BLKÖ:Sonnleithner, Leopold Edler von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 36 (1878), ab Seite: 11. (Quelle) | |||
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Ignaz v. Sonnleithner, dessen Lebensskizze Seite 5 mitgetheilt wurde. Es wurde hie und da auch der verdienstvolle Joseph Sonnleithner [s. d. Vorigen S. 9] sein Vater genannt, so zwar, daß sich Leopold von S. genöthigt sah, diese unrichtige Angabe öffentlich (in Zellner’s Blätter für Musik, Theater u. s. w. 1870, S. 66) zu berichtigen. In die Fußtapfen seines Vaters tretend, erwählte auch Leopold die juridische Laufbahn, beendete an Wiener Lehranstalten seine Studien, erlangte 1819 an der Hochschule die juridische Doctorwürde, wurde gleich seinem Vater Hofrichter des Schottenstiftes, und im Jahre 1842 Hof- und Gerichtsadvocat in Wien, als welcher er bis an sein Lebensende seiner Rechtlichkeit und Charaktergediegenheit wegen in allgemeiner Achtung stand. In Folge dieser Eigenschaften berief ihn im Jahre 1848 das Vertrauen seiner Mitbürger in den Gemeinderath der Stadt Wien, in welchem er durch mehrere Jahre thätig war; die juridische Witwen-Societät wählte ihn in ihren Verwaltungsrath. In den letzten Lebensjahren war er Senior des Wiener juridischen Doctoren-Collegiums, und am 4. Mai 1869 feierte er sein fünfzigjähriges Doctor-Jubiläum, bei welchem Anlasse ihm nicht nur von Seite seiner Mitbürger die ehrenvollsten Beweise der Hochachtung gegeben, sondern ihm auch von Sr. Majestät in Anerkennung seines verdienstvollen Wirkens nach verschiedenen Seiten hin der Orden der eisernen Krone verliehen wurde. In der ersten Zeit seines juridischen Berufes auch als Fachschriftsteller thätig, veröffentlichte S. in der Wagner’schen Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit einige Abhandlungen. so z. B. „Beiträge zur Erläuterung der Fragen: Inwiefern der Richter bei Verlassenschaftsabhandlungen Mängel in der Form einer letztwilligen Anordnung rügen dürfe? und: Inwiefern eine ursprünglich ungiltige Erklärung des letzten Willens durch Verjährung giltig werden könne?“ [1826, Bd. Il, S. 79] – eine „Civilrechtsfall über die Gemeinschaft des Eigenthums“ [1827, Bd. II, S. 49] – eine „Erörterung, einige Zweifel und Anstände, welche sich bei Vornahme der executiven Feilbietungen unbeweglicher Güter ergeben, mit Rücksicht auf die Vorschriften der allgemeinen Gerichtsordnung und auf die in Niederösterreich bestehende Uebung“ [1830, Bd. II, S. 159] – und „Civilrechtsfall und Bemerkungen hinsichtlich der mit dem Eigenthume unbeweglicher Sachen zu übernehmenden, in den öffentlichen Büchern angemerkten Lasten“ [1832, Bd. I, S. 43]. Aber vielmehr als diese seine juridische Wirksamkeit ist seine Theilnahme an dem Wiener Musikleben. [12] welche aus frühester Zeit datirt, erwähnenswerth. Diese wurde noch im Hause seines Vaters geweckt und genährt, in welchem die musikalische Kunst schon als eine vom Großvater Christoph [siehe diesen S. 1] übernommene Tradition zu aller Zeit eine heimische Stätte fand. Schreibt doch Hanslick in seiner „Geschichte des Concertwesens in Wien“ (S. 140) ausdrücklich: „Die Sonnleithner’s hätten Anspruch auf den Titel des kretensischen Gesetzgebers Thales, den Strabo μελοποων ανδρον καὶ νομοθετικόν, d. i, den Musikalischen und Gesetzeskundigen nannte.“ Besonders werthvoll wird uns Leopold von S. durch die nahe Beziehung. in welcher er zu zwei Männern stand, welche heut und für immer Oesterreichs Größen sind – zu Grillparzer und Schubert. Mit Grillparzer, mit dem er durch des Dichters Mutter in verwandtschaftlicher Beziehung stand, denn seine Tante Anna war Grillparzer’s Mutter, unterhielt er bis an dessen Lebensende den vertraulichsten Umgang, und bei seiner Gepflogenheit, wichtigere Lebens-Momente tagebuchartig vorzumerken, durfte sich in seinen Aufzeichnungen manches Grillparzer betreffende, für eine Biographie Grillparzer’s nicht unwesentliche vorfinden. In dieser Ansicht wird man noch bestärkt, wenn man das von dem Senats-Präsidenten des k. k. Obersten Gerichts- und Cassationshofes Theobald Freiherr von Rizy unlängst herausgegebene „Wiener Grillparzer-Album. Für Freunde als Handschrift gedruckt“ (Stuttgart 1877, Cotta, 8°, 3 Bl., 578 S.), diese Gabe sinnigster Pietät und kritischer Analyse sonder Gleichen, zur Hand nimmt, in dessen Anmerkungen man zu wiederholten Malen dem Namen Sonnleithner begegnet. Eben so stand S. mit dem zu früh hingeschiedenen Franz Schubert im innigsten freundschaftlichen Verkehr. Ausschließlich ihm zu verdanken ist die Veröffentlichung der ersten Schubert-Lieder [vergleiche die Biographie Schubert’s Bd. XXXII, S. 37]. Sonnleithner nämlich war es. der die Manuscripte ins Reine schrieb, und nun einen Verleger suchte. Als aber sowohl Diabelli als Haslinger in musikhändlerischer Vorsicht das Ansinnen aus „geschäftlichen Gründen“ abgelehnt hatten, bestritt er selbst, im Vereine mit etlichen gleichgesinnten Freunden, die Kosten für den Stich, und so waren die ersten 12 Hefte von Schubert’s Compositionen auf Subscription erschienen, darunter „Der Erlkönig“ und „Der Wanderer“, welche seither die Runde um die Welt gemacht haben. Weder als schaffender noch als ausübender Künstler war S., obwohl nach beiden Seiten hin thätig, in den Vordergrund getreten, aber fortwährend behielt er mit dem musikalischen Leben in Wien innigste Fühlung, und griff, sobald es sich um Forderung seiner geliebten Kunst handelte, überall thätig ein. Die Aufführungen der Bühne im Concertsaale hielt er unter steter Controle seiner Aufzeichnungen, in welche Einsicht zu nehmen, Herausgeber dieses Lexikons wiederholt Gelegenheit gehabt. Er besaß wohl eine für die Musikgeschichte Wien’s höchst werthvolle und reiche Sammlung aller Programme der seit den Zwanziger-Jahren in Wien vorgekommenen größeren Musik-Aufführungen, welche mit eigenen kritischen Daten glossirt waren. Und so wurde er denn als lebendige Quelle der Musikgeschichte Wien’s des letzten halben Jahrhunderts vielfach zu Rathe gezogen, den er auch immer in liebenswürdigster Weise ertheilte. Darin [13] unterstützte ihn neben seinen vorerwähnten Sammlungen und Aufzeichnungen eine nicht gewöhnlich musikalisch literarische Belesenheit und ein unvergleichlich treues und gutes Gedächtniß. Mit der Kenntniß mehrerer moderner Sprachen ausgestattet, liebte er es – und bis in das spätere Alter – zu reisen, hatte wiederholt England, mehrere Male Italien, Frankreich und die Schweiz und noch im Jahre 1862 den Orient besucht, über dessen musikalische Zustände er in Fürst Czartoryski’s „Recensionen“ einen gedrängten launigen Bericht erstattete. Mitten in einer politisch bewegten Zeit lebend, schildern ihn die Einen als in politischer Beziehung sehr reservirt, da ihm die Politik ziemlich fern stand, und er seinem Wesen nach dem gemäßigten Fortschritte angehörte; nach Anderen hätte er in politischer und freiheitlicher Richtung zu den fortgeschrittensten Liberalen gehört, was auch das Richtige für seine Charakteristik sein mag, nur daß er mit seinem Liberalismus nicht marktschreierisch hausiren ging, und sich nur im Kreise seiner Freunde rückhaltslos aussprach. Wir sagten eben, daß er als schaffender Musiker sich wenig bemerkbar machte. In seinem Nachlasse mögen sich wohl mancherlei Arbeiten und namentlich deren aus seiner früheren Zeit vorgefunden haben, welche bei dem ungemein geläuterten Geschmacke in Musiksachen, den er besaß, auch nicht ohne Werth sein mögen. Durch Aufführungen in letzterer Zeit ist nur eine Arbeit, und zwar eine von ihm in der Jugend componirte Messe bekannt, welche bei Gelegenheit der Feier des fünfzigjährigen Bestandes der Wiener (ersten österreichischen) Sparcasse, an welcher auch er als langjähriger Vertreter dieses segensreichen Institutes theilnahm, aufgeführt wurde. Bis in sein spätestes Alter – er starb 76 Jahre alt – seine volle Geistesfrische behaltend, war S. der Repräsentant eines in Wien täglich seltener werdenden Typus, der aber eben nur in Wien in dieser Eigenart sich entwickeln konnte. In seinem Wesen fein und gewinnend und doch bis an die Halsbinde zugeknöpft. Gegen Jedermann, der sich bei ihm Rathes erholte, gefällig, fast zuvorkommend, doch nie aufdringlich in seinen Ansichten, und selbst dort, wo er competent war, wie Wenige, mehr empfangend als selbstgebend. Zurückhaltend und voll Nachsicht, besaß er eine in der Gegenwart nur mehr als Sage nachklingende Bescheidenheit, und ging darin so weit, daß, als in der Reihe seiner in Czartoryski’s „Recensionen“ veröffentlichten Berichte über Wien’s ältere Musikzustände folgeweise auch an seine Familie die Reihe kam, welche eine sehr hervorragende Rolle in Wien’s Musik-Geschichte nahezu durch die Dauer eines vollen Jahrhunderts gespielt, er an dieser Stelle den Selbstbericht abbrach, und darüber einem Freunde die Materialien übergab, der nun diese Periode bearbeitete, worauf Sonnleithner die weitere Darstellung selbst wieder übernahm. Ein Nekrologist S.’s bemerkt, daß dieser im Umgange so liebenswürdige Mann, der ein zärtlicher Gatte und Vater, gegen Freunde gefällig, gegen Jedermann wohlwollend und nie müßig war, Gutes zu thun, doch manche Absonderlichkeiten besaß. So erwähnt er, daß die Todes-Anzeige, welche im Inseratentheile der „Neuen freien Presse“ [1873, Nr. 3064] abgedruckt stand, von ihm selbst seit Jahren verfaßt und in seinem Pulte aufbewahrt war. Nur der Raum für das Datum war freigelassen. Obwohl Katholik, verfügte er, auf dem protestantischen [14] Friedhofe und zwar zur Seite seiner vorangegangenen Gattin begraben zu werden. Auch als Schriftsteller, und zwar auf dem Felde der Musikkunde und Musikgeschichte war S. thätig, und Herausgeber, da er S.’s Gründlichkeit im Arbeiten kennt, ließ es sich nicht verdrießen, jene Arbeiten S.’s zusammenzustellen, welche in den Jahren 1860 bis 1863 in Czartoryski’s „Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik“ abgedruckt waren, und zwar im Jahre 1860: „Bemerkungen zur Gesangskunst“ (S. 217, 281, 313, 697); – „Beethoven und Paër“ (S. 412); – „Nachlese zu Anton Schmid’s Chr. W. Ritter von Gluck“ (S. 473); – „Zur Don Juan-Literatur“ (S. 588); – „Ueber den Vortrag des Liedes mit besonderer Beziehung auf Franz Schubert“ (S. 697). – 1861: „Katharina Cavalieri“ (S. 18); – „Bemerkungen zur Gesangskunst“ (S. 129) – „Musikalische Skizzen aus Alt-Wien“ (S. 737 und 753): über Hochenadel’s und Kiesewetter’s Concert-Productionen. – 1862: „Musikalische Skizzen aus Alt-Wien“ (S. 4, 177, 369): über Therese Paradies den Schubert’schen Orchesterverein, Joseph Dollinger; – „Die Zauberflöte. Zweiter Theil“ (S. 449 und 465). – 1863: „Musikalischer Reisebericht“ (S. 129 und 145): über Musik im Orient; – „Musikalische Skizzen aus Alt-Wien“ (S. 305 und 322): Musik-Aufführungen bei Krippner, Ignaz Rohrer, Ferdinand Warsow, Adolph Hutschenreiter, Alois Gulielmo, Johann Zizius, Scholl von Falkenhorst und Müller zu Müllegg; – „Ein neu aufgefundenes Oratorium von Jos. Haydn“ (S. 674); – „Joseph Mayseder“ (S. 801). – 1864: „Ueber den Vortrag der Recitative in Johann Sebastian Bach’s Oratorien und Cantaten“ (S. 225). Außerdem enthalten die Biographie Mozart’s, von Otto Jahn – und jene Franz Schubert’s. von H. von Kreißle, manchen schätzenswerthen Beitrag zu ihren umfangreichen Werken aus Sonnleithner’s Mittheilungen. Aus seiner Ehe mit Louise geb. Gosmar (geb. 1803, gest. 7. Juni 1858) hatte S. zwei Kinder, eine Tochter Therese verehelichte Kammerlacher, und einen Sohn Wilhelm von Sonnleithner. – Ueber Leopold’s Bruder, Hyppolit (geb. 17. September 1814), fehlen mir nähere Daten, obwohl ich es nicht unterlassen habe, mich an ein Mitglied der Familie deßhalb zu wenden. Der Versuch, wie in den meisten ähnlichen Fällen, blieb erfolglos. Hyppolit ist zur Zeit k. k. außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am brasilianischen Hofe zu Rio de Janeiro, seit 1869 Commandeur des Leopold-Ordens und demgemäß österreichischer Freiherr. Dem Freiherrn von Sonnleithner verdanken wir die Nachrichten über den Geologen und Reisenden Virgil Helmreichen von Brunfeld, welche im IV., VI, und VII. Bande der Sitzungsberichte der (Wiener) kaiserlichen Akademie der Wissenschaften mathematisch-naturwissenschaftlicher Classe enthalten sind.
Sonnleithner, Leopold Edler von (Musikfreund und Rechtsgelehrter, geb. zu Wien 15. November 1797, gest. ebenda 3. März 1873). Der älteste Sohn des um Wien viel verdienten Dr.- Neue freie Presse (Wien) 1869, Nr. 1671; 1873, Nr. 3064. – Neue illustrirte Zeitung: Oesterreichisches Familienblatt. Redigirt von Johannes Nordmann (Wien, kl. Fol.) 1873, Nr. 11, S. 13: Dr. Leopold Edler Freiherr (sic) von Sonnleithner. – Zellner’s Blätter für Theater, Musik, Kunst u. s. w. (Wien 1870, kl. Fol.), S. 148. – Schramm-Macdonald (Hugo Dr.) Die Urne. Jahrbuch für allgemeine Nekrologie (Leipzig, Thele, 8°.) I. Jahrg. (1873), S. 48.
- [16] Porträt. Unterschrift: Dr. Leopold Edler Freiherr (sic) von Sonnleithner. Holzschnitt von Ruß; auch in der „Neuen illustrirten Zeitung“ 1873, Nr. 11 [ganz unähnlich].