BLKÖ:Tartini, Giuseppe

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 43 (1881), ab Seite: 101. (Quelle)
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Tartini, Giuseppe (Tonkünstler, geb. zu Pirano in Istrien am 12. April 1692, gest. zu Padua – nicht, wie es hie und da heißt, in Triest – am 26. Februar 1770). Seine Eltern, Gianantonio Tartini und Katharina geborene Gioan-Grande aus Pirano, trugen sich mit dem Gedanken, ihn dem geistlichen [102] Stande zu widmen, und zwar wünschten sie ihn in den Franciscaner- oder Minoritenorden aufgenommen zu sehen. So leiteten sie denn auch seine Erziehung nach dieser Richtung und gaben ihn in die Schule der Philippiner, Priester dell’Oratorio di S. Filippo Neri. Auch ließen sie auf eigene Kosten im Kloster ein paar Zellen ausschmücken, welche ihr Sohn in der Folge bewohnen sollte. Aber es kam alles anders, als sie es gedacht und gewünscht. Der Knabe, der schöne Talente besaß und lebhaften Temperamentes war, mußte nach Capo d’Istria geschickt werden, wo er in der Schule der Scolopier (Padri delle scuole pie) die Humanitätsclassen beendete und zugleich die Anfangsgründe der Musik, besonders des Violinspiels, erlernte. Auch ritterliche Passionen, wie das Fechten, übte er mit großem Fleiße und that es darin bald allen anderen Schülern zuvor und seinem Meister gleich. Noch als er 1710 von seinen Eltern zur Fortsetzung der Studien auf die Paduaner Hochschule geschickt wurde, trug er Priestertracht, wie in Italien alle Knaben, welche für den geistlichen Stand bestimmt sind. Aber bald sprengte der feurige Geist des Jünglings die Fesseln, statt Theologie, studirte er mit großem Eifer die Rechte, und statt geistlicher Uebungen besuchte er fleißig den Fechtboden, auf dem er einer der Ersten ward, wie er sich denn auch häufig an den Schlägereien seiner Collegen betheiligte, ein wüstes Leben führte und mit dem Plane sich trug, als Fechtmeister nach Paris oder Neapel zu gehen. Doch an der Ausführung dieses Gedankens hinderte ihn die Liebe. Unter seinen Schülerinen in der Musik befand sich eine Dame, deren Familie von dem damaligen Bischofe von Padua, Cardinal Cornaro, dem Sprossen eines berühmten Venetianer Geschlechtes, abhängig war. In diese Dame verliebte er sich und fand Gegenliebe. Da aber beide sowohl der Ungleichheit des Standes als der Verhältnisse wegen, wie sie lagen, auf eine Billigung ihrer Neigung nicht hoffen durften, vermälten sie sich heimlich. Kaum erfuhren Tartini’s Eltern von dieser Heirat, als sie dem Sohne jede weitere Unterstützung entzogen, aber auch Cardinal Cornare, als er von der Sache Kenntniß bekam, war gegen Tartini in hohem Grade aufgebracht und wollte ihn verhaften lassen. Dieser, noch bei Zeiten von der Gefahr, die ihm drohte, unterrichtet, flüchtete, als Pilger verkleidet, nach Rom, aus Furcht vor Entdeckung seine Frau in Padua zurücklassend. Lange fand er keine Zuflucht, bis er im Minoritenkloster zu Assissi einen Verwandten traf, der ihm daselbst heimlich Aufnahme gewährte. Um vor den Verfolgungen des Cardinals sicher zu sein, durfte er sein Versteck nie verlassen, und da es in demselben an jeder Gelegenheit zu Fechtübungen fehlte, so trieb er mit besonderem Eifer Musik, vornehmlich Violinspiel, dem er überhaupt nie ganz untreu geworden. Der Umstand, daß Padre Boemo, der später als Organist des Minoritenklosters zu großem Rufe gelangte, unseren Künstler daselbst als Violinspieler kennen lernte, brachte die beiden Musikfreunde einander näher. Tartini wurde ein aufmerksamer Schüler Boemo’s und verlegte sich nun eifrig auf das Studium der Tonkunst. Aber in der klösterlichen Abgeschiedenheit trat auch an die Stelle seiner früheren Ungeberdigkeit und Rauflust ein demüthiges, schlichtes Wesen, welches ihm für die ganze Folgezeit seines Lebens eigen blieb. Auch soll er während dieses [103] zweijährigen Aufenthaltes im Kloster eine tiefsinnig aufgefaßte Abhandlung über die Sacramente im glänzendsten Style geschrieben haben, welche sich in der Bibliothek der Franciscaner zu Pisino vorgefunden hat und aus dem Jahre 1719 stammt. Vielleicht würde Tartini noch lange in dieser klösterlichen Verborgenheit geblieben sein, wenn er nicht während eines Kirchenfestes, bei welchem er als Violinspieler mitwirkte, von einem Paduaner erkannt worden wäre, der sich unter der Menge befand und, von der herrlichen Kirchenmusik hingerissen, nach dem Chore blickend, unter den Künstlern daselbst auch Tartini sah. Bei seiner Ankunft in Padua berichtete der Fremde seine Entdeckung, und nun meldete auch Tartini’s Frau dem Gatten, daß der Cardinal ausgesöhnt, ihrer Verbindung und seinem Aufenthalte in Padua nichts mehr im Wege stehe, worauf der Flüchtling nicht länger säumte, zu seiner Gattin zurückzukehren. Nicht lange danach erging von Venedig eine Einladung an ihn, bei den Festen mitzuwirken, welche von der Republik dem damals dort verweilenden königlichen Kurprinzen von Sachsen zu Ehren stattfinden sollten. Er reiste 1719 mit seiner Frau dahin ab. Dort aber sollte er eine besondere, freilich für sein ferneres Leben einflußreiche Enttäuschung erfahren. Einer gleichen Einladung war auch der berühmte Violinspieler F. M. Veracini gefolgt; und als Tartini diesen dort, wie kurz zuvor den Virtuosen Viscontino zu Cremona, spielen hörte, wurde er durch die neue und verwegene Art des Vortrages in solches Staunen versetzt, daß er sein eigenes Spiel, welches bisher von allen Seiten Bewunderung gefunden hatte, für völlig unzulänglich hielt und beschloß, mit seinen Studien von vorne zu beginnen. Um denselben ungestört und mit allem Eifer sich hingeben zu können, schickte er seine Frau zu seinem in Pirano lebenden Bruder, er selbst aber begab sich nach Ancona, wo er auf das emsigste den Gebrauch des Bogens studirte, acht Stunden täglich sich dem Violinspiel widmete und sich alle Mühe gab, sein Vorbild Veracini zu erreichen. Während dieser Uebungen entdeckte er das Mitklingen eines tiefen Tones, wenn zwei höhere consonirende angestrichen werden, jenes Phänomen des sogenannten tuono terzo, dessen Entdeckung aber für einen deutschen Meister, für den gräflich Reuß-Plauen’schen Hof- und Staatsorganisten Georg Andreas Sorge[WS 1] [siehe die Quellen S. 109] in Anspruch genommen wird. Dieser tuono terzo ward nun in Tartini’s Schule, welche sich allmälig in Italien bildete, die Grundregel aller musikalischen Zusammenstimmung. Am 16. April 1721, 29 Jahre alt, wurde Tartini an der St. Antons-Capelle in Padua, die als eine der besten Capellen Italiens galt und aus einem Personale von sechzehn Sängern und vierundzwanzig Instrumentisten bestand, als erster Violonist angestellt. Im Jahre 1723 folgte er einer Einladung nach Prag, bei den Musikfesten mitzuwirken, welche daselbst aus Anlaß der Krönung des Kaisers Karl VI. zum Könige von Böhmen stattfanden. Man muthmaßte in dem Unfrieden seiner Ehe, da seine Frau nicht eben zu den Sanftmüthigen gehörte, die Ursache zu seiner Reise nach Prag und zu seinem dort erfolgten Eintritte in die Dienste des Grafen Franz Ferdinand Kinsky [Bd. XI, S. 288], welche gleichzeitig auch sein vertrauter Freund, der als Violoncellist bei der St. Antons-Capelle [104] in Padua angestellte Antonio Vandini annahm. Drei Jahre blieb Tartini in dieser Anstellung, dann aber zog es ihn mit seinem Freunde nach der Heimat zurück, wo er nun bleibend sich aufhielt, alle Anerbietungen, deren die glänzendsten ihm gemacht wurden, entschieden ablehnend. So, um nur ein Beispiel anzuführen, wollte ihn im Jahre 1744 Lord Middlesex mit einem Gehalte von 3000 Pfund Sterling nach England mitnehmen. Tartini aber erklärte dem Marchese Degli Obizzi, der in dieser Angelegenheit unterhandelte, er sei mit seinen Verhältnissen so zufrieden, daß er sich eine Veränderung derselben nicht wünsche, und wenn sich je noch ein Wunsch in ihm rege, so doch gewiß nicht der, mehr noch zu haben, als er eben besitze. So diente er denn weiter bis an sein Lebensende an der Kirche seines Schutzpatrons, dem er andächtig ergeben war. 1728 eröffnete der Meister in Padua eine Schule, in welcher er seinen Jüngern, welche nicht nur aus allen Städten Italiens, sondern auch aus England, Frankreich, Deutschland ihm zuströmten, Unterricht im Contrapunkt und im Violinspiel ertheilte. Sein Ruf als Lehrer hatte sich durch ganz Europa verbreitet, und in Italien nannte man Tartini nicht mit Unrecht den Maestro delle nazioni. Durch seine Compositionen und Schriften über Musik kam er mit den gelehrten Männern seiner Zeit in Berührung, und es entspann sich zwischen ihm und ihnen ein Briefwechsel, der für die Musikgeschichte seiner Zeit nicht unwichtig ist. Wir nennen aus seiner Correspondenz nur die Namen d’Alembert, Beccaria, Euler, Jacquier, Lalande, Le Sueur, Nollet, Riccati, welche genügen werden zur Beurtheilung der Bedeutenheit dieses Briefwechsels, in dem es sich um die Gesetze der Kunst, um deren Wesen und Anwendung handelt. Unter rastloser Thätigkeit, wobei er nicht selten die Nächte zu Hilfe nahm, schwanden ihm die Jahre dahin, bis er in Folge eines Krebsübels am Fuße, welches ihm mit der Zeit unerträgliche Schmerzen bereitete, dem sicheren Tode entgegensah. Da seine Frau, mit welcher er trotz ihrer zänkischen Natur nach seiner Rückkehr aus Böhmen vereint geblieben, ihm im Tode vorausgegangen war, so eilte sein Lieblingsschüler Nardini, von Tartini’s Leiden in Kenntniß gesetzt, aus Livorno herbei, um an seines Meisters Seite zu bleiben, bis dieser seine Seele ausgehaucht. Kurz vor seinem im hohen Alter von 78 Jahren erfolgten Ableben hatte Tartini einem seiner Schüler und Gönner, einem Grafen Thurn und Taxis, der in Venedig lebte, seine sämmtlichen geschriebenen Musikalien vermacht, seinem langjährigen Freunde Professor Colombo aber aufgetragen, sein Werk von der Theorie des Klanges nach seinem Tode herauszugeben, was jedoch nicht geschehen ist. Er wurde mit großer Feierlichkeit in der Pfarrkirche zu S. Katharina in Padua beigesetzt, sein Schüler und Nachfolger im Amte Giulio Meneghini veranstaltete ihm zu Ehren in der Servitenkirche eine Todtenfeier, bei welcher Abbé Fanzago die Leichenrede hielt und die ganze Capelle der San Antoniokirche das von P. Vallotti componirte Requiem vortrug. Unseres Künstlers Werke und im Stich erschienene Compositionen werden S. 105 angegeben. Seine Bedeutung in der Geschichte der Musik wurde schon bei seinen Lebzeiten anerkannt, aber wie ja dies immer der Fall, von Anderen auch angefochten. Er selbst schwieg nicht [105] auf die Angriffe und widerlegte sie mit edelmännischer Ruhe und Scharfsinn, auch fand er noch manchen Vertheidiger seiner Ansichten. Was darin wahr, was darin falsch, darüber zu entscheiden, muß der Kritik überlassen bleiben, und die in den Quellen verzeichneten Schriften, welche über Tartini’s Leben und Werke berichten, geben reiche Aufschlüsse auch über Werth und Wesen der letzteren. Als Lehrer stand er in hohem Ansehen, und zwar mit Recht, denn als solcher erwies er sich ebenso gründlich als gewissenhaft, und von welcher Bedeutung sein Unterricht, ergibt sich aus der großen Menge berühmter Schüler, die er gebildet und welche über ganz Europa verbreitet waren. Unter den Deutschen nennen wir Naumann, der während seines Aufenthaltes in Italien wiederholt einige Zeit bei Tartini in Padua zubrachte. A. G. Meißner gibt in seiner Biographie von J. G. Naumann [I. Theil, 5. Capitel] Nachricht über dessen zweiten Besuch bei Tartini, und die mystische Weise, mit welcher denselben der damals nahezu achtzigjährige Greis in seiner Kunst unterwies, muthet uns gar befremdend an und findet bei Tartini ihre Erklärung nur in dem hohen Alter, welches sich gern mit Unbegreiflichkeiten die Zeit vertreibt. In seinen jüngeren Jahren war derselbe ganz bei der Sache, und seine Methode fand allgemeine und verdiente Anerkennung. Dabei bewies er eine Uneigennützigkeit, welche nur großen Seelen – wie in unserer Zeit Liszt – eigen ist. Er unterstützte die Armen und Waisen; ließ Kinder mittelloser Eltern auf seine Kosten unterrichten, und auch verschiedene seiner Schüler unterrichtete er entweder um einen geringen Preis, oder, wenn sie sehr arm waren, unentgeltlich.

I. Uebersicht der theoretischen Werke Tartini’s. „Trattato di Musica secondo la vera scienza dell’ armonia“ (Padova nella stamperia del Seminario appresso Giovanni Manfre, 1754, 4°., 175 S. , nebst einer Kupfertafel). Dieser Tractat handelt nach einer kurzen Einleitung, worin Tartini die Art der Berechnungen, deren er sich bedient, und die Freiheiten, die er sich dabei genommen, näher erklärt: a) von den harmonischen Phänomenen, ihrer Natur und ihrem Gebrauche; b) von dem musikalischen Zirkel, dessen Natur und Gebrauch; c) von dem musikalischen System, von den Consonanzen und Dissonanzen, ihrer Natur und Beschreibung; d) von der diatonischen Leiter, von ihrem Ursprunge und Gebrauche und den Folgen, die daraus hergeleitet werden können; e) von den alten und neuen Tonarten oder Tönen; f) von den der neueren Musik eigenen Intervallen und Modulationen. Ueber die angeführten Gegenstände hatte Tartini sich öfter mit dem Grafen Decius Augustin Trento unterhalten. Veranlaßt durch dessen dabei erhobene Einwendungen gegen seine Grundsätze, schrieb der Meister diesen Tractat in Form eines Briefes und eignete ihn dem Grafen zu, welcher ihn dann ohne Erlaubniß des Autors drucken ließ. Eine ausführliche Beurtheilung dieser Schrift siehe in Hiller’s „Wöchentlichen Nachrichten“. 1767, S. 68, 73 und 81, und in Scheibe’s „Musikalischer Composition“, S. 563–579, der dazu geistreiche Anmerkungen lieferte. – „Dissertazione dei principj dell’armonia musicale, contenuta nel diatonico genere“ (Padova 1767, 4°., 119 S.) handelt im I. Capitel in zehn Abschnitten del fisico fondamento; im II. in acht Abschnitten del fondamento dimostrativo; im III. in elf Abschnitten del fondamento musicale; im IV. in sechs Abschnitten della congiunzione de’ tre fondamenti. Dieses Werk sollte vornehmlich die Dunkelheiten heben, welche man in seinem Tractat gefunden hatte. – „Risposta alla Critica del di lui Trattato della Musica di M. Serre di Ginevra“ (Venezia 1767. Antonio Decastro). Wegen so mancherlei mathematischer und algebraischer Dunkelheilen, in welche Tartini seine Sätze hüllte, blieben dieselben lange Zeit für Andere unverständlich. P. Colombo erklärte jene Dunkelheiten dadurch, daß der Künstler, der überhaupt mit der Mathematik auf schiefem Fuße stand, bei seinen musikalischen [106] Rechnungen eines ganz eigenen zu diesem Zwecke ausgesonnenen Verfahrens sich bediente. Durch Uebung war ihm dasselbe so leicht geworden, als es Anderen unverständlich erschien. Dieses System, hinter dessen Schlüssel man übrigens später kam, fand im Gegensatze zu dem alten Sprichworte, daß der Prophet im Vaterlande nichts gelte, in Italien fast ausschließlich Bewunderung, dagegen in Frankreich nur eine theilweise, in Deutschland – gar keine. – In seinem Nachlasse fanden sich oder nach seinem Tode wurden herausgegeben: „Delle ragioni e delle proporzioni libri sei, riveduti da G. A. Colombo etc.“. Dieses nachgelassene Manuscript Tartini’s besaß Capitän Tartini, ein Neffe des Künstlers, wie dies in den „Memorie per servire alla storia letteraria e civile (Venezia 1749, vol. VIII, Settembre, p. 59) berichtet wird. – „Lettera del defunto Giuseppe Tartini alla Signora Maddalena Lombardini inserviente ad una importante lezione per i suonatori di Violino“ (Londra 1774, 4°.). Eine deutsche Uebersetzung dieses Briefes enthält J. A. Hiller’s „Lebensbeschreibung berühmter Musikgelehrter und Tonkünstler“, 1784, S. 278–285; auch die „Leipziger musikalische Zeitung“, Bd. VI, S. 134–138. Eine englische Uebersetzung besorgte Burney und ließ dieselbe mit dem Original zusammen drucken. Die Maddalena Lombardini, eigentlich Sirmen, an welche dieser Brief gerichtet ist, war eine ausgezeichnete Violinspielerin, Componistin und Sängerin in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und befand sich noch 1782 zu Dresden als Sängerin. Dieses Schreiben, welches vornehmlich von dem zweckmäßigen Gebrauche des Bogens handelt, erschien zuerst, auf einem halben Bogen gedruckt, in Venedig. – „Lezioni pratiche pel violino“. Fr. Fanzago bemerkt in seiner „Orazioni delle lodi di G. Tartini“, S. 34, Note 24, in Bezug auf diese Lectionen, daß sich dieselben nicht nur in den Händen des Dre. Antonio Bonaventura Sberti befinden, sondern in Italien in vielen Abschriften verbreitet seien. Auch wird einer von Tartini für seine Schüler verfaßten Violinschule mit den zu jener Zeit üblichen Verzierungen hie und da gedacht. Vielleicht ist diese Abhandlung, von welcher auch eine von Pietro Deny ausgeführte französische Bearbeitung im Jahre 1782 in Paris herauskam, identisch mit obigen „Lezioni pratiche“. – Eine „Tradition de l’art de l’archet de Tartini“ hat um 1825 J. B. Cartier in Paris herausgegeben.
II. Tartini’s Compositionen. [Die mit einem Stern (*) bezeichneten befinden sich in der Musikaliensammlung der Wiener Hofbibliothek.] *„XII Sonate ed una Pastorale a Violino e Basso“, Op. 1 (Amsterdam 1734). – *„Sei concerti a 5 e 6 strom. Viol. princip., Viol. I e II. Alto, Viola, Organo e Violoncello“, ebenfalls als Opus 1 bezeichnet (Amsterdam, Michel Charle le Cene). – „XII Sonate a Viol. e Basso“, Op. 2 (Roma 1745). – „VI Sonate a due Violini e Basso. Lib. I et II“ (Amsterdam). – „L’arte dell’arco ou l’art de l’archet, contenant 38 Variat. composées sous la plus belle Gavotte de Gorelli“ (Paris 4°.; auch Mannheim 1795). Eine andere Ausgabe desselben Werkes erschien unter dem Titel: „L’arte dell’arco o siano 50 Variazioni per Violino e sempre collo stesso Basso“ (Neapel um 1792). – in *Choron’s „Principes de composition“ (Paris, Fol.) tom. VI die Partitur einer air varié pour le Violon. – „Adagio varié de plusieurs façons différentes: très utiles aux personnes qui veulent apprendre à faire des traits sous chaque note d’harmonie“, scheint erst um 1801 in Paris gestochen zu sein. – Von seiner berühmten Teufelssonate kennen wir folgende Ausgaben: „Sonata od il Trillo del Diavolo per Violino solo“ (Milano, Ricordi); auch in dem von Ricordi in Mailand herausgegebenen musikalischen Sammelwerke „Antologia classica musicale“ im III. Jahrgange (1844) unter Nr. 5 abgedruckt; – dann die Ausgabe von J. B. Cartier, der dieselbe in seine berühmte Sammlung „L’art du violon ou Division des écoles“ aufgenommen hat; – die von Breitkopf und Härtel in Leipzig im Jahre 1823 veranstaltete; – ferner aus neuerer Zeit: „Le Trille du Diable Sonate arr. av. Pfte. par H. Vieuxtemps (Offenbach, André); – „Idem l’accomp, de Pfte. par R. Volckmann (Leipzig, Kistner); – „Die Teufelssonate, für Viol. mit Streichorchester bearbeitet von William Hepworth“ (Leipzig, Stoll). – Von anderen Compositionen Tartini’s, die in neuerer Zeit ausgegeben wurden, nennen wir noch: eine „Sonate [107] (G-moll) für Violine und Pianoforte harmonisirt von L. A. Zellner“ (Wien 1862, bei Spina); – „III grandes Sonates (Nr. 2, 4, 5) accompagnées d’ une Partie de Pfte. par H. Holmes, Nr. 2 in F, Nr. 4 in G, Nr. 5 in E-moll (Leipzig, Peters); – „III Mouvemens pour Violon accompagnés d’une Partie de Pianof. Par H. Holmes“ (Allegro de la 6me Sonate. Allegretto de la 7me Sonate. Allegro passionato de la 1re Sonate (ebd.); – „Sonate. In G-moll für Viol. mit Pfte. versehen von Rob. Franz“ (Halle, Kamradt); – „Cancabile et Allegro assai de la 8me Sonate. Transcription p. A. av. Piano p. Léon Firket (Mainz, Schott); – „Larghetto“, bildet Nr. 4 von Karl Schröder’s „Fünf classische Stücke älterer berühmter Meister für Vcllo. und Pfte.“ (Leipzig, Breitkopf). – Vierundzwanzig zu Amsterdam unter seinem Namen, jedoch ohne sein Wissen im Stich erschienene Violinconcerte erkannte Tartini wegen mehrerer darin von dem Herausgeber eigenmächtig vorgenommenen Veränderungen nicht als sein Werk an. Eine gleiche Bewandtniß soll es haben mit den VI Violinsolo, gestochen in Amsterdam, und VI Violinsolo gestochen in Paris. In Handschrift hinterließ er über 200 Violinsolos, und eine gleich große Zahl Violinsolos befindet sich unter Musikfreunden und Liebhabern seiner Werke in Italien verbreitet. Nach Anderen bestand sein Nachlaß aus einem Streichtrio, 127 Violinconcerten und 48 Sonaten. Im Jahre 1768 componirte er für die päpstliche Capelle in Rom ein Miserere, welches aber bei der Aufführung nicht gefiel und über dessen weitere Schicksale nichts bekannt geworden ist. Der „Catalogo di Giuseppe Benzon“ (Venezia 1818) gedenkt S. 4 noch eines handschriftlichen „Trattato delle appoggiature si ascendenti che discendenti per il Violino come pure del Trillo Tremole, mordente ed altro con dichiarazione delle cadenze naturali e composte“. Wohin derselbe gerathen, ist nicht bekannt. Auch wird unserem Künstler ein nach dessen Tode in Paris herausgegebenes Werk, betitelt: „Traité des Agrémens de la Musique“ zugeschrieben.
III. Wie Tartini componirte. Tartini’s Compositionen werden von Kennern noch immer geschätzt und sind vielleicht in der heutigen Musikwelt, in welcher sich das Flache und Seichte breit macht, viel zu wenig gewürdigt. Es ist eigenthümlich, wie zwei große Meister der Musik sich in der Art, ihre Gedanken niederzuschreiben, begegnen. Man weiß, wie Haydn zu componiren pflegte. Um sich in eine recht erbauliche Stimmung zu versetzen, schritt er im Zimmer, den Rosenkranz in der Hand, auf und ab und betete einige Ave, worauf ihm die Ideen zu seiner Arbeit kamen [Bd. VIII, S. 116]. Analoges berichten von Tartini glaubwürdige Personen, so z. B. erzählen Algarotti in seinen „Opere“, Tom. II, p. 282, und H. Pietro Maroncelli in seiner „Vita di Arcangelo Corelli“ in der prachtvollen von Bettoni veranstalteten Ausgabe der „Vite degli illustri Italiani“, daß unser Künstler, ein besonders großer Verehrer der Gedichte Petrarca’s, sich gewöhnlich durch aufmerksames Lesen der Sonette desselben, wohl auch manchmal der Dichtungen Metastasio’s, zur Composition seiner Sonaten anzuregen und gleichsam vorzubereiten pflegte. Maroncelli behauptet sogar: „Tartini habe gesucht, in jeder seiner Sonaten ein Sonett Petrarca’s in Tönen wiederzugeben“. So weit Worte in Tönen sich ausdrücken lassen, wäre eine solche Behauptung nicht gerade abzuweisen, und wenn sich irgend eine Dichtung musikalisch interpretiren läßt, so sind gewiß Petrarca’s Sonette mit ihrem Wohllaut und ihrem tiefen Gefühl zunächst dazu geeignet. Wie Seele in Tartini’s Compositionen in hohem Grade lebt, so suchte er solche auch in den Schöpfungen Anderer, und wenn ein Violinist sich hören ließ, der blos Fertigkeit der Finger und des Bogens zeigte, dann pflegte er zu sagen: „Es ist schön, es ist schwer, aber hier (und dabei legte er die Hand auf die Brust) hat es mir nichts gesagt“. Von ihm und seinem Spiele aber sagten die Italiener sprichwörtlich: „Non suona, canta sul violino“.
IV. Tartini’s Teufelssonate und Legende über seine Geige. Die berühmte Teufelssonate unseres Künstlers ist eine Composition aus dessen 21. Lebensjahre. Lalande erzählt in der Beschreibung seiner Reise durch Italien, auf welcher er auch Tartini besuchte. was ihm dieser selbst mitgetheilt hat. „Im Jahre 1713“, sagte er zu Lalande, „träumte mir des Nachts einmal, ich hätte einen Pact mit dem Teufel gemacht, der ganz zu meinen [108] Diensten stand. Alles ging mir nach Herzenslust, meine Wünsche wurden von dem Eifer meines neuangestellten Dieners immerdar erfüllt, ja noch übertroffen. Es fiel mir bei, ihm meine Violine in die Hand zu geben, um zu sehen, ob es ihm gelänge, hübsche Sonaten zu spielen. In welch Erstaunen gerieth ich nun, als ich eine in ihrer Art so unübertrefflich schöne Sonate zu hören bekam, daß ich mir nie etwas Aehnliches auch nur vorgestellt hätte. Ich war so überrascht und hingerissen, daß ich vor Wonne den Athem verlor; die gewaltige Erschütterung weckte mich; gleich griff ich nach meiner Violine, in der Hoffnung, wenigstens einen Theil des soeben Gehörten wiederzugeben; die Sonate, welche ich damals componirte, ist nun allerdings die beste von allen, die ich je hervorgebracht, und ich nenne sie noch immer die Teufelssonate, allein sie steht so weit unter derjenigen, die mich im Traume ergriffen, daß ich meine Geige entzwei geschlagen und alle Musik für immer aufgegeben hätte, wenn ich eben ohne sie leben könnte.“ Wie die Sache hier erzählt ist, klingt sie gar nicht unwahrscheinlich und läßt sich bei der jugendlich feurigen Einbildungskraft Tartini’s und bei der großen Regsamkeit seines Geistes auch ganz gut erklären. Was später die Dichtung aus dem Ganzen gemacht hat, kommt hier nicht weiter in Betracht. Daß diese Sonate für Tartini selbst eine mehr als gewöhnliche Bedeutung hatte, erhellt aus der Thatsache, daß sie beständig in seinem Zimmer, der Thüre gegenüber, an der Wand hing [Lalande (Jos. Jérome), Voyage en Italie (Paris 1769) tome VIII, p. 292 et s. Neue Ausgabe (Genève 1790) tome VII, p. 116. – Burney (Karl), Tagebuch einer musikal(ischen Reise durch Frankreich und Italien. Aus dem Englischen von Chr. D. Ebeling und J. J. C. Bode (Hamburg 1772, 8°.) Bd. I, S. 87. – Wiener Zeitung, 1866, Nr. 15, in einer Musikkritik von Rudolph Hirsch. – Die Donau. Herausgegeben von Ernst von Schwarzer. 1854, 29. und 30. December: „Tartini und die Teufelssonate“.] – Daß unter den oben geschilderten Umständen Tartini’s Geige als ein mehr denn gewöhnliches Instrument erscheinen mochte und man über ihre Schicksale Nachforschungen anstellte, ist leicht begreiflich. So erzählt denn der als Kunstkenner und Antiquitätensammler bekannte reiche Russe Jussupoff, daß die Geige Tartini’s, auf welcher derselbe seine berühmte Teufelssonate gespielt hat. gegenwärtig (1868) im Besitze eines Alessandro Poss, eines Dilettanten und Kunstfreundes in Mailand, sich befinde, welcher sie durch einen Zufall von einem Seidenzüchter in Regoledo käuflich an sich gebracht habe. – Nach einer anderen Ueberlieferung aber sei diese Favoritgeige Tartini’s (eine Joseph Quarnerius) nach dem Ableben desselben in den Besitz eines Engländers gekommen. Die betreffende Legende darüber lautet: „Nach dem Hinscheiden Tartini’s unternahm ein Engländer eigens eine Reise nach Padua, um aus dem Nachlasse des Künstlers dessen Violine an sich zu bringen. [Es ist doch sehr unwahrscheinlich, daß ein Künstler wie Tartini, der als nahezu achtzigjähriger Greis starb, nur eine Violine besessen haben soll.] Um möglichst sicher zu gehen, erkundigte er sich vorerst um die näheren Umstände des Nachlasses, erfuhr aber zu seinem Leidwesen, daß der betreffende Erbe, ein in Muggia unweit Triest lebender armer Anverwandter Tartini’s, sich von dem Instrumente, als einer theuren Reliquie, nicht trennen wolle. Der Enthusiast griff nun zu einem äußersten (echt englischen) Mittel: er suchte sich bei dem Erben incognito einzuführen entwendete ihm in einem unbewachten Augenblicke die Geige und verschwand, im leeren Futterale eine ansehnliche Geldsumme zurücklassend.
V. Tartini in der Dichtung. Es ist natürlich, daß die Dichtung sich eines so dankbaren Stoffes, wie die Geschichte der Teufelssonate und das wüste Jugendleben Tartini’s, bemächtigte. Wie viel aber nach dieser Richtung gesündigt wurde, können wir nicht erschöpfend berichten. Wenn wir nicht irren, so hat der geistvolle E. M. Oettinger in seinem berühmten Spottblatt „Charivari“ die Geschichte von der Teufelssonate in seiner pikanten Weise behandelt. Ferner brachte das Prager Unterhaltungsblatt „Erinnerungen“. 1854, S. 114 u. f. eine historische Novelle „Giuseppe Tartini“ von A. K. W. unter welcher Chiffre sich eine Dame Namens Augusta Karoline Wenrich birgt. Diese Novelle wurde auch in dem von Ritter von Levitschnigg redigirten „Pesther Sonntagsblatt“, 1855, Nr. 28 u. f. abgedruckt. – In [109] einer selbständigen größeren Dichtung aber verherrlichte den Künstler der Poet Giovanni Tagliapietra, in dem Werke „Giuseppe Tartini. Cantica“ (Trieste 1855, tipogr. Weiss, p. 73), über welches P. A. Curti im Mailänder Unterhaltungsblatt „La Fama“, 1855, Nr. 1 und 2, eine ausführliche und anerkennende Anzeige brachte. Schließlich sei noch eines Sonettes gedacht, das der italienische Poet Angelo Mazza: „Sull’uno e trino armonico del Tartini“ (auf Tartini’s harmonische Einheit und Dreiheit) gedichtet und welches in Ugoni’s Essay über Tartini mitgetheilt ist.
VI. Tartini und Sorge. Bekanntlich gilt Tartini allgemein als der Entdecker des Terzo suono, nämlich jenes mitklingenden tiefen Tones, welcher sich vernehmbar macht, wenn zwei höhere consonirende Töne angestrichen werden. Diese Entdeckung machte in Italien und später in Frankreich, wo sie von Romieu, Serre und Anderen discutirt wurde, großes Aufsehen. Da nimmt ein Kritiker, welcher zu Forkel’s „Allgemeiner Literatur der Musik“ in der Leipziger „Musikalischen Zeitung“ (Breitkopf und Härtel, 4°.) 1825, Nr. 39, S. 659, „Berichtigungen und Bemerkungen“ mittheilt, für einen Anderen die Priorität dieser Entdeckung in Anspruch. Die betreffende Stelle des ungenannten Kritikers lautet wörtlich: „Forkel macht zu Tartini’s Werke „Trattato di Musica“ eine lange Anmerkung und citirt gleich darauf Georg Andreas Sorge. Schade, daß es ihm bei dieser Gelegenheit nicht einfiel, daß dieser Letztere in seiner „Anweisung zur Stimmung der Orgelwerke und des Claviers“ (Hamburg 1744, 8°.) S. 40 und 41 von Terzo suono spricht, also um neun oder zehn Jahre früher als Romieu, Serre und Tartini. Schade, daß er überhaupt dieses Buch an seinem Orte [S. Sorge (Georg Andreas), Gespräch u. s. w. S. 251] gar nicht citirt hat“. Wer Georg Andreas Sorge gewesen, wurde oben in Tartini’s Lebensskizze gesagt. Die Thatsache, daß Sorge der Entdecker des Terzo suono ist, wird unbestritten bleiben, aber ebenso gewiß ist auch, daß Tartini darauf ein ganzes System aufbaute.
VII. Zur Charakteristik Tartini’s und seines Systems. Es wurde schon in der Lebensskizze bemerkt, daß unser Künstler gleich Anderen sich nicht unangefochten seines Ruhmes erfreute. Sogar sein Spiel, über dessen Meisterschaft alle Welt einig ist, wird von Quantz, der ihn bei Kinsky hörte, gerade in jenem Punkte angegriffen, den Tartini selbst bei anderen Virtuosen über alles setzte, nämlich im Punkte des Gefühls. „Er war“, schreibt Quantz, „in der That einer der größten Violinspieler. Er brachte einen schönen Ton aus dem Instrumente. Finger und Bogen hatte er in gleicher Gewalt. Die größten Schwierigkeiten führte er, ohne sonderliche Mühe, sehr rein aus. Die Triller, sogar Doppeltriller, schlug er mit allen Fingern gleich gut. Er mischte sowohl in geschwinden als langsamen Sätzen viele Doppelgriffe mit unter und spielte gern in der äußersten Höhe. Allein sein Vortrag war nicht rührend und sein Geschmack nicht edel, vielmehr der guten Singart ganz entgegen.“ Diese letzte Behauptung ist allen anderen Urtheilen über Tartini entgegen. Vielleicht mag sie in jener Periode des Künstlers, in welcher Quantz denselben hörte, nicht ganz ungerechtfertigt gewesen sein. In der Folge aber erregte Tartini gerade durch sein gefühlvolles Spiel so allgemeine Bewunderung, daß von ihm in Italien sprichwörtlich galt; „er spielt nicht, sondern er singt auf der Violine“. – Der berühmte Dr. Burney, auch ein Zeitgenoß Tartini’s, schreibt über ihn: „Tartini hatte Corelli zum Muster der Reinheit der Harmonie und der Einfachheit seiner Modulationen genommen; er ließ ihn weit hinter sich durch die Fruchtbarkeit und Originalität seiner Compositionen, nicht allein in Betreff der Melodien, sondern auch in der wahren Manier, sie als cantabile zu behandeln. Zu einer großen Anzahl seiner Adagios fehlt nur ein Text, um vortreffliche und ergreifende Operngesänge daraus zu machen. Seine Allegros sind zuweilen schwer auszuführen, aber seine Passagen, die zu gekünstelt erscheinen konnten, gab dem Künstler die genaue Kenntniß des Fingersatzes und sein mächtiger Bogenstrich an die Hand“. – Am treffendsten mag wohl Ugoni den Componisten Tartini beurtheilen, wenn er über denselben schreibt: „Die Vorzüge, welche man an seiner Musik, namentlich an seinen Sonaten für die Violine mit einfacher Baßbegleitung, bewundern muß, sind folgende: eine stets seelenvolle Melodie drückt immer irgend eine Gemüthsstimmung aus, von welcher der Componist während seiner [110] Arbeit unverkennbar selbst ergriffen war; die Durchführung ist originell, anmuthig, edel, kunstgemäß, aber frei von Sclaverei und Pedanterie; er zeigt eine große Kenntniß des Instruments, wofür er seine Sonaten schrieb, da sie so gehalten, daß sie dem sorgfältigen Spieler die größte Wirkung versprechen und bei aller Schwierigkeit doch auch der Kunst des Vortrags Spielraum lassen. Auch verdient Tartini großes Lob deshalb, weil er in seinen Sonaten das allzu strenge Joch des Contrapunktes ab. schüttelte und nach Corelli, der schon angefangen hatte, sich demselben zu entziehen, der erste war, der seine Melodien von jenen unaufhörlichen Ausfällen in Fugenmanier frei hielt, welche, indem sie ohne alles Maß und auf eine pedantische Weise in den Compositionen seiner Vorgänger angebracht waren, den freien Schwung des Geistes hemmten, eine große Einförmigkeit hervorbrachten und gerade derjenigen Gattung von Musik alle Lieblichkeit raubten, welcher Tartini so viele Mannigfaltigkeit und anmuthige, wahrhaft bewunderungswürdige Wendungen gab.“ Die hier unten angefügten Quellen geben eine ausführliche Charakteristik dieses großen Künstlers, der für Violinspieler immer eines jener Vorbilder bleiben wird, denen nachzustreben nur von Gewinn sein kann. [Risposta di un anonimo al celebre Sig. G. Giacomo Rousseau“ (Venezia 1769). [Bezieht sich auf Tartini und seine Verdienste und ist eine Entgegnung auf die Ansichten, welche über Tartini und dessen System der berühmte J. J. Rousseau in seinem „Dictionnaire de Musique“ (Paris 1768, 8°.) S. 237 im Artikel: „Harmonie“, und S. 475 im Artikel: „Système“ ausgesprochen hat.] – Frankfurter Conversationsblatt (4°.) 1. und 2. Mai 1837, Nr. 120, 121 und 122: „Berühmte Violinisten“. [Während in einer Reihe von Nummern Corelli, Geminiani, Carbonelli, Veracini, Nardini, Felice Giardini, Giornowichi, Viotti, v. Beriot, Spohr, Mayseder, Paganini, Ole Bull mehr oder minder glücklich charakterisirt werden, enthalten die angeführten zwei Nummern (121 und 122) eine Charakteristik Tartini’s.]
VIII. Porträte und Statue Tartini’s. l) Gezeichnet von Vincenzo Rota [befindet sich auch in des Canonicus Stancovich „Biogr, degli uom dist.“. – 2) Gezeichnet von Guerin (8°.). – 3) H. E. v. Wintter lith. (kl. Fol.) [selten und auch als eines der ersten durch Lithographie reproducirten Blätter interessant]. – 4) Kupferstich. Ohne Angabe des Zeichners und Stechers (Leipzig, Breitkopf und Härtel, gr. 8°.). – Auf dem Prato della Valle befindet sich, wenn ich nicht irre, unter den Statuen berühmter Paduaner auch jene Tartini’s.
IX. Quellen. a) Selbständige. Conzatti (Carlo), Elogio di Giuseppe Tartini (Padova 1792). – Fanzago (Francesco), Orazione delle lodi di G. Tartini etc. con varie note illustrate e con un breve compendio della vita del medesimo (Padova 1774, 4°.) [nach diesem geb. 12. April 1692, gest. 26. Februar 1770]. – b) In Sammelwerken und anderen Schriften Zerstreutes. Algarotti (Francesco), Opere (Venezia 1757, 8°.) Vol. I, p. 421 et seq.: „lettera dell’Algarotti a Tartini“. – Biographie universelle ancienne et moderne ou historique, par ordre alphabétique etc. etc. Ouvrage entièrement neuf redigé par une société de gens de lettres et de savants. 52 vol. (Paris 1811–1828, L. G. Michaud, 8°.) tome XLIV, p. 578–586; „Tartini“. Article par De Prouy. – Caffi (Francesco), Storia della Musica sacra nella già cappella ducale di San Marco in Venezia dal 1318 al 1797 (Venezia 18534, Antonelli, gr. 8°.) tomo II, p. 70 e 170 [berichtet, daß Tartini der Lehrer vieler Venetianer Edelleute gewesen, so waren Benetto Marcello, Giustiniani der Uebersetzer der Psalmen, Venier, Mocenigo seine Schüler]. – Castro (Vincenzo de), Geografia storica universale (Milano 1856, 8°.), enthält im Abschnitte: „Biografie degli illustri istriani“ jene Tartini’s. – Choron (Al.) et Fayolle (F.), Dictionnaire historique des musiciens (Paris 1811, Valade, 8°.) tom. II, article „Tartini“. – Dandolo (Girolamo), La caduta della repubblica di Venezia ed i suoi ultimi cinquant’ anni. Studii storici (Venezia 1857, Naratovich, 8°.) appendice, p. 254 [auch nach diesem gest. am 16. Februar 1770]. – Elogi di treo uomini illustri Tartini, Vallotti e Gozzi, con una orazione gratulatoria nel solenne ingresso alla dignità di procurator di S. Marco di S. E. Andrea Memmo (Padova [111] 1792) [Wiederabdruck von Fanzago’s „Elogio“ auf Tartini]. – Europa letteraria (Venezia 1770, Fenzo): „Elogio di Gius. Tartini di Gius. Gennari. – La Favilla, 1838, Nr. 6 e 15: „Tartini“. – Letture di famiglia (Trieste, tipogr, del Lloyd austriaco, 4°.) tomo III, p. 258 et seq.: „Tartini“. – Lichtenthal (Pietro Dre.), Dizionario e biografia di Musica (Milano 1826, 8°.) Vol. IV, p. 185: articolo „Tartini“. – Morossi (Francesco Antonio), Elogi italiani, Vol. VIII [enthält Tartini’s Elogio]. – Neumayr (Antonio), Illustrazione del Prato della Valle ossia Piazza delle Statue di Padova. Due parti in due volumi (Padova 1807, Seminario, 4°.) parte I, p. 135 u. f., Nr. XXIX. – Nuovo dizionario istorico, ovvero storia in compendio di tutti gli uomini che si sono resi illustri ec. ec. (Passano 1796, Remondini, 8°.) tomo XIX [enthält den Artikel: „Tartini“]. – Tipaldo (Emilio de), Biografia degli Italiani illustri nelle lettere, scienze ed arti del secolo XVIII e de’ contemporanei (Venezia 1835, tipografia di Alvisopoli, gr. 8°.) tomo II, p. 307–318. – Ugoni (C.), Della letteratura italiana, nella seconda metà del secolo XVIII (Brescia 1820, Buttoni, 8°.) tomo I, p. I: „Giuseppe Tartini“. – Echo. Berliner Musik-Zeitung, XIX. Jahrg. 1. Jänner 1869, Nr. 1: „Tartini“. Von J. W. v. Wasilewski [nach diesem geb. zu Pirano in Istrien 12. April 1692, gest. in Padua 26. Februar 1770]. – Gaßner (F. S. Dr.). Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Hand-Ausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Franz Köhler, schm. 4°.) S. 816 [enthält auch in nuce die Geschichte der Composition der Teufelssonate (Trille du Diable), dieses in der Geschichte der Tonkunst denkwürdigen Tonstückes]. – Gerber (Ernst Ludwig), Historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler u. s. w. (Leipzig 1792, Breitkopf, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 617–624. – Derselbe, Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1814, A. Kühnel, gr. 8°.) Bd. IV, Sp. 322. – Laibacher Zeitung, 1863, Nr. 271, im Feuilleton. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorff (Offenbach 1861, Joh. André, gr. 8°.) Band III, S. 698 [nach diesem gest. am 16. Februar 1775]. – Temesvárer Zeitung, 1862, Nr. 156, im Feuilleton: „Bunte Steine auf dem Felde älterer und neuer musikalischer Literatur“. Zusammengelesen von W. F. Speer [enthält Näheres über Naumann’s Verkehr mit Tartini].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Georg Andreas Sorge (Wikipedia).