BLKÖ:Stifft, Andreas Freiherr (Schriftsteller)
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Stifft, Andreas Freiherr (Unter-Staatssecretär) | ||
Band: 39 (1879), ab Seite: 1. (Quelle) | |||
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Herausgeber dieses Lexikons ist Dr. Stifft nie näher gestanden, aber er hat ihn persönlich gekannt und wiederholt mit ihm verkehrt, welche Begegnungen selbst den Verewigten in charakteristischem Lichte zeigen. Andreas ist der erstgeborene Sohn des damaligen Bankiers, späteren Unter-Staatssecretärs und nachmaligen Gutsbesitzers Andreas Freiherrn v. Stifft [s. d. S. 7]; fast in allen Nekrologen wird er irrthümlich als der Sohn des berühmten Leibarztes Andreas Joseph Freiherrn von Stifft [s. d. S. 9] bezeichnet. Dieser aber war nicht sein Vater, sondern sein Großvater. Die Mutter Emilie, eine geborene Gosmar, war die Schwester der Gattin des im J. 1873 verstorbenen Wiener Hof- und Gerichts-Advocaten und Musikgelehrten Leopold von Sonnleithner [Band XXXVI, S. 11] und, wenn ich nicht irre, eine geborene Hamburgerin. Andreas erhielt im Elternhause eine sorgfältige Erziehung und zeigte früh so hervorragende Geistesanlagen, daß Vater und Großvater große Hoffnungen auf den so bevorzugt beanlagten Knaben setzten. Erst acht Jahre alt, bezog er bereits das Gymnasium, dessen Besuch nach einem bald darauf erschienenen Gesetze keinem Schüler vor zurückgelegtem zehnten Lebensjahre gestattet war. Nachdem er im Alter von zwanzig Jahren die juridisch-politischen Studien an der Wiener Hochschule beendet hatte, brachte er in der Wahl seines Berufsstudiums seine Neigung dem Wunsche der Eltern zum Opfer, indem er sich für den öffentlichen Dienst entschied und als Auscultant bei dem niederösterreichischen Landrechte eintrat, sich unter Einem für die strengen Prüfungen zur Erlangung der juridischen Doctorwürde vorbereitend, welche ihm auch am 18. Mai 1842 zutheil wurde. So stand Stifft im Alter von erst 23 Jahren an der Schwelle einer Laufbahn, welche bei seinen Talenten, den Beziehungen seiner Familie zu hohen Würdenträgern des Reiches, mochte der junge Rechtsgelehrte diese oder jene Richtung des Staatsdienstes einschlagen, eine glänzende zu werden versprach. Allein es sollte Alles anders kommen. „So gut“, bemerkt sein Biograph, der ihm durch verwandtschaftliche Bande nahe stand, „so gut Alles nach Außen hin angelegt schien, so wenig stimmte das innere Seelenleben des jungen Mannes damit überein. Ungleich seinem Vater, der, strenge gegen sich und Andere, eine durchaus praktischen Zielen zugewendete verstandesklare Natur war, [2] hatte der Sohn eine weiche, schwankende, poetisch angelegte und zur Schwärmerei neigende Seele. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß er schließlich an einer Gehirnkrankheit starb, und er scheint von jeher an einer solchen gelitten zu haben oder doch sein Gehirn von anormaler Beschaffenheit gewesen zu sein.“ Eben in jener Zeit, in welcher der zum Eintritte in das öffentliche Leben mit allem Erforderlichen ausgerüstete junge Mann seine vorerwähnte amtliche Thätigkeit begann, also zu Anfang der Vierziger-Jahre, wurde er durch die Vermittlung seines Freundes, des damaligen Custos der Gemälde-Galerie im Belvedere Ludwig Schnorr von Karolsfeld [Band XXXI, S. 55], der sich selbst in Versuche und in das Studium des animalischen Magnetismus vertieft hatte, mit einer Dame, Anna W..... bekannt, welche als Hellseherin gar bald die reizbare Phantasie des jungen Mannes vollends gefangen nahm. Schon nach kurzer Zeit zeigte sich der mächtige Einfluß dieses Fräuleins auf ihn; obgleich bedeutend älter als er, bestrickte sie ihn vor Allem durch den geheimnißvollen Zauber ihres Hellsehens. „Von der Zeit an, als Stifft mit dieser Dame in Verbindung trat, war sein Dichten und Trachten im fortwährenden Kampfe mit den Pflichten, welche ihm Familie und Beruf auferlegten. Er stand im Banne der Seherin wie durch unsichtbare Geisterhand gehalten, und seine Verehrung für dieses nach seiner Ansicht gottbegnadete Wesen nahm die Form eines höheren Cultus an.“ Diese Verehrung währte, der Hellseherin Tod überdauernd, bis zu seinem letzten Athemzuge, denn als sie wenige Jahre vor ihm starb, riß ihr Hinscheiden eine gewaltige Lücke in sein Leben und beschleunigte das Ende desselben. Ueber den Verkehr mit seiner hellsehenden Freundin fanden sich in seinem handschriftlichen Nachlasse die ausführlichsten Aufzeichnungen, welche, nach Jahren geordnet, die Zeit von 1841–1856 umfassen. Es kann nicht die Aufgabe dieses Werkes sein, des Näheren in den geheimnißvollen Rapport dieser beiden gleichgestimmten Seelen einzugehen. Nur im Allgemeinen sei hier angedeutet, daß er ganz mystisch-theologisch angehaucht ist, daß der Muttergottes-Cultus und Christusglaube darin eine nicht unwesentliche Rolle spielen; daß der Verkehr zwischen Beiden wirklich ein rein geistiger war, und daß Stifft sich ganz unter der Botmäßigkeit des mystischen Einflusses seiner Freundin befand. Etliche Stellen aus jenen Aufzeichnungen mögen das Vorgesagte bekräftigen. So schreibt er am 29. u. 30. September 1841: „Warum lebe ich nicht im Mittelalter, wo der Duft der Frömmigkeit die Erde durchzog? Es ist von tiefster Bedeutung, daß der Einzelne als Pietist sich nicht glücklich fühlt, wenn er ein großes Herz hat; daß ihm nur ein Glaube, nur ein Cultus genügt, den die Weisen theilen können.“ – Ueber sein Verhältniß zur Seherin schreibt Stifft am 17. September 1841, und er zählte damals erst 22 Jahre: „Mir wurde klar, wie Du in Deiner höheren geistigen Kraft als Seherin Dich an Maria gebunden hast, um also das Geisterreich an Dich zu binden und mir im irdischen Leben zu offenbaren, was drüben sich entfaltet.“ – Ein anderes Mal: „Jedes andere Weib trägt mir den schönen Leib als Signatur ihres Ichs entgegen, in ihr aber spricht zuerst der Geist und seine Gestalt.“ – Aus diesen Tagebuchblättern ist einerseits zu entnehmen, daß er seine Freundin einmal [3] durch irdischen Ungestüm gekränkt habe, anderseits aber, daß dieser Vorfall auch Anlaß zu völliger Vergeistigung ihres Bundes wurde. In Bezug auf den letzteren Umstand schreibt er an einer Stelle: „Ja, wir sollen Engel werden, das ist das Höchste; Mann und Jungfrau, ohne Gatten zu sein, sollen sich im Geist vermälen“; – und an einer anderen Stelle: „Nun ist der heilige Augenblick eingetreten, wo der Geist den Geist allein mehr liebt. Diese Neigung ist nun unzerstörbar. Mir ist sie nicht anders, als sei sie ein Sacrament, das der Seele ein unauslöschliches Merkmal eindrückt. Jenes Hellsehen war eine Communion, vielleicht eine Trauung.“ Wir halten mit den weiteren Belegstellen, welche alle denselben Charakter an sich tragen, ein. Die Mahnung der Hellseherin, die sie ihm immer wieder vorhält: „Sei fromm, Andreas“, äußert sich bald, als nicht umsonst gegeben, in seinem äußeren Verhalten. Der 23jährige Rechtsbeflissene geht wöchentlich mehrmals zur Beichte und Communion, hört täglich die h. Messe, betet den Rosenkranz und empfiehlt sich dem Schutze der Mutter Gottes und anderen Heiligen; er will sich geißeln und an Freitagen ein härenes Gewand tragen; mit dem Jesukindlein im Arme fährt er nach Schönbrunn; die Glossen seiner Bekannten und Anderer kümmern ihn nicht, er verrichtet seine Andachtsübungen, während er sich für die Rigorosen vorbereitet. In dieser Weise geht es fort, und wie auch der Umschwung der Zeit immer dröhnender und gewaltiger wird, er erfaßt wohl auch ihn, ja er reißt ihn so zu sagen mit sich fort, so daß der junge Stifft im Bewegungsjahre 1848 unter den Radicalen alsbald einer der Radicalsten ist, aber er ändert ihn nicht im Innenleben; im Gegentheil, wie Stifft auch im öffentlichen Leben mit einer Furchtlosigkeit und mit dem Muthe eines geistigen Bayard auftrat, in seinem Innenleben ist er sich gleich geblieben, er wallfahrtet wie sonst zu seiner geistigen Freundin, und zwar wenn sie in Wien lebt, täglich, wenn sie auf dem Lande wohnt, wöchentlich und füllt die Zeit der Trennung fleißig mit Briefen aus. Und diese Briefe tragen noch in seinen letzten Lebensjahren, als die Seherin bereits eine hochbetagte Matrone war, denselben Geist phantastischer und religiöser Ueberschwenglichkeit, wie in seinen jungen Jahren. Wenn wir uns diesen Seelenzustand Stifft’s vor Augen halten, so werden wir seine Handlungen und geistigen Arbeiten zwar nicht rechtfertigen können, auch dadurch noch nicht zum vollen Verständniß desselben gelangen, aber wir werden im Ganzen sein eigenthümliches Wesen leichter begreifen und ein milderes Urtheil über den genialen Sonderling fällen, den seine schreibenden Collegen bereits einen Narren schalten, als seine Leiche noch nicht erkaltet war, und im Nachrufe mit einer Rücksichtslosigkeit behandelten, die er ganz und gar nicht, am wenigsten aber als ihr schreibender Mitbruder und als Mitglied der Gesellschaft verdient, welche sie gebildet, und der er seit ihrem Bestande angehörte. Kehren wir nun nach dieser. für das bessere Verständniß seines sonderbaren Wesens nothwendig gewesenen Abschweifung zur weiteren Darstellung seines Lebens zurück. Stifft war also nach beendeten Studien als Auscultant der niederösterreichischen Landrechte in die Rechtspraxis eingetreten. In derselben diente er unter den bezeichneten Verhältnissen bis zu dem Sturmjahre 1848, in [4] welchem er im Gegensatze zu seinem Vater, einem streng conservativen Manne, und trotz seines eigenen weichen, man möchte fast sagen unselbständigen Wesens, als Radicaler vom reinsten Wasser auftrat. Stifft arbeitete zunächst in der „Allgemeinen Oesterreichischen Zeitung“, welche bald nach den Märztagen an Stelle des von Pilat [Band XXII, Seite 281] redigirten „Oesterreichischen Beobachters“ getreten und deren Redaction von Ernst von Schwarzer [Band XXXII, S. 328] übernommen worden war. Die schwankende Haltung desselben war aber nicht geeignet, Männer von Stifft’s radicaler Denkungsart auf die Dauer zu fesseln, dieser schied bald nachdem jener (am 17. Juli 1848) Minister der öffentlichen Arbeiten geworden war, aus und ging zu dem von Dr. A. J. Becher [Bd. I, S. 207] begründeten und redigirten Revolutionsblatte „Der Radicale“ über. Dort trat er in der Nummer 60 vom 26. August seinem früheren Redactionschef Schwarzer mit dem „Vae victis“ überschriebenen Artikel entgegen, woraus eine Stelle die publicistische Sprache Stifft’s charakterisiren möge. Wenn ein Minister, so schreibt er, aufgehört hat für das Volk zu fühlen und zu arbeiten, wenn er ihm den Taglohn als Brodklumpen vor die Füße wirft und es einer Vorbereitung nicht werth hält, daß derselbe künftig wird kleiner geknetet werden; wenn er kein Wort der Vermittlung findet und nicht lieber sein eigenes Leben preisgibt, als das eines Mitbürgers zu opfern; wenn ein „Demokrat“ Arbeiter schlachten läßt, dann ist die Ministerbank nicht besser als die Bank, die den Galeeren-Sträfling trägt.“ Es ist dies eine Schrecken erregende Sprache, die, wenn sie auch aus den hochgehenden Wogen der 48er Revolution sich erklärt, doch ganz eigenthümlich auf den Lippen eines Mannes tönt, der bei seinem Verkehr mit der Hellseherin immer wieder die Worte seiner Anna vernimmt: „Sei fromm, Andreas!“, der in dem Glauben an Christus eine Gnade erblickt, die nur Auserwählten zutheil wird. Großes Aufsehen erregte S., als er am 11. September 1848 als Vertheidiger in Strafsachen zum ersten – zugleich letzten – Male auftrat. Sigmund Engländer war der Beleidigung des Fürsten Windischgrätz und zugleich der Verunglimpfung des österreichischen Officiercorps angeklagt. Vor dem Schwurgerichte stand ihm Dr. Stifft als Vertheidiger zur Seite. Dieser löste in glänzender Weise seine Aufgabe, obwohl er die vollständige Lossprechung nicht errang. Alles erkannte die glänzende Dialektik des Vertheidigers an, der sich mit diesem maiden speech als Redner ersten Ranges documentirte, aber nie wieder die Tribüne betrat, als hatte er nur zeigen wollen, was er könne, daß er jedoch nicht Lust habe, weiter in dieser Richtung thätig zu sein. Als dann später die Bewegung alles Maß überschritt und die unheilvollen Octobertage über Wien hereinbrachen, wirkte S., der bereits eine ungeheuere Volksthümlichkeit in der revolutionären Menge besaß, als Vice-Präsident des Gemeinderathes, in den er schon früher gewählt worden war, und trat, ohne einen Augenblick zu zögern, für die extremsten Beschlüsse mit seiner Unterschrift ein. Daß aus solchen Verhältnissen ein Zerwürfniß zwischen Vater und Sohn – das erst nach Jahren beigelegt wurde – entspringen mußte, begreift sich leicht; wie es denn auch keiner besonderen Erläuterung [5] bedarf, daß unter solchen Umständen sein Austritt aus dem Amte stattfinden mußte; eher mag es Wunder nehmen, daß er in der darauf folgenden Reactionsperiode straflos ausging. Waren es Familieneinflüsse, war es die Furcht vor seinem Genie, war es beides, was ihn rettete? Darüber liegt nichts vor. In der dem Bewegungsjahre folgenden Reactionszeit nun finden wir den Publicisten Stifft als einfachen Journalisten. In Leitartikeln und feuilletonistischen Stimmungsbildern, die er für den „Wanderer“ lieferte, verwies er, wie einer seiner Biographen schreibt, in prächtigen Bildern und Gleichnissen auf die verlorenen Güter; für die Verständnißinnigen, welche zwischen den Zeilen zu lesen verstanden, waren diese publicistischen Arbeiten ein wahres Labsal, mit dem man sich schadlos für vielfache Drangsale hielt. Wenn die Nekrologe über Stifft’s journalistische Thätigkeit berichten, so gedenken sie einstimmig eines Umstandes, den wir nicht unerwähnt lassen dürfen, da er, wenn er wahr ist – und wer möchte solche Dinge erfinden? – als ein Curiosum erscheint, das nur durch die im Eingange gegebene Darstellung erklärlich ist. Bevor Stifft nämlich täglich seine Thätigkeit im Redactionsbureau aufnahm, verrichtete er in irgend einer Kirche, welche gerade auf seinem Wege lag, Ministranten-Dienst. Wer ihn in diesem Dienste gesehen, erfahren wir nirgends; der Erste, der über diese seine religiöse Richtung Einiges meldet, ist Ebeling, welcher schon in seinen 1851 erschienenen „Zahmen Geschichten aus wilder Zeit“. Seite 108, berichtet: „daß Dr. von Stifft jun., der mit Fug und Recht den Namen eines Publicisten verdient und einer der wenigen Oesterreicher ist, welche zu schreiben verstehen, im Gegensatze zu seinem Ultra-Radicalismus im widerspruchvollsten Pietismus befangen, stundenlang knieend im Stephansdom gesehen werden konnte.“ Ebeling’s Beisatz: „Tempora mutantur et nos mutamur in illis“, trifft hier gar nicht zu, da Stifft, wie wir berichtet, schon Jahre vor der Revolution solchen religiösen Verrichtungen huldigte. In journalistischer Thätigkeit verlebte Stifft das nächste Decennium. Politik, Kunst, Literatur, gesellschaftliche Zustände, Krisen – seine Feder bewältigte die verschiedensten Stoffe mit spielender Leichtigkeit, wobei ihm sein eigenthümlicher Geist nicht minder als seine oft wunderbare Auffassungsgabe und der ihm immer gegenwärtige reiche Schatz seiner Lesefrüchte äußerst wirksam zur Seite standen. S. besaß eine Belesenheit, die nur den Wenigsten in solcher Fülle eigen sein mag, und über welche er bei seinem guten Gedächtnisse trefflich verfügte. Unzählig sind, wie sein Biograph berichtet, die Leitartikel, Correspondenzen, Kritiken und Feuilletons, die er für verschiedene Tagesblätter geschrieben. Er pflegte alle seine Erzeugnisse, selbst die geringsten, sorgsam auszuschneiden, zu sammeln und aufzubewahren. Er sammelte auch seine Briefe, die sich zu Tausenden aufgespeichert in seinem Nachlasse – in dessen Besitz nach Stifft’s letztwilliger Anordnung sein Schwager F. Gernerth gelangte – vorfanden, und welche Zeugniß geben, daß er mit den hervorragendsten deutschen Schriftstellern in freundlichem Verkehre gestanden. Es bleibt nur noch wenig zu sagen übrig. Mit selbständigen in Buchform herausgegebenen Arbeiten trat Stifft erst im Jahre 1861 auf, er war also damals [6] bereits ein fertiger Mann, 42 Jahre alt. Die Titel seiner Werke sind: „Dramatische Schriften“ 3 Bde. [den Bühnen gegenüber Manuscript] (Wien 1861), 1. „Künstlerin und Bajadere“. – 2. „Ein deutsches Schauspiel“, – 3. „Die Marquise“ [vergleiche darüber: „Der Botschafter“ (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 230]; – „Drei Bücher vom Geiste. Roman“ (Wien 1863). [vergleiche darüber: „Blätter für literarische Unterhaltung“ 1863, S. 3537", – „Nord und Süd. Kunst- und Reise-Briefe“ (Leipzig 1863); – „Im Sturm des Lebens. Roman“ 2 Bde. (Wien 1864); – „Culturstudien. Kunst- und Reisebriefe aus der Schweiz und Deutschland“ (Berlin 1865, O. Janke), wohl sein inhaltvollstes Buch, mit ausführlichen Darstellungen von Basel, Zürich, Bern, Neufchatel, Lausanne, Genf, mit Kunststudien über Düsseldorf und Weimar, und Biographien, oder biographischen Skizzen über Männer wie Luther, Zwingli, Lavater, Bodmer, Herder, Klopstock, Calame und Maler Lessing; – „Modernes Leiden. Roman“ 2 Bde. (Leipzig 1867) [vergl. darüber: „Blätter für literarische Unterhaltung“ 1867, Nr. 46, S. 728], und „Renaissance und Romantik. Roman“ 2 Bände (Leipzig 1869, 8°.). Mit diesen sieben Werken, zusammen zwölf Bände, schließt S.’s selbständige schriftstellerische Thätigkeit ab, welche, sowohl ihrem Umfang als ihrem geistigen Gehalt nach, es nicht erklärt, daß ein Schriftsteller wie Stifft in der „Geschichte der neuesten deutschen Literatur von 1830 bis auf die Gegenwart.“ Von Heinrich Kurz (Leipzig 1872, B. G. Teubner, schm. 4°.) auch nicht einmal genannt erscheint. War Stifft schon seinem ganzen Wesen nach eine eigenartige Erscheinung, als vollendeter Sonderling entpuppte er sich doch nur in seinem äußeren Gebaren, wodurch er leicht dem Begegnenden auffiel. Immer mit sich selbst sprechend, mit einem Bücherpakete beladen, schritt er nicht, sondern schlurfte vielmehr fast unhörbar über die Straße dahin, sich um Niemand kümmernd, oft selbstgefällig lächelnd und mit der freien Hand gesticulirend, den ihn Grüßenden entweder starr ansehend oder gedankenlos, gewiß ohne ihn erkannt zu haben, wieder grüßend. Sommer und Winter sah man ihn in einem abgetragenen Rocke, mit schäbigem Hute und einen rothen Regenschirm unter dem Arme. Ohne geizig zu sein – denn für Bücher gab er ansehnliches Geld aus – gönnte er sich kaum ein ordentliches Mahl, obwohl er schon von den Zinsen seines Vermögens allein sehr behaglich zu leben im Stande war. Diesem seinem äußeren Wesen entsprechend, sah es in seiner Wohnung aus. Jahre hindurch bewohnte er in der Augustinergasse eine dumpfe Stube, in der er wohl selten einen Besuch empfing. Sein Stammgasthaus war seit Jahren der Gerstenbrand, ein in Wien bekanntes Gasthaus, und dort saß er oft stundenlang, ohne ein Wort zu reden, nur den Gesprächen seiner Tischgenossen lauschend, und wenn man ihn von der Debatte recht lebhaft interessirt glaubte – war er verschwunden. – Was den Charakter seiner Schriften anbelangt, so tragen sie ganz den seines eigenen Wesens, jenen Dualismus, der aus seinem öffentlichen Auftreten uns so eigenthümlich berührt. In der Formlosigkeit seines Schaffens ist immer noch System, das an Stellen durchblitzt. Selbst ein Frommer – nicht, wie ihn seine Collegen schalten, Frömmler – schrieb er doch die geistreichsten Artikel gegen das Concordat und Feuilletons [7] voll der beißendsten Sarkasmen über die damals zur Schau getragenen Frömmeleien der herrschenden Partei. Während er mit wenig Achtung von den Frauen sprach, schrieb er seitenlange Hymnen im Feuilleton eines Blattes über eine Künstlerin, die er kaum je gesprochen. In seinen Werken findet man neben den abstrusesten Dingen ganze Capitel von hinreißender Schönheit, und wenn oft sein Styl einem wilden Gestrüppe gleicht, so handhabt er doch in der Regel die Sprache mit wahrer Meisterschaft. Ein durch und durch kritischer Geist, war er kaustisch und packte, wenn ein Ding ihn interessirte, dasselbe immer an der rechten Stelle. Eine Sammlung seiner Gedanken,. Aphorismen, Sentenzen wäre das schönste Denkmal, das man ihm zu setzen vermöchte, da eine Gesammtausgabe seiner Schriften, wie eine Ausgabe seines Nachlasses, ebenso wenig dankbar als denkbar ist. In diesem fanden sich, außer einigen angefangenen, aus früherer Zeit herstammenden Dramen drei größere Romane im Manuscript vor, u. zw.: „Der Prinz von Urbino“ in 2 Bdn.. für den Stifft, trotz vieler Bemühungen und einflußreicher Verbindungen, keinen Verleger zu finden vermochte; – „Die letzten Gläubigen“ 2 Theile, und „Paraklet, eine Familiengeschichte in sieben Büchern“, von denen jedoch nur drei fertig geworden. Erbe dieses literarischen Nachlasses ist der schon genannte Herr F. Gernerth, sein Schwager. Ich selbst hatte, wie ich im Eingange bemerkte, mit Stifft zwei Begegnungen. Als im Jahre 1856 im Taschenbuch „Gedenke mein“ ein Gedicht „Mater dolorosa“, Episode aus dem größeren Gedichte Twardowski erschien, in dessen Sage der Muttergottes-Cultus eine hervorragendere Stelle einnimmt, was in einer Anmerkung des abgedruckten Gedichtes ausgesprochen war, besuchte er mich und bat mich um nähere Andeutungen über die Sage und den darin enthaltenen Marien-Cultus, die ich ihm auch gerne gab. Ein zweites Mal besuchte er mich 1872 im Bureau und erbat sich die Einsicht in die stenographischen Berichte des Frankfurter Parlaments, aus denen er in den folgenden Tagen Auszüge machte. Als er die Arbeit beendet, dankte er mir und bat mich, für meine Bildnißsammlung zwei Porträts anzunehmen. Sie stellten seinen Großvater dar. Beide Male hatte ich Gelegenheit, seine umfassenden Kenntnisse, wie seinen blendenden, freilich auch jeder Schranke spottenden Geist zu bewundern.
Stifft, Andreas Freiherr (Schriftsteller, geb. in Wien 10. Mai 1819, gest. ebenda 13. December 1877). Es ist ein eigenthümliches, ja räthselhaftes Leben, welches wir im Folgenden darzustellen versuchen wollen, das aber, von welcher Seite man es auch betrachten mag, von jener des Menschen, des Schriftstellers, des Politikers, immer ungemein interessant bleibt.- Constitutionelle Vorstadt-Zeitung (Wien) 1877, Nr. 344. – Presse 1877, Local-Anzeiger vom 14. December, Nr. 343. – Dieselbe 1878, Nr. 42 und 46: „Aus dem Leben eines Räthselhaften.“ Von F. Gernerth. – Neues Wiener Tagblatt 1877, Nr. 342. – Dasselbe Nr. 344: „Dr. Stifft als Vertheidiger“. – Deutsche Zeitung (Wiener polit. Blatt) 14. December 1877, Nr. 2138. – Neue freie Presse 1877, Nr. 4777 und 4779, in der „Kleinen Chronik“. – Die Morgenpost (Wiener polit. Blatt) 1877, Nr. 343. – Brümmer (Franz), Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mittheilungen über deutsche Dichter aller Zeiten (Eichstätt und Stuttgart 1877, Krüll’sche Buchhandlung, schm. 4°.), Band II, Seite 392. – Unterhaltungen am häuslichen Herd 1864, Nr. 52. – Helfert (Freiherr von), Die Wiener Journalistik im Jahre 1848 (Wien 1877, Manz’sche k. k. Hofbuchhandlung, gr. 8°.), S. 133, 177 und 210.