Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Unger, Johann Karl
Band: 49 (1884), ab Seite: 63. (Quelle)
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Unger, Joseph (Mitglied des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes, geb. in Wien am 2. Juli 1828). Für die Universität gründlich vorbereitet, studirte er zu Wien 1846 bis 1850 die Rechte. Von den ersten Bewegungen des Sturmjahres 1848, welchen sich seine Collegen mit aller Begeisterung anschlossen, hielt er sich völlig fern. Später jedoch folgte er der Wahl in die Deputation, welche am 16. Mai die Wünsche der Studentenschaft dem Minister des Innern vorzutragen hatte. Im Jahre 1850, in welchem er zu Königsberg die philosophische Doctorwürde erlangte, erhielt er auch eine Anstellung bei der k. k. Hofbibliothek in Wien. Dieses Postens ward er jedoch nach kurzer Thätigkeit wegen seiner Theilnahme an der Revolution enthoben. 1852 an der Wiener Universität zum Doctor der Rechte promovirt, habilitirte er sich an derselben als Privatdocent. 1853 ging er als außerordentlicher Professor für bürgerliches Recht an die Hochschule in Prag, von welcher er 1857 einem Rufe an die Universität seiner Vaterstadt als Professor desselben Faches folgte. Mit dem Wiedererwachen des constitutionellen Lebens in Oesterreich trat auch Professor Unger politisch wieder in den Vordergrund, und zwar zunächst mit der Flugschrift: „Zur Lösung der ungarischen Frage. Ein staatsrechtlicher Vorschlag“ (Wien 1861, Wallishausser, gr. 8°., 27 S.), welche er gemeinschaftlich mit Dr. Adolph Fischhof herausgab. Die Verfasser dieser Schrift, welche in kurzer Zeit eine zweite Auflage erlebte und worin ein dualistisches Programm verfochten wurde, nannten sich auf dem Titel nicht. In den folgenden Jahren lag Unger seinem lehramtlichen Berufe ob, bis er 1867 von dem Wahlbezirke Hernals in den niederösterreichischen Landtag und von diesem in das Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrathes gewählt wurde. Aber eine schwere Erkrankung – hochgradige Ueberreizung der Kopfnerven – nöthigte ihn, beide Mandate nach kurzer Zeit niederzulegen. Ueberdies mußte er, in Folge seines leidenden Zustandes, nicht blos seine Vorlesungen einstellen, sondern auf ärztliche Anordnung sich für längere Zeit von jeder geistigen Anstrengung und erregenden Arbeit fernhalten, zu welchem Behufe er denn auch [64] eine mehrmonatliche Reise nach dem Süden antrat. Im April letztgenannten Jahres erhielt er – Hasner war damals Unterrichtsminister – Titel und Charakter eines Hofrathes und im November den Orden der eisernen Krone dritter Classe. Nachdem er genesen von seinem Ausfluge zurückgekehrt, wurde er, am 20. Jänner 1869, als lebenslängliches Mitglied in das Herrenhaus des österreichischen Reichsrathes berufen. Die Einladung, in das Cabinet Potocki (1870) zu treten, wies er entschieden zurück, dagegen nahm er in dem von dem Fürsten Adolph Auersperg gebildeten Cabinet (25. November 1871) einen Ministerposten ohne Portefeuille an und fungirte, wie vor ihm Dr. Johann Nep. Berger (December 1867 bis 15. Jänner 1870), als Sprechminister, sich als ebenso gewandten, schlagfertigen, wie glänzenden Redner bewährend. Er blieb in dieser Stellung bis 15. Februar 1879, an welchem Tage das Gesammtministerium Auersperg seine Entlassung nahm. Bezeichnend enthielt das kaiserliche Handschreiben an den ausscheidenden Minister eine sehr bedeutende politische Pointe. Der Monarch erkennt darin speciell die „muthvolle Ueberzeugungstreue“ an, mit welcher Unger im Laufe der Jahre in die Action trat, eine Anerkennung, welche, an und für sich schon bedeutend genug, noch mehr ins Gewicht fällt einem Manne von einem so ausgeprägten Unabhängigkeitssinne gegenüber, wie ihn derselbe durch die Jahre geltend zu machen wußte. Auch die Betonung des Umstandes, daß Dr. Unger das Ansuchen um Enthebung von seinem Posten wiederholt stellte, steht mit der erwähnten kaiserlichen Anerkennung im innigsten Zusammenhange und läßt auch erkennen, wie tiefbegründet es war, wenn der Sprechminister im Laufe der letzten Jahre mehr als einmal im Parlamente die Erklärung abgab, daß sich die Minister keineswegs an ihre Portefeuilles klammern. Zu gleicher Zeit erhielt Unger das Großkreuz des Leopoldordens, die zweithöchste Civilauszeichnung, welche die Krone zu vergeben hat. Nunmehr verblieb er lebenslängliches Mitglied des Herrenhauses. Im Herbst 1879 wollte er seine Vorlesungen – damals über österreichisches Staatsrecht – an der Wiener Universität wieder aufnehmen, mußte aber, von einer Reise nach England im Herbst leidend zurückgekehrt, dieselben auf das Sommersemester 1880 verschieben. An diese Skizze der parlamentarischen und staatsmännischen Thätigkeit Unger’s reihen wir noch die Uebersicht der von ihm herausgegebenen rechtswissenschaftlichen Werke, deren Titel sind: „Die Ehe in ihrer welthistorischen Entwickelung. Ein Beitrag zur Philosophie der Geschichte“ (Wien 1850 [Jasper, Hügel und] Manz, gr. 8°., VIII und 167 S.), Unger’s erstes, im Alter von 21 Jahren geschriebenes Werk; – „Ueber die wissenschaftliche Behandlung des österreichischen gemeinen Privatrechtes“ (Wien 18^53, Manz, 8°., 53 S.); – „Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für Sachsen, mit besonderer Rücksicht auf das österreichische bürgerliche Gesetzbuch besprochen. Allgemeiner Theil. Dingliches Sachenrecht“ (ebd. 1853, 8°., 288 S.); – „System des österreichischen allgemeinen Privatrechtes“ 1. und 2. Bd. (Leipzig 1856–1859, Breitkopf und Härtel, gr. 8°., 1. Bd. XVIII und 634 S., 2. Bd. VI und 727 S.), von beiden Theilen erschien 1868 eine dritte unveränderte Auflage, nur war dem ersten Bande ein Anhang beigefügt: „Ueber den Entwickelungsgang der österreichischen Civiljurisprudenz seit der Einführung [65] des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches“. Dr. Johann Nepomuk Berger [Bd. II, S. 303] unterzog Unger’s großes Werk einer umfassenden Kritik in seinem Werke: „Kritische Beiträge zur Theorie des österreichischen allgemeinen Privatrechtes“ (Wien 1856, Manz) und liefert ein Beispiel jener musterhaften Polemik, die streng an die Sache sich haltend, die Wissenschaft fördert und erst recht die Bedeutung des in Rede stehenden Werkes hervorhebt; – „Die rechtliche Natur der Inhaberpapiere, eine civilistische Untersuchung“ (Leipzig 1857, Breitkopf und Härtel, gr. 8°.); – „Der revidirte Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen. Kritisch besprochen“ (ebd. 1861, gr. 8°., 125 S.); – „Der revidirte sächsische Entwurf und sein Vertheidiger Dr. Karl Magnus Pöschmann, königlich sächsischer Ober-Appellationsrath. Eine Replik. Mit einem Anhang, enthaltend zwei kritische Anzeigen von Ludwig Arndt“ (Wien 1861, Braumüller, gr. 8°., 2 Bl. 84 S.); – „Das österreichische Erbrecht“ (Leipzig 1864, gr. 8°., VIII und 400 S.), bildet den 6. Band des „Systems des österreichischen allgemeinen Privatrechtes“; – „Die Verlassenschaftsabhandlung in Oesterreich. Ein Votum für deren Aufhebung“ (Wien 1862, Braumüller, gr. 8°., VI und 210 S.) – „Zur Reform der Wiener Universität. Ein Votum, erstattet in der Sitzung des Unterrichtsrathes am 29. December 1865“ (Wien 1865, Manz, gr. 8°., IV und 42 S.); – „Die Verträge zu Gunsten Dritter“ [aus den „Jahrbüchern für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechtes“] (Jena 1869, Mauke, gr. 8°., 109 S.). Mit Professor Dr. Julius Glaser gemeinschaftlich begann er im Jahre 1860 die Herausgabe der „Sammlung von civilrechtlichen Entscheidungen des k. k. obersten Gerichtshofes“ (Wien, Tendler), welche dann Ersterer und Joseph von Walter fortsetzten. Noch sei nebenbei bemerkt, daß Unger auch ein Kenner und Gönner der Künste und Wissenschaften ist und seit Jahren mit aufopfernder Thätigkeit den Interessen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien sich widmet, in deren Directorium er eingetreten ist, und daß seiner warmen Fürsprache und seiner regen Förderung in nicht geringem Maße das Entstehen des Hauses zu verdanken ist, welches die Gesellschaft besitzt. In einer der zahlreichen Lebensskizzen, welche bei Gelegenheit des Eintrittes Unger’s in das Adolph Auersperg’sche Ministerium erschienen, heißt es bezüglich des in Rede Stehenden: „Er wird fast immer zugleich mit Glaser genannt, dessen akademischer College nicht nur, sondern auch intimer Freund er ist. Als Jurist erfreut er sich gleichfalls wie Glaser eines über Oesterreich weit hinausreichenden Rufes, zählt zu den unanfechtbaren Celebritäten der Jurisprudenz, gleich wie er als Universitätslehrer eine ganz außerordentliche Anziehungskraft ausübt. Er verbindet mit seiner fachwissenschaftlichen Autorität bei ungewöhnlicher Rednergabe, die ihm auch im Parlamente zu manchem ehrenvollen Siege verhalf, eine Universalität der Bildung, wie sie nicht die Gewohnheit deutscher Professoren zu sein pflegt“.

Ueber Land und Meer. Allgemeine Illustrirte Zeitung (Stuttgart, Hallberger, Fol.) XXVIII. Bd. (1872), Nr. 34: „Dr. Joseph Unger“. – Wiener Salonblatt (4°.) III. Jahrg. (1872), Nr. 28, S. 338. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 870: „Unger’s Wahlrede“; 1871, Nr. 2607, Morgenblatt, S. 4 und 5, und Nr. 2608, in der „Kleinen Chronik“. – Allgemeine Zeitung (Augsburg. Cotta, 4°.) 1876, Nr. 64, S. 249: „Aus Oesterreich“ 2. März. – Dieselbe, außerordentliche Beilage, 1876, Nr. 65: Die Rede des [66] Ministers Unger“. – Dieselbe, 1879, Nr. 49: „Wien 16. Februar“; Nr. 196: Wien 12. Juli“; Nr. 261, S. 3829. – Presse (Wiener polit. Blatt) 20. November 1877, Nr. 320: „Unger’s Rede über die Bankvorlage“. – Die Donau (Wiener polit. Parteiblatt) 1856, Nr. 183, im Feuilleton: „Berger’s Buch über Unger’s System“.
Porträte und Chargen. 1) Holzschnitt nach einer Originalzeichnung von F. Kollarz in „Ueber Land und Meer“, XXVIII. Band, Nr. 34 [in andere illustrirte Blätter übergegangen]. – 2) Unterschrift: „Dr. Jos. Unger“. Daneben das Facsimile des Namenszuges. Kriehuber 1861 (lith.). „Dem verehrten Rechtslehrer dessen dankbare Schüler“ (Wien 1861, kl. Fol., Jos. Bermann, Brustbild). – Floh, 11. Juli 1874, Nr. 28: „Wie Minister Unger im August aussehn wird, wenn er fortfährt, die Lasten der badenden Collegen zu übernehmen“. Zeichnung von Stur. – Kikeriki, 1874, Nr. 72: „Höchst verfängliches Telegramm aus der jüngstvergangenen Zeit. Minister Unger ist angekommen und im „Pensionshôtel Schwarz“ abgestiegen“. – Wiener Kladderadatsch, 1876, Nr. 14. Bei der Abreise von Gratz. Minister Unger: „Warum in solcher Verzweiflung, Herr Graf? Schmerzt Sie das Hinscheiden dieses Freiheitssängers (Anastasius Grün) so sehr?“ – Graf Hohenwart: „Das nicht, aber daß Excellenz nicht in Gratz bleiben“. Zeichnung von Gilbert. – Floh, 29. April 1877, Nr. 17: „Vorbereitungen zum Katholikentage“. [Minister Unger hält in einer Hand die Larve Stremayr’s, in der anderen einen Jesuitenhut. Darunter steht: „Minister Dr. Unger, der den Cultusminister vertritt, läßt kein Mittel unbenützt, um den Mitgliedern des Katholikentages Vertrauen einzuflößen“.] Zeichnung von Th. v. Z. – Kikeriki, 1874, Nr. 27: „Wie unser Ministerium die Jesuiten behandelt“. – Der Zeitgeist (Wien) 20. April 1874, Nr. 11: Fürst Auersperg und Minister Unger stehen vor dem Abgeordnetenhaus und betrachten zwei Statuen (Juden), die vor demselben aufgestellt sind. Ueberschrift: „Ein Wink“. Unterschrift: Auersperg: „Was sind denn das für zwei neue Statuen? Die hab’ ich hier noch nie bemerkt!“ Unger: „Zwei Kleingewerbetreibende, Excellenz, die in Erwartung auf eine Staatshilfe petrificirt sind“.