Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wagner, Theodor
Band: 52 (1885), ab Seite: 124. (Quelle)
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40. Wagner, Rudolph (Journalist und als solcher bekannt unter dem Pseudonym Rudolph Valdeck, geb. in Wien im zweiten Decennium des laufenden Jahrhunderts). Sein Vater, Benedict, studirte Medicin, erhielt dann eine Pensionärstelle am Thierarzenei-Institute in Wien, wurde 1813 Lehrer der Thierheilkunde in Lemberg, 1816 aber Professor der chirurgischen Klinik daselbst. Später ging er nach Wien zurück, wo er als ausübender Arzt lebte. 1829 schlug er in den medicinischen Jahrbüchern des österreichischen Staates eine Auflösung des Chlorkalkes zur Tilgung des Miasma der Rinderpest vor. – Ueber die Erziehung und die Studienjahre Rudolphs, der allem Anscheine nach an Wiener Anstalten gebildet wurde, wissen wir nichts. In den Fünfziger-Jahren erscheint er als Mitarbeiter der von Ignaz Kuranda redigirten, in Wien herausgegebenen „Ostdeutschen Post“ und tritt aus seiner bis dahin wenig bemerkten journalistischen Thätigkeit erst in den Vordergrund mit dem berüchtigten Saphir-Scandal, den zunächst er in Scene gesetzt hatte, und in welchem er dann an L. J. Semlitsch [Bd. XXXIV, S. 84] einen ungemein rührigen Genossen fand. In einem kritischen Essay über die berühmte Ristori, welchen Valdeck, als diese Künstlerin 1856 in Wien aufgetreten war, in der „Ostdeutschen Post“ veröffentlichte, brauchte er nachstehende Phrase: „Die Grenze der Menschennatur ist die Grenze ihres Darstellungstalentes“. An diesen ebenso einfachen als leichtverständlichen Gedanken klammert sich Saphir und erklärte denselben durch die eine der zwei im „Humoristen“ regelmäßig auftretenden komischen Figuren Piefke und Pufke für einen Rebus, den er aufzulösen meint, indem er „die Grenze der Recensenten für die Grenze des Narrenthums“ ausgibt. Dies ist die Genesis des berüchtigten Saphir-Semlitsch-Valdeck-Krieges oder richtiger [125] literarischen Scandals. Valdeck erwiderte diesen Angriff Saphir’s mit einem in der „Ostdeutschen Post“ erschienenen Schreiben, welches die „Presse“ [1856, Nr. 53] abdruckte, und nun entbrannte der Streit, in dessen Einzelheiten wir uns, um Wiederholungen zu vermeiden, hier nicht weiter einlassen. Wir verweisen nur auf die Biographien Saphir [Bd. XXVIII, S. 220, 221 und 225: III. Saphir-Scandale] und Ludwig Julius Semlitsch [Band XXXIV, S. 84], welche diese Krankengeschichte der Wiener nachmärzlichen Journalistik ausführlicher behandeln. Fortan war nun Valdeck als Feuilletonist und Theaterreferent der „Ostdeutschen Post“, später der „Presse“ fleißig thätig und seine geistvollen Kritiken wurden, da er kein Blatt vor den Mund zu nehmen pflegte, mit Spannung erwartet und mit großer Begierde gelesen. In einer Charakteristik der Wiener Journalisten, welche damals, im Jahre 1856 in der „Pesth-Ofener-Zeitung“ erschien und Michael Klapp [Band XII, Seite 10] zum Verfasser hatte, wird Rudolph Valdeck ein Mann genannt, „der die Reflexion in concreto ist“. Es heißt dann weiter von ihm: „er erinnert uns stets an ein breites Strombett, dem nur das Wasser fehlt; er hat viel Bildung, einen feinen Blick, scharfe Beobachtungsgabe, aber kein Leben! sein Wesen ist trist, verstimmt, oder vielmehr ganz ohne Stimmung, er scheint viel im Leben gelitten zu haben. Sein männlicher Kopf erinnert an mittelalterliche Bilder voll charakteristischer Züge, aber ohne jene Thatkraft und energische Spannung, sein Gang ist schleppend, seine Rede ohne Metall, aber er muß einst ganz anders gewesen sein“. Gewiß ist es, daß Andreas Stifft [Bd. XXXIX, S. 1] und Wagner-Valdeck zwei ganz besondere eigenartige Typen der Wiener Journalistik sind, welche Beide ebenso wenig als Semlitsch käuflich, aber vielleicht von Voreingenommenheit gegen Diesen und Jenen nicht immer frei waren. Als Valdeck später, nach Eingang der „Ostdeutschen Post“, zur „Presse“ übergetreten war, bezeichnete man – neben anderen Artikeln, als deren Verfasser er sich nannte – ihn auch als den Autor der komischen Anzeigen, Rügen, Verbesserungsvorschläge, welche im „Localanzeiger“ letztgenannten Blattes im Jänner 1865 erschienen, und unter denen wir die köstlichen Glossen über das oder die Schilderhäuschen an der Ferdinandsbrücke besonders hervorheben müssen. Von Zeit zu Zeit sprang er aus seiner journalistischen Ruhe, mit welcher er oft ganz wuchtige Keulenhiebe versetzte, durch eine Erklärung oder sonst eine Ansprache an das P. T. Publicum heraus, wie im Jahre 1865, als sich ein Rechtsanwalt zum Paladin des schönen Geschlechtes auf Kosten Wagner-Valdeck’s machte, welcher dann den edlen Ritter in einer Erklärung („Presse“ 1865, Nr. 109) in ganz exemplarischer Weise abführte. Später trat Wagner-Valdeck zur „Neuen Freien Presse“ über, in welcher sein Feuilleton am 13. November 1867: „Ueber die Bildung unserer katholischen Geistlichkeit“ den Staatsanwalt veranlaßte, diese Nummer des Blattes mit Beschlag zu belegen. Die Schritte, welche er gegen dieses Erkenntniß und die ganze weitere gerichtliche Procedur unternahm, beleuchtet er dann in einem ausführlichen Artikel („Neue Freie Presse“ 1868, Nr. 1332). Noch mehr Aufsehen erregte eine Vorlesung, welche er am 19. December [126] 1869 im Vorsaale der neuen Rudolphskirche zu Aussee hielt, und in welcher er das Treiben und die Zwecke der Jesuiten in grellsten Farben beleuchtete. Der Ausseer Caplan Johann Wöhr fühlte sich berufen, als Anwalt des Ordens aufzutreten, und gab die Flugschrift; „Die Jesuiten in Aussee. Ein Denkzettel an Herrn Rudolph Valdeck von Johann Wöhr“ (Gratz 1870, im Selbstverlag des Verfassers, 8°., 16 S.) heraus. Doch hatte es dabei nicht sein Bewenden, durch Schrift und Gegenschrift wurde die Angelegenheit immer schlimmer, und endlich nahm man Schutz des Gesetzes in Anspruch. Die Sache kam zuletzt vor das k. k. Kreisgericht in Wels, und nach der Schwurgerichtsverhandlung am 6. Mai 1870 fällte der Gerichtshof das Urtheil, welchem zufolge die drei Beklagten, nämlich der Ausseer Dechant Simon Hammer und seine zwei Capläne Johann Wöhr und Johann Stöger, wegen Uebertretung der Ehrenbeleidigung durch öffentliche Beschimpfung des Rudolph Wagner-Valdeck, Ersterer zu einer Geld-, Letztere jeder zu einer Arreststrafe[WS 1] verurtheilt wurden. Zur Zeit lebt Wagner-Valdeck als Journalist in Wien.

Magazin für die Literatur des Auslandes. Herausgegeben von J. Lehmann (Leipzig 1865, 4°.) S. 155.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Arrestrafe.