steht. VgL auch ἐσήμαινεν εἰς τὸν ἀπόπλουν (zu Il. II 301ff.) Aristot. apor. Hom. frg. 145 p. 122, 8 R.

Aber ἐπισημαίνει wie intrans. σημαίνει kann auch mit persönlichem Subjekt gebraucht werden; nur geschieht das in meteorologischer Literatur ganz selten. Ich kenne nur Παρθένος ... ἐπιτέλλουσα ἐπισημαίνει bei Kallippos G p. 214, 16f. M. Aber in der Medizin ist dies ἐπισημαίνειν = ,zeichnen, ein Zeichen hinterlassen’ gang und [181] gäbe: in Epid. I, Krankenbericht 6, p. 208, 10 K. ἐπεσήμαινον οἱ παροξυσμοί, in π. . ἱρῆς νούσου c. 8 ἐπισημανθῆναι und vorher (τὰ παιδία) ἐπίσημα ἐόντα, in der Pestbeschreibung bei Thukydides II 49, 7 τῶν ἀκρωτηρίων ἀντίληψις ἐπεσήμαινειν, bei Gell. XVIII 7, 4, mehrfach auch bei Galen; verwandt bei Aristoteles gen. an. I 19, 727 a 8. I 20, 728 b 24 (τὰ περὶ τοὺς μαστούς, τὰ καταμήνια) und entsprechend das einfache σημαίνει hist. an. IV 8 p. 533 a 11. Darnach wird man sich nicht wundern, im Kalender des Saïtischen Nomos von ca. 300 v. Chr. (Hibeh-Pap. I nr. 27) zu lesen ὁ ποταμὸς ἐπισημαίνει πρὸς τὴν ἀνάβασιν, Z. 168f. 174f. Belege aus – durchweg hellenistischer – nichtfachlicher Schriftstellerei, in der besonders die Gottheit ἐπισημαίνει, und Belege für gleichartigen Gebrauch des Subst. E. würden das hier Vorgebrachte nur bestätigen.

Der medizinische Terminus kann transitiv gebraucht werden (einen Menschen ,zeichnen’); beim meteorologischen kommt ein Akk.-Objekt niemals vor. Davon, was als Objekt zu denken wäre, wird später (S. 183, 17ff.) die Rede sein. Dagegen ist es durchaus logisch, daß die Witterungserscheinung, die als Zeichen zu betrachten ist, wofern eine bestimmte angegeben werden kann, im Dat. instr. hinzutritt, wie ὕδασι καὶ ἀνέμοις (Demokrit, 19. VIII. G; die anderen Stellen s. Boll Berl. Phil. Woch. 1916, 708f. mit unrichtiger Deutung; grandine significat [Germ. frg. IV 120] ist korrekte Übersetzung). Gleichen Sinn hat es, wenn eine solche Angabe in der knappen Sprache der Parapegmen im Nominativ oder mit verbalem Ausdruck selbständig daneben tritt, wie κἄπειτα ἐπισημαίνει· χειμὼν κατὰ θάλασσαν (Euktemon 15. IX. G).

,Bei einer Phase gibt es ein Zeichen’; wenn dabeisteht, durch welcherlei Witterungserscheinung, so ist der Ausdruck verständlich. Wenn diese Angabe fehlt, so ist natürlich auch an das Wetter gedacht, – aber was soll man sich dabei vorstellen? Da uns ganz allgemein auffällig doch immer nur eine Veränderung des bestehenden Zustandes ist, so werden wir gerne den Begriffsbestimmungen glauben, die wir aus Zeiten haben, die noch wissen mußten, was E. sind. Möglich, daß von allem Anfang an die meteorologische Erklärung in den Prooemien der Parapegmen stand. Wir lesen [Aristot.] probl. 26, 12 p. 941 b 9 τὸ ἐπισημαίνειν ἐστὶ μεταβολὴν τοῦ ἀέρος ποιεῖν. Ptol. phas. II 7 p. 207, 16 (bei der Erklärung des Begriffs E.) τρέπεσθαι μὲν γάρ πως οἰητέον τὰς τῶν ἀέρων καταστάσεις καὶ παρὰ τοὺς ἐκκειμένους τῶν ἀπλανῶν πρὸς τὸν ἥλιον σχηματισμούς, ὥσπερ καὶ παρ’ αὐτὴν μόνην τὴν ἐπὶ τὰς τροπὰς καὶ ἰσημερίας τοῦ ἡλίου πάροδον. Und ohne weiteres im Sinn von μεταβάλλει ὁ ἀήρ wird, in Verbindung nicht mit Sternphasen, sondern mit Erscheinungen wie dem Regenbogen, ἐπισημαίνει in de signis § 10. 11. 22 gebraucht. Bei späten Parapegmatisten aber finden wir einerseits ἐπισημαίνει in unsinniger Häufung notiert, die der überwiegenden Gleichmäßigkeit des griechischen und vollends des ägyptischen Klimas in keiner Weise entspricht, ein Ergebnis verständnisloser Massenkompilation (so bei Antiochos, s. Gr. Kal. I), andrerseits bewußt gemieden. Dann aber wird es ersetzt durch Ausdrücke, die ohne Zweifel synonym [182] sein wollen: bei Aetios (p. 289ff. W.) durch ἀλλοιοῦται ὁ ἀήρ und Ähnliches, im Kalender des ,Clodius Tuscus’ bei Lyd. de ost. p. 117ff. W. und in den andern Brechungen dieses Kalenders, Gr. Kal. IV, durch τροπὴ τοῦ ἀέρος (mit allerlei Zusätzen), wie schon Hellmann II 163 erklärt; daß er richtig gesehen hat, läßt sich an vergleichbaren E. anderer Parapegmatisten dartun. (Das einzige ἐπισημαίνειν bei Clodius, 1. IV., gehört einer Sonderüberlieferung an; vgl. Gr. Kal. IV 30). Für die Selbstverständlichkeit, mit der E. und Witterungswechsel in der Fachliteratur gleichgesetzt werden, sei schließlich auf Geminos Isag. c. 17 verwiesen, die höchst elegante Erörterung über das σημαίνειν und ποιεῖν der Sterne, von Pfeiffer 54ff. mit dem erreichbaren Maße von Wahrscheinlichkeit auf Panaitios zurückgeführt. Sie beginnt (p. 180, 3 M.) mit den Worten: ὁ περὶ ἐπισημασιῶν λόγος παρὰ μὲν τοῖς ἰδιώταις ἀλλοίαν ἔχει διάληψιν ὠς ἐπὶ ⟨ταῖς⟩ τῶν ἄστρων ἐπιτολαίς καὶ δύσεσι τῶν περὶ τὸν ἀέρα μεταβολῶν γινομένων. E. und diese μεταβολαί sind also ein und dasselbe. Und diese Gleichsetzung geht durch das ganze Kapitel (vgl. z. B. πρόρρησις τῶν ἐπισημασιῶν § 6. 22, πρόγνωσις τῶν περὶ τὸν ἀέρα μεταβολῶν § 45 ~ 13). E. bedeutet hier, wie man sich leicht überzeugen kann, nicht sowohl ,Witterungsanzeichen’ als ,Witterungserscheinungen’ (mit besonderer Bevorzugung von Regen und Wind). Von hier aus begreift man ohne weiteres, wie auch in nichtfachlicher Literatur das Subst. E. die Bedeutung ,unsichere Wetterlage’ erhalten konnte. Sehr charakteristisch Polyb. I 37, 4, wo die Steuerleute vor der Fahrt an der Südküste Siziliens, die 255 zu einer schweren Unwetterkatastrophe der römischen Flotte führte, warnen διὰ τὸ ... τὴν μὲν οὐδέπω καταλήγειν ἐπισημασίαν, τὴν δ’ ἐπιφέρεσθαι· μεταξὺ γὰρ ἐποιοῦντο τὸν πλοῦν τῆς Ὠρίωνος καὶ Κυνὸς ἐπιτολῆς (vgl. auch Chrysipp [?] StVFr. III nr. 742 p. 184, 39).

Die Römer haben den verbalen Ausdruck mit significat wiedergegeben, das Substantiv mit significatio oder significatus. Pfeiffer 91ff. hat ihr Verfahren richtig dargestellt; seine Angaben lassen sich aus Plin. n. h. noch ergänzen (so kommt significatio auch X 5. XVIII 359. 360. 364, significatus auch XVIII 221. 310 vor, nach dem von Herrn Dillmann freundlich zur Verfügung gestellten Thesaurusmaterial). Für die verbalen Wendungen legt Pfeiffer Columella zugrunde und ergänzt ihn aus Plinius. Das normale significat, impers. und intrans., findet sich bei beiden. Eine Besonderheit Columellas ist unpersönliches tempestatem significat, was dann bei Polemius Silvius noch etwas vermehrt auftritt, auch als tempus significat (p. 314ff. W.). Das Objekt kann bei Columella auch bestimmter sein (pluviam § 36, ventorum commutationem § 94). Significat kann auch persönlich konstruiert werden (sideris ... occasus s. § 57). Plinius hat bei significat kein Akk.-Objekt; aber dafür XVIII 234 nobilia sidera significant und gar passivisch 246 significatur imber Librae occasu. Es wird sich zeigen, daß er nach seiner eigenen Theorie XVIII 207 hätte schreiben müssen significatur imbre Librae occasus; aber die Theorie fließt eben bei Plinius aus anderer Quelle als der Kalender. Auch [183] der Tag selbst, das Datum an sich, kann Subjekt sein: mit significant Kal(endae) Apr(iles) setzt XVIII 246 der Kalender bei Plinius ein! Damit ist wohl zur Genüge dargetan, daß weder Columella noch Plinius mit dem fremdartigen, zu der Zeit, da sie arbeiteten, längst abgegriffenen Ausdruck noch eine klare Vorstellung verbanden; das Nämliche wird schon für ihre Vorgänger, insbesondere für den sog. römischen Bauernkalender, Columellas Vorlage, anzunehmen sein. Columellas Eigentum ist dagegen wohl die Wendung § 5: ... siderum occasus tempestatem facit, interdum tantummodo significat. Das gehört zum Kapitel des ποιεῖν oder σημαίνειν der Gestirne; vgl. Pfeiffer 92, 6, dazu das merkwürdige itaque Colum. § 94, 17. XII.

,Bei einer Phase gibt es ein Zeichen durch Witterungswechsel’, das ist das Ergebnis des bisherigen Zeugenverhörs. Ein Zeichen wofür? Schon angeführte Stellen wie Παρθένος ἐπισημαίνει (o. S. 180, 65) und die Stellen mit σημαίνει ἐπί mit Bezeichnung des Gestirns oder allgemein τοῖς ἄστροις (o. S. 180, 40) legen den Gedanken nahe, daß die E. das Zeichen für die Phase, d. h. ein Fingerzeig, sie zu beobachten, ist (s. Epit. Swob. 218, 2). Dazu kommt αἱ ἐπὶ ταῖς φάσεσιν ἐπισημασίαι Ptol. Phas. c. 1 p. 201, 7, oder gar αἱ τῶν φάσεων ἐπισημασίαι p. 275, 1 W., ähnlich p. 208, 17. Es gibt aber noch klarere Stellen: Ap. Rhod. II 1098 (Zeus schickt _ starken Nordwind) ὕδατι σημαίνων διερὴν ὁδὸν Ἀρκτούροιο. So wird es auch Ovid verstanden haben fast. I 315f. missi tibi nubibus atris signa dabunt imbres exoriente Lyra; IV 904 signaque dant imbres, exoriturque Canis. Am deutlichsten spricht vielleicht Plinius, und das in einem Abschnitt, der sicher auf gute Vorlagen, höchstwahrscheinlich auf griechische, vielleicht mittelbar auf Caesars Kalendermacher Sosigenes (s. Bd. III A S. 1154), zurückgeht. Plinius hat in die Vorschriften über Landbestellung in n. h. XVIII 207–219 (223) eine Abhandlung über Phasen und E. eingelegt, in der durch allerhand plinianische Wunderlichkeiten eine zugrunde liegende ganz verständige Darlegung der Schwierigkeiten der Astrometeorologie durchschimmert. Er beginnt mit – so wird zu verstehen sein – der Feststellung, daß die Phasen bis zur Korrektur im Schaltjahr im Laufe eines Zyklus genau genommen immer unschärfer datiert werden. (Das ist die eudoxische Theorie nach Plin. n. h. II 130, vgl. Boeckh 124, kallippisch nach Theodosius de diebus et noctibus II 17 p. 150, 7 Fecht). Dann folgt, was uns hier angeht: ,Eine weitere Unsicherheit ergibt sich daraus, daß die E. bald vor, bald nach der Phase eintreten, was dazu führt, daß wir vulgo serenitate reddita confectum sidus audimus.’ D. h. gemeinhin werden wir uns erst nach Abschluß der E. über den Vorgang der Phase klar, – während doch eigentlich die E. uns die Phase genau hätte anzeigen, ihr σημεῖον hätte sein sollen. Noch einfacher drückt er sich n. h. II 108 aus: tempestate confici sidus intellegimus. Von hier empfängt auch die Stelle XVIII 231 (von den halkyonischen Tagen) Licht: sed in his et in aliis omnibus ex eventu significationum intellegi sidera (= die Phasen, hier die bruma), debebunt, non ad dies utique praefinitos expectari [184] tempestatum vadimonia. – Hiernach ist in einer Wendung wie ἐπισημασίαι ὄμβρων (Geminos c. 17, 1 p. 180, 8 M.) der Genetiv der des Inhalts, bei ἐπισημασίαι τοῦ περιέχοντος (Ptol. tetrab. 1, 1) liegt Gen. subi. vor: ,Änderungen der Atmosphäre’ (s. Röhr 295).

IV. System der E. Bearbeiten

Das Ergebnis der bisherigen Quellenbefragung ist unleugbar paradox: der ganzen geschichtlichen Entwicklung nach sollen doch die Phasen dazu helfen, den Gang der Witterung im Laufe des Jahres zu erkennen (so Gem. c. 17, 12) – und nun stellt sich heraus, daß vielmehr die E. dazu helfen sollen, die Phasen zu erkennen. Es ist hübsch, daß schon Plinius bzw. sein Gewährsmann diese Antinomie empfunden hat; n. h. XVIII 210 sagt er: res anceps: primum omnium a caelo peti legem, deinde eam argumentis (d.h. διὰ τεκμηρίων) esse quaerendam. Die Vorgänge am Himmel sind tatsächlich nicht immer leicht zu beobachten. Atmosphärische Trübung des Himmels in Horizontnähe stört auch im Süden zeitweilig, und da die E.-Lehre immer schon auch die Jahrpunkte heranzog, so ist zu bemerken, daß wenigstens die Beobachtung der Gleichen für den Laien sehr schwierig ist und bei den Wenden, die allein schon Hesiod berücksichtigt, wenigstens die Festlegung auf den bestimmten Tag.

Aber damit ist die von Plinius hervorgehobene Antinomie nur verdeutlicht, nicht gelöst. Verständlich wird alles erst aus der Lehre, daß gewisse Phasen durch sie begleitende Unruhe der Atmosphäre gekennzeichnet sind, daß aber die nämlichen Phasen wiederum als Grenzscheiden längerer Witterungsperioden besondere Bedeutung haben, also die Festlegung lohnen. Das Zweite ist alte, gute Lehre. Die Scheidung der Jahreszeiten durch Sternphasen ist uns seit Nilsson (s. o. S. 178, 44) als eine über die ganze Erde verbreitete Methode vertraut; für Homer und Hesiod kann gleichfalls auf schon Gesagtes zurückverwiesen werden. Und daß unter Jahreszeit eben eine Periode von bestimmtem Witterungscharakter zu verstehen ist, liegt im Begriff. Daß aber außer ihren Grenzen, den Jahreszeitpunkten, auch die Jahrpunkte, Wenden und Gleichen, die sich nach der antiken Jahreszeitteilung mit diesen überschneiden, die Jahreszeiten meteorologisch unterteilen, ist (vgl. Epit. Swob. 218) klar entwickelt in der hippokratischen Schrift περὶ ἀέρων c. 11 p. 52, 12 K. (= CMG I 1 p. 67, 1): ,Der Arzt hat die wichtigsten μεταβολαὶ τῶν ὡρέων zu beachten und sich in dieser Zeit tunlichst stärkerer Eingriffe zu enthalten. Solche μεταβολαί sind in allererster Linie die Wenden und Gleichen, von den letzteren wieder besonders die Herbstgleiche. Dazu kommen der Aufgang des Sirius und des Arktur, ferner der Untergang der Pleiaden.’ Also Beginn der ὀπώρα (wenn auch der Name nicht genannt ist), des μετόπωρον, des Winters. Frühlingsanfang ist dem Hippokrateer die Frühlingsgleiche (s. u.). Sommersanfang fehlt, gilt also dem Arzte medizinisch als bedeutungslos (die Phase ist der Frühaufgang der Pleiaden). Daß ihm diese Fragen von größter Wichtigkeit sind, tritt in der ganzen Schrift immer wieder hervor: so im Prooemium c. 2 extr. in der Verteidigung der Wichtigkeit, die die ἀστρονομίη für [185] den Arzt besitzt und in c. 10 in der Lehre von der Wechselbeziehung der Jahreszeiten hinsichtlich des Witterungscharakters, die uns noch beschäftigen muß. Die nämliche Theorie hat aber auch der Verfasser von Epid. I. III, der mit dem Verfasser von περὶ ἀέρων nicht identisch sein dürfte, u. a. weil er φθινόπωρον statt μετόπωρον sagt (ebenso μακροχρόνιος c. 7 p. 228, 2 K., πολυχρόνιος π. ἀέρ passim). In seinen Charakteristiken einzelner Jahre, den καταστάσεις (I 1. 4. 13 [das Stück mit den genauesten Angaben], III 2) verwendet er die nämlichen Periodenteiler, ebenso in den Krankheitsbeschreibungen; III 15 ist beinahe eine fünfte κατάστασις. Auch er vernachlässigt den Sommersanfang, obwohl er natürlich vom Sommer öfters redet; die Zeit ἐπὶ Κυνί ist ihm ein Abschnitt des θέρος (I 13 p. 191, 5. III 2 p. 224, 14 K.). Hinzu tritt allein die Zeit ἡνίκα ζέφυρος πνεῖν ἄρχεται I 4; aber hier wie in III 2 scheint bei ihm der Frühling mit der Gleiche zu beginnen. Sein Bekenntnis zu einer meteorologischen Medizin ΙΙΙ 16 ist nicht weniger bestimmt als das des Autors von περὶ ἀέρων (zu alledem s. Rehm S.-Ber. Akad. Münch. 1916 nr. 3, 22f.). Dazu tritt die nämliche Lehre bei [Theophr.] de signis, und zwar in den ältesten Teilen der Kompilation, in Abschnitten, die ich auf den ältesten der Parapegmatisten Euktemon glaube zurückführen zu dürfen (s. Bd. VI S. 1060). Die Schrift teilt mit den Hippokratikern die Fünfteilung des Jahres (s. bes. § 44. 48); die ὀπώρα wird sogar als selbständige Jahreszeit gerechnet. Die Jahreszeitpunkte bzw. Jahreszeiten spielen die weitaus größte Rolle bei den Witterungsbestimmungen; aber einmal (§ 23) wird auch die (Herbst-)Gleiche herangezogen, und in der schon (s. o. S. 180, 47) angeführten Schlußbemerkung sind Phasen, Gleichen und Wenden in eine Reihe gestellt, die §§ 6. 7 gehören nicht zu den alten Stücken). Es soll hier nicht näher ausgeführt werden, wie diese Anschauungsweise, das Ineinander von Jahreszeitpunkten und Jahrpunkten als Schema des Kalenders, bis herab zum Kalender Caesars sich behauptet (s. Epit. Swob. 227); inwieweit es sich bei den E. der Kalender geltend macht, wird zu untersuchen sein (s. u. S. 186ff.).

Phasen als Grenzscheiden längerer Witterungsperioden sind hiemit schon für die frühesten Theorien gesichert; die wichtigsten auch schon genannt. Auch daß sie Zeiten atmosphärischer Unruhe sind (s. o. S. 180. 184), könnte bereits aus der Warnung des Autors von περὶ ἀέρων c. 11 erschlossen werden. Doch haben wir dafür auch unmittelbare Zeugnisse. Polyb. I 37, 4 ist schon S. 182, 33 genannt. Lehrt er, daß im 2. Jhdt diese Anschauungsweise üblich war, so haben wir für ältere Zeiten fachmännische Aussagen: Aristot. meteor. ΙΙ 4, 5 p. 361 b 30ff. ἄκριτος δὲ καὶ χαλεπὸς ὁ 'Ψρίων εἶναι δοκεῖ καὶ δύνων καὶ ἀνατέλλων διὰ τὸ ἐν μεταβολῆι ὥρας συμβαίνειν τὴν δύσιν καὶ τὴν ἀνατολήν, θέρους καὶ (codd. ἢ) χειμῶνος (καὶ διὰ τὸ μέγεθος τοῦ ἄστρου ἡμερῶν γίγνεται πλῆθος)· αἱ δὲ μεταβολαὶ πάντων ταραχώδεις διὰ τὴν ἀοριστίαν εἰσιν). Das paraphrasiert Theophrast (de ventis § 55) mit der leichten Korrektur, daß er ἐν ἀρχῆι ὀπώρας statt θέρους einsetzt, und so ist das dann in [Aristot.] probl. 26, 13 p. 941 b [186] 24ff. übergegangen (Aristoteles’ Angabe ist bezüglich der ἀνατολή anfechtbar, die Korrektur aber auch: indes beschäftigt uns diese Frage hier nicht). Das ist auch nicht ausschließlich peripatetisch: als eine mögliche Ursache des Witterungsumschlags (mit ἐπισημασία bezeichnet wie Gem. c. 17) nennt Epikur im Pythoklesbrief § 98 συγκυρήσεις καιρῶν, wo Pfeiffer, der die Stelle S. 76 im ganzen richtig behandelt, zutreffend mit Boll unter καιροί die Jahreszeiten versteht.

Denkt man in der hier verfolgten Richtung weiter, so kommt man für die Parapegmatisten zu der Forderung, daß sie an allen Gliedstellen des Systems, bei Jahrpunkten und Jahreszeitpunkten, ἐπισημαίνει anmerken mußten, es aber auch nur da tun durften, vorausgesetzt eben, daß sie ein solches System befolgten. Die Untersuchung darüber kann hier nicht im einzelnen vorgelegt werden. Sie ist natürlich nur an denjenigen Parapegmen durchzuführen, die wir einigermaßen rekonstruieren können. Böckhs ,Sonnenkreise’, das große Vorbild, zeigen, daß unsere Überlieferung zwar eine gute Strecke weit zu kommen erlaubt, aber manches unsicher läßt. Was an Material hinzugekommen ist, verändert das Bild nicht wesentlich (Einzelnes s. Art. Parapegma). Wir arbeiten ja unter ungünstigen Verhältnissen. Kein Einzelparapegma der Frühzeit ist uns erhalten; der Fund der ἄστρων διαστήματα für Euktemon (Gr. Kal. III) hat zwar gezeigt, daß solche auch noch im späteren Altertum umliefen, aber uns erhalten sind eben so nur die Phasen Euktemons, nicht die E. Sonst aber haben wir nur Sammlungen, und zwar ist, von den geringen Resten des ΙΙ. milesischen Parapegmas abgesehen, unmittelbar für unsere Zwecke zu gebrauchen allein G. Denn bei P ist die Beseitigung der originalen Phasen eine Quelle beständiger Unsicherheit, die nur dadurch etwas gemildert wird, daß er zum Teil die nämliche Sammlung wie G benützt (s. Gr. Kal. III 34ff.); und daß er in der Angabe der E., an denen ihm, dem Astronomen, wenig lag, von geringerer Zuverlässigkeit als G ist, hat man längst festgestellt; auch ist nicht zu übersehen, daß uns P in zwei Redaktionen vorliegt (s. Heiberg Praef. der Ausg. p. CLIVf.), die manchmal unter sich so verschieden sind, daß man an der Wiedergewinnung des Ursprünglichen verzweifeln muß. Aber auch bei G haben sich sei es Versehen sei es Verstümmelungen des Textes herausgestellt (s. Epit. Swob. 217, 6), die ein Moment der Unsicherheit hineintragen.

All dies zugegeben, bleibt als Ergebnis bestehen, daß es keinen Parapegmatisten gibt, der ἐπισημαίνει ausschließlich zu den Systempunkten setzt. E. ,zweiten Ranges’ muß man also bei allen anerkennen (davon u. S. 188, 35). Aber die erste Forderung, daß sich ἐπισημαίνει bei den Systempunkten findet, ist bei Euktemon, man darf sagen, völlig erfüllt, bei Kallippos mit einer gewiß nicht zufälligen Abweichung; die Unterschiede zwischen den Parapegmatisten bestätigen nur die Richtigkeit der Beobachtung. Für keinen der anderen Parapegmatisten gibt das überlieferte Material ausreichende Sicherheit für die Untersuchung. Auch für die beiden Genannten [187]

Das Notat ἐπισημαίνει bei Euktemon und Kallippos.
(Stern = Vorhandensein, Strich = völliges Fehlen.)
Jahr- und Jahreszeitpunkte, Phasen Euktemon
Zodiakal- und julianisches Datum
G     P Kallipos
Zodiakal- und julianisches Datum
G P
1 Sommerwende
 
Krebs 1, 26. VI.
Krebs# 1,28. VI.
(∗)
 (∗)
Krebs 1, 28. VI.
Krebs 1,28. VI.
(∗)
 (∗)
2 ὀπώρα (Frühaufgang des Sirius) Löwe 1, 27. VII.
Löwe# 1,29. VII.

 
Löwe 30, 25. VII.
 
(∗) (∗)
3 μετόπωρον (Frühaufgang
 des Arktur)
Jungfrau 20, 15. IX.

 
Jungfrau 17, 12. IX.
Jungfrau 17, 13. IX.

 
4 Herbstgleiche
 
Waage 1, 26. IX.
Waage 1, 27. IX
 
 
Waage 1, 26. IX.
 

 
5 χειμών (Frühuntergang der Pleiaden) Skorpion 15, 9. XI.
 
 
 
Skorpion 16, 10. XI.
Skorpion 16, 11. XI.

 
6 Winterwende Steinbock 1, 24. XII.   Steinbock 1, 24. XII.  
7 ἔαρ (Spätaufgang des Arktur) Fische 12, 4. III.
(∗) (∗) Fische 2, 22. II.
 
8 Frühlingsgleiche
 
Widder 1, 23. III.
Widder 1, 27. III.

 
Widder 1, 23. III.
 
 
 
9 θέρος (Frühaufgang der Pleiaden) Stier 13, 5. V.
Stier 13, 10. V.

 
Stier 13, 5. V.
 
 
 

kann das Material unmöglich hier so in allen Einzelheiten besprochen werden, daß alle an der Überlieferung vorgenommenen Korrekturen begründet werden. Es sei auf die Bearbeitung des Euktemon in Gr. Kal. III, des Kallippos in Epit. Swob. 2188. verwiesen. Zu der vorstehenden Tabelle wird es dann genügen, Folgendes zu bemerken. Das ἐπισημαίνει–Notat zur Sommersonnenwende ist nach Analogie der drei anderen Jahrpunkte dem Kallippos zu nehmen und dem Euktemon zu geben, indem man mit geringster Textänderung in der Vorlage von G P den Ausfall von Euktemons Namen annimmt (Gr. Kal. III 8). Über das Notat zu Löwe 1 s. Gr. Kal. in 33, 41. Bei Euktemon ist in G P mit dem Notat ἐπισημαίνει die Bemerkung ἔαρος ἀρχή zu Fische 12 ausgefallen, aber die Bemerkung zu Steinbock 14 μέσος χειμών gestattet, Euktemons Lenzbeginn für diesen Tag sicher zu ergänzen; das Nämliche ist dann für die E. billig. Zum 24. XII. nennt P Meton statt Euktemon. Die Gleichungen zwischen G und P sind in der zweiten Jahreshälfte nicht alle sicher. Bei Kallippos ist in keinem Falle der Beginn einer Jahreszeit überliefert; daß man seine E. trotzdem für unsere Zwecke verwerten darf, ist schon im Suppl.-Bd. IV S. 1437f. (s. auch Epit. Swob. 219) gezeigt.

Euktemon folgt also der Lehre durchaus; da er als der älteste Parapegmatist zu gelten hat, liegt die Annahme nahe, daß er ihr Erfinder ist. Wohl möglich, daß sie von ihm, d. h. von der Schrift aus, mit der er sein Parapegma erklärt haben wird, den Weg zu den Hippokrateern gefunden hat wie zu dem Kompilator von De signis. Kallippos verzichtet auf ἐπισημαίνει bei den Jahrpunkten, gewiß nicht unlogisch. Aber er ist mit dieser Auffassung offenbar [188] nicht durchgedrungen: Ptolemaios könnte sonst an der o. S. 181, 51 angeführten Stelle nicht Jahrpunkte und Jahreszeitpunkte nebeneinander nennen. Bei ,E. zweiten Ranges’ ergibt sich für Euktemon die Beobachtung, daß zweimal (Waage 5 G P, Stier 32 G P) die altherkömmlichen Phasengestirne Pleiaden und Arktur im Spiele sind; die zwei anderen Fälle sind nur durch P bezeugt, also ohnehin unsicher (4. XI., 29./30. XII.). Billig wundern wird man sich, daß ein Sternbild von so alter Bedeutung wie Orion für Euktemon meteorologisch fast unverwertet bleibt (nur G Skorpion 15). Für Kallippos mag in den Fällen zweiten Ranges (Löwe 29 G P, Waage 17 G P, Waage 28 G P, 11. XII. P, 14. V. P, 26. V. P) wirkliche Beobachtung vorliegen; so strikte wie Euktemon hält er sich offenbar nicht an das System.

Die geringen Reste von Demokrits Parapegma (dessen Anfang bis 29. X. in G überhaupt fehlt) geben kein genügendes Bild. Bei ihm und Eudoxos schafft noch dazu die sehr starke Verschiedenheit in den Notaten zwischen G und P die größten Schwierigkeiten; den Angaben über Eudoxos gegenüber macht auch die Abweichung in dem wesentlich auf Eudoxos aufgebauten Kalender von Sais mißtrauisch. Demokrit wie Eudoxos scheinen den Systempunkten nicht gerade auszuweichen (vgl. z. B. Eudoxos 13. XI. P und 14. V. G P [12. V. P] bei Jahreszeitpunkten). Aber beherrschend ist das System bei ihnen augenscheinlich nicht, und so konnte es mehr oder minder in Vergessenheit geraten. Von Geminos in c. 17, also wahrscheinlich Panaitios, kann man positiv sagen, daß ihm von einem System nichts bekannt gewesen ist: daß bei Aufstellungen von E. eine μέθοδος ὡρισμένη in Betracht [189] gekommen sei, lehnt er ausdrücklich ab (§ 8, auch § 23); die E. sollen nur auf Beobachtung beruhen. Bei den Römern scheint der ,Bauernkalender’ einen Rest des Systems bewahrt zu haben; wenigstens vermerkt Columella zu drei Jahrpunkten (24. XII., 24. 25. III., 24. 25. 26. IX.) significat, während es bei keinem seiner Jahreszeitpunkte steht. Plinius weiß in der ,Abhandlung’ auch noch von der Sache. Er schreibt n. h. XVIII 221 nach der Angabe der Jahrpunkte: qui et ipsi dies raro non aliquos tempestatum significatus habent. Aber im Kalender selbst ist weder zu einem Jahr- noch zu einem Jahreszeitpunkt significat angemerkt.

V. Die übrigen E. Korrelationen. Lostage. Bearbeiten

Selbstverständlich gehen, wenn man von dem Sonderling Antiochos absieht (s. o. S. 181, 66), die ἐπισημαίνει-Notate neben einer überwiegenden Menge mehr oder minder eindeutiger E. her; Winde, darunter die Normalwinde ἐτησίαι, ὀρνιθίαι, προορνιθίαι, πρόδρομοι (s. die betr. Art), Regen, ,Tröpfeln’ (ψακάς), Hagel, kaum je Schnee (s. u. S. 193, 58) erscheinen, wobei starke Unterschiede zwischen den Parapegmatisten in der Berücksichtigung der einen und der andern Gattung unverkennbar sind; so hat Hipparch eine besonders reiche Windtafel, auch der sog. ,Clodius Tuscus’ gibt überraschend viele solche Notate. Davon wird unten (S. 195, 40) noch zu handeln sein. Leider sind nicht alle Bezeichnungen eindeutig, so χειμών und die Verba χειμαίνει, χειμάζει. Sie können Sturm oder schlechtes Wetter im allgemeinen bedeuten.

Es kommen aber für die E.-Lehre noch einige allgemeinere Gesichtspunkte in Betracht. Wenn der Meteorologe die Jahreszeiten als Witterungstypen erfaßt hat, drängt sich ihm die Frage nach der Typik in der Abfolge der Jahreszeiten von selbst auf. Gehört doch sogar in der gebildeten Laienwelt unserer Tage die Überzeugung, daß es einen Ausgleich zwischen den Jahreszeiten (kalter Winter – heißer Sommer) gebe, zu den am festesten sitzenden Verurteilen. In der griechischen Antike ist uns eine solche Korrelationstheorie am frühesten wieder durch den Hippokrateer von περὶ ἀέρων bezeugt, freilich nur mittelbar; denn sein Augenmerk ist auf die gesundheitliche Auswirkung bestimmter Typengruppen gerichtet. Das umfangreiche c. 10 dient ganz dieser Aufgabe. Von einem Normaljahr – Herbst mit Regen, Winter nicht zu arm an Niederschlägen und nicht zu kalt, Regen der Jahreszeit entsprechend im Frühling und auch noch im Sommer – geht er aus und bildet dann Typengruppen – Winter trocken, Frühling feucht und umgekehrt; Sommer und Herbst feucht; Sommer und Herbst trocken; Sommer trocken, Herbst feucht –, die vom Normaltypus abweichen, um daran Betrachtungen über die Nachteile oder Vorteile dieser Abfolgen für Konstitutionstypen und Krankheiten zu entwickeln. Daß diese Feststellungen als eine Art System betrachtet und sehr ernst genommen wurden, zeigt die Benützung in den Aphorismen (III 11. 12. 13. 14), die Erörterung in den ps.-aristotelischen Problemen I 8–12. 19. 20 und die Bemühung Galens um sie (über diese Zusammenhänge s. H. Diller Philol. Suppl. XXIII [190] nr. 3 [1932] 140ff. 164ff.); doch können diese Nachklänge hier aus dem Spiel bleiben, da sie nichts Neues bringen. Die καταστάσεις in Epid. I. III gehen uns hier nicht an; sie beschreiben ja Wirklichkeiten, daher sie sich denn auch dem Schema nicht fügen. Dagegen stoßen wir wiederum in De signis auf Verwandtes, und hier unter dem meteorologischen Gesichtspunkt, dem der Korrelation. Die Stellen sind in der Schrift, ihrem kompilatorischen Charakter entsprechend, arg versprengt, wobei es auch nicht ohne Wiederholungen abgeht, aber sie schließen sich zu einer einheitlichen Theorie zusammen (§ 23. 24 44]. 34. 44 24. 48]. 48. 56). Im Hinblick auf π. ἀέρων wird man es wagen dürfen, sie den ältesten Bestandteilen der Schrift zuzurechnen. Es fehlt auch nicht an sachlichen Berührungen, die freilich naheliegen (Winter trocken, Frühling feucht und umgekehrt, § 24. 44, Sommer und Herbst trocken § 23). Andere Korrelationen gehen so ins Einzelne, daß man daran den Fachmann erkennt (34 Windverhältnisse, 56 Winteranfang trüb und warm, Hagel im Frühling), wieder andere stellen die Korrelation unter Überspringen eines Zwischengliedes her (44. 48 Herbst und Frühling, 48 Frühling und ὀπώρα und Herbst, 56 Wintersanfang und Frühling).

Das Wunderlichste aber steht weiter in § 56: καὶ ἐὰν μετὰ τὴν ἐαρινὴν ἰσμερίαν ὁμίχλαι πίπτωσι, πνεύματα καὶ ἀνέμους σημαίνουσιν εἰς ἕβδομον μῆνα ἀμφοτέρων ἀριθμουμένων, d. h. also – auch der Ausdruck ist ja eigentümlich – zur Zeit der Herbstgleiche, die ja in den siebten Mondmonat nach der Frühlingsgleiche fällt. Also eine Wettervorhersage auf weite Sicht, – in gewissem Sinn eine Vorform der Lostaglehre (s. u. S. 196, 46ff.). Aus der Fortsetzung der Stelle möchte man indes schließen, daß sie so wenig zum alten Bestande gehört wie die Dichotomienlehre § 6. 7. Die Lostaglehre aber lohnt es, für sich betrachtet zu werden. Man kann sie in Beziehung setzen mit den Zeichen an Tieren und Pflanzen, die auf einen längeren Zeitraum Schlüsse zulassen sollen. Arat bietet dafür mancherlei, z. B. Folgerungen aus dem Kranichflug v. 1075ff. oder aus dem Verhalten von Rindern und Schafen v. 1081ff. Auch wenn aus der Färbung eines Gestirns bei einer Hauptphase Schlüsse auf lange hinaus gezogen werden wie beim Sirius (s. Pfeiffer 15 mit A. 1), so ist das zwar noch nicht die strenge Lostaglehre, da diese darin besteht, daß die Schlüsse aus dem Wetter eines Tages sich ergeben, aber die Grundanschauung ist in allen Fällen die gleiche, – Korrelation, nur hier zwischen verschiedenartigen Elementen. – Die strenge Lostaglehre wäre etwas ehrwürdig Altes, wenn sie auf Demokrit zurückzuführen wäre. Vorsokr.5 68 B 14, 4 wird die Stelle Plin. n. h. XVIII 231, die mit dem Parapegma von § 234ff. nicht zusammenhängt, als demokriteisch angeführt: Democritus talem futuram hiemem arbitratur, qualis fuerit brumae dies et circa eum terni, item solstitio (solstitii?) aestatem. (Parallele ist, wenigstens für die bruma, Geop. I 5, 3, allerdings durch Mißverständnis etwas entstellt, aber nichts von dem Vorsokr.5 sonst Angeführten.) [191] So bestimmt nun die Echtheit des unter Demokrits Namen gehenden Parapegmas zu behaupten ist (s. S. 194, 15ff.), so bestimmt ist dieser Demokrit Bolos, in dessen Fragmente denn auch Wellmann Abh. Akad. Berl. 1921 nr. 4, 43 unsere Stellen als frg. 5 eingereiht hat. Es scheint noch gar nicht bemerkt worden zu sein, daß hier ein Demokrit spricht, der die Jahreszeiten mit den Jahrpunkten beginnen läßt. Denn natürlich müssen die Tage, die den Charakter einer Jahreszeit bestimmen sollen, an ihrem Anfang oder noch früher, aber nicht/in ihrer Mitte oder deren Nähe liegen. Der echte Demokrit läßt natürlich den Winter mit der δύσις, den Sommer mit der ἐῖτολή der Pleiaden beginnen (s. Boeckh, bes. S. 88, nicht überholt durch Unger Jahrb. f. Philol. 1890, 170ff.). Auch so noch ist dieser Demokrit der älteste Zeuge für die Angleichung der Jahreszeiten an die Jahrpunkte (erst Geminos c. 1, 9. 2, 17 hat das wieder, vgl. Unger 393ff.); er bleibt es aber auch für die echten Lostage. Weiterhin ist dann die Lostaglehre offenbar populär geworden, wenn sie auch so klar formuliert selten auftritt. So hat sie der etwas querköpfige Systematiker, der in De sign. 7 zu uns spricht, so Plin. n. h. XVIII 225, an einer besonders beweiskräftigen Stelle (auch 351), so der späte Kalender des Aetios zum 1. XII. (Frühuntergang des Sirius). Diese Stelle ist auffallend, weil sonst Lostage im Altertum nur solche sind, die der Gliederung des Jahres dienen. Man sieht ohne weiteres, wie aus der Theorie des ἐπισημαίνειν die Lehre von den Lostagen erwachsen konnte; beitragen mochte zu dieser Entwicklung die Lehre, daß die Zeichen am Mond jeweils abschnittweise gelten (Arat. v. 805ff., de signis 8).

VI. Wert der E. Bearbeiten

Die Frage nach dem Wert der in den Kalendern verzeichneten E. aufzuwerfen, ist man sehr wohl berechtigt. Bezüglich des ,Systems’ ist die Antwort leicht zu geben. Die Jahreszeitgrenzen im allgemeinen sind durch die natürlichen Verhältnisse Griechenlands oder vielmehr der Mittelmeerländer gegeben und in vorwissenschaftlicher Zeit so festgelegt, wie sie in den Kalendern auftreten, wobei ein Problem eigentlich nur die so uneinheitliche [192] Frühlingsepoche darstellt (s. u. Parapegma). Die Hereinziehung der Jahrpunkte aber ist – wie die Scheidung der Jahreszeiten durch sie in der Gegenwart – Theorie, in Hellas Ausfluß jenes Systemtriebes, der auch auf anderen Gebieten der griechischen Naturforschung abträglich gewesen ist. Und die E. als Erkennungszeichen für die Sternphasen und Jahrpunkte wird man erst recht bedenklich finden. Vielleicht hat aber schon Euktemon selbst, aus seiner Erfahrung heraus, werden wir sagen, einen Vorbehalt gemacht, indem er erklärte, daß die ,Zeichen’ um mehrere Tage verfrüht oder verspätet auftreten können, – wenn ihm nämlich die Bemerkung De sign. 57 gehört, wonach die E. bei den Phasen gern stattfinden ἢ πρὸ αὐτῶν ἢ ὕστερον μικρῶι. Aber auch sonst tritt dieser Vorbehalt wiederholt auf. Er kehrt bei Geminos c. 17, 22 p. 188, 18 (wo natürlich zu ἐπεσήμηνε kein τις hinzuzufügen ist) und Plin. n. h. XVIII 207 wieder (Veget. Ep. rei mil. IV 40 p. 159, 4 Lang², aus Plinius), und Columella behauptet gar XI 1, 31, in einer eigenen Schrift die gegenteilige Ansicht der ,Chaldäer’ bekämpft zu haben.

Der Wert der E., unabhängig vom System und nun nicht mehr beschränkt auf das Notat ἐπισημαίνει, ist bisher nur von Hellmann (II nr. 7, die ,Ägypter’ auch schon S.-Ber. Akad. Berl. 1916, 332ff.) untersucht worden, eine höchst verdienstliche Arbeit. Der Prüfung der E. auf ihren Wert stehen große Schwierigkeiten entgegen. Die Parapegmatisten haben an verschiedenen Orten beobachtet, der Überlieferung nach nicht einmal jeder einzelne nur an einem Ort; davon lassen die späten Sammlungen, in denen die Autornamen unterdrückt sind, überhaupt nichts mehr ahnen, aber auch die besseren Zeugen machen keinerlei Angaben darüber, welche E. (oder auch Phasen) etwa des Eudoxos sich auf Sizilien, welche sich auf Kleinasien beziehen. Wohl möglich, daß auch im Original seines Parapegmas darüber nichts gesagt war. Wir besitzen zwei Listen topographischer Art, die sich weithin ergänzen, bei Ptolem. phas. p. 275 W. (vgl. auch c. 8 p. 208, 17) und Plin. n. h. XVIII 214 p. 322 W., erstere nach Autoren, letztere nach Ländern geordnet. Es ergibt sich die Liste:

Plinius:
 
Ptolemaios:
Italien Caesar [d.h.Sosigenes, s. u. S. 193,17]; (auch Plin.)
(Italien, Sizilien Ptol.) Konon, Metrodoros, Eudoxos.
Attika und Kykladen Meton, Euktemon.
Makedonien und Magnesia, Thrakien Meton, Euktemon, Demokrit.
Ägypten und Phönikien, Kypros, Kilikien Αἰγύπτιοι (παρ’ ἡμῖν Ptol.).
Böotien mit Lokris, Phokis und Umgebung Philippos
Hellespont mit Chersones und Gegend bis zum Athos Kallippos [Zweifel daran s. Suppl.-Bd. IV S. 1433, 56].
Ionien, d. h. Asien und zugehörige Inseln Eudoxos.
(Kos Ptol.) Dositheos.
Peloponnes0mit0Achaia0und griechischer Westen Philippos (Peloponnes),
Assyrien, Babylonien Chaldaei.
(Bithynien Ptol.) Hipparch.

[193] Unberücksichtigt bleiben das westliche Mittelmeergebiet und die Kyrenaika. Man darf annehmen, daß beiden Listen eine Überlieferung zugrunde liegt; nur aus Plinius’ Angaben im eigentlichen Parapegma n. h. XVIII 234ff. ist zu schließen, daß seine Vorlage entweder Einzelparapegmen oder doch Lokalangaben bot (er selbst bringt freilich aus Asien und Boiotien nur spärliche Angaben, aus Makedonien nichts, für den Peloponnes mag der einmal erwähnte Philippos eintreten; Hipparch fehlt bei ihm ganz [Stellen p. 359f. W.]). – Die hier genannten Personen sind alle als Parapegmatisten auch sonst bekannt (trefflich unterrichtet in Kürze über sie alle Wachsmuth² LVIIIff.; in der R.E. s. – neben Euktemon und Kallippos – Caesar Bd. X S. 266; Sosigenes, den vermutlichen Verfasser seines Parapegmas, Bd. III A S. 1154; Dositheos Bd. V S. 1608; Hipparch Bd. VIII S. 1671; Konon Bd. XI S. 1339; Meton Bd. XV S S. 1464; Metrodoros s. u. s. v.). Mit welchem Rechte Plin. n. h. XVIII 312 noch Parmeniskos und einen Kriton (s. Bd. XI S. 1935) nennt, ist nicht auszumachen; ihre E., die der Chaldäer bei Columella und Plinius, des Kalaneus in Mil. II lassen wir ohne Nachteil beiseite.

Aber auch sonst kann keine Rede davon sein, daß wir irgend eines der Einzelparapegmen lücken- oder gar fehlerlos herstellen können, auch nur bezüglich der E. (s. o. S. 186, 28). Wie auch die beiden Hauptsammlungen voneinander abweichen, zeigen für die ältesten Parapegmatisten Böckhs Tafeln auf den ersten Blick, – und Columella und Plinius hellen die Widersprüche selten auf. Bei P stößt man auch auf Doppelangaben, und solche kommen gelegentlich auch sonst heraus, wenn man die Quellen kombiniert. Gleichwohl ist auch das bescheidene Maß von Klarheit über die Zeugnisse, das möglich ist, nicht zu gewinnen, wenn man sich nicht die Einzelparapegmen aus allen Quellen zusammenstellt. Hellmann (II 149) hat sich der Mühe für G P und Lyd. de mens. unterzogen, aber leider nur ein Teilstück für einen Monat (am Schluß des Bandes) und das Parapegma des Demokrit (II 150f.) abdrucken lassen. Nicht nur für die Prüfung des Wertes der E., sondern für die Analyse der Sammlungen würde die Veröffentlichung einer solchen Synopsis von Bedeutung sein; ebenso für die im argen liegende Frage des ,Nachlebens’ (s. u. S. 195ff.).

Geht man unbefangen an das Material heran, so merkt man in der Frühzeit noch eine gewisse Frische der Beobachtung und der Darstellung, aber auch erstaunliche Lücken. Da wird wie bei Hesiod auf den Vogelzug geachtet (χελιδών, ἰκτῖνος), aber der jedem modernen Besucher des Gebietes auffallende, von Hesiod v. 448f. erwähnte Zug der Kraniche fehlt. Wer im Winter in Griechenland gewesen ist (oder seinen Homer oder sonst einen Schriftsteller gelesen hat), weiß, daß Schnee dort gar nicht selten ist: von den älteren Parapegmatisten erwähnt ihn nur Kallippos, und er zu einem selbst für seine Gegend (s. o. S. 191f.) recht späten Zeitpunkt (25. III. G, 26. III. P).

Aber gerade eine solche auffällige E. rechtfertigt die Auffassung, daß die originalen Parapegmen neben und über E., die durch die Theorie [194] gefordert waren, einen schätzbaren Vorrat von Beobachtungsmaterial bergen. Die Entstehung wie die verhängnisvolle Weiterentwicklung zeigt unverkennbare Ähnlichkeit mit dem Hundertjährigen Kalender, dessen Geschichte Hellmann III 15ff. geschrieben hat. Die Verallgemeinerung lag bei der schon S. 191, 38 betonten verhältnismäßig großen Regelmäßigkeit, mit der sich gewisse meteorologische Erscheinungen in Griechenland wiederholen wie der Eintritt der regenarmen, vielerorts regenlosen Periode, dann der Etesien, der ersten Herbstregen, nahe genug. Aber ehrliche Beobachter machen Vorbehalte wie πολλαψῆι, ὡς τὰ πολλά, ὡς ἐπὶ πολύ, μάλιστα, ἐνίοτε, in besonders ausgedehntem Maße tut das Demokrit, namentlich gerne mit der verbalen Formel φιλεῖ, was schon M. C. P. Schmidt Philol. XLV (1886) 294 gewürdigt, Pfeiffer 93, 1 sehr mit Unrecht angefochten hat. Ja diese auch sonst als demokriteisch belegte Formel (s. Vorsokr.5 Ind.) ist u. a. ein Beweis für die Echtheit seines Parapegmas, deren Anzweiflung durch M. Wellmann nicht die Verewigung verdiente (Vorsokr.5 142): das Parapegma nennt kein Gestirn, das nicht auch bei Euktemon vorkommt, und das von Böckh glücklich hergestellte ἄλογχος χειμών (so, ἀ. Adjektiv) ist durch die Inschrift Syll.³ 1013, 12 neuerlich als echt altionisch erwiesen. Euktemon ist bei weitem nicht so vorsichtig wie Demokrit, aber wenn er zum 30. IV. G εὐδία ⟨ἢ⟩ ὕει νοτίωι ὕδατι (P νηνεμία ἢ νότος, ψακάς) zur Wahl stellt, wenn er zum 7. II. G ζέφυρον ὥρα πνεῖν, zum 22. II. G P, zum 13. III. P bei Bemerkungen über Vogelzug das nämliche vorsichtige ὥρα c. Inf. anwendet, so zeigt sich im Grunde die gleiche Gesinnung. Man wird nicht fehlgehen, wenn man sich die Originale, die älteren zumal, viel weniger apodiktisch in ihren Aussagen vorstellt als die Sammlungen.

Hellmann hat eine Rekonstruktion des Gesamtbildes der Witterung, um zunächst von den älteren Parapegmatisten zu reden, bei Euktemon, Eudoxos, Kallippos sowie bei Hipparch einigermaßen möglich gefunden und II 152ff. vorgelegt, auf P aufbauend (G würde das Bild nicht verändern). Die Ergebnisse zeigen, daß zwischen den Kalendern recht merkliche Unterschiede bestehen und daß keine unmöglichen Angaben gemacht werden, wobei diejenigen des Kallippos gemäß der doch nicht unbedingt glaubhaften Angabe bei Ptolemaios (s. o. S. 191f.) nur auf den Hellespont bezogen werden. Hellmann erklärt aber am Schluß (II 166), die Untersuchung habe ihm die Erkenntnis gebracht, daß er ,die in den Parapegmen enthaltenen Witterungsangaben und die ihnen zugrunde liegende Beobachtertätigkeit bislang zu hoch eingeschätzt habe’. Seine erste Untersuchung hatte den Αἰγύπτιοι des P gegolten, was schon dadurch nahegelegt war, daß wir für sie das Doppelte an E. haben als für den nächst stark vertretenen Eudoxos (II 149). Es ergab sich, daß das Witterungsbild, das sich aus P ergibt, den tatsächlichen Verhältnissen Ägyptens in keiner Weise entspricht. Boll hat Berl. Phil. Woch. 1916, 708 diese Arbeit angezeigt und durch den Hinweis auf den möglicherweise kompilatorischen Charakter und astrologische [195] Einflüsse die Merkwürdigkeit des Ergebnisses einigermaßen zu erklären versucht. Die Lösung dürfte in anderer Richtung zu suchen sein. Auch Plinius (s. o. S. 191) kennt ja ein Ägypterparapegma und gibt daraus 12 Phasen, leider mit nur 4 E.; auch hat er für eine volle Jahreshälfte, Oktober bis März, nur eine einzige Angabe, zum 5. I. Die Vergleichung der E. mit P ergibt kein sicheres Ergebnis bezüglich des Verhältnisses der Ägypter des Ptolemaios und des Plinius. In der Angabe über das Ende der Etesien weichen sie weit voneinander ab (P 31. VIII., Plin. 16. IX.); aber darin herrscht auch sonst in der Überlieferung eine Verwirrung, die unlöslich scheint (s. Bd. VI S. 714, 57). Dagegen trifft man bei P und Plinius, allerdings zu verschiedenen Tagen (P 8. I., Plin. 18. IV.), auf eine Ausdrucksweise, die in der ganzen Parapegmenliteratur nur bei den Ägyptern sich findet: χειμαίνει κατὰ γῆν καὶ κατὰ θάλασσαν und sidus, ... terra marique infestum. Ein Zusammenhang zwischen den beiden Ägypterparapegmen ist also vorhanden. Nun umfaßt aber die ,Aegyptus’ des Plinius auch Phoinikien, Kypros, Kilikien, d. h. das östliche Mittelmeerbecken, soweit seine Randgebiete im 3. Jhdt. in der Zeit der größten Ausdehnung der Ptolemäermacht von Ägypten beherrscht wurden. Der Ausdruck des Ptolemaios in den Phaseis ἐτήρησαν παρ’ ἡμῖν ist also zu eng, und die Prüfung müßte wiederholt werden. Hellmann hat II 156ff. auch die späten Kalender des Columella, Polemius Silvius, Aetios, II 160ff. den des angeblichen Clodius Tuscus (bei Lyd. de ost. p. 117ff. W.) geprüft, lauter Arbeiten, deren kompilatorischer Charakter auf der Hand liegt. Es ist dabei etwas zutage gekommen, was dem Philologen befremdlich, aber doch wohl sichere Erkenntnis ist: auch solche Kompilationen zeigen gelegentlich Zutaten aus eigener Beobachtung. Am überraschendsten ist das Ergebnis bei Clodius Tuscus oder, richtiger gesagt, bei der reichsten Fassung des in Gr. Kal. IV in mehrfachen Brechungen nachgewiesenen und dort in den kürzeren Fassungen veröffentlichten volkstümlichen Kalenders. Die Witterungsangaben, insbesondere die über die Winde, passen auf Konstantinopel sehr gut. Neben einem überkommenen E.-Bestand, den schon Wachsmuth im Apparat nachweist und den natürlich auch Hellmann anerkennt, lassen sich zahlreiche neue und selbständige Witterungsangaben feststellen (S. 163). Schon daß sechsmal Schneefall verzeichnet wird, der auch bei den Späten, Columella, Polemius Silvius, nur spärlich verzeichnet wird, zeigt das. Da die Angaben größtenteils in den Kurzfassungen Gr. Kal. IV wiederkehren, sind sie zum Kernbestand des Kalenders zu zählen. Ausgestorben ist also die Sitte des Beobachtens auch am Ende des Altertums – Lydos gehört in die Zeit Iustinians – keineswegs. – Daß auch andere späte Sammlungen eine gewisse, freilich zum Teil unerfreuliche Individualität aufweisen, ist schon o. S. 181, 66 gesagt.

VII. Nachleben. Bearbeiten

Lydos und Aetios von Amida gehören zeitlich schon in den Bereich des Mittelalters. So ist zu erwarten, daß sich die Wetterkalender durch diese Epoche fortgepflanzt [196] haben und in die Neuzeit weiterwirken. Wieder ist es Hellmann, der in einsamer Forscherarbeit der Frage nachgegangen ist, wie die Übermittlung sich vollzogen hat. Er hat viel Material für derartige Untersuchungen bereitgestellt, vor allem in den ,Neudrucken von Schriften und Karten über Meteorologie und Erdmagnetismus’ (1893–1904), bes. nr. 1. 5 (Bauernpraktik). 12. 13. 15. Die Bibliographie hat er sehr bereichert durch die II nr. 8 der Beiträge veröffentlichte Abhandlung über ,die Wettervorhersage im ausgehenden Mittelalter’, deren besonderes Verdienst die Darstellung der Vermittlerrolle der Araber ist; die Bauernregeln hat er behandelt S.-Ber. Akad. Berl. 1923, 148ff. Von allem Anfang an hat Hellmann auf die Abhängigkeit der ganzen astrometeorologischen Literatur von antiker Lehre geachtet (s. besonders die Einleitung zu Neudrucke 5) und sie noch für die Bauernregeln a. O. 159f. bestimmt behauptet. Die innere Verwandtschaft liegt zutage, die Abhängigkeit ist kaum anzuzweifeln; aber den Weg der Übermittlung im Einzelfall aufzuzeigen, wird, auch wenn wir noch mehr mittelalterliche Texte – natürlich auch von außerdeutschen Gebieten, wie aus dem von M. Förster seit langem daraufhin durchforschten, für die eigentliche Lostaglehre aber auffallend unergiebigen England – kennen, eine sehr schwierige Aufgabe bleiben. Diese großenteils wild wuchernde Literatur ist in ständigem Wandel, und vor allem: sie ist nur zum Teil eine Tochter der Antike und zu einem noch geringeren Teil derjenigen antiken Tradition, die uns hier angeht, der astrologiefreien Wetterkunde. Astrologie mischt sich bekanntlich schon im Altertum ein (Röhr und Pfeiffer bieten Belege genug); auch Ptolemaios in den Phaseis verleugnet den Astrologen nicht, wenn er in der Einleitung c. 7 p. 207, 21ff. W. von der Einwirkung des Mondes und der fünf Planeten auf den Ablauf der kalendarischen E. redet (s. o. S. 178, 30). Nicht weniges Christliche kommt hinzu, dies verhältnismäßig leicht auszuscheiden, weiter aber, sehr schwer faßbar, ein nationales Element und zuletzt doch auch hie und da etwas aus eigener Erfahrung des Kalendermachers.

Aber man kann immerhin derzeit die Frage im großen beantworten, was an den Leitgedanken mittelalterlicher Wetterregeln sich als antikes Traditionsgut erweist. Man darf als solches die Ansicht von der bevorzugten Bedeutung gewisser Tage für die Wetterwende in Anspruch nehmen, bei uns im Norden tatsächlich eine noch viel weniger sichere Sache als im subtropischen Klima. Von unserem Klima aus kommt man wohl auf Perioden vorwiegender Eigentümlichkeit (Kälte im Februar, Regen im Juni) und Früh- und Spätgrenzen etwa für Schneefall und Nachtfröste, aber nicht auf bestimmte Grenztage. Eben dieser Unsicherheitsfaktor wird es begünstigt haben, daß die Lostage – mit starken örtlichen Unterschieden allerdings – zu einer ungeheuerlichen Zahl angewachsen sind. In der sorgsamen Zusammenstellung von E. Kaserer (Fortschritte d. Landwirtschaft I [1926] 582) sind es ihrer 129, Böhm Handwörterb. d. dtsch. Aberglaubens V 1413 nennt immerhin 64. Also etwa jeder dritte bis fünfte Tag gilt irgendwo als Lostag. [197] Man würde mit diesem Material so ziemlich jeder antiken E. einen Lostag gegenüberstellen können – und damit gar nichts beweisen. Geht man aber auf die ältesten Drucke zurück, so hat man in der so ungeheuer erfolgreichen Bauernpraktik eine Kompilation übelster Sorte vor sich, die an eigentlichen Lostagen wahrscheinlich zu wenig bietet und mit der durchgehenden Berücksichtigung der beweglichen Feste der christlichen Kirche ein von vornherein der Antike fremdes Element hereinbringt; und wenn die Datierung auf die Tage der Heiligen eine in den katholischen Teilen Deutschlands noch heute geübte Selbstverständlichkeit ist, so haben auch bei den festen Data die Marientage, bevorzugte Lostage, Neues hereingebracht oder vielleicht alte E. unter zeitlicher Verschiebung an sich gezogen. Für die Vergleichung kommt noch eine schwere Unzuträglichkeit hinzu (s. darüber auch Handwörterb. d. dtsch. Abergl. V 1414f.). Da der julianische Kalender bis zur gregorianischen Reform allmählich um zehn Tage zu viel gezählt hatte, müßte man eigentlich für jeden Lostag die Zeit seines Aufkommens ermitteln und seinen Abstand von den wahren Jahrpunkten feststellen, um ihn etwa mit Columella oder Plinius vergleichbar zu machen. So ist es vielleicht schon zuviel behauptet, wenn man sagt, es habe den Anschein, als ließen sich für die Tage der Jahreszeitpunkte des römischen Bauernkalenders und des Kalenders Caesars Entsprechungen in unsern Lostagen finden. Beachtung der Sommer- und Winterwende ist greifbarer, während bei den Gleichen die Sache schon wieder unsicher wird. Tröstlich ist, daß auf griechischem Gebiet der Übergang vom Antiken zum Christliehen sich sozusagen vor unsern Augen vollzieht: in den Geop. findet sich in dem nämlichen Kapitel, das Demokrit zitiert, am Schluß eine Bemerkung über die ,vierzig Ritter als Lostag (I 5, 5), ein auch im Westen viel beachtetes Datum.

Nun ist Lostag und Lostag nicht gleich. Bei dem einen wird einfach eine Wetterwende erwartet, der andere wirkt auf viele Tage (wie etwa bei uns die ,vierzig Ritter’ auf 40), wieder andere zeigen das Wetter auf entfernte Jahresabschnitte hinaus an (wie namentlich die – nicht antiken, sondern doch wohl germanischen – Zwölfnächte von Weihnachten bis Dreikönig). Auch darüber hat Böhm (Handw. d. dtsch. Aberglaub. V 1415ff.) eine knappe, gut unterrichtende Übersicht gegeben; auch Kaserer 582 macht Unterschiede. Die Entsprechungen aus der Antike sind o. S. 190f. behandelt. In diesem Fall wird an der Übernahme des Prinzips von dorther nicht leicht jemand zweifeln.

Literatur. Bearbeiten

Sammlungen: Ioannis Laurentii Lydi über de ostentis et calendaria Graeca omnia, ed. C. Wachsmuth², Lpz. 1897 (zitiert der einzelne Autor mit p. ... W.); für das der Isagoge des Geminos angehängte Kalendarium (Pseudo-Geminos = G) kommt noch die Ausgabe von C. Manitius, Lpz. 1898 (= M., nach dem zitiert wird), für Ptolemaios (= P) die für unsere Zwecke wegen des Fehlens der julianischen Daten fast unbenutzbare von J. L. Heiberg (= H.) in Claudii Ptolemaei opera etc. II, Lpz. 1907, in Betracht. Die ,Griechischen Kalender’, [198] hrsg. von Frz. Boll, sind zitiert Gr. Kal. I–V (S.-Ber. Akad. Heidelberg, Phil.-hist. Kl.: I Boll Antiochos, 1910, 16. Abh.; II ders. Die Quintilier, 1911, 1. Abh.; III A. Rehm Euktemon, 1913, 3. Abh.; IV L. Bianchi Clodius Tuscus, 1914, 3. Abh.; V H. Vogt Claudius Ptolemaeus, 1920, 15. Abh.).

Bearbeitungen: A. Böckh Über die vierjährigen Sonnenkreise der Alten, vorzüglich den Eudoxischen, Berl. 1863 (= Böckh). E. Pfeiffer Studien zum antiken Sternglauben, Lpz. 1916 = Στοιχεῖα II (= Pfeiffer), G. Hellmann Beitr. zur Gesch. der Meteorologie II. III, Berl. 1917. 1922 = Veröffentlichungen des Preuß. Meteorolog. Instituts nr. 296. 315 (= Hellmann II. III), A. Rehm im Epitymbion Swoboda, Reichenberg 1927 (= Epit. Swob.). J. Röhr Philol. LXXXIII (1928), 259ff. (= Röhr).

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band R (1980) S. 105
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Episemasiai

Die kalendar. Witterungsangaben. S VII.