Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Schutzgott der Stadt Emesa, Gott des Berges und des Kaisers 218 n. Chr.
Band V,2 (1905) S. 22192222
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Elagabalus. 1) Neben dieser urkundlichen Form (Diplom. mil. L = LXXXV. CIL VI 2269.[1] X 5827, Münzen), findet man Alagabalus (VI 708. III 4300), Eliogabalus (Hieron. Chron. 2236), Heliogabalus (Hist. Aug.), griechisch Ἐλαγάβαλος (Phot. bibl. 35 b, 3. Zonar.), Ἐλεγαβάλος, Ἐλεαγάβαλος, Ἐλαιαγάβαλος (vgl. Boissevain zu Cass. Dio III 439, 6), Ἡλιογάβαλος (Herodian u. a.). So bezeichnete man im Abendlande den Schutzgott der Stadt Emesa (Ḥōms) am Orontes, welche bis zur Zeit Domitians von einer selbständigen Dynastie regiert wurde (Marquardt Staatsv. I 403). Das Bild dieses Gottes war ein großer konischer – oder vielmehr bienenkorbförmiger – Stein, von schwarzer Farbe, mit verschiedenen Höckern und Geprägen, der als διοπετής galt (Herodian. V 3, 5). Auf diesen Stein weist auch der Beiname Ammudates hin, der dem E. gegeben wird (CIL III 4300;[2] vgl. Tümpel o. Bd. I S. 1868). Dieser Aerolith ist eines der zahlreichen in Syrien verehrten Baetylien (s. o. Bd. II S. 2780. Lagrange Études sur les relig. sémit. 1903, 187ff.). Er wurde, wie es auch sonst geschieht, in kostbare Stoffe eingewickelt und von Sonnenschirmen beschützt und ist in dieser Weise auf Münzen dargestellt (Cohen Monnaies des emp.2 IV 349. 503 usw.).

Der Name E. wird seit Casaubon gewöhnlich als Elâh-Gabal ,Gott des Berges‘ erklärt, und daß E. wirklich auf Bergen verehrt wurde, scheinen verschiedene Indizien zu beweisen. Man hat auch an El-gebal deus formans, deus creator gedacht (Réville La relig. sous les Sév. 243f.). Lenormant [2220] setzte den zweiten Teil vielmehr mit dem babylonischen Gibil in Zusammenhang und sah in E. einen Feuergott. Im Altertum ist er gewöhnlich der Sonne gleichgestellt (Cass. Dio LXXVIII 31, 1. Herodian. V 3, 4. Hist. Aug. Macrin. 9, 2. Avien. descr. orb. 1089) und in Rom offiziell Deus Sol Elagabalus oder invictus Sol Elagabalus genannt (CIL VI 708.[3] 2269. X 5827; vgl. Cohen a. a. O.). Daher wurde sein Namen von den Griechen in Ἡλιογάβαλος verdreht. Aber, wie gewöhnlich die Ba'alim (s. o. Bd. II S. 2648), ist er zugleich als der höchste Gott angesehen und deshalb als ein Zeus bzw. Iuppiter betrachtet worden (Hist. Aug. Heliogab. 17: alii Solem alii Iovem dicunt; Caracall. 11, 7: vel Iovi Syrio vel Soli). Der Adler, der Iuppiter- und Sonnenvogel, ist ihm geweiht und wird auf Münzen von Emesa auf oder neben dem heiligen Stein dargestellt (Mionnet V 227 nr. 592ff.; Suppl. VIII 157 nr. 163), was auch später in Rom üblich ist (Cohen a. a. O., vgl. CIL VI 708[4] Aquila Soli Elagabalo und Studniczka Röm. Mitt. XVI 275). Der Gott wurde nicht nur von den Einwohnern seiner Stadt, sondern auch von den Nachbarländern verehrt und erhielt jährlich von den Barbaren-Fürsten und Satrapen kostbare Weihgeschenke (Herodian. V 3, 3). Sein hexastyler Tempel, der, mit Gold und Juwelen geschmückt (Herodian. a. a. O.), sich hoch über den Mauern und Türmen erhob (Avienus descr. 1091), ist auf den Münzen abgebildet, welche auch den großen prachtvollen Altar, wo ihm geopfert wurde, zeigen, und uns lehren, daß zur Ehre des E. Ἤλια πύθια gefeiert wurden (Mionnet V 230; Suppl. VIII 157f.; vgl. Warwick Wroth Catal. Brit. Mus. Syria p. LXIV und Studniczka Röm. Mitt. XVI 274f.). Er scheint auch Orakel erteilt zu haben (Dio LXXVIII 31), und nach der in Syrien üblichen Weise wurde sein Dienst von prunkvollen Priestern mit Tänzen unter dem Klange von allerlei Instrumenten verrichtet (Herodian. V 3, 6–8). Sonst erfahren wir über die einheimischen Gebräuche fast nichts und nur aus den Mitteilungen über den Kult in Rom können Rückschlüsse gezogen werden.

Der Schutzgott von Emesa erlangte plötzlich einen Weltruhm als der Enkel der Iulia Maesa, der damals, obwohl nur vierzehn Jahre alt, die erbliche Würde eines Großpriesters in seiner Vaterstadt bekleidet hatte, im J. 218 n. Chr. durch die Legionen auf den Thron erhoben wurde. Er behielt aber den Titel eines sacerdos amplissimus dei Solis Elagabali (Diplom. L = LXXXV. CIL X 5827.[5] VII 585 u. sonst, vgl. o.) und benahm sich während seiner ganzen Regierung mehr wie ein fanatischer Diener seines syrischen Götzen als wie ein römischer Kaiser. Der neue Marcus Aurelius Antoninus wird gewöhnlich E. (Heliogabalus) genannt, wohl weil der Priester, wie manchmal im Orient, mit seiner Gottheit identifiziert wurde und ihren Namen trug (s. o. Attis Nr. 2). Als er Emesa verließ, führte er mit sich den heiligen Stein, und schon im Taurus widmete er ihm einen Tempel (Hist. Aug. Ant. philos. 26; Caracall. 11, 7). In Nikomedien, wo er den Winter zubraehte, sowie später in Rom erschien er nur in asiatischer Tracht und feierte eifrig die Orgien seines Gottes (Herodian. [2221] V 5, 3). Noch vor seiner Ankunft schickte er ein Bildnis des E. dem Senat und forderte, daß es in der Curia über die berühmte Victoria gestellt werde und daß jeder Senator ihm opfere (Herodian. V 5, 7). Er ließ in der Hauptstadt zwei Tempel bauen; der eine stand auf dem Palatin bei dem kaiserlichen Palast (Kiepert-Hülsen Form. urb. 78; Eliogaballium genannt Mommsen Chron. min. I 147); von mäßiger Größe war er mit verschwenderischer Pracht geschmückt. Es ist neuerdings ein mit kunstvollen Reliefs verziertes Kapitell dieses Tempels oder vielmehr der Hallen des heiligen Bezirkes gefunden worden. Außer dem konischen Steine mit dem Adler trägt es ein Bild der Pallas und der Iuno – der zwei Frauen des E. – und eine stieropfernde Nike (Studniczka Röm. Mitt. XVI 278). Ein zweiter Tempel wurde in einer Vorstadt ad Spem veterem unweit von Porta Maggiore errichtet (Kiepert-Hülsen 77). Jedes Jahr im Hochsommer, wie es sich für einen Sonnengott geziemt, wurde der Stein nach dieser Residenz geführt. Der Kaiser selbst leitete den von sechs weißen Rossen gezogenen Wagen, rückwärts schreitend, damit er stets seinen Gott anblicke, und diese prachtvolle Prozession gab zu einem großen Fest mit Spielen und Wettrennen Anlaß (Herodian. V 6, 6; der Wagen auf Münzen, Cohen a. a. O. nr. 126. 129; vgl. Studniczka a. a. O.).

Der Kaiser betrachtete es als seinen Beruf, seinen Baal von Emesa zum Hauptgott des römischen Reiches zu machen. Alle anderen Staatsgötter wurden ihm untergeordnet (Dio LXXIX 11, 1) und die Beamten wurden gezwungen, bei allen sakralen Handlungen den E. vor den übrigen Göttern anzurufen (Herodian. V 5, 7). Die Würde des sacerdos Elagabali, die der Prinz bekleidete, wurde über die des Pontifex maximus gestellt und ein offizielles Staatspriestertum des E. geschaffen (Wissowa Rel. der Römer 305), wir kennen einen Iulius Balbillus sacerdos solis Alagabali, CIL VI 708.[6] 2129. 2130. 2269. 2270.

Der neue Dienst wurde sicher auch durch das ganze Reich verbreitet, aber wegen der kurzen Dauer seiner Weltherrschaft hat er nur wenige Denkmäler hinterlassen. Im Lager von Brigetio wurde er unter den dei militares von den Soldaten der ersten Legion verehrt (CIL III 4300.[7] v. Domaszewski Religion des röm. Heeres 60f.; die Vermutung Studniczkas, daß Statuen in Carnuntum E. darstellen sollten, Arch.-epigr. Mitt. VIII 1884, 5ff., hat dieser selbst zurückgezogen, Röm. Mitt. XVI 273, 4).

Aber trotzdem man ihn römisch machen wollte, wurde der syrische Gott keineswegs den römischen Anschauungen angepaßt. Ganz wie im Orient, mit unvergleichlichem Glanz wurde er in Rom verehrt. Wie jeder Ba'al mußte er eine weibliche Baltis (s. d.) zu Seite haben, und er wurde deshalb zuerst mit dem Palladium, dann mit der Iuno Caelestis, die aus Karthago geholt wurde, vermählt (Cass. Dio LXXIX 12. Herodian. V 6). Dies wurde nach der damaligen Theologie als ein ἰερὸς γάμος des Sonnengottes mit der Mondgöttin aufgefaßt. Außerdem wurden die Symbole der verschiedensten Gottheiten in dem Tempel des E. aufgestellt (Herodian. VI 1, 3. Hist. Aug. Heliog. 3, 4. 6, 7), ähnlich wie im [2222] Heiligtum der Dea Syria in Hierapolis (Luc. dea Syr. 47. 49). Die Orgien, die dem Heliogabal vorgeworfen werden, die Eunuchen- und Dirnenwirtschaft, die er einführte, sind einfach eine Nachahmung oder Ausbreitung der Sitten, die in Syrien herrschten. Man hat gewiß mit Recht beobachtet, daß die Riten, die mit Entrüstung von den Geschichtschreibern beschrieben werden, sich in anderen syrischen Diensten genau wiederfinden, z. B. die Beschneidung, die Enthaltung von Schweinefleisch, Kinderopfer, Werfen der Geschlechtsteile in den Tempel usw. (vgl. Réville Relig. s. les Sév. 250f.).

Aber eben diese gewaltsame Einführung der verachteten asiatischen Gebräuche mußte die Römer empören. Nach drei Jahren (222 n. Chr.) wurde der Kaiser gestürzt, der schwarze Stein nach Emesa zurückgeschickt (Dio LXXIX 21, 2) und sämtliche in das Eliogabalium entführte Göttersymbole ihrem eigenen Tempel zurückgegeben (Herodian. VI 1, 3). Indessen scheint der Tempel auf dem Palatin weiter bestanden zu haben (Hist. Aug. Heliog. 17). In Emesa blühte der alte Dienst fort, und im J. 272 huldigte Aurelian nach seinem Sieg über Zenobia dem E. und baute ihm ein neues Heiligtum (Hist. Aug. Aurel. 25, 4; vgl. Avien. a. a. O.).

Das schamlose Treiben des gekrönten Wüstlings hatte seiner neuen Religion ein frühes Ende vorbereitet, aber sein Versuch blieb doch nicht ohne Folgen. Zum ersten Mal hatte ein Kaiser gewagt, den orientalischen Sonnengott zum Hauptgott, der wie der Monarch selbst, über den ganzen Orbis Romanus herrschen sollte, auszurufen. Seine Politik wurde bald mit verständigerem Sinn und besserem Erfolg wieder aufgenommen und es gelang dem Aurelian, den Sol invictus zum Reichsgott zu erheben (274 n. Chr.). Mordtmann ZDMG XXXI 1877, 91ff. Lenormant Rev. hist. des relig. III 1881, 310ff. [abgekürzt in Daremberg et Saglio Diction. II 529ff.]. Ed. Meyer in Roschers Lexikon I 1229f. Réville Religion sous les Séveres 237ff. Wissowa Relig. der Römer 305ff. Den Versuch von A. Dieterich die Aberkiosinschrift auf E. zu beziehen, muß ich als mißlungen betrachten (Dieterich Die Grabschrift des Aberkios 1896; vgl. Cumont Revue instr. publ. en Belgique XL 1897, 90ff.).

[Cumont. ]

Anmerkungen (Wikisource) Bearbeiten

  1. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2269.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 4300.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 708.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 708.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 5827.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 708.
  7. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 4300.