BLKÖ:Wickenburg-Almásy, Wilhelmine Gräfin von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Wickerhauser, Moriz
Band: 55 (1887), ab Seite: 232. (Quelle)
Wilhelmine von Wickenburg-Almásy bei Wikisource
Wilhelmine von Wickenburg-Almasy in der Wikipedia
Wilhelmine Gräfin von Wickenburg-Almasy in Wikidata
GND-Eintrag: 117337501, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Wickenburg-Almásy, Wilhelmine Gräfin von|55|232|}}

Wickenburg-Almásy, Wilhelmine Gräfin von (Dichterin, geb. zu Ofen am 8. April 1845), Tochter des k. k. geheimen Rathes Moriz Grafen Almásy von Zsádány und Török-Szent-Miklós, Präsidenten der ungarischen Hofkammer, späteren Sectionschefs im k. k. Finanzministerium, Staatsrathes und zuletzt – bis 1873 – Gouverneurs der Allgemeinen österreichischen Bodencreditanstalt, aus dessen zweiter Ehe mit Rosa Gräfin von Festetits de Tolna. Schon in ihrem zehnten Lebensjahre übersiedelte sie mit ihren Eltern nach Wien, wo sie fortan, trotz ihrer ungarischen Abstammung, völlig deutsche Bildung und Erziehung genoß. Frühzeitig regte sich ihr dichterischer Genius und drängte sie zu allerhand poetischen Versuchen, die aber sämmtlich unveröffentlicht geblieben sind. Von bestimmendem und nachhaltig förderndem Einflusse auf die jugendliche Dichterin wurde ihre Bekanntschaft mit der berühmten Hofschauspielerin Julie Rettich. Diese große Künstlerin und wahrhaft seltene Frau stand der jungen Freundin nicht nur mit ihrem reifen Urtheil und ihrem gediegenen Kunstgeschmacke zur Seite, sie lenkte auch die Aufmerksamkeit ihres Freundes Friedrich Halm (Freiherrn von Münch-Bellinghausen) auf das aufkeimende Talent, und dieser ward nun der jungen Poetin ein freundlicher [233] Berather, ja er verschmähte es nicht, an manche ihrer Erstlingsproducte die bessernde Hand zu legen. Wilhelmine Almásy zählte 21 Jahre, als die erste Sammlung ihrer Gedichte erschien, vorerst nur in einem als Manuscript gedruckten und lediglich zur Vertheilung im Freundeskreise bestimmten Büchlein. Einzelne Exemplare desselben drangen gleichwohl in die Oeffentlichkeit, und die Gedichte wurden in verschiedenen Tagesblättern so überaus günstig besprochen, daß bald eine zweite Ausgabe veranstaltet werden mußte, die nun im Gerold’schen Verlage in Wien auf den Büchermarkt gelangte. Die Kritik rühmte an diesen Gedichten eine bei der Jugend der Verfasserin auffallende Reife der Gedanken und seltene Glätte der Form. Der glückliche Wurf, den Wilhelmine Almásy mit diesem Büchlein gethan, sollte sich aber auch in anderem Sinne als ein wahrer Schicksalswurf erweisen. Graf Albrecht Wickenburg [siehe diesen S. 221][WS 1] fühlte sich von dem Geisteshauche, der darin wehte, so sympathisch berührt, daß er beschloß, um die Hand der Verfasserin zu werben. In der That fand schon in kürzester Frist die Verlobung und dann die Trauung des jungen Paares statt, das seither in glücklichster Ehe lebt. Das Talent der Dichterin konnte sich nun immer rascher und freier entfallen. Es erschien 1869 eine neue Sammlung ihrer Dichtungen – die bibliographischen Titel derselben folgen am Schlusse – welche noch wärmerer Ton, noch tiefere Empfindung auszeichnet; darauf, 1871, der erste Versuch auf epischem Gebiete, das Gedicht „Emanuel d’Astorga“; 1873 eine gemeinschaftlich mit ihrem Gatten verfaßte Uebersetzung der reizenden Feerie „Nymphidia“ des Michael Drayton – eines Zeitgenossen Shakspeare’s – mit Illustrationen von Professor Eduard Ille in München; dann wieder eine neue Folge von Gedichten „Erlebtes und Erdachtes“. Dieses Buch hat ihren Namen auch über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus bekannt gemacht. In einem größeren Artikel „Eine Dichterin“ im Feuilleton der „Neuen Freien Presse“ vom 17. Jänner 1873 führt uns Johannes Scherr die dichtende Dame nicht allein vor, sondern in ganz respectabler Gesellschaft, indem er zwischen der österreichischen und der unbestritten ersten deutschen Dichterin Annette von Droste-Hülshoff eine Parallele zieht, worin er uns zur Erkenntniß der Gegensätzlichkeit der beiden dichterischen Individualitäten leitet und auch der Oesterreicherin die ihr gebührende Stelle auf dem Parnaß einräumt. Das nun folgende Gedicht „Der Graf von Remplin“ erzählt die Lebensschicksale des an seiner Theaterleidenschaft zu Grunde gegangenen mecklenburgischen Grafen von Hahn – des sogenannten „Theatergrafen“, Vaters der Gräfin Ida Hahn-Hahn – und Joseph Lewinsky erzielte mit dem öffentlichen Vortrage desselben in Wien einen großen Erfolg. Das nächste Gedicht „Marina“, dessen Fabel größtentheils frei erfunden und dessen Heldin eine vom Eroberer Mexikos Fernando Cortez losgekaufte Sklavin, hebt sich wirkungsvoll ab von dem gewaltigen historischen Hintergrunde der Eroberung Mexikos und der tragischen Schicksale des unglücklichen Königs Montezuma und bot der Verfasserin reichen Anlaß zur Schilderung gewaltiger Kämpfe und einer in tropische Farbengluth getauchten Naturscenerie. 1879 versuchte sich nun die Gräfin auch auf dem dramatischem Gebiete. Das kleine dramatische Gedicht „Radegundis“, in [234] welchem sie uns das Verhältniß der nachmals heilig gesprochenen Gemalin des Frankenkönigs Chlotar zu dem römischen Dichter Venantius Fortunatus zeichnet, das mit völliger Entsagung der Heldin und ihrem Gang ins Kloster endet, erwies sich in Form und Inhalt als zu zart für das grelle Lampenlicht unserer heutigen Bühne. „Ein Heiligenbild auf Goldgrund“ nannte es treffend Dingelstedt. Das Stücklein blieb also „Buchdrama“, fand aber volle Würdigung seines tief poetischen Inhaltes, als es Lewinsky gleichfalls öffentlich vortrug. In einer neuen Ausgabe ihrer Gedichte, welche nun erschien, bemerkt man eine streng gesichtete Auswahl der in den früheren Sammlungen enthaltenen, dann eine bedeutende Anzahl neuer Stücke, nebst metrischen Uebersetzungen aus dem Englischen und Französischen und einer Serie ungarischer Volkslieder. Im selben Jahre gelangten zwei dramatische Schöpfungen der Dichterin auf die Bühne: Das Schauspiel „Das Document“, welches die Geschichte der byzantinischen Kaiserin Eudoxia und des Diogenes Romanus behandelt, wurde von Director Heinrich Laube auch zur Aufführung im Wiener Stadttheater angenommen, konnte aber wegen der mittlerweile über dieses hereingebrochenen Katastrophe dort nicht zur Darstellung gelangen; es ging jedoch am 17. Februar 1882 am Frankfurter Stadttheater und am 10. März 1882 im königlichen Schauspielhause zu Berlin in Scene und fand auf beiden Bühnen Wiederholungen, und sowohl die Frankfurter als die Berliner Kritik erkannte die dramatische Begabung der Verfasserin an. Einen nachhaltigeren Erfolg dagegen erzielte unsere Dichterin mit dem kleinen Einacter in Versen: „Ein Abenteuer des Dauphin“, welcher am 7. October 1882 im k. k. Hofburgtheater gegeben, sehr beifällig aufgenommen und noch öfter wiederholt ward. Seit dieser Zeit hat Gräfin Wickenburg kein Buch veröffentlicht. In Südtirol (Gries bei Bozen) sucht sie Heilung von körperlichen Leiden, die sie in den letzten Jahren an geistigem Schaffen vielfach gehindert haben. Einige durch ihren Aufenthalt in Tirol angeregte poetische Arbeiten – Sagen und Legenden – sind in verschiedenen Zeitschriften erschienen, theilweise auch von Lewinsky in Wien und anderwärts öffentlich vorgetragen worden. In jüngster Zeit erst (Mai 1886) brachte die Leipziger „Illustrirte Zeitung“ der Gräfin Wilhelmine Wickenburg Lebensskizze und an deren Schlusse der Dichterin „Mahnruf an die Deutschen in Oesterreich“. Dies Gedicht, in welchem die geborene Magyar in ihre kerndeutsche Gesinnung in flammenden Worten bekundet, erregte allenthalben Aufsehen, und mehrere Componisten, darunter der Dirigent der Dresdener Liedertafel Reinhold Becker, haben den flammenden Worten der Dichterin glühende Töne geliehen. Auch auf musicalischem Gebiete hat sich die Gräfin bemerkenswerth hervorgethan. Allem Dilettantismus abhold, machte sie bei der berühmten Gesangslehrerin Marchesi die ernstesten Studien und eignete sich eine nicht unbedeutende Gesangstechnik an. Sie ließ sich vielfach in Wiener Kirchen und Concertsälen vernehmen, und die Musikreferenten der Wiener Blätter – an deren Spitze Speidel und Hanslik – spendeten der Gesangskunst der Gräfin die freundlichste Anerkennung. Wir lassen nun in chronologischer Reihe die Titel ihrer im Druck erschienenen Dichtungen [235] folgen: „Gedichte“ (Wien 1866, nicht im Buchhandel erschienen; 3. verm. Aufl. Wien 1882, Gerold, 8°.) [vergleiche: „Neue Freie Presse“, 12. December 1882. Von Martin Greif; – „Triester Zeitung“, 2. Mai 1882.] – „Neue Gedichte“ (Wien 1869, Gerold) [vgl.: „Die Presse“, 23. Max; 1870; – „Neue Freie Presse“, 11. Februar 1870. Von Thaler.] – „Nymphidia. Nachdichtung aus dem Englischen des Michael Drayton“ (Heidelberg 1873, Weiß, 16°.), das mit ihrem Gatten gemeinschaftlich gearbeitete Gedicht ist dem berühmten Aesthetiker Robert Zimmermann gewidmet; – „Erlebtes und Erdachtes“, Gedichte, dritte Folge (Heidelberg 1873, Weiß, kl. 8°.) [vgl..: „Presse“, 13. Februar 1873. Von Hans Grasberger; – „Vaterland“, 4. Februar 1873.] – „Emanuel d’Astorga, Erzählendes Gedicht“ (Heidelberg 1872, Weiß; 2. Aufl. 1875, 16°.) [vgl.: „Blätter für literarische Unterhaltung“, 1. August 1872. Von Rud. Gottschall; – „Das Vaterland“, S. März 1872; – „Tagespresse“, 30. December 1871]. – „Der Graf von Remplin. Eine Erzählung in Versen“ (Wien 1874, Rosner, 8°.) [vgl.; „Literaturblatt der Gratzer Tagespost“, 8. Februar 1874. Von Friedr. Marx; – „Wiener Abendpost“, 14. Jänner 1874]. – „Marina. Ein erzählendes Gedicht“ (Heidelberg 1876, Weiß, 16°.). – [vgl.: „Blätter für literarische Unterhaltung“, 30. November 1876, S. 775. Von Albert Moeser.] – „Radegundis. Dramatisches Gedicht in einem Aufzuge“ (Wien 1880, Rosner) {vgl.: „Neue Freie Presse“, 17. Jänner 1880. Von Dingelstedt; – „Deutsche Zeitung“, 26. October 1876; – „ (Wiener) Abendpost“, 18. Jänner 1879.] – „Ein Abenteuer des Dauphin. Lustspiel in einem Aufzuge in Versen“ (Wien 1882, Rosner, 8°.) [vgl.: „Die Tribüne“, 8. October 1882; – „Wiener allgemeine Zeitung“, 8. October 1882. Von Rud. Valdeck; – „Allgemeine Kunstchronik“, 14. October 1882; – „Presse“, 8. October 1882. Von Jos. Bayer]. Schon im Laufe der Lebensskizze wurden bei den einzelnen Werken der Gräfin die markanten Aussprüche der Kritik beigefügt. Wenn wir nach einem Ueberblick ihrer Leistungen ein zusammenfassendes Urtheil fällen, so erscheinen uns die Werke eines Kritikers als das Treffendste, welcher von ihr sagt: Diese schöne Frauenseele ist ein stiller Tempel, in welchen der vernichtende Frost des Lebens sich nicht hineinwagt; treu bewahrt lebt darin der schöne Glaube an das Ideal und eine milde Religiosität, die sich ohne Ostentation ausspricht. Sie selbst aber zeichnet sich treu mit folgenden Worten: Das volle Herz gib hin dem Leben, | In Lieb’ und Sehnen, Schmerz und Lust | Laß’ es vergeh’n: doch klar bewußt | Laß’ den Gedanken drüber schweben!

Der Bazar (Berlin), Nr. 28 vom 23. Juli 1870; Nr. 38 vom 6. October 1873. – Wiener Rothbuch. Kalender für das Schaltjahr 1872. Herausgegeben von C. Linder und F. Groß (Wien, Karl Fromme, S. 44). – Illustrirtes Extrablatt (Wien) vom 21. April 1872. – Magyar Bazár (Budapest) vom 16. December 1877 (Nr. 24). – Beiblatt zur Cornelia (Wien) 1. November 1877 (Nr. 3). – Leipziger allgemeine Moden-Zeitung vom 10. Jänner 1879. Von Euphemia Gräfin Ballestrem. – Illustrirte Frauen-Zeitung (Berlin, Lipperheide) Nr. 16 vom 9. August 1880. – Der Floh (Wien) Nr. 42 vom 15. October 1882. – Deutsche Monatsblätter. Von Balduin Groller. Novemberheft 1878, S. 176. – Illustrirte Zeitung (Leipzig) Nr. 2236 vom 8. Mai 1886, – Spavento (Don). Wiener Schriftsteller und Journalisten. Typen und Silhouetten (Wien 1874, Spitzer, gr. 8°.) S. 120. – Deutsches Dichterheim. [236] Von Paul Heinse (Dresden, gr. 8°.) V. Jahrg., S. 90: „Was uns die deutschen Frauen erzählen“. – Brümmer, Bornmüller, C. E. Franzos ]wie bei ihrem Gatten].
Porträts. 1) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges. Nach einer Photographie. Stich und Druck von A. Weger, Leipzig (4°.), auch in der „Leipziger Modenzeitung“. – 2) Gezeichnet von L. Heitland, xylogr. Anstalt R. Brendamour, im „Bazar“, 6. October 1873. – 3) Holzschnitt nach einer Photographie, in der „Cornelia“. Beiblatt, 1. November 1877. – 4) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges. Schubert (gez.), Angerer und Göschl (chem.) in Lipperheide’s „Illustrirter Frauen-Zeitung“, 9. August 1880. – 5) Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in der „Illustrirten Zeitung“. 8. Mai 1886, Nr. 2236, S. 468. – 6) Unterschrift: „Wickenburg-Almásy Wilhelmine grofnő“. Elischer gez., Pollak sc. im „Magyar Bazár“, 16. December 1877. – 7) Charge, Ueberschrift: „Wilhelmine Gräfin Wickenburg-Almásy“. Von Stur. Im „Floh“, 15. October 1882, Nr. 42.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [siehe diesen S. 218].