BLKÖ:Wickenburg, Albrecht Capello Graf von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wickede, Julius von
Band: 55 (1887), ab Seite: 221. (Quelle)
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Wickenburg, Albrecht Capello Graf von (Dichter, geb. zu Gratz in Steiermark am 4. December 1838). Der jüngste Sohn des Matthias Constantin Capello Grafen von Wickenburg aus dessen Ehe mit Emma geborenen Gräfin Grimaud-d’Orsay, erhielt er im Hause seines Vaters, der zu jener Zeit Landesgouverneur in Steiermark war, die erste sorgfältige Erziehung, welche durch die Stürme des in alle Lebensverhältnisse so tief einschneidenden Jahres 1848 eine unliebsame [222] Unterbrechung erlitt. Der Vater war natürlich von den schweren Pflichten seines Amtes vollauf in Anspruch genommen, die Mutter schon damals körperlich leidend und der Hofmeister ein viel zu eifriges Mitglied der „akademischen Legion“, als daß er noch Zeit gehabt hätte, sich viel um seinen Zögling zu kümmern. Auch in der nächstfolgenden Zeit blieb der regelrechte Gang der kaum begonnenen Studien des jungen Grafen unterbrochen. Der Vater hatte seine Stelle niedergelegt und sich auf Reisen begeben, und Wickenburg konnte nun während der zwei Jahre, die er mit seiner Mutter und seinen Schwestern auf dem Lande (theils in Gleichenberg, theils in Gösting nächst Gratz) verbrachte, nur höchst mangelhaften Unterricht genießen, und so ging diese kostbare Zeit seines Daseins nahezu verloren. 1851 wurde er der Erziehungsanstalt des Leopold Bondi in Gratz übergeben, dieses tüchtigen Pädagogen, aus dessen Institute mehrere nachmals zu hohem Ansehen gelangte Männer hervorgegangen sind. Nachdem er fünf Jahre daselbst zugebracht hatte, studirte er als Hörer der Rechte in Wien, wo seine Familie mittlerweile bleibenden Aufenthalt genommen und der Vater als Präsident des Verwaltungsrathes der Kaiserin Elisabeth-Bahn thätig war. Er hörte die Collegien der berühmten Professoren, welche damals die juridische Facultät zierten (Arndts, Phillips, Unger, Glaser, Lorenz, Stein u. s. w.), mit ganz besonderem Eifer aber auch die Vorlesungen Eitelberger’s über Kunstgeschichte, des Professors Karl Tomaschek über deutsche Literaturgeschichte u. s. w. an der philosophischen Facultät. Einen wahrhaft wohlwollenden Freund und unermüdlichen Förderer seiner Studien fand er in dem damaligen Juristenpräfecten am k. k. Theresianum, dem nachherigen Justizminister und gegenwärtigen Senatspräsidenten des obersten Gerichtshofes, Dr. Karl Habietinek. Ein inniges Freundschaftsbündniß knüpfte ihn auch an den kürzlich verstorbenen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Ernst Freiherrn von Teschenberg, dessen Verkehre mit ihm er die meiste Anregung verdankt, die er in seinen Jünglingsjahren genoß. In späterer Zeit ersetzte ihm diesen Freund der Professor Robert Zimmermann, eine der Zierden des heutigen Wiener Lehrkörpers. 1860 beendete Wickenburg die juridischen Studien und diente nun eine Zeit lang als Conceptspracticant im Polizeidepartement der niederösterreichischen Statthalterei. Aber mit den ihm zugewiesenen Agenden, wenn sie auch aus dem amtlichen Leben nun einmal nicht gestrichen werden können, vermochte er sich nicht zu befreunden. Sein Sinn war auf Anderes gestellt, als auf Anberaumung von „Dampfkesselproben“, Erledigung der Recurse von „wegen unterlassener Trottoirreinigung“ bestraften Hausmeistern, „wegen Ueberschreitung der Sperrstunde“ beanständeten Wirthen u. dgl. m. So sagte er denn schon 1863 dem Staatsdienste Lebewohl, um fortan seinen literarischen Neigungen und Beschäftigungen ausschließlich zu leben. Die literarische Neigung war in ihm ziemlich frühzeitig erwacht, und bereits in Gratz hatten es Anastasius Grün und Karl von Holtei, später in Wien der greise Castelli und J. G. Seidl an Aufmunterung nicht fehlen lassen, und Letzterer veröffentlichte von ihm schon 1858 ein kleines Gedicht „Die Aeolsharfe“ in seinem Almanach „Aurora“, doch beschränkt sich Alles, was Wickenburg [223] in jener Zeit drucken ließ, auf einige Gelegenheitsgedichte. Zur Herausgabe einer Sammlung von Gedichten entschloß er sich erst nach seiner Vermälung mit Wilhelmine Gräfin Almásy, über welche S. 232[WS 1] ein besonderer Artikel folgt. Nachdem er in Gemeinschaft mit derselben eine deutsche Bearbeitung von Michael Drayton’s „Nymphidia“ (Heidelberg 1873, Georg Weiß) herausgegeben hatte, trat er mit der Sammlung „Eigenes und Fremdes“ – die bibliographischen Titel folgen am Schlusse – hervor, die theilweise aus Uebersetzungen [aus dem Englischen] besteht. Da es ihm erschien, daß von Seite der Kritik gerade die Uebertragungen besonders hervorgehoben wurden, warf er sich jetzt mit verdoppeltem Eifer auf das Gebiet der Uebersetzungskunst. Seine nächste Arbeit war allerdings keine eigentliche Uebersetzung, sondern vielmehr die metrische Bearbeitung einer solchen. Der Graf hatte die Bekanntschaft des eidgenössischen Gesandten Johann Jacob von Tschudi gemacht, der als Reisender und Naturforscher eines großen Rufes genießt, vor Allem aber durch sein großes Werk über die Kechua-Sprache der alten Peruaner sich berühmt gemacht hat. Derselbe hatte aus Peru das in einem dortigen Kloster aufgefundene Manuscript des altperuanischen Dramas „Ollanta“[WS 2] mitgebracht und eine wörtliche (interlineare) Uebersetzung dieses merkwürdigen und einzigen Literaturdenkmales eines untergegangenen Volkes verfaßt; ihm lag aber daran, das „Ollanta-Drama“ nicht bloß Gelehrtenkreisen, sondern auch einem größeren Publicum in der ursprünglichen poetischen Gestalt zugänglich gemacht zu wissen, und so forderte er den Grafen auf, seine Uebersetzung im Metrum des Originals zu bearbeiten, welcher Aufgabe sich derselbe in einer von der competenten Fachkritik auch anerkannten Weise unterzog. Seine nächste Arbeit war eine Verdeutschung des „Entfesselten Prometheus“ von P. B. Shelley. Diese gewaltigste Dichtung des bedeutenden englischen Poeten, der bisher fast alle Shelley-Uebersetzer wegen ihres mystischen Dunkels aus dem Wege gegangen waren, forderte bei ihren Schwierigkeiten das Talent eines gediegenen Uebersetzers geradezu heraus. Auch diese Aufgabe löste der Graf, wie es die Fachkritik allgemein anerkannte, in vollendeter Weise. 1878 übersetzte er die hochbedeutende Tragödie „Atalanta in Calydon“ des gefeiertsten britischen Poeten der Gegenwart, Algernon Swinburne, mit dessen Genehmigung. 1879 ersuchte der berühmte britische „Poeta laureatus“ Alfred Tennyson, dem des Grafen Uebersetzungen aus dem Englischen zu Gesichte gekommen waren, denselben, sein Drama „Harald“ zu verdeutschen, und Wickenburg unterzog sich mit gleichem Glück auch dieser Aufgabe. An die bisherigen Uebersetzungen aus dem Englischen knüpfen sich nun solche aus dem Französischen. Der Graf begann mit einem graciösen Stückchen in Versen von Ernest d’Hervilly: „Die schöne Saïnara. Japanische Komödie in einem Acte“. In dieser Uebersetzung, welche nicht gedruckt wurde, gelangte das Stück bei den von der Wiener Aristokratie im Palais Auersperg veranstalteten Wohlthätigkeitsvorstellungen durch die Fürstin Pauline Metternich, Frau Gabillon und Herrn Hartmann zur Darstellung. 1880 betraute Dingelstedt den Grafen mit der metrischen Uebersetzung des Schauspiels „Die Abenteurerin“ von Emil Augier. In dieser Bearbeitung kam dasselbe auf dem k. k. [224] Hofburgtheater (mit Frau Wolter in der Titelrolle) siebenmal zur Aufführung. Augier’s dreiactiges Lustspiel (in Versen) „Philiberte“ und dessen Erstlingsstück „La Cigüe“ (deutsch betitelt „Der Giftbecher“) hatte Wickenburg gleichfalls übersetzt, aber nicht veröffentlicht, und letztgenanntes hat Director Wilbrandt für das Burgtheater angenommen. Nun aber fühlte sich der Graf zu einer ganz eigenthümlichen Arbeit hingezogen und wagte den Versuch einer Uebersetzung und Bühnenbearbeitung des altfranzösischen Schwankes „Maistre Pathelin“, dieses eigentlichen Mutterstückes der französischen Komödie, das schon vor 400 Jahren in Frankreich populär gewesen, an welchem ein Molière gelernt und welches heute noch eine Zierde des Repertoires der Comédie française bildet! Im Frühjahre 1883 trug sich der Schriftsteller Hans Pöhnl mit dem Plane, ein „historisches Theater“ in Wien zu errichten, und wollte seine Bühne mit dem „Meister Pathelin“ eröffnen. Er bat den Grafen, das Stück zu verdeutschen (natürlich im Versmaß des Originals) und für seine Zwecke zu bearbeiten. Das Pöhnl’sche Unternehmen kam nicht zu Stande, indessen lag die Bearbeitung fertig vor und wurde auch dem Director Wilbrandt bekannt. Dieser machte die Hofschauspieler darauf aufmerksam, als auf ein passendes Stück für eine der alljährlich zum Besten ihres Pensionsvereines „Schröder“ stattfindenden Vorstellungen. Das Project wurde im Künstlerkreise des Hofburgtheaters mit Enthusiasmus aufgenommen, und bei der am 31. October 1883 stattgefundenen Vorstellung im Wiener Stadttheater trachteten Lewinsky, Frau Hartmann, Meixner, Schöne und Thimig mit dem ganzen Aufwande ihres Talentes das Stück zur Geltung zu bringen. Doch war der Liebe Müh’ umsonst! Das Publicum, welches Hugo Wittmann in einem großen Feuilletonartikel der „Neuen Freien Presse“ auf diese Vorstellung vorzubereiten gesucht hatte, stand dem alten Meister Pathelin ziemlich verblüfft und befremdet gegenüber und wußte nichts Rechtes mit ihm anzufangen. Da aber der Erfolg dieser Vorstellung immerhin noch für einen „unentschiedenen“ gelten konnte und die Kritik der Tagesblätter im Allgemeinen günstig lautete, wagte Wilbrandt ein zweites Experiment mit dem Stücke und ließ dasselbe im Hofburgtheater aufführen. Hier aber fiel es gänzlich ab. Wir brachten bisher des Grafen literarisches Weben und Streben, wie es sich zu entwickeln begann und immer bewußter höhere Ziele sich stellte, in der Folge, wie es sich aus den Acten der Oeffentlichkeit darbot, zur Anschauung. Wir haben dem Gesagten zur Vervollständigung unseres Bildes noch Einiges beizufügen. Am öffentlichen Leben betheiligte sich Wickenburg nur als Mitglied mehrerer wohlthätiger und gemeinnütziger Vereine. Er ist seit 1864 Mitglied des Wiener Journalisten- und Schriftstellervereines „Concordia“ und war auch eine Zeitlang Ausschußmitglied und Mitglied des Baucomités für das Concordiahaus. Im Kriegsjahre 1866 trat er in den Ausschuß des österreichischen patriotischen Hilfsvereines und erhielt für seine Theilnahme an der Pflege der Verwundeten das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens; er blieb durch volle zwanzig Jahre Ausschußmitglied dieses Vereines. Im Frühjahr 1885 trat er aus infolge seiner Uebersiedlung nach Südtirol. Aus demselben Grunde schied er auch aus dem Vorstande des Wiener [225] Zweigvereines der deutschen Schillerstiftung, dem er seit einer Reihe von Jahren angehörte. Die bibliographischen Titel der im Druck herausgegebenen Schriften des Grafen sind: „Eigenes und Fremdes“ (Wien 1874, Rosner, 8°.) [vergleiche: „Deutsche Dichterhalle“ Bd. V, Nr. 16, S. 291: Kritische Plauderei. Von Alexis Aar; – „Literaturblatt der Gratzer Tagespost“, 8. Februar 1874. Von Friedrich Marx; – „Presse“, 23. December 1873, im Feuilleton: Dichtungen von h. gr.(oß?); – „Die Literatur“, April 1874, Nr. 2; – „Europa“, 23. März 1874; – „Vaterland“, 27. Februar 1874; – Ferd. Kürnberger’s „Literarische Herzenssachen“, S. 137 und 147], eine 2. Aufl. dieser Dichtungen steht bevor. – „Ollanta. Peruanisches Originaldrama aus der Inka-Zeit. Nach von Tschudi’s wörtlicher Verdeutschung metrisch bearbeitet“ (Wien 1876, Rosner, 8°.) [vgl.: „Allgemeine (Augsb.) Zeitung“, 1876, Nr. 19, Beilage S. 267; – Dieselbe, 1877, Nr. 55, Beilage S. 826; – „Deutsche Zeitung“, 6. November 1875. Von Schröer; – „Die Donau“ (Wiener Blatt) 15. October 1875 im Feuilleton; – „Blätter für literarische Unterhaltung“, 9. November 1876: Neue Dramen.] – „Der entfesselte Prometheus. Irisches Drama in vier Acten von Percy Bysshe Shelley. Deutsch“ (Wien 1876, Rosner, 8°.) [vgl.: „Pesther Lloyd“ vom 5. Jänner 1877; – „Blätter für literarische Unterhaltung“, 20. December 1877, S. 802 in „Deutsche Uebersetzungsliteratur“. Von Theodor Paur; – „Deutsche Zeitung“, 9. Mai 1876, Nr. 1562, im Feuilleton: Selbsterlösung. Von S. Heller; – Rodenberg’s „Deutsche Rundschau“, Bd. III, S. 1, 1876. Von Rob. Zimmermann; – „Frankfurter Zeitung“ vom 5. November 1877 im Feuilleton von Ferd. Groß.] – „Atalanta in Calydon. Eine Tragödie von Algernon Charles Swinburne. Deutsch“ (Wien 1878, Rosner, 8°.) [vgl.: „Wiener Sonn- und Montagsblatt“ vom 11. März 1878 im Feuilleton; – „Wiener Fremden-Blatt“, 27. März 1878, Nr. 84. Von L. Hevesy; – „Die Gegenwart“, 1878, Nr. 40. Von W. Laufer; – „Deutsche Zeitung“, 16. Februar 1878: Literary Poetry. Von Johannes Meißner; – „Blätter für literarische Unterhaltung“, 1879, Nr. 2. Von Karl Bartsch.] – „Harald. Ein Drama von Alfred Tennyson. Deutsch...“ (Hamburg 1880, Grüning, 8°.) [vgl.: „Wiener Abendpost“, 22. Februar 1880. Von H. Grasberger; – Neue Freie Presse, 24. December 1879. Von Martin Greif; – „Brünner Morgenpost“, 1885, Nr. 294 im Feuilleton.] – „Die Abenteurerin. Schauspiel in vier Acten von Emil Augier. Deutsch...“ [vgl.: „Wiener Abendpost“, Beilage zu Nr. 275, 1880; – „Constitutionelle Vorstadt-Zeitung“ (Wien) 1. December 1880.] – „Meister Pathelin. Altfranzösischer Schwank in drei Aufzügen. Deutsch...“ (Wien 1884, Rosner) [vgl.: „Neue Freie Presse“, 1883, Nr. 6888 im Feuilleton. Von H. W.(ittma)nn; – „Wiener Allgemeine Zeitung“, 1. October 1883; – „Berliner National-Zeitung“ vom 30. Mai 1884 im Feuilleton: Alte Komödien. Von Rudolf Genée; – „Deutsche Wochenschrift“, 4. November 1883 im Feuilleton. Von E. Schmidt]. Wie bereits in der Lebensskizze erwähnt, ist Graf Wickenburg vermält. Als 1867 Wilhelmine Gräfin Almásy ihre erste Sammlung „Gedichte“ herausgab, war der Eindruck, den diese Ergüsse einer edlen Frauenseele auf den Grafen hervorbrachten, ein so mächtiger, daß [226] derselbe sofort sich entschloß, um Hand und Herz der Verfasserin zu werben. Und in der Thai war die Unmittelbarkeit des ganzen Vorganges eine solche, daß sogar die öffentliche Meinung, die in Herzensangelegenheiten sonst nicht mitzusprechen liebt, dieses Mal aus ihrer Zurückhaltung fiel und den kundgewordenen Herzensbund in freudigster Weise begrüßte [vergl. Neues Fremden-Blatt, 1868, Nr. 221]. Graf Albrecht vermälte sich am 5. November 1868 zu Wien mit Wilhelmine geborenen Gräfin Almásy (geb. 8. April 1845), und sind aus dieser Ehe zwei Kinder Rosa (geb. 10. September 1869) und Robert (geb. 5. Juni 1874) vorhanden.

Franzos (Karl Emil). Deutsches Dichterbuch aus Oesterreich (Leipzig 1883, Breitkopf und Härtel, schm. 4°.) S. XXXIX. – Brümmer (Franz). Deutsches Dichter-Lexikon (Eichstädt und Stuttgart 1877, Krüll, 4°.) S. 498. – Derselbe. Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neunzehnten Jahrhunderts (Leipzig o. J. [1885] Reclam jun., 32°.) S. 479.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: S. 229.
  2. Apu Ollantay (Wikipedia).