Märchen für die Jugend/Literarische und mythologische Anmerkungen zu den Märchen

Über den ethischen Gehalt der Märchen, mit besonderer Rücksicht auf die vorliegende Sammlung Märchen für die Jugend (1854) von Heinrich Pröhle
Literarische und mythologische Anmerkungen zu den Märchen der vorliegenden Sammlung
[223]
B. Literarische und mythologische Anmerkungen
zu den Märchen
der vorliegenden Sammlung.

Die Heimath der hier vorliegenden Märchen, unter welche solche, die den Märchen in meinen „Kinder- und Volksmärchen“ (Leipzig, Avenarius und Mendelssohn 1853) entsprechen, nicht aufgenommen sind, ist die weite Strecke zwischen Hamburg und dem Kyffhäuser, jedoch vorzugsweise sind sie wieder gesammelt auf dem westlichen Harze. Viele der Märchenstoffe sind mir aufgeschrieben mitgetheilt vom Lehrer Th. Stender in Lonau und von W. Bernack aus Osterode a. H., auch zwei von Beyer, dem „Rothenburger Einsiedler“ in Kelbra; die Quellenangabe über Nr. 42. s. in der betreffenden Anmerkung. Den betreffenden Herren spreche ich meinen aufrichtigen Dank aus. – Nur ein Märchen dagegen wurde nach gedruckter Quelle gearbeitet: das Märchen „Piep, piep“, nach einem Gedicht von Robert Prutz (der es [224] in der Jugend zu Stettin hörte) in dessen deutschem Museum von 1853, Nr. 18.

Von dem, was ich mir zur Literaturvergleichung für die einzelnen hier folgenden Märchen anmerkte, theile ich nur das Wichtigste in den Anmerkungen mit. Wenigstens im Allgemeinen muß angegeben werden, daß sehr häufig, aber immer auf möglichst kritische Weise, Varianten von einer und derselben Erzählung benutzt sind, namentlich aber, daß zwei Stücke je aus zwei nicht ursprünglich zusammengehörigen Märchen zusammengesetzt wurden, nämlich Nr. 6.: Die Zwergmännchen (das zweite begann hier da, wo der Junge durch den Wald geht und den Zwergen Geld gibt), und Nr. 15.: Der bunte Bauer (nach zwei, in gewisser Hinsicht freilich doch nahe verwandten Erzählungen von Hick, dessen Inhalt ich schon im Voraus in den „Harzsagen“ S. 273. beleuchtet habe, und vom bunten Bauer). – Ein alphabetisches Sachregister für den wissenschaftlichen Gebrauch beizugeben, würde einer Sammlung von Kindermärchen nicht gut anstehen. Da indessen die Recension der „Harzsagen“ in J. W. Wolf’s Zeitschrift für Mythologie und Sittenkunde II., S. 119. u. 120., in jenen wesentlich oberharzischen Sagen das Sachregister vermißt, so bin ich nicht abgeneigt, der noch fehlenden Sammlung der Sagen des Unterharzes ein gemeinsames Register über alle meine bis dahin erschienenen mythologischen Sammlungen, welches also auch die vorliegende Märchensammlung umfassen soll, beizugeben.

Nr. 1. Dank ist der Welt Lohn. Weniger schön und vollständig, jedoch am Meisten noch entsprechend ist im Pentameron des Basile IV., 2., die zwei Brüder (im Auszuge in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, III., S. 336 u. 337). In Gerle’s Volksmärchen der Böhmen findet sich ein K .u. H.-M., III., S. 429. u. 430 im Auszuge mitgetheiltes: „St. Walburgis Nachttraum oder die drei Gesellen;“ von ihnen hat Einer große Schätze erbeutet und wird deshalb [225] von den andern im Schlaf geblendet und beraubt. Dieser hört dann in der „Walburgisnacht,“ was sich Hexen berichten, wird dadurch von Neuem glücklich und zeigt sich barmherzig gegen die beiden Andern. – Vergl. auch in Zingerle’s Märchen aus Tyrol Nr. 20, die zwei Jäger.

Nr. 2. Undank ist der Welt Lohn. Dies Märchen ist wenig abweichend auch in Ungarn bekannt. Vergl. den Auszug aus v. Gaal’s Märchen der Magyaren, 1822, K. u. H.-M., III., S. 434. – Zu dem bald darauf folgenden schönen Märchen: die Goldtochter und die Hörnertochter vergl. die Erörterung in dem oben angeführten Aufsatze der Allgem. Monatsschrift S. 533. u. 534.

Nr. 5. Die Goldtochter und die Hörnertochter. Vergl. die vorläufige Erörterung dieses Märchens in dem oben angeführten Aufsatze der Allgem. Monatssch., und zwar dort S. 534. u. 535. In mythologischer Hinsicht ist nachzutragen, daß schon die Kette, mit der die Erscheinung kommt, sie als Schwanenjungfrau ausweist und dem suanerinc gleichkommt. Vergl. W. Grimm, Heldensage S. 388.

Nr. 8. Von der Stadt Sedelfia und dem Vogel Fabian. Über Aussetzung der Kinder s. J. Grimm, Rechtsalterthümer S. 455–460.

Nr. 18. Von den ungetreuen Wirthstöchtern und von der Prinzessin mit goldenen Haaren. „In Blut und Herzen ruht die höhere Macht [zunächst eines Drachen], deshalb ist Reigin lüstern danach, und Sigurd, indem er davon genießt, empfängt geheime Kenntnisse, namentlich das Verständniß der Vogelsprache.“ Nach der Vilk. Sage versteht Siegfried, was zwei Vögel sagen, nachdem er Brühe vom Fleisch eines Drachen genossen hat. Wilhelm Grimm, deutsche Heldensage, 1829, S. 390. u. 75. Schon durch den Genuß des Vogelherzens würde sich in unserm Märchen das Verständniß der Sprache der Schwalben und [226] auch wohl der Raben erklären. – Nach der Völsungasaga schnitt Sigurd dem Wurme das Herz aus, Reigin aber trank Fafnirs Blut und bat Sigurd ihm das Herz zu braten. Dieser briet es. Als der Saft heraustroff, tippte er mit dem Finger daran, um zu kosten, ob es gar wäre. Sobald aber das Herzblut des Wurmes auf seine Zunge kam, verstand er die Sprache der Vögel; einer derselben verhieß ihm Weisheit, wenn er selbst das Herz äße; der andere sagte, Reigin suche ihn zu hintergehen u. s. w. – Nach dem Volksbuche vom gehörnten Sigfrid nimmt dieser die Tochter des Königs von Sicilien zum Weibe.

Nr. 26. Der Zauber-Wettkampf. 1695 sagte ein munterer und mit einem aufgeweckten Verstand begabter Junge von 17 Jahren in dem Kloster Wolmirstedt freiwillig gegen andere seines gleichen aus und wiederholte nachher gerichtlich, daß er pacta mit dem Teufel gemacht, sammt seinem gewesenen Herrn, einem Arzt, sich respective in einen Vogel und Esel verwandelt, und solcher Gestalt vielen Menschen Schaden gethan. (Ernsthafte, aber doch Muntere und Vernünftige Thomasische Gedanken und Erinnerungen über allerhand auserlesene Juristische Händel. 1. Theil. 2. Aufl. Halle im Magdeburgischen 1723. S. 205.)

Nr. 29. Johannes der Bär. Ich hätte gewünscht, von den verschiedenen Erzählungen dieser Geschichte, die mir bekannt geworden sind, die mythologisch-wichtigste, wenn auch nicht an sich gerade interessanteste, rein im Text geben und daneben alle Varianten selbständig mittheilen zu können. Da ein solches Verfahren aber ein kleines Buch für sich verlangt hätte, so mögen folgende Andeutungen genügen. Der Held wurde bald Johannes der Bär, bald Martis Bär (in einer der wichtigsten Erzählungen, welche mit der von Johannes der Bär hier zu Grunde gelegt ist) genannt, in den unbedeutendern Varianten führte er gar keinen bestimmten Namen. Johannes der Bär der Sohn eines [227] Schmieds, der im Vaterhause sogleich mit Anfertigung des „Spazierstockes“ beginnt. Martis Bär, der mit der Bärenmilch genährt wird, wie im Text, dann die Schule besucht und den Ackerbau betreibt, greift erst zum Schmiedehandwerk, weil ihm bis dahin Alles unter den Händen zerbricht. Das Begegnen mit den Starken kommt in beiden Hauptberichten vor, die Züge sind daher hier aus beiden genommen; in dem, worin der Held Johannes heißt, heißt auch jeder der Starken Johannes, was an die zwölf Johannes von Königsberg erinnert, welche den Teufel nöthigen wollten, ihnen Schätze zu überliefern, weil er ihnen ihres Namens wegen nichts anhaben könnte. Die Riesen sagten daher eigentlich nicht, daß sie nicht so stark seien als Johannes der Bär, sondern (im andern Hauptbericht) als Martis Bär. Zu Johannes der Bär kommt ein Männchen, dessen Blutspuren nachher zu der Höhle führen. Daß den Prinzessinnen Sterne, Mond und Sonne leuchten, ist mit dem daraus Folgenden aus einem untergeordneten Bericht entnommen. Johannes der Bär schmiedet nachher im Königsschlosse wirklich, Martis Bär nur zum Schein. Daß er dort mit dem „Spazierstocke“ schmiedet, sagte der Erzähler nicht. – Folgender Bericht möge hier Platz finden, welcher den übrigen ferner stand und deshalb im Texte nicht benutzt werden konnte.

Ein Ritter kommt mit drei Gefährten in den Wald und lebt dort mit ihnen in einer Höhle; die drei Gefährten werden von den Zwergen in Todesschlaf gezaubert, darauf keilt der erste Ritter listig die Zwerge, indem er sie auffordert, ihm bei einer Waldarbeit zu helfen, an den Bäumen bei den Händen fest. Danach geloben sie ihm ein Schwert und Salbe, mit der er sich schmieren müsse, um das Schwert regieren zu können; ferner einen Ring, wenn er daran drehe, so wären sie bei ihm, und einen Hut, wenn er diesen aufsetze, so könne ihn Niemand sehen; auch machen sie seine drei Gefährten wieder lebendig und führen ihn in eine andere Höhle, [228] wo er mit seinem Schwert drei Prinzessinnen von drei siebenköpfigen Drachen erlösen soll. Er beschmiert sich mit seiner Salbe, tödtet alle drei Drachen und bekommt von jeder Prinzessin noch einen Ring mit ihrem Namen. Seine Gefährten winden zuerst die drei Prinzessinnen aus der Höhle und dann füllt er, als sie ihn selbst herauswinden wollen, von den Zwergen gewarnt, einen Kasten mit Steinen; als dieser halb herausgezogen ist, lassen sie ihn wieder fallen und eilen mit den Prinzessinnen davon. Jetzt dreht er am Zwergringe, den er am Daumen hat, und die Zwerge winden ihn heraus. Aus dem Wirthshause in der Königstadt schickt er der ältesten Prinzessin, die er zuerst erlöst hat, den Ring mit ihrem Namen, worauf diese ihrem Vater bekennt, daß sie mit ihren Schwestern nicht durch die Gefährten des Ritters, welche sich für ihre Erretter ausgegeben haben, erlöst sei. Der König läßt nun den Mann suchen, der die Ringe der andern beiden Prinzessinnen hat, und des Ritters falsche Kameraden sprechen sich selbst das Urtheil, wonach z. B. des einen Kopf in einen Mühlstein gesteckt und er so vom Berge in einen Teich gerollt wird. – Der große Werth aller dieser Überlieferungen und Varianten, von denen unten noch mehrere, gleichfalls unter den vielen dem Texte zu Grunde gelegten noch nicht benutzten, mitgetheilt werden sollen, liegt auf der Hand. Wie der Held unsres Märchens, so ist auch Siegfried in der Heldensage wegen seines Übermuths und seiner Überkraft weder zu Haus, noch bei dem Schmied Mimer zu gebrauchen. Wie unser Held später in einer Köhlerhütte wohnt, so zündet Siegfried, von seinem Meister in den Wald geschickt, bevor der Drache kommt, einen Kohlenmeiler an. (Vergl. dazu auch meine Kinder- und Volksmärchen, S. 25.) Die Salbe (das Drachenfett) erhält unser Held in der eben mitgetheilten Variante von den Zwergen. Ferner nöthigt er sie in derselben Variante, ihm das Schwert (den Spazierstock) und den Hut, die Tarnkappe, zu geben. Am Hofe der [229] Burgunder zeigt dann Siegfried seine Körperstärke, indem er mit einem Bären ringt. Auch die nach einem unsrer Berichte von den Zwergen dem Helden später geleistete Hülfe und daß er auch statt der Kugeln Ringe erhält, sind Züge, die an Siegfried erinnern. Vergl. auch die Anmerk. im 3. Bande der Grimm’schen Märchen zu „dat Erdmänneken“, wo S. 170. bereits ein Zusammenhang solcher Zwerggeschichten mit der Erlösung der Griemhild vom Drachenstein erkannt wird. – Nach der Vilkinasaga war Sigurd, als er neun Winter alt war, schon so groß und stark, daß niemand seines gleichen sah, zugleich aber so wild und unbändig, daß er Mimers Gesellen schlug und stieß und sie bei ihm kaum aushalten konnten. Nach einem Streit mit dem stärksten Gesellen, der ihm verwiesen wurde, sollte er vor dem Meister schmieden. Er schmiedete aber so, daß der Stein des Amboses zersprang, dieser ganz in den Klotz versank, das Eisen umherflog, die Zange zerbrach und der Schlägel weit vom Schafte niederfiel. Deshalb wurde er zum Schmiedehandwerke nicht tauglich gefunden. – Im Sigfridsliede will Sigfrid Niemand unterthänig sein, verläßt seinen Vater, tritt bei einem Schmied in Dienst, schlägt das Eisen entzwei, den Ambos in die Erde und mißhandelt Meister und Knechte.

Folgende Variante wurde mir in Thale am Fuße der Roßtrappe erzählt, was bemerkenswerth ist, da die Roßtrappsage zahlreiche Anknüpfungen an die Sage von Dietrich von Bern zeigt und an ihrem Fuße sogar das Dorf Bärensdorf gelegen haben soll, worüber das Nähere in meinen unterharzischen Sagen. Drei Prinzessinnen gehen gegen den Willen ihres Vaters in den Wald und werden von drei Riesen gestohlen. Sie sitzen in einer Grube und von einem Gemeinen und zwei Officieren, welche sie erlösen sollen (hier geht also das Märchen in das von den desertirten Soldaten über, das wir in „der Edelmannssohn“ geben), wird der Gemeine an Tüchern in die Grube gelassen. Die Prinzessinnen werden [230] vor ihm herausgezogen; die drei Officiere eilen mit ihnen dem König zu und lassen ihn darin; er findet aber zuletzt die Kronen der Prinzessinnen noch in der Grube (Übergang in die Sage von der Roßtrappe) und dann auch, wie in einer der andern Fassungen, ein Horn. Als er in dieses bläst, erscheint ein Mönch und bahnt, zur Hülfe aufgefordert, immer den schönsten Weg vor ihm her. Nachher sollen die Officiere, ehe sie sich mit den Prinzessinnen verheirathen können, erst drei Kronen liefern. Der Gemeine verspricht, unerkannt, sie ihnen zu schmieden, schiebt aber die ursprünglichen Kronen unter. Dann stößt er noch in’s Horn und der Mönch liefert ihm ein Heer, dem der König ein anderes Heer entgegenstellt. Zuletzt versöhnen sich beide so, daß der Gemeine eine der Königstöchter bekommt; die Officiere werden getödtet. – Ein Gänsehirt aus dem Thale und der Roßtrappe sehr nahen Elbingerode erzählte das Märchen auf folgende Art. Drei Königstöchter wurden von den Riesen gestohlen und seine Diener, darunter der Hans-fürchte-dich-nicht, zogen aus, sie wieder zu suchen. Sie kamen in eine Hütte im Walde, darin sagte ihnen eine Einsiedlerin, daß sie im selben Walde einen Zwerg treffen würden, der sie weiter zeigen würde. Auf einem grünen Platze trafen sie den Zwerg, der sagte ihnen, daß sie in einen Schacht hinein „in die Unterwelt“ steigen müßten. Sie kämen zuerst in die furchtbare Hitze, dann in die furchtbare Kälte, beides veranlaßt dann wirklich zwei Diener, sich wieder aus dem Schacht heraufwinden zu lassen; nur Hans gelangt glücklich in die „Unterwelt.“ Er kommt gerade auf eine Chaussee zu stehen, diese führt nach einem Schlosse, worin die eine Prinzessin sich befindet. Sie labt ihn, versteckt ihn, der Riese aber wittert den Menschen und will ihn zerdrücken „wie warm Blut.“ Hans springt von selbst hervor, der Riese will ihn mit seinem eisernen Stabe „durchschießen,“ der fährt forbei und tief in die Erde, Hans haut den Riesen dabei durch [231] Geschicklichkeit den Kopf ab und erhält zum Lohn eine goldene Krone mit dem Namen des Riesen, und mit Band, wie es „auf dieser Welt gar nicht zu finden ist.“ Darauf führt ihn die Straße an das Schloß mit der zweiten Prinzessin, da will ihn der Riese „wie eine warme Semmel“ zerdrücken und wirft nach ihm mit einer noch schwerern Stange; Hans tödtet ihn und erhält Krone und Band, ganz wie zuvor. Bei dem dritten Riesen, dem ältesten und mächtigsten, ist gleichfalls Alles wie bei dem ersten. Er will Hans zerdrücken „wie eine Mücke,“ heißt mit einem aus dem Volksbuche bekanntem Namen der Riese Wolf-Grambär (von welchem in Elbingerode auch erzählt wird, daß er sich mit dem Zwergkönig Echwaldus befehde, wobei Echwaldus ihm immer plötzlich durch seine Nebelkappe verschwunden sei), gibt Hans Anweisung, ihn, nachdem er ihn schon verwundet, plötzlich zu heilen, indem er ihn mit Salbe aus einem dastehenden Krüglein beschmiert, wirft aber, kaum geheilt, doch wieder mit der Stange nach ihm, und wird nun doch getödtet. Auf den auch hier beim Herauswinden beabsichtigten Verrath der übrigen Diener wird Hans durch das graue Männchen aufmerksam gemacht, welches ihn später auf andere Weise aus der Unterwelt wieder heraufschickt. Er verdingt sich bei dem ärmsten Goldschmied. Ehe die Prinzessinnen die falschen Diener heirathen, verlangen sie von ihnen solche Kronen, wie sie in der Unterwelt gehabt haben. Alle Goldarbeiter erklären, daß diesen Ansprüchen in der Oberwelt nicht genügt werden könne, nur der Gesell des ärmsten verspricht sie in drei Nächten zu machen und schiebt dann jedesmal die in der Unterwelt empfangene Riesenkrone unter. Darauf findet die festliche Verlöbniß statt, der Gesell ist als Zuschauer zugegen und muß mit speisen. Dabei verlangen die Prinzessinnen eine nach der andern noch nach dem Band an ihren Kronen. Der Gesell zieht es aus der Tasche und die übrigen Diener werden mit vier Kühen zerrissen. Die ungewöhnliche [232] Verbreitung dieser Märchen am Ober- und Unterharz ist wohl zu beachten, sie gibt denselben zugleich den Werth von Lokalsagen und es lassen sich Schlüsse für die Lokalmythologie daraus ziehen. – Nach vielen Zügen liegt auch der Zusammenhang mit Mythen vom Thor auf der Hand. Die Eisenstange oder der „Spazierstock“ ist zunächst Thors Hammer und kehrt wie dieser von selbst in die Hand zurück, ein Zug, welchen auch Ernst Meier in einem schwäbischen Volksmärchen hat. Die gewaltige Eßlust des Helden und die Naturthätigkeit der Riesen, so wie daß der Held diesen seine größere Stärke zeigt, sind Züge, die auf Thor und die zu ihm in eigenthümlichem Verhältniß stehenden Riesen ein interessantes Licht werfen. – Den Zusammenhang unseres Märchens mit Sagen von dem durch Finn Magnusen bereits zu Thor in Beziehung gesetzten heiligen Christoph zeigt ein Blick auf meine Kinder- und Volksmärchen, S. XIX u. XX. – Ein schwacher Abglanz unseres Märchens steht nach einem gedruckten Bericht aus der Oberlausitz in Bechstein’s Märchenbuch (die Nonne, der Bergmann und der Schmied). Ungleich mehr entspricht schon ein ziemlich ausführliches Märchen bei Müllenhoff, Sagen, Märchen und Lieder aus Schleswig-Holstein und Lauenburg, S. 437 u. f., Hans mit de yserne Stange.

Nr. 30. Sim-sim-seliger Berg. Die „Geschichte des Aly Baba und der vierzig Räuber“ in 1001 Nacht enthält angedeutet das Märchen vom Berg Sesam (hier Sim-sim-seliger Berg, sonst auch Simeliberg, und Berg Simson) und dann auch noch die von dem kühnen Mädchen, das die Räuber allein tödtet, die das Haus bedrohen (vergl. unser folgendes Märchen: Die gebleichte Hand, und in den „Harzsagen“ S. 108 und 109: Das Mädchen auf der Wegsmühle, wo das Märchen im Wesentlichen zur Ortssage geworden ist, wie auch in Östreich), endlich noch eine Andeutung von dem Gastmahl ohne Salz, [233] welches in Ernst Meier’s schwäbischen Märchen sich findet.

Nr. 32. Der Reiter in Seiden. Dürfte Bruchstück eines Volksliedes sein.

Nr. 38. Der Maurerlehrling. In der Ausgabe von 1592 von Gödelmann’s Zauberern, Hexen vnd Vnholden heißt es I, S. 45: „Es hatten etliche Münche im Closter N. einen Schatz auß der Kirche verlohrn, als sie aber den Dieb nirgendts erforschen vnd erkündigen können, rathfragten sie einen Wahrsager, der gab Antwort, daß derselbigt Kirchenräuber sey seiner Gattung ein Schwartzkünstler, es erscheine wol sein Cörper, Strumpf, den Kopf aber möge er nicht sehen können. Also schertzte ein Teuffel mit dem andern.“ – Der Zug vom Kopfabschneiden kommt schon bei Herodot vor.

Nr. 39. Das Mondenlicht. Vergl. den oben angeführten Aufsatz in der Allgemeinen Monatsschrift, S. 534 u. 535.

Nr. 42. Der Jäger und die drei Brüder. Mitgetheilt von Georg Schulze, Pfarrer in Altenau, dem bekannten Sprachforscher des Oberharzes. Dieser hat den grünen Jäger (für den man auch vergl. meine Kinder- und Volksmärchen, Vorwort S. XXXIV, und Wolf’s Zeitschrift, II. Band, S. 64, wo er einen grünen Hut hat) schon mit dem wilden Jäger zusammengestellt und auf Wuotan gedeutet, wobei er sich wohl nicht mit Unrecht (s. meine Kinder- und Volksmärchen Nr. 28, auch daselbst Vorwort S. XXXV) auf die verschenkte Tasche zu stützen scheint. Wie, wenn das Schaffot ursprünglich ein Galgen wäre, da in der etwas verwandten Harzsage „Mer soll de Teifel net porren“ (Harzsagen S. 80–84) der Galgen den Mittelpunkt des Ganzen bildet. Durch einen bekannten Mythus steht Odhinn gerade zum Galgen in Beziehung und auch was Harzsagen S. 304 u. 305 aus einem mir erzählten, seiner Unvollständigkeit wegen in die [234] vorliegende Sammlung nun nicht aufgenommenen Märchen angeführt ist in der Anmerkung zu der beachtenswerthen Sage der nordhäuser Gegend: „Der Galgen auf dem Kohnstein“, ist hier zu vergleichen. Meine Vermuthung, daß vorliegendes Märchen und ähnliche Überlieferungen mit diesem nordischen Mythus zusammenhängen, dürfte dadurch zur Gewißheit erhoben werden, daß der grüne Jäger auf dem Schimmel, wenn auch nicht nach dem Galgen, der Odhinn’s Roß heißt, doch nach dem Schaffot zugeritten kommt, was bedeutsamer erscheint als die Art, wie der Teufel in dem entsprechenden Märchen bei den Brüdern Grimm (Nr. 112) auf der Richtstätte erscheint. Nach Schulze’s Bericht erhielten die Brüder einfach auf der Richtstätte ihre Sprache wieder, um selbst den Wirth beschuldigen zu können. Die Heimath des Märchens ist aber der sagenreiche Brocken, und nach den Berichten, die ich hier mündlich davon hörte, wurde das Reiten des Jägers nach dem Schaffot auf dem Schimmel eingefügt. Hier wird berichtet, daß drei Handwerksburschen, ein Schmied, ein Schneider und ein Leinweber von Braunlage nach Schierke gegangen wären und daß der Jäger ihnen im Walde zwischen Braunlage und Elend mit einer Doppelbüchse begegnet sei. Der Mord habe sich dann in einem jetzt sehr stattlich aussehenden Gasthofe zu Elend begeben, der gegenwärtig im Besitze der Spormann’schen Familie und gleich dieser Familie auch anderweitig in die Harzsage verwebt ist. In die „Gegend von Schierke und Elend“ hat bekanntlich Göthe die Hexenscenen des Faust verlegt.

Nr. 48. Der Hund Lilla. Vergl. den mehrerwähnten Aufsatz und zwar a. a. O.

Nr. 52. Der Altgesell und der Schneiderlehrling. Dieser Schwank ist abweichend auch in einem hübschen, aber ziemlich neu scheinenden Liede erzählt, das sich in der im Vorwort meiner etwa gleichzeitig mit dieser Märchensammlung erscheinenden Sammlung weltlicher [235] und geistlicher Volkslieder bibliographisch näher bezeichneten, in meinem Besitz befindlichen Bande fliegender Blätter, unter Nr. 128 findet und aus 7 Strophen besteht. Die drei ersten lauten:

„Ein Schneiderlein das reisen soll,
Weint laut und jammert sehr:
Ach Mutter, lebet ewig wohl!
Ich seh Euch nimmermehr!
Die Mutter weint entsetzlich:
Das laß ich nicht geschehn!
Du sollst mir nicht so plötzlich
Aus Deiner Heimath gehn.
Meckmeckmeck dideldumdei,
Der Schneider ist noch funkelneu.

Ach Mutter, ich muß fort von hier!
Ist das nicht jämmerlich?
Mein Söhnchen, ich weiß Rath dafür!
Verbergen will ich Dich.
In meinem Taubenschlage
Verberg ich Dich, mein Kind,
Bis Deine Wandertage
Gesund vorüber sind.
Meckmeckmeck dideldumdei,
Der Schneider ist noch funkelneu.

Mein guter Schneider merkt sich dies
Und that als ging er fort,
Nahm täglich Abschied und verließ
Sich auf der Mutter Wort.
Des Abends nach dem Glockenschlag
Stellt er sich wieder ein,
Und ritt auf einem Geisenbock
Zum Taubenschlag hinein.
Meckmeckmeck dideldumdei,
Der Schneider ist noch funkelneu.“
 u. s. w.

Nr. 53. Der beschämte Bäckermeister. Klingt an eine orientalische Erzählung, in 1001 Nacht, an.

Nr. 63. Barrabas. Folgende schöne Variante wurde mir noch so eben am Fuße des Brockens bekannt. Ein Frachtfuhrmann bricht ein Rad, ein schwarzes Männchen hilft ihm. Dafür soll er ihm seinen Sohn, als der [236] 14 Jahr alt ist, auf die nämliche Stelle bringen. Der Knabe sucht Hülfe bei Priestern, die schicken ihn zu Bischöfen, die Bischöfe zum Papst, der Papst sendet ihn zu einem Einsiedler, dem täglich drei Engel beistehen, der – noch 70 Meilen weiter zu seinem Bruder, einem Räuber, und meint in der Stille, der Räuber werde ihn tödten, ehe er dem schwarzen Männchen, dem Teufel, verfalle. Als der Knabe indessen den Räuber von seinem frommen Bruder grüßte, der ihn noch niemals hatte grüßen lassen, beschloß derselbe gerührt ihm zu helfen. Er beschied den Satan vor sich und dieser war gezwungen, den Knaben mit sich zu nehmen, um ihm die Handschrift zurückzugeben, die ihm sein Vater ausgestellt hatte. Dabei sah er einen neuen Topf einmauern und erfuhr, daß der Räuber darin gekocht werden solle. Der aber hatte sich unterdessen zu Gott bekehrt. Der Knabe muß ihm Hände und Füße binden und ihn dann mit seinem eignen Schwerte in Kochstücken hauen. Nachdem dies alles in drei Tagen geschehen, ist gerade die Zeit da, wo der Knabe dem schwarzen Männchen verfallen gewesen wäre. In diesen drei Tagen aber war der Einsiedler von seinen drei Engeln verlassen und als sie wieder erscheinen, erfährt er, daß sie unterdessen seines Bruders Seele in Abrahams Schoos getragen haben. Erzürnt, daß sein sündiger Bruder noch eher in den Himmel gekommen ist, als er, wird er ein Räuber und – so schloß mein Erzähler, der Sattler Kolbaum in Hasserode – der Satan hatte doch einen Braten. – Professor Meier gab das Märchen in seiner Sammlung unter Nr. 16 in noch anderer Fassung. So wie wir es im Texte lieferten, stellen sich Beziehungen zu Donar und den Riesen als sein wesentlicher Gehalt heraus. Vorzüglich merkwürdig ist, daß hier der Stab, der, wie öfter in Sagen geschieht, in die Erde gesteckt sogleich Früchte trägt, ein Riesenstab ist.

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