40) Demetrios I. Soter, König von Syrien, Sohn des Seleukos IV. Philopator. Wird als Knabe 175 v. Chr. von seinem Vater nach Rom geschickt, um dort an Stelle des Antiochos, des späteren Epiphanes, als Geisel zu dienen, Polyb. XXXI 12. Appian. Syr. 45. Während Antiochos nach der Ermordung des Seleukos an Stelle seines Neffen D. den syrischen Thron inne hatte, blieb dieser ruhig in Rom, wo er ziemlich frei gehalten wurde und freundschaftlich mit der vornehmen Jugend verkehrte. Zu seinen Jagdgenossen gehörten Polybios und der jüngere Scipio. Als der von Euergetes II. vertriebene Ptolemaios Philometor in dürftigem Aufzug schutzflehend nach Rom kommt, versucht D. vergeblich, ihn zu einem standesgemässen Auftreten zu bewegen. Diod. XXXI 18. Nach Epiphanes Tode bittet D. den Senat, ihm sein Recht auf den Thron nicht länger vorzuenthalten. Dem Senat passte es aber besser, ein
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Kind (Antiochos V. Eupator) auf dem Thron Syriens zu sehen, als den 23jährigen energischen D., so lehnte er das Gesuch ab. Zugleich schickte er eine Gesandtschaft in den Orient unter Cn. Octavius, welche u. a. die Schiffe verbrennen sollte, die von den Syrern über die von Rom gestattete Zahl hinaus gebaut waren, und welche die Kriegselefanten unschädlich machen sollte. Polyb. a. a. O. Appian. Syr. 46. Als Octavius dort ermordet wird und der Senat den Hof der Anstiftung verdächtigt, glaubt D. seine Aussichten gebessert; er wendet sich um Rat an Polybios, und dieser rät ihm, jedenfalls officiös, wenigstens im Einverständnis mit der Scipionenpartei, sich nicht wieder an den Senat zu wenden, sondern auf eigene Faust zu handeln. Auf den Rat eines andern bittet D. aber doch noch einmal den Senat und holt sich eine zweite Absage. Als dann D.s Erzieher Diodoros aus Syrien kommt und schildert, wie wenig Boden Antiochos Eupator und Lysias im Lande haben, flieht D. mit Hülfe des Polybios; der Senat erfährt davon nach einigen Tagen, berät pro forma darüber, beschliesst aber, D. nicht zu verfolgen, da er schon einen zu grossen Vorsprung gewonnen habe. Dagegen soll eine Gesandtschaft unter Ti. Gracchus u. a. auf ihn ein Auge haben, Polyb. XXXI 19ff. Iustin. XXXIV 3. Joseph. ant. XII 402. D. landet mit geringer Macht in Tripolis, die Aufnahme ist günstig, bald befindet sich Antiocheia in seiner Hand, dort lässt er Antiochos und Lysias töten, 162 v. Chr. I. Makk. 7, 1ff. II. Makk. 14, 1. Joseph. ant. XII 389f. Iustin. a. a. O. Appian. Syr. 47. D.s erstes Bestreben ist es nun, Roms Anerkennung zu erlangen; er cultiviert auf alle Weise die Gesandtschaft unter dem ihm persönlich sehr wohlgesinnten Gracchus. Er sendet Geschenke und den Mörder des Octavius an den Senat, dieser nimmt letzteren aber nicht an, um nicht einen Vorwand zur Bestrafung des syrischen Reiches aus der Hand zu geben, überhaupt lautet seine Antwort gänzlich unbestimmt, er erkennt D. nicht direct an, Polyb. XXXII 4ff. Diod. XXXI 29f. Appian. a. a. O. Vielmehr erlaubt er dem Timarchos (unter Antiochos Epiphanes Satrap von Babylon, Appian. Syr. 45), der wie sein Bruder Herakleides in Rom sehr vertraut und durch Bestechungen sehr beliebt war, sich vom Satrapen zum König zu erheben. Timarchos verbündet sich mit dem Armenier Artaxias und gewinnt ganz Babylonien, das er grausam beherrscht, Diod. XXXI 27 a. Auf Münzen nannte er sich βασιλεὺς μέγας Τίμαρχος; vgl. Babelon Rois de Syrie CXVf. D. beseitigt ihn, seine Münzen lässt er mit dem eigenen Porträt und dem seiner Gattin und Schwester Laodike überprägen. Die Babylonier geben D. für die Befreiung von Timarchos den Beinamen Soter. Auch mit den Juden hatte D. von Anfang an zu thun. Er setzte 162 v. Chr den Alkimos aus einer Seitenlinie des Aaronidenhauses zum Hohenpriester ein und unterstützte ihn durch den Strategen Bakchides. Als Alkimos verjagt wird, sendet D. den Nikanor, um ihn zurückzuführen, 161 v. Chr.; Nikanor fällt. Im folgenden Jahr gelingt es Bakchides, den Judas Makkabaios zu vernichten, Jonathan aber hielt sich und 157 v. Chr. schloss Bakchides Frieden mit ihm. In Jerusalem und vielen Orten des Landes blieben aber noch syrische
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Besatzungen, vgl. I. Makk. 7ff. Joseph. ant. XII 390ff.; dazu Wellhausen Israelitische und jüdische Geschichtes 260ff. Gleich nach seiner Thronbesteigung hatte D. dem Ariarathes V. von Kappadokien ein Bündnis und seine Schwester, die Wittwe des Perseus, Laodike, zur Ehe angeboten; da dieser äusserst loyale Client Roms aber merkte, dass D. beim Senat schlecht angeschrieben sei, lehnte er jede Verbindung mit ihm ab. Empört über diese Zurückweisung unterstützt D. den Rivalen des Ariarathes, seinen Bruder Orophernes, und führt ihn gegen das Versprechen von 1000 Talenten als König nach Kappadokien, 158 v. Chr. Das unglückliche Land wird nun furchtbar ausgesogen, Diod. XXXI 32. Appian. a. a. O. Iustin. XXXV 1. Im folgenden Jahr streiten Gesandtschaften des D. und der beiden Brüder in Rom, Polyb. XXXII 20. Ariarathes kehrt mit Roms Bewilligung und mit Hülfe des Attalos II. von Pergamon zurück, Polyb. III 5; vgl. Bd. II S. 2172. Orophernes scheint sich nun in Syrien aufgehalten zu haben, er versucht mit Hülfe der zum Aufstand geneigten Antiochener D. zu stürzen, gerät aber in dessen Hände. D. hält ihn in Seleukeia gefangen, um ihn eventuell weiter gegen Ariarathes ausspielen zu können. Antiocheia erhebt sich trotzdem, Iustin. a. a. O. Um die Vertreibung des Ariarathes zu rächen und aus Besorgnis für seine eigene Ruhe staffiert Attalos II. den Alexander Bala, einen angeblichen Sohn des Antiochos Epiphanes, als Prätendenten gegen D. aus. Dieser findet eine Zuflucht bei dem kilikischen Dynasten Zenophanes, einem Feind des D. Die Syrer hassten D., weil er streng, stolz und voll weitgehender Pläne war. Diod. XXXI 32 a, er hielt sich mit Vorliebe in einer festen Burg bei Antiocheia auf und liess niemand vor sich; wie die meisten Seleukiden soll er dem Trunk gehuldigt haben, Joseph. ant. XIII 35. Iustin. XXXV 1. Polyb. XXXIII 14. Der bei Joseph. a. a. O. ihm gemachte Vorwurf der Leichtfertigkeit und Trägheit in Regierungsangelegenheiten ist wohl nur zur Hälfte begründet, sein unruhiger Thatendrang führte sein Ende herbei. Ein verunglückter Versuch, Kypros durch Verrat zu gewinnen, verfeindete ihn auch mit Ptolemaios Philometor. Polyb. XXXIII 3. Den Rhodiern zeigte er sich durch eine Getreidesendung gefällig. Gegen Rom blieb er immer loyal; so schickte er den Prätendenten für den makedonischen Thron, Andriskos, dem Senat zu, obwohl das syrische Volk dringend verlangte, den Mann zu unterstützen, Diod. XXXI 40 a. Doch blieb der Senat nach wie vor ablehnend. Als Herakleides in Rom den Alexander Bala unterstützte, versuchte D. ihm durch seinen Sohn, D. II., entgegen zu wirken, der zugleich als Geisel für die eigene Treue dienen sollte; der Prinz richtete aber nichts aus und kehrte bald heim. Die μέτριοι τῶν ἀνθρώπων d. h. wohl die Scipionenpartei, waren für D., Herakleides wusste aber durch unsaubere Mittel die Majorität zu gewinnen, so dass der Senat den Alexander anerkannte. Polyb. XXXIII 16. Dieser wird unterstützt von Attalos II., Ariarathes und Ptolemaios Philometor. Polyb. III 5. auch die allgemeine Verstimmung gegen D. kommt ihm zu gute. Alexander erscheint 153 v. Chr. mit einem Heer in Syrien und nimmt durch Verrat Ptolemais;
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die Soldaten beginnen abzufallen, Iustin. a. a. O. Joseph. ant. XIII 35. Gleich bei Beginn des Krieges bringt D. seine ältesten Söhne, D. II. und Antiochos Sidetes, nach Knidos in Sicherheit, Iustin. XXXV 2. Vergebens versucht er, die Juden, welche Alexander durch grosse Versprechungen anlockt, treu zu erhalten; er zieht seine Besatzungen aus den jüdischen Städten, nur Jerusalem und Bethsura bleiben besetzt, I. Makk. 10, 2ff. Nach einem blutigen Sieg des D. über die verbündeten Könige kommt es 150 v. Chr. zur Entscheidung. D.s linker Flügel siegt vollständig, der rechte flieht und hier findet D. heldenhaft kämpfend den Tod. Polyb. III 5. Iustin. XXXV 1. Joseph. ant. XIII 58ff. Aus dem J. 150 datieren die letzten Münzen D.s und die ersten des Bala, Babelon a. a. O. CXXIII. D.s Gattin Laodike und sein Sohn Antigonos werden von Balas Minister Ammonios umgebracht, Liv. ep. L. Litteratur: Flathe Geschichte Makedoniens u. s. w. II. Schürer Gesch. d. jüdischen Volkes I. Holm Griech. Gesch. IV 532 und 552. v. Gutschmid Iran 43 nennt D. einen der begabtesten des reichbegabten Seleukidengeschlechts.