Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Gattung des römischen Lustspiels
Band II,2 (1896) S. 19141921
Theater der römischen Antike#Atellane (atellana fabula) in der Wikipedia
Atellana in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register II,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|II,2|1914|1921|Atellanae fabulae|[[REAutor]]|RE:Atellanae fabulae}}        

Atellanae fabulae war der Name einer besonderen Gattung des römischen Lustspiels, deren [1915] ursprüngliche Heimat nach der Überlieferung des Altertums das oskische Campanien gewesen ist, Liv. VII 2, 12. Val. Max. II 4, 4. Suet. p. 14 R. Euanthius et Donati de com. commentum p. 7 R. Tac. ann. IV 14. In der Zeit des Augustus hatten die römischen Gelehrten über die Geschichte des Bühnenspiels folgende Thatsachen festgestellt: 1) Die ersten ludi scaenici wurden 364 v. Chr. aus Etrurien in Rom als religiöse Institution zum Zweck der Sühne göttlichen Zornes eingeführt und bestanden in mimischen Tänzen zum Flötenspiel. Wir können uns von diesen Tänzen ein Bild machen durch die Grabgemälde von Corneto (Baumeister Denkmäler Fig. 556), durch das, was uns vom ludus talarius berichtet wird (M. Hertz De ludo talario, Bresl. Index lect. 1873), und von ähnlichen Spielen und Tänzen (Interpp. zu Ovid. fast. VI 652). 2) L. Livius Andronicus führte an den ludi Romani des J. 240 v. Chr. das erste aus dem Griechischen übersetzte Kunstdrama auf. 3) In dem Zeitraum zwischen 364 v. Chr. und 240 v. Chr., als die Eröffnung der Via Appia Campanien mit Latium in näheren Zusammenhang brachte, war von den Oskern Campaniens eine besondere Gattung von Spielen eingeführt worden; ursprünglich in oskischer Sprache und von campanischen Bürgern dargestellt, wurden dieselben bald von römischen Bürgern und in lateinischer Sprache aufgeführt, kunstlose und derb volkstümliche Improvisierungen; daneben bestanden bis in die augusteische Zeit die Aufführungen in oskischer Sprache an einem Feste weiter fort, wie Strabon berichtet V 233: ἴδιον δέ τι τοῖς Ὄσκοις ... συμβέβηκε· τῶν μὲν γὰρ Ὄσκων ἐκλελοιπότων ἡ διάλεκτος μένει παρὰ τοῖς Ῥωμαίοις ὥστε καὶ ποιήματα σκηνοβατεῖσθαι κατά τινα ἀγῶνα πάτριον καὶ μιμολογεῖσθαι, eine Nachricht, die umsoweniger irrtümlich erscheinen darf, als Strabons Gewährsmann augenscheinlich ein bestimmtes Fest, vielleicht die ludi Romani namhaft gemacht hatte, an dem zu seiner Zeit noch A. in oskischer Sprache als Bestandteil einer Kulthandlung aufgeführt worden sind. Dass die Zuschauer die Sprache nicht verstanden, ist im römischen Gottesdienst damaliger Zeit gewiss ebensowenig auffallend gewesen, wie heutzutage. Blieben doch auch im Dienst der Ceres die Ritualien nach Cic. pro Balb. 55 durchweg griechisch und wurden von Priesterinnen griechischer Zunge, denen das römische Bürgerrecht verliehen worden ist, ausgeführt: die ludi Graeci, welche zur Zeit des Polybios (XXX 14) und sonst aufgeführt wurden, waren der Masse der Zuschauer zum mindesten ebenso unverständlich, wie heutzutage englische Marionettentheater dem Volk von Athen und italienische Opern in England oder Russland. Das Ansehen und hohe Alter dieser Spiele bezeugt der Umstand, dass die Darsteller römische Bürger waren und blieben (Fest. p. 217. Liv. Val. Max. a. a. O.): erfahrungsgemäss geht aber die Ausführung von derartigem religiösen Mummenschanz mit der Zeit auf viles et triviales personas über (Gelasius in Baronius Annal. eccles. VIII p. 604 ed. Lucae 1741). Die A. wurde zurückgedrängt durch das Auftreten der berufsmässigen Histrionen der Palliata sowie seiner Zeit die Passionsspiele durch die englischen Schauspielerbanden. Diese ludi Osci (Cic. epist. VII [1916] 1. 3), ludicrum Oscum (Tac. ann. IV 14) führten wahrscheinlich schon bei den Campanern den Namen ludi Atellani, fabulae Atellanae, weil bei Gelegenheit religiöser Feste dieselben in Atella aufgeführt worden sind; der Name wurde von den Römern mit den Spielen herübergenommen, so wie auch ausserhalb Olympias und des Isthmos olympische oder isthmische Spiele gefeiert worden sind. Die Darstellung römischer Litteraturhistoriker, der Livius a. a. O. folgt, sucht diese drei Nachrichten nach dem Vorbild griechischer Forscher in einen inneren Zusammenhang zu zwingen, hierüber die Litteratur bei G. L. Hendrickson American Journ. of Philology XV 1ff. Von den A. in oskischer Sprache erhalten wir nur eine Vorstellung durch die Reste lateinischer Bearbeitungen. Varro d. l. l. VII 29 Item significat in Atellanis aliquot Pappum senem, quod Osci Casnar appellant, bezeugt uns den oskischen Namen einer der Hauptfiguren der A. Darnach haben die Römer frühzeitig schon die oskischen Personenbezeichnungen durch einheimische ersetzt. Ferner wird man aus dem aliquot bei Varro schliessen dürfen, dass die Figur des Pappus und demgemäss auch die übrigen Figuren nicht in jeder A. alle unbedingt zur Verwendung kommen mussten. Die wesentlichste Eigentümlichkeit der A. ist das Fehlen jedweder Eigennamen, welche die feststehenden Typen des Lustspiels näher bezeichnen. Hier tritt kein Chaerea oder Phaedria auf wie in der Palliata, kein Sextus oder Numerius wie in der Togata: die feststehenden Personen führen lediglich feststehende Appellativnamen, und zwar sind es nur männliche Rollen, die zur Verwendung kommen. Die beiden eben erörterten Eigentümlichkeiten bezeugen die Ursprünglichkeit und das hohe Alter der A. Ob die Osker diese Gattung selbständig ausgebildet, ob sie die Anregung zu dieser Komoedie von den griechischen Colonisten Campaniens empfangen haben, vermag heutzutage keine Combination mehr zu erschliessen, ebenso wie es blosse Phantasien sind, die italienische Commedia dell’ arte oder die neapolitanische Pulcinellakomoedie mit den alten ludi Osci in Verbindung zu bringen; ganz ähnliche Figuren wie in der A. kommen z. B. im volkstümlichen Lustspiel der Türken vor. Eine weitere Eigentümlichkeit, durch welche die A. ursprünglich sich von der Palliata unterschied, war die Anwendung von Masken (Fest. a. O.), ein Gebrauch, der vielen Naturvölkern eigentümlich ist, und der wohl selbständig von den Oskern erfunden sein kann. Nach der Anschauung der römischen Antiquare, denen Livius und Festus a. O. folgen, war die A. schon zur Zeit des Naevius und Livius Andronicus in Rom als Bühnenspiel sehr beliebt; den Titel einer Komoedie des Naevius Personata deutete man vermutungsweise dahin, dass der Dichter sein Stück durch Atellani histriones hätte aufführen lassen, während es ebenso nahe liegt anzunehmen, dass der revolutionäre Komiker zugleich mit der Kühnheit der persönlichen Invective die Masken der altattischen Komoedie einzuführen versucht hat. Die erste sichere Beziehung auf A.-Spiele erkennt man in dem bekannten Vers des Prologs zu Plautus Asinaria: Demophilus scripsit, Maccus vortit barbare, indem Bücheler mit Recht das überlieferte [1917] Maccus gegen unmetrische Änderungen in Schutz nimmt, Rh. Mus. XLI 12; ob freilich Plautus wirklich, wie Buecheler vermutet, sein Nomen gentilicium von dem ihm beigelegten Spitznamen Maccus beigelegt wurde, oder ob, was wahrscheinlicher erscheint, nur ein Wortwitz des Prologsprechers vorliegt, können wir heute nicht mehr entscheiden. Eine klarere Vorstellung von der fabula Atellana erhalten wir erst von der Zeit ab, in der dieselbe Litteraturgattung geworden ist. Es ist dies die Zeit der Gracchen und des Bellum Marsicum. Das Volk war der Palliata müde, und die Dichter versuchten einesteils, der griechischen Komoedie römisches Kostüm und römischen Inhalt zu geben — so entstand die Togata —, andererseits in der kunstmässigen Behandlung der sehr beliebten einheimischen A. dem Volk ein neues Schauspiel nationaler Herkunft zu bieten. Fruchtbare und beliebte Palliatendichter gab es nicht mehr, die Dichter der Togata überragte weit an Einfluss und Ansehen der erste Dramatiker der Zeit, L. Accius, der Tragiker. An die Tragoedie schloss sich deshalb die neue Lustspielgattung an; wie auf die Trilogie des attischen Theaters das Satyrspiel, so sollte auf die Tragoedie eine A. folgen (Cic. ep. IX 16, 7: secundum Oenumaum Accii non ut olim solebat Atellanam sed ut nunc fit mimum introduxisti). Die A. erhielt den Namen exodium, ein Wort, das zuerst zwischen 125 und 103 v. Chr. bei Lucilius (Schol. Iuv. III 175 principio exitus dignus exodiumque sequetur; vgl. Cic. Verr. V 189) vorkommt, etwa gleichzeitig als Titel einer A. des Novius erscheint; die Darsteller heissen demgemäss exodiarii. Zwei Namen werden uns als Vertreter der neuen Gattung genannt, der des Novius, welcher auf Campanien hinweist, und der des Pomponius, dessen Blüte Hieronymus (Abrah. 1928 L. Pomponius Bononiensis Atellanarum scriptor clarus habetur) übereinstimmend mit Velleius II 9, 5 auf 89 v. Chr. A ansetzt. Die beiden Namen erscheinen in dieser Reihenfolge Fronto p. 62 N. Macrob. sat. II 1, 14. I 10, 3. Offenbar wusste man schon im Altertum nichts mehr über Novius; bekannter war Pomponius, der als Erfinder der neuen Dichtgattung galt (Vellei. a. a. O.).

Diese neue Dichtgattung lehnte sich der metrischen Form nach durchaus an die Palliata und Togata an. Charakteristisch ist die Bevorzugung des iambischen Septenars (Terent. Maur. GL VI 396: frequens in usu est tale metrum comicis vetustis, Atella vel quis fabulis actus dedit petulcos ... sonum ministrat congruentem- motibus iocosis). Schon der Gebrauch der Masken bedingte die hier hervorgehobene lebhafte Gesticulation, welche bis in die späte Kaiserzeit für den A.-Darsteller charakteristisch blieb (Iuven. VII 71. Tertull. de spectac. 17). Dagegen unterscheidet sich die Sprache der A. wesentlich von der der Palliata und Togata; der volgäre Dialekt des latinischen Bauernvolkes ward hier zuerst in die Litteratur eingeführt. Darum nennt Velleius a. a. O. den Pomponius sensibus celebrem, verbis rudem, Fronto a. a. O., die A.-Dichter hervorragend in verbis rusticanis et iocularibus ac ridiculariis, wofür zum Beleg viele der erhaltenen Bruchstücke angeführt werden können. Formen, wie dicebo und vivebo, mirabis expergisceret [1918] u. dgl. m. bezeugen hinreichend den volgären Charakter der Sprache (vgl. Varro de l. l. VII 84. 96). Die Witze sind, wie die Überreste zeigen, derb und gemein (Pompon. 67; vgl. Aristoph. Thesmoph. 643); besonders gefielen sich die A.-Dichter in Zweideutigkeiten, oft obscönen, aber auch politischen Wortspielen, welche ihrem Urheber in der Kaiserzeit verhängnisvoll werden konnten (Sueton. Domit. 10; Calig. 27; Tiber. 45; Nero 39; Galb. 13. Senec. contr. VII 3, 9. Quint. VI 3, 47 = Pompon. 10). Dem Bäurischen der Sprache entspricht die Wahl der Stoffe. Die Titel führen uns einen ganzen Meierhof vor Augen: rusticus, agricola, bubulcus, ficitor, vindemiatores, vacca, eculeus, asina, capella, verres salvos, verres aegrotus, maialis, porcetra, gallinaria, sarcularia, togularia u. a. m. Diese Titel sind neben den von den stehenden Personen entnommenen Titeln (vgl. u.) die für die A. charakteristischsten; andere entnahm man von der Palliata, so wie Terenz und Pomponius adelphi schrieben, Caecilius und Pomponius synephebi, Turpilius und Novius ein paedium und eine hetaera, zahlreicher noch sind die dem Kreis der Togata angehörigen Titel, welche sich auf die Verhältnisse des bürgerlichen Lebens und des Familienlebens beziehen, wie patruus, heres petitor, quaestio, condiciones, gemini, nuptiae, dotata, virgo praegnans, funus, kalendae Martiae, oder auf das Leben der Handwerker und der niederen Stände, wie aeditumus, aruspex, medicus, citharista, praeco, piscatores, pistor, leno; einen augur gab es von Afranius wie von Pomponius, eine satura von Atta und von Pomponius. Am klarsten zeigen die Titel fullones des Pomponius und Novius und fullones feriati des Novius, wie die A. sich an die Togata anschloss, vorbildlich waren hier die fullones oder fullonia des Titinius, der mit glücklichem Griff die Vertreter der populärsten Handwerkerzunft, die Walker, unter die Figuren seiner Komoedie aufgenommen hatte. Ähnlich wie die einheitlich gestalteten Togatentitel Brundisinae Ferentinatis Veliterna Setina das Interesse der Dichter und des Publicums an der Weiblichkeit der italischen Landstädte beweisen, so bezeugen ein ähnliches Interesse die A.-Titel Milites Pometienses Campani Galli Transalpini für die Zeit, in der ganz Italien sich das Bürgerrecht errang. Alle diese Stoffe, welche die A. von dem früheren Lustspiel ererbt hatte, gingen wiederum von dieser auf den Mimus über. Das Bild der alten oskischen Volkskomoedie veranschaulichen uns jedoch am klarsten die Titel, welche den stehenden Figuren der fabula Atellana entlehnt sind. Wir lernen vier solcher Figuren aus den Resten näher kennen: 1) die am meisten hervortretende Figur, den Maccus (Diomedes GL I 490, 20). Das Wort ist vielleicht ein schon von den Oskern überkommenes griechisches Lehnwort, das mit Μακκώ μακκοᾶν zusammenhängt und dem stupidus des Mimus genau entspricht. Aus den Titel ersehen wir, wie Maccus als copo, miles, exul, virgo auftrat, wie in den Macci gemini des Pomponius ein Zwillingspaar von Macci auf der Bühne erschien. Maccus ist wohl als Cognomen aufzufassen CIL VI 10105. Mit dem Maccus wird bei Apuleius de mag. p. 91, 1 Kr. zusammen genannt 2) der Bucco, eine dem Maccus durchaus ähnliche Figur des stupidus, [1919] wie die Stelle des Apuleius klar erweist. Das Wort ist der lateinischen Volgärsprache entnommen und kommt zuerst vor Plaut. Bacch. 1088 in der Bedeutung stupidus. Dasselbe entspricht etwa dem griechischen Γνάθων, bezeichnet jedoch nicht den Fresser oder Schmarotzer, sondern den Mann mit den grossen buccae, welche den ἀναίσθητός kennzeichnen (Script. physiogn. I 412, 7 Foerster: αἱ δὲ λίαν μακραὶ [παρειαὶ] φλυάρων καὶ ματαιολόγων. p. 379, 2) und findet sich auch als Cognomen. Auch Bucco war als adoptatus, auctoratus, wie die Titel bezeugen, Hauptperson einzelner Stücke, vom Maccus nur durch die Maske verschieden. Dazu 3) die Figur des stupidus senex, des Pappus, d. i. des Grossvaters. Das Wort ist ohne Zweifel griechisches Lehnwort, bezeichnet als Fachausdruck der griechischen neuen Komoedie die Maske des senex (πάππος πρῶτος, πάππος δεύτερος Poll. IV 143), ebenso im Satyrspiel den Silen (Pollux IV 142); wohl möglich, dass bereits die Osker diese Figur, welche sie mit casnar bezeichneten, einem griechischen Possenspiel entlehnt haben. Die Gestalt des Pappus kennzeichnen zur Genüge die Titel hirnea Pappi, sponsa Pappi, Pappus praeteritus, Pappus agricola, er ist der senica non sesunciae (Pompon. 111), der calvos, Pompon. 119. 135. 137. Die interessanteste Figur der A. ist 4) der Dossennus, d. i. der Mann mit dem dorsum, dem Buckel, ein Wort echt lateinischen Ursprungs (Buecheler Rh. Mus. XXXIV 421), das ebenfalls als Cognomen vorkommt (Plin. n. h. XIV 92 und sonst). Die Figur des Aesop zeigt uns, wie sich die Volksanschauung den klugen und überlegenen Fabelerzähler in Gestalt eines Buckligen vorgestellt hat. Ebenso ist der Dossennus in der A. die Caricatur des Gelehrten und Philosophen. In der Philosophia des Pomponius spielte derselbe eine Hauptrolle, er weiss gestohlenes Gold wieder herbeizuschaffen wie Nigidius Figulus. Hospes resiste et sophiam Dossenni lege lautet der Anfang der Grabschrift (Senec. epist. 89, 6), die er sich selbst verfasst. Im Maccus virgo des Pomponius bekleidet Dossennus das Amt des Schulmeisters. Dabei ist der Philosoph gefrässig (Varro de l. l. VII 95 in Atellanis Dossennum [ad obsenum codd.] vocant manducum, vgl. Kiessling zu Hor. epist. II 1, 173) und geldgierig (Pompon. 110 non didici ariolari gratiis), dantor publicitus Dosseno et fullonibus cibaria wird Pompon. 27 beschlossen. Diese vier Figuren sind aus der oskischen A. übernommen; inwieweit die Dichter neben diesen Figuren Personen der Palliata oder Togata und einen Chor auftreten liessen (Sueton. Galb. 13), lässt sich nicht ermitteln. Die Zeit des Accius ist die Zeit der Blüte der A. Dieser sowohl wie sein College C. Iulius Caesar Strabo suchten auf dem Gebiet der dramatischen Poesie genauen Anschluss an die exemplaria Graeca, so in der Anwendung correct griechischer Titel (GL VI 8. Varro de l. l. X 70), in der Anwendung von Masken, und gewiss auch noch in anderen Punkten. So war die Verwendung der A. als exodium nach dem Vorbild des griechischen Satyrspiels gewiss mit angeregt durch das, was man aus Accius didascalica über das griechische Satyrpiel gelernt hatte. Dieses selbst auf die römische Bühne zu übertragen, erschien offenbar als ein [1920] Missgriff. Es lag deshalb nahe, die dem Satyrspiel nah verwandte hilarotragoedia der Griechen Italiens, die Rhinthonica, statt des Satyrspiels zu verwenden, die gleichfalls als A. bezeichnet (Iuv. VI 71. Porph. zu Hor. A. P. 221) und von Novius und Pomponius vertreten wird, wie die erhaltenen Titel erweisen (Vahlen Rh. Mus. XVI 472). Wie die Dramen des Rhinthon Travestien griechischer Tragoedien, insbesondere des Euripides waren (Nauck TGF² frg. 565), so die Rhinthonicae der A.-Dichter Travestien der Dramen des Pacuv und Accius; von Accius sind uns Bruchstücke von Phoenissae erhalten wie von Novius. Die Gleichsetzung der A. mit den fabulae Satyricae wurde durch Litterarhistoriker, denen Porphyrio a. a. O. und Sueton p. 14, 14. 16, 1 R. folgen, näher begründet. Ob freilich ein innerer Zusammenhang dieser Rhintonicae und den alten ludi Osci bestanden hat, ob die vier stehenden Figuren der A. auch in der lateinischen Rhinthonica zur Verwendung kamen, oder ob, was als das wahrscheinlichste erscheinen will, diese Rhinthonicae nur deshalb zu den A. gerechnet wurden, weil dieselben Dichter beiderlei Stücke geschrieben und als Exodia verwendet haben, A. also nur als synkretistische Bezeichnung für beide Gattungen gelten kann, lässt sich nicht mehr ermitteln. Da jedoch, im Gegensatz zu der sehr grossen Anzahl von A.-Titeln, sich nur eine verhältnismässig kleine Anzahl von Titeln von Rhinthonicae nachweisen lässt, so erscheint der Schluss unabweisbar, dass die Rhintonica weniger beliebt war oder sich nicht in dem Masse zum Nachspiel als geeignet bewährte, wie die eigentliche A. Plautus Amphitruo steht allein unter den plautinischen Stücken und unter denen seiner Nachfolger. Das römische Publicum hatte für diese Travestien wenig Interesse und Verständnis. Porphyrio nennt a. a. O. eine Ariadne, eine Atalante und einen Sisyphus des Pomponius, letzterer auch eine Gestalt des griechischen Satyrspiels, wie Hercules, der im Hercules coactor des Novius eine Rolle spielte, ähnlich wie Prometheus und Triptolemus beim Auctor ad Her. IV 9. Der ‚falsche Agamemnon‘ Agamemno suppositus des Pomponius erinnert an die vielen ὑποβολιμαῖοι der neuen attischen Komoedie. Der Vers des Iuvenal a. a. O. Urbicus exodio risum movet Atellanae gestibus Aulonoes zeigt uns, wie noch in der Zeit des Hadrian die Rhinthonica beliebt war; auch hier wird gerade die Gesticulation als besonders charakteristisch für die A. hervorgehoben. Frauenrollen werden von Männern gespielt, darum gehört CIL IV 2457 Methe Cominiaes Atellana wohl nicht hierher. Eine Sonderstellung nimmt unter den A.-Titeln der Titel eines Stücks des Novius Mortis et vitae iudicium ein, dessen Bedeutung einerseits klargelegt wird durch das, was Quintil. IX 2, 36 berichtet: mortem et vitam ... contendentes in satura tradit Ennius, andererseits ist damit zu vergleichen der Titel des Gedichtes PLM IV p. 326 iudicium coci et pistoris iudice Vulcano. Novius hatte, offenbar durch Ennius Satire angeregt, es unternommen, zwei allegorische Figuren, den Tod und das Leben, in seinem Drama auftreten zu lassen, wie ja auch in den Prologen der neueren attischen Komoedie solche Personificationen gewöhnlich waren. Wie Aristophanes in die Wolken [1921] das Certamen des λόγος δίκαοις und λόγος ἄδικος aufgenommen hat, so führte nach dem Vorbild ähnlicher συγκρίσεις, als deren berühmteste die bekannte Darstellung des Streites der ἀρετή und der κακία in des Prodikos ὧραι erscheint (Susemihl Gesch. d. gr. Litt, in der Alexandrinerzeit I 46, 146), Novius dem römischen Publicum eine σύγκρισις des Todes und des Lebens vor Augen. Doch fand diese Neuerung der A. wie es scheint keine Nachahmung.

In der Zeit des Caesar und Cicero wurde die A. von dem Mimus verdrängt. Macrobius sat. I 10, 3 berichtet, dass ein Mummius post Novium et Pomponium diu iacentem artem Atellaniam suscitavit; derselbe wird frühestens in augusteische Zeit zu setzen sein. Wie die oben angeführten Stellen aus Iuvenal und aus Suetons Kaiserbiographien erweisen, erfreute sich in der Zeit der Iulier und Flavier bis Hadrian die A. beim römischen Publicum einer grossen Beliebtheit. Gegen die Ausschreitungen der Schauspieler in persönlichen Invectiven schritten 23 n. Chr. die Behörden ein. Besonders der gemeine Mann in den Landstädten hatte an der A. sein Wohlgefallen und freute sich, wenn das notum exodium, das jahraus jahrein am Festtag gespielt wurde, wieder auf die Bühne kam (Iuven. III 174); so lässt Trimalchio in der campanischen Landstadt seine Komoeden lieber A. spielen, Atellaniam facere (Petron. 53). Gelehrte wie Quintilian ignorieren die A.-Dichter. Varro nennt die Komoedien tricae A. (sat. Menipp. 198 B.); nirgends erscheint des Novius oder Pomponius Name in seinen ästhetischen Kritiken. Seneca (epist. 3, 6) citiert den Pomponius mehr als Curiosität. Erst seit der Zeit des Kaisers Hadrian, dessen Interesse für A. sein Biograph Hist. Aug. Hadr. 26, 4 bezeugt, versteht man die volkstümliche Sprache und den bäurischen Witz des Novius und Pomponius zu würdigen (Fronto p. 62.106 N.); es ist dies die Zeit, in der mit Vorliebe das Landleben und das Leben der kleinen Leute von der Poesie der poetae neoterici geschildert wurde und die Bevorzugung der voraugusteischen Dichter Modesache war. Gegen Ende des Altertums wurde die A. zum zweitenmal vom Mimus verdrängt; Ioh. Lyd. de mag. I 40 μιμικὴ ἡ νῦν δῆθεν μόνη σωζομένη. Die Form Attellana giebt die Überlieferung bei Euanthius und in der Hist. Aug. a. a. O. E. Munk De fabulis Atellanis, Breslau 1840. O. Ribbeck Gesch. d. röm. Dichtung I 209. Mommsen R. G. II⁶ 437, der die A. für ein ursprünglich latinisches Possenspiel hält und die Herleitung von den Oskern verwirft, v. Wilamowitz Herm. IX 331.