BLKÖ:Wagner, Vincenz August

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 52 (1885), ab Seite: 127. (Quelle)
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42. Wagner, Vincenz Aug. (Rechtsgelehrter, geb. zu Thanhausen in der Steiermark am 7. März 1790, gest. zu Guttenbrunn bei Baden nächst Wien 14. October 1833). Ein Sohn des ersten Oberbeamten auf den Herrschaften des Fürstbischofs von Seckau, verlebte er seine Knabenjahre auf dem Schlosse Seckau bei Leibnitz im Marburger Kreise und genoß bis zum zwölften Jahre von seinem Vater Unterricht in den ersten Lehrgegenständen, dann im Zeichnen und in der Musik. Darauf kam er nach Gratz, wo er die Humanitätsclassen, die philosophischen und juridischen Studien, letztere unter dem geistvollen S. Jenull [B. X, S. 166] beendete. Zu dieser Zeit erst 19 Jahre alt, begab er sich nach Wien, um daselbst die strengen Prüfungen zur Erlangung der juridischen Doctorwürde abzulegen. Schon 1810 machte er das erste Rigorosum, und zwar mit so glänzendem Erfolge, daß er noch im November dieses Jahres die Supplentenstelle aus jenen Fächern, aus denen er nachher Professor wurde, an der Wiener Hochschule erhielt. Dann machte er die beiden anderen Rigorosen und im August 1811 zum Doctor der Rechte promovirt, bewarb er sich mit Erfolg um die Lehrkanzel des Lehen-, Handels- und Wechselrechtes, des gerichtlichen Verfahrens und des Geschäftsstyles am Lyceum zu Olmütz. Schon nach einem halben Jahre ward ihm auch die Supplirung der Professur für das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch übertragen. Obgleich nun in seinem Berufe über und über beschäftigt, arbeitete er – meist in den Nächten – als Recensent an der „Wiener allgemeinen Literatur-Zeitung“, sowie später an der Chronik der Literatur in den „Vaterländischen Blättern“ und an den „Wiener Jahrbüchern der Literatur“ mit. Um sich auch mit der Gerichtspraxis vertraut zu machen, besuchte er die Kanzlei des damaligen Professors und mährisch-schlesischen Landesadvocaten, späteren Appellationsrathes Dr. Ign. Beidtl [Bd. I, S. 232] vom November 1812 bis 1814. Darauf bewarb er sich um eine Landesadvocatenstelle in Mähren und Schlesien, die ihm auch 1815 verliehen wurde. Schon zu dieser Zeit stand er so hoch im Ansehen, daß die Directoren und Professoren des Olmützer Lyceums ihn 1817, den damals 27jährigen, zum Rector desselben erwählten. [128] Sein Ruf als Rechtsgelehrter steigerte sich mit jedem Jahre, und so berief man ihn 1819 auf die Lehrkanzel des Lehen-, Handels- und Wechselrechtes, des gerichtlichen Verfahrens und des Geschäftsstyles an der Universität in Wien. Seine Wirksamkeit in diesem Lehramte lebt noch in der Erinnerung Vieler. Von einnehmender äußerer Erscheinung, von den gewinnendsten gesellschaftlichen Formen, verstand er es wie Keiner, mit den Studenten umzugehen, was ihn bald zum gefeiertesten Lieblinge der berühmten Rechtsschule machte. Dabei band er sich nicht nur streng an die vorgeschriebenen Lehrstunden, sondern vermehrte aus eigenem Antriebe die Collegienstunden und hielt im vierten Jahre zu besserer Ausbildung seiner Zuhörer außerordentliche praktische Uebungen. Zugleich aber war er schriftstellerisch in seinem Fache thätig [eine Uebersicht seiner Werke folgt weiter unten]. Auch betheiligte er sich damals als Mitarbeiter an der Redaction und Ausführung des Planes des Wiener allgemeinen Witwen- und Waisenpensionsinstitutes. Wie er einerseits die Lehrgegenstände, welche er selbst vortrug, wissenschaftlich beleuchtete, so richtete er anderseits auch sein Hauptaugenmerk auf Gründung eines Fachorgans, welches sich die Ausbildung der Rechtsgelehrsamkeit und politischen Gesetzeskunde, die Schaffung einer wissenschaftlichen Praxis, die Uebereinstimmung der theoretischen und praktischen Ansichten der verschiedenen Gesetzgebungen in der österreichischen Monarchie und endlich die Erleichterung des Studiums der vaterländischen Gesetzeskunde zur Hauptaufgabe stellte, und so erschien denn mit Anfang 1825 die von ihm begründete „Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit“, welche, nachdem man ihr schon im ersten Jahrgange den Untergang prophezeit hatte, von Wagner selbst bis zu seinem Tode geleitet, nach demselben von Dolliner, Kudler, Fränzel, von Stubenrauch und Tomaschek mit ungeschwächter Tüchtigkeit und Gediegenheit bis 1849 fortgesetzt wurde und sich nicht blos im Inlande allgemeiner Theilnahme, sondern auch im Auslande ehrenvoller Anerkennung des wissenschaftlichen Strebens, welches sich darin kundgab, erfreute. 1822 übertrug ihm die oberste Polizei- und Censurhofstelle das Amt eines Censors im politisch-juridischen Fache, und 1823 erfolgte seine Ernennung zum Mitgliede der k. k. Hofcommission in Justizgesetzsachen. 1826 erwählte ihn das Consistorium der Wiener Universität zum Syndicus derselben. Als dann im nämlichen Jahre der Entwurf einer Wechselordnung neuerdings in Berathung kam, wurde Wagner zum Coreferenten ernannt und ihm 1827 die Leitung des in der Staatsdruckerei besorgten Druckes der sich darauf beziehenden Ausarbeitungen übertragen. Und als 1828 Kaiser Franz I. anordnete, daß zur größeren Beschleunigung die Redaction eines Handelsgesetzbuches, sowie einer neuen Ausgabe des Strafgesetzbuches, bei der Hofcommission in Justizgesetzsachen in abgesonderten Commissionen berathen werde, trat unser Rechtsgelehrter als Mitglied und Coreferent in die besondere Commission zur Redaction dieses Handelsgesetzbuches. In Würdigung seiner vielfachen, sowohl im Lehramte als in sonstiger Verwendung erworbenen Verdienste erhielt er 1829 Rang und Titel eines k. k. Regierungsrathes. Doch die fortwährende ungewöhnliche Geistesanstrengung blieb [129] nicht ohne schädigendem Einfluß auf seine Gesundheit. Schon im Frühling 1833 ergriff ihn eine schwere Krankheit. Er genas wohl von derselben, setzte aber trotz seines geschwächten Zustandes die anstrengenden Berufsarbeiten fort und verfiel in ein Recidive, dem er dann auch im Alter von erst 43 Jahren erlag. Wir lassen nun Wagner’s juridische Schriften, sowohl die selbständig erschienenen, als die in Zeitschriften veröffentlichten, folgen: „Ueber die Compensation im österreichischen Civilprocesse“ (Wien und Triest 1817, 8°.), ins Italienische übersetzt im zweiten Theile des sechzehnten Bandes der von Dr. Franz Zini redigirten „Giurisprudenza pratica seconda la legislazione austriaca ec. ec.“; – „Das Quellenverhältniss des bürgerlichen Gesetzbuches zu den besonderen Zweigen des in den österreichisch-deutschen Erbstaaten für den Civilstand geltenden Privatrechtes“ (ebenda 1818); – „Kritisches Handbuch des in den österreichisch-deutschen Staaten geltenden Wechselrechtes“ 3 Bände (Wien 1823 bis 1832, Geistinger, 8°.); neue Ausgabe 3 Theile in 2 Bänden (ebd. 1841, 8°.). Dann bearbeitete und besorgte er die vierte von ihm wesentlich vermehrte Auflage von Joachim Füger’s „Das adelige Richteramt oder das gerichtliche Verfahren außer Streitsachen in den deutschen Staaten der österreichischen Monarchie“ (1830 u. f.), und von Dr. Franz Haimerl erschien „Die Lehre von den Civilgerichtsstellen in den deutschen und italienischen[WS 1] Ländern des österreichischen Kaiserstaates, nach Herrn Prof. Dr. V. A. Wagner’s System, mit Benützung seiner Materialien bearbeitet“ zwei Bände (Wien 1834 und 1835, 8°.). Wagner’s in Fachblättern veröffentlichte Abhandlungen sind: in Dr. J. C. Pratobevera’s „Materialien für Gesetzeskunde und Rechtspflege in den österreichischen Erbstaaten“: „Beiträge zur Lehre von der Prorogation der Gerichtsstände im österreichischen Civilprocesse“ [Bd. IV, S. 335 u. f.], davon eine italienische Uebersetzung in Gemeinschaft mit einem Werke von Schuster und einem anderen von Gärtner, in Verona 1830; – „Ueber die Art, die im §. 788 des a. b. Gesetzbuches benannten Gaben zum Pflichttheile der Kinder anzurechnen“ [Bd. VI, S. 64 u. f.]; – in der von ihm redigirten oberwähnten „Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit“: „Civilrechtsfall im Auszuge mit Bemerkungen“ [1825, Bd. II, S. 49]; – „Beitrag zur Erläuterung des §. 43 lit. d. der II. Abtheilung der allgemeinen Gerichtsinstruction vom 9. September 1785 in Beziehung auf die Frage: welchen Erbesinteressenten die Verlassenschaftsabhandlungsbehörde anzuweisen habe, gegen die übrigen zur Geltendmachung seines Erbrechtes als Kläger aufzutreten, wenn von ihnen widersprechende Erbeserklärungen eingebracht wurden, und sonach zwischen ihnen das Erbrecht streitig ist?“ [1825, Bd. I, S. 52 u. f.], eine italienische Uebersetzung von Gius. Rossi erschien in Verona 1830; – „Ueber die Beweiskraft der von dem Ehemanne geschehenen Bestätigung, daß er das Heiratsgut empfangen habe, im Concurse der Gläubiger“ [1825, Bd. I, S. 254], die italienische Uebersetzung im 2. Theile des XIV. Bandes, S. 16 u. f. der „Giurisprudenza pratica“ und eine zweite, gemeinschaftlich mit einer Abhandlung von Winiwarter ausgeführt von Dr. Gius. Rossi in Verona 1830; – „Ueber die Verbindlichkeit des Curators eines geklagten Abwesenden, den gegen diesen in dem Processe von dem Kläger [130] angeführten Facta zu widersprechen“ [1823, Bd. II, S. 244 u. f.]; – „Beantwortung der Frage: ob eine im Zuge befindliche Execution durch die gegen den Executirten eröffnete Crida unterbrochen werde, und ob sonach jene Forderung, die sich auf ein Urtheil oder gerichtlichen Vertrag (mittelst deren die Execution erwirkt wurde) gründet, neuerdings von dem Concursrichter liquidirt werden müsse?“ [1826, Bd. I, S. 54]; – „Auch ein Scherflein zu dem Rechte des Concursmassevertreters, Aufforderungsklagen anzustellen“ [1826, Bd. I, S. 281 u. f.]; – „Ueber den Begriff des Wechselprotestes mit seiner Exposition in Beziehung auf dessen Natur, Zweck, Inhalt und die Regel zur Bestimmung der Fälle desselben“ [1827, Bd. II, S. 95 u. f.]; – „Ueber den Protest wegen mangelhafter Ausstellung des Wechsels“ [1828, Bd. II, S. 332 u. f.]; – „Ueber den Securitätsprotest“ [1828, Bd. I, S. 218 u. f.], die italienische Uebersetzung im 2. Theile des XIII. Bandes der „Giurisprudenza pratica“; – „Vorbegriffe aus der Theorie des Beweises im Civilprocesse als Vorbereitung zur Erörterung des XI. Capitels der österreichischen Gerichtsordnung“ [1829, Bd. II, S. 315 u. f.], die italienische Uebersetzung im 1. Theile des „Giornale di Giurisprudenza austr. Bd. I, S. 412 u. f.; – „Tabellarische Uebersicht der in der österreichischen Monarchie mit Ausschluß von Ungarn, Siebenbürgen, der Militärgrenze und des lombardisch-venetianischen Königreichs zur Kenntniß der für den Civilstand bestehenden Criminalgerichte gelangten Verbrechen und ihrer Bestrafung von den Jahren 1824 bis 1828, mit Bemerkungen“ [1830, Bd. II, S. 305 u. f.]; – „Erörterung einiger problematischer Fälle der Protestirung der Wechselbriefe“ [1831, Bd. I, S. 337]; – „Einige Bemerkungen über die Aenderung des in einer schriftlich angebrachten Klage gestellten Begehrens in seiner Wesenheit“ [1832, Bd. II, S. 288]; – in ausländischen Fachblättern sind von Wagner erschienen: in den von Schunk in Erlangen redigirten „Jahrbüchern der juristischen Literatur“: „Die Uebersicht der österreichischen juristischen Literatur von den Jahren 1825–1828“ und in Mittermaier’s „Zeitschrift für ausländische Rechtswissenschaft“ eine „Abhandlung über Leopolds II. weise Gesetzgebung in Toscana“. Wagner war sozusagen ein weißer Rabe unter Oesterreichs Rechtsgelehrten, welche gewöhnlich in ihrem Fache so ganz aufgehen, daß sie für etwas Anderes gar kein Interesse mehr haben. Dies war bei ihm, der mit außerordentlichen Talenten einen großen Wissensdrang und eine Universalität des Geistes, wie sie nur selten vorkommt, vereinte, nicht der Fall. Schon als Jüngling, da er noch mit der österreichischen privilegirten Likawetz’schen Philosophie im Denken großgesäugt und geistig aufgefüttert wurde, gelang es ihm, durch eigenen Privatfleiß in das Wesen der Kant’schen Philosophie einzudringen und dadurch jenen kritischen Geist auszubilden, der in seinen Schriften sich überall kundgibt. Hier muß bemerkt werden, daß in Oesterreich ungeachtet der von der Regierung beliebten Repressivmaßregeln. das Denkvermögen der jungen Leute in den philosophischen Studien zu unterdrücken, oder vielleicht eben deshalb, Kant’s Lehre im Verborgenen mit großem Eifer studirt wurde und in den gebildeten Kreisen sehr bedeutenden Anhang fand. Und so vertiefte [131] sich denn auch der junge, frühreife und ungemein geistig begabte Wagner in das Studium des Weisen von Königsberg. Im innigsten freundschaftlichen Verkehre mit dem früh verblichenen steirischen Poeten Fellinger [Bd. IV, S. 170], las er mit diesem die herrlichen Schöpfungen der deutschen Classiker, und durch die Tonsetzer Baron Lannoy [Bd. XIV, S. 142] und Halm [Bd. VII, S. 257], welche sich gleichfalls im Gesellschaftskreise seiner Familie befanden, wurde er zu musicalischen Versuchen angeregt. Er spielte trefflich Clavier und componirte Mehreres, wovon Einiges auch, das eine nicht gewöhnliche musicalische Begabung verräth, im Stiche erschienen ist. So zeigte sich also in Wagner eine Vielseitigkeit in geistiger Veranlagung, welche dem künftigen Rechtsgelehrten nur zum größten Vortheile gereichen konnte und alles trockene Wesen, wie es juridischen, in ihren Gesetzesparagraphen aufgehenden Pedanten anzuhaften pflegt, abstreifte. Zu allen diesen geistigen Vorzügen gesellte sich nun noch eine liebenswürdige äußere Erscheinung und ein Benehmen, das ihm von vornherein alle Herzen gewann. Von Mittelgröße, mit zarten, aber sprechenden Gesichtszügen, dunkelblonden, leicht und natürlich gelockten Haaren, zeigte er in seinem ganzen Wesen eine anziehende Gutmüthigkeit, welche jedoch durch einen leisen Zug feiner Ironie ein ganz eigenthümliches Gepräge erhielt. Und wer ihn als lebensfrohen Gesellschafter sah, der jeden auf den ersten Blick zu gewinnen wußte, vermuthete wohl kaum in ihm den tiefen und scharfsinnigen Denker, der sich in allen seinen Arbeiten ausspricht und ihn zu seiner Zeit zum ersten Juristen Oesterreichs erhob. In einem Nachrufe wird er mit folgenden Worten charakterisirt. Wagner war ein warmer und treuer Freund, unerschütterliche Festigkeit in Grundsätzen und Pflicht mit geschmeidiger Mäßigung verknüpfend, alles Gute mit muthvoller Begeisterung verfechtend, voll Klarheit und Schärfe in seinen Vorstellungen, voll strömender Fülle in seiner Rede. Den Wahlspruch seines Lebens: „Was ich gewollt, ist löblich, wenn das Ziel | Auch meinen Kräften unerreichbar blieb. | An Fleiß und Mühe hat es nicht gefehlt“, stellte er seinem Wechselrechte voran. Am 10. September 1815 hatte er sich mit Luise, Tochter des hofkriegsräthlichen Protokollsadjuncten Hahn vermält. Zwei Söhne, Franz und Karl, nebst vier Töchtern, Henriette, Luise, Luitgarde und Auguste, überlebten den zu früh verblichenen Gelehrten, dessen leibliche Ueberreste auf dem Friedhofe zu Hietzing nächst Schönbrunn beigesetzt wurden.

Pietznigg. Mittheilungen aus Wien (Wien kl. 8°.) 1833, 3. Heft, S. 97: „Nekrolog“. – Riedler. Oesterreichisches Archiv (Wien, 4°.) 1833, Nr. 137: „Nekrolog“, von F. Wallner. – Bauernfeld'. Gesammelte Schriften (Wien 1873, Braumüller, 8°.) Bd. XII, S. 112.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: italieschen.