BLKÖ:Sonnleithner, Christoph

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Sonnklar
Band: 36 (1878), ab Seite: 1. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Christoph Sonnleithner in der Wikipedia
Christoph Sonnleithner in Wikidata
GND-Eintrag: 103949828, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Sonnleithner, Christoph|36|1|}}

Sonnleithner, Christoph (Tonsetzer und Rechtsgelehrter, geb. zu Szegedin in Ungarn am 28. Mai, nach Angabe eines Familiengliedes 28. December 1734, gest. in Wien am 25. December 1786, n. A. erst 1788). Der Stammvater der durch so viele ausgezeichnete Sproßen denkwürdigen Familie, von deren wichtigeren in den folgenden Blättern nähere Erwähnung geschieht. Sein Vater, Michael S., war ein geborener Wiener und als Dreißigstbeamter in Szegedin angestellt. Noch ein Kind – von zwei Jahren – verlor Christoph seinen Vater durch den Tod und kam nun zu Verwandten nach Wien. Seine Tante, die Frau eines Subcantors Bindel an der Wiener Metropolitankirche, nahm ihn ins Haus und daselbst erhielt er seine erste Erziehung. Sein Onkel Leopold Sonnleithner, Controlor im Steueramte des Wiener Magistrates und zugleich Chorregens an der Pfarrkirche St. Joseph in der Leopoldstadt, ertheilte ihm den Unterricht in der Musik, wofür Christoph wieder im Chordienste mitwirkte. Nun aber war das für den Jungen, der in der Stadt wohnte und tagein tagaus in Frost und Hitze in die ferne Vorstadt wandern mußte, und in seiner Gewandung eben auch nicht zum besten bestellt war, keine Kleinigkeit, und mit komischem Ernst pflegte er in späteren Jahren zu erzählen, wie er die Löcher in seinen schwarzen Strümpfen durch auf die nackte Haut angebrachte Tintenflecke zu verbergen gesucht habe. Indessen bildete er sich fleißig in der Musik, vornehmlich im Gesange und im Geigenspiel aus, betrieb aber auch ordnungsmäßig seine Studien. Bei seiner vorherrschenden Neigung zur Musik, versuchte er sich frühzeitig in der Composition, worin ein tüchtiger Contrapunctist, Namens Pirk, der auch den Kaiser Joseph II. in der Musik unterrichtet hatte, sein Lehrer war. Nach beendeten philosophischen Studien widmete er sich der Rechtswissenschaft, erlangte daraus die Doctorwürde und wurde Rechtsanwalt und Hofrichter des Stiftes Schotten. S. war auch Fachschriftsteller, wie dieses nachfolgende, von ihm herausgegebenen Werke bezeugen, deren Titel sind: „Dissertatio antifebroniana de ecclesiae dispersae consensu“ (Viennae 1773, 8°.); – „Rechtsgegründeter Beweis, dass weyl. Jos. Wilh. Fürst von Trautson in seinem Testament über die von weyl. Paul Sixtus Grafen von Trautson herrührenden Fideicommissgüter rechtsgültig testirt habe“ (ebd. 1777, 8°.); – „De consensu ecclesiarum“ (ebd. 1777, 8°.); – „Abhandlung über die Eheversprechen“ (ebd. 1784, 4°.). Obwohl S. als Advocat einen großen und guten Ruf in Wien besaß, in Folge der Achtung, in welcher er unter seinen Collegen stand, von den Gliedern der juridischen Facultät der Wiener Hochschule zum Decan [2] gewählt wurde, ist es doch weniger seine Eigenschaft als Rechtsgelehrter, als seine Tüchtigkeit und Thätigkeit als Musicus, welche das Andenken an seinen Namen erhalten hat. Wie schon bemerkt wurde, trieb er von früher Jugend Musik mit Lust und Liebe; frühzeitig auch versuchte er sich in der Composition und schrieb in verhältnißmäßig jungen Jahren Symphonien, Hochämter, Trios und verschiedene andere Kirchenstücke, welche sich bald in die Provinzen verbreiteten. Wie entsprechend Sonnleithner’s Kirchen-Compositionen befunden worden sein mußten, erhellet daraus, da man sie häufig in den Musik-Katalogen der zahlreichen österreichischen Klöster vorfindet. Noch im ersten Viertel unseres Jahrhunderts war die Aufführung Sonnleithner’scher Messen, Offertorien, Gradualen u. s. w. auf den Chören einzelner Landkirchen und Klöster, wie z. B. Klosterneuburg, Kremsmünster, Melk u. A., eben nichts Seltenes. Aber nicht blos Kirchensachen componirte S., auch profane Musik, namentlich aus seinen späteren Jahren, ist bekannt. So, als ihm die Aerzte seiner leidenden Gesundheit wegen das Componiren streng untersagten, und er also der schwierigeren, ihn stark anstrengenden Kirchencomposition entsagen mußte, schrieb er leichtere Musikstücke, unter anderen mehrere Symphonien für den alten Fürsten Eßterházy, den Gönner Haydn’s, der bekanntlich ein großer Musikfreund war; ferner für seinen Freund Keeß; dann nicht weniger denn 36 Quartetten für Kaiser Joseph II., der für Sonnleithner’s Compositionen eine besondere Vorliebe besaß und sich seine Quartette wöchentlich ein- oder gar zweimal vorspielen ließ. Von anderen Arbeiten S.’s sind nur einige Arien bekannt, Fragmente einer Oper, da er Gellert’s „Orakel“ in Musik zu setzen begonnen, aber nie vollendet hatte. Im Stich ist mehrere Jahre nach seinem Tode nur eine Composition, betitelt: „III Quatuors pour 2 Vol. Alt. et Vclle., Oevr. postume“ (Wien 1803, Kunst- und Industrie-Comptoir), erschienen. Was den Charakter seiner Tonstücke betrifft, sind sie im einfachen und sanften Style geschrieben, ungemein correct, da er immer bemüht war, mit seinen Arbeiten den höheren Kunstforderungen zu entsprechen; in den Gesangsnummern ist er warm, oft innig, geschickt in Anwendung musikalischer Effecte und immer von eigenthümlichem Gepräge. Als Beweis, wie seine Arbeiten von Kennern in Ehren gehalten wurden, erzählt man folgende Thatsache: Wie bemerkt worden, hatte S. für seinen Freund Keeß – wahrscheinlich Franz Bernhard v. Keeß, zuletzt Vice-Präsident des niederösterreichischen Appellationsgerichtes – mehrere Symphonien componirt. Nach Keeß’ Tode fand sich ein bedeutender Musikalienvorrath vor, welcher zur Versteigerung kam. Bei dieser stellte sich auch Sonnleithner’s Sohn Joseph ein, um einige Compositionen seines Vaters zu erstehen. Als Sonnleithner’s Compositionen ausgeboten wurden und der Sohn sein Angebot gemacht, wurde er von einem anderen Käufer immer überboten. Endlich näherte sich der junge Sonnleithner dem Unbekannten und ersuchte ihn, von der Steigerung abzustehen, da er als der Sohn die Partituren seines Vaters zu besitzen wünsche. Es stellte sich nun heraus, daß der Unbekannte, welcher mitgesteigert hatte, um Sonnleithner’s Compositionen zu besitzen, niemand Geringerer war als – Joseph Haydn. Christoph Sonnleithner [3] hatte sich bald nach Erlangung der Doctorwürde mit Fräulein Maria Anna geborenen Doppler verheirathet, welche ihm 13 Kinder schenkte, von deren mehreren in den folgenden Artikeln Erwähnung geschieht.

Gerber (Ernst Ludwig), Neues historisch-biographisches Lexikon u. s. w. Bd. IV, Sp. 218. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Franz Köhler, Lex.-8°.) S. 790. – (De Luca), Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1778, von Trattner, 8°.) I. Bds. 2. Stück, S. 181. – Meusel (Johann Georg), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig, G. Fleischer, 8°.), Bd. XIII, S. 205 [nach diesem geb. 28. März 1734, gest. 25. December 1788]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°). Zweite Abtheilung Bd. IX, S. 699, Nr. 1. – Pietznigg (Franz), Mittheilungen aus Wien (8°.) 1834, Bd. III, S. 47: „Christoph Sonnleithner“. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorff (Dresden, Robert Schäfer, gr. 8°.). Bd. III, S. 595.
Porträt. Unterschrift: „Christophorus Sonnleithner U. J. D. | Aulae Judiciorumque Advocatus et p. t. Inclytae | Facult. Jurid. Decanus Spectabilis. | H. Maurer pinx. J. Jacobe fecit. (8°., geschabt, selten).