BLKÖ:Süßmayer, Franz Xaver

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 40 (1880), ab Seite: 290. (Quelle)
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Süßmayer, Franz Xaver (Componist[WS 1], geb. in Steyr 1766, gest. zu Wien 17. September 1803). Als seine Geburtsstadt wird bald Steyr, bald Wien bezeichnet, doch wurde er in ersterer Stadt geboren. Da er eine hübsche Stimme besaß und Lust und Talent zur Musik zeigte, kam er als Sängerknabe in das Benedictinerstift Kremsmünster, welches neben der Pflege der Wissenschaften zu jener Zeit auch die Musik nicht vernachlässigte. Er beendete daselbst die Grammatical- und die Humanitätsclassen und empfing von Georg Pasterwitz [Bd. XXI, S. 336], über den wir in Georg Huemer’s Schrift „Die Pflege der Musik im Stifte Kremsmünster“ (1877), Seite 49 u. f. erschöpfende und quellenmäßige Aufschlüsse erhalten, gründlichen theoretischen Unterricht in der Musik. Schon als Student ließ er seinem Compositionstalente die Flügel schießen, und es entstanden bereits damals die verschiedensten Compositionen vom einfachen Liede bis zu mehrstimmigen Gesängen, Symphonien, Messen, Psalmen, Motetten, Cantaten und sogar kleinen Singspielen, welche dann auf dem Stiftstheater zur Aufführung kamen und durch ihren gefälligen, rein melodiösen Styl auch Anwerth fanden. Bald fühlte er aber, daß ihm zur höheren Ausbildung in der Tonkunst noch gar Manches fehle, was im Stifte, wo denn doch der Unterricht in diesem Gegenstande immer nur nebensächlich betrieben wurde, nicht zu erreichen war, und so begab er sich nach Wien. Dort, wo das Musikleben selbst in den schlimmsten Tagen in hohen Wogen fluthet, fand er, was er suchte und in Salieri [Band XXVIII, S. 97] bald einen wohlwollenden Meister, der ihm überdies Unterricht in der Composition ertheilte. Zu gleicher Zeit aber wirkte auch Mozart in Wien, dessen Schaffen ihn vor Allem entzückte, dessen gemüthliches Wesen ihn so recht anheimelte und an den er sich auch bald mit solcher Innigkeit anschloß, daß er dessen unzertrennlicher Gefährte wurde. Er begleitete den Freund auch auf dessen letzter Kunstreise nach Prag, wohin diesen im Sommer 1791 die Stände zur Composition der Krönungsoper für den Kaiser Leopold eingeladen hatten. An der Vollendung dieser Krönungsoper, „La Clemenza di Tito“, welche Mozart bekanntlich in der unglaublich kurzen Zeit von nicht vollen drei Wochen componirte, hatte Süßmayer nicht geringen Antheil. Denn ganz mit dem Wesen des Meisters vertraut, in dessen musikalisches Empfinden sozusagen eingeweiht, verstand er es wie keiner, was der Tonheros skizzirte, auszuführen und nach dessen mündlichen Anweisungen zu instrumentiren. Franz Dussek, in dessen Hause Mozart’s dramatischer „Schwanengesang“ der Vollendung entgegenging, hat es oft bezeugt, daß der Meister seinem bewährten Freunde die Arietten der Servilia, des Publius und Annius ausschließlich [291] zur Ausarbeitung überließ und höchstens an die von demselben vollendeten Tonstücke die letzte Feile anlegte. Es wird durch diese Thatsache Mozart’s Ruhm keineswegs geschmälert, zumal wenn man bedenkt, daß der Meister schon sehr leidend nach Prag gelangte und wenige Monate darauf (am 5. December 1791) für ewig seinen unsterblichen Geist aushauchte. Aus jener Thatsache aber erklärt sich denn auch eine andere, welche nachmals viel Staub aufgewirbelt und eine förmliche Literatur, ja einen kleinen Krieg in der Musikliteratur hervorgerufen hat. Es ist bekannt, daß sich Mozart in seinen letzten Lebenstagen mit der Composition eines Requiem beschäftigte, welches er nicht mehr vollenden sollte, und über dessen Ausführung er eben dem Freunde noch kurz vor seinem Tode die nöthigen Andeutungen gab. Es ist daher auch leicht zu begreifen, daß Mozart’s Witwe eben in Süßmayer den Mann wählte, welcher das große Opus posthumum des Verewigten vollenden sollte, da ja nur er in den Gedankengang des Tondichters und des Werkes desselben völlig eingeweiht war und auch früher wiederholt treffliche Proben abgelegt hatte, daß er es verstand, sich in den Geist seines Meisters, an dem er stets mit ganzer Seele gehangen, hineinzudenken. Die später von André in Offenbach mit diplomatischer Treue dem Original-Manuscripte nachgeformte Partiturausgabe des Mozart’schen Requiem hat nun Süßmayer’s Antheil an dieser Arbeit vollkommen klar gestellt und damit zugleich auch die von Gottfried Weber in libellartiger Weise aufgeworfene Streitfrage über die Echtheit jenes fragmentarischen Nachlasses endgiltig entschieden. Nach Mozart’s Tode knüpfte Schikaneder , für den, wie bekannt, Jener seine unsterbliche „Zauberflöte“ componirte, mit Süßmayer an, der für ihn schon früher ein paar Operetten componirt hatte. Dieser Tonkünstler schrieb nun für Schikaneder die Oper „Der Spiegel aus Arkadien“, an welcher selbst ein nicht musikalisches Ohr das große Vorbild Mozart’s erkennen muß, ein Werk, das in der Partie des Vipernfängers und seiner Gattin in der That auch gar lebhaft an das Urbild des Papageno erinnert, sonst aber weitaus nicht die Schönheiten der „Zauberflöte“ aufzuweisen hat, obgleich seine Aufführung einen glänzenden Erfolg davontrug. Und diese günstige Aufnahme, welche Süßmayer’s Oper von Seite des Wiener Publicums fand, hatte auch 1795, n. A. schon 1792 seine Anstellung als Hofcapellmeister zur Folge. Aber gleich seinem Vorbilde gefährdete auch er durch das lustige Leben, in welches Schikaneder Mozart und ihn hineingezogen hatte, seine Gesundheit und führte sein viel zu frühes Ende herbei. Er componirte viel und mitunter sehr umfangreiche Bühnenwerke. Während seine Freunde ihn einen „zweiten Mozart“ nannten, finden unbefangenere Musikkritiker an seinen Tondichtungen weder Originalität, noch poetische Tiefe; doch sprechen sie ihnen weder Melodie, noch einen lieblichen, ja volksthümlichen Charakter ab, durch den sie eben von Seite des Publicums eine fast enthusiastische Aufnahme fanden. Süßmayer war als Componist noch unfertig und würde, wenn er länger gelebt hätte, ungleich Edleres geschaffen haben, als wir von ihm besitzen; immer aber zählt er zu jenen Componisten, welche gute Musik unter das Volk gebracht und sich von jener banalen Frivolität, [292] die sich heut zu Tage zur Herrscherin aufwirft und ihr Scepter schwingt, fern gehalten haben. Das hier folgende Verzeichniß seiner Compositionen macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit, dürfte jedoch kaum ein bedeutendes Werk vermissen lassen.

Süßmayer’s Compositionen.Moses“. Für das Schikaneder’sche Theater. Gerber bezeichnet dieses Werk als Operette, als welche es bereits 1792 aufgeführt wurde. Nun ging es als große Oper unter dem Titel „Moses oder der Auszug aus Egypten“ im Jahre 1796 im Theater an der Wien und wiederholt daselbst in den Jahren 1800 und 1803 in Scene; am 25. December 1812 aber wurde „Moses“ als Oratorium im k. k. Redoutensaale in Wien zum Vortheile der Bürgerspitals-Anstalt St. Marx gegeben. [Operette, Oper, Oratorium, sind dies drei verschiedene Compositionen ein und desselben Themas? Welches von diesen dreien ist eigentlich Süßmayer’s „Moses“ ?] – „Die schöne Schusterin“. Operette. Daraus erschien eine Tenorarie in Wien im Stiche. – L’incanto superato“. Opera buffa. 1793 in Wien gegeben. – „Der Spiegel aus Arkadien“. Operette in zwei Acten. 1794 in Wien mit großem Beifalle gespielt. Dem Texte nach wurde die Oper dann zu Weimar umgearbeitet und unter dem Titel „Die neuen Arkadier“ aufgeführt. Die zahlreichen Ausgaben und Arrangements dieser Oper bezeugen es, welche enthusiastische Aufnahme sie gefunden, denn sie erschien im Stiche fürs Clavier: in Wien bei Artaria, in Offenbach bei André, in Heilbronn, in Berlin bei Rellstab, und in Braunschweig; ferner in Bearbeitung als Quartett, und zwar: zwei Violinen, Alt und Baß, in Wien bei Artaria, desgleichen für Flöte, Violine, Alt und Baß, ebenda; als Duo für zwei Flöten, von Ehrenfried, bei Simrock in Bonn. Der in Wien erschienene musikalische Manuscripten-Katalog der Musikhandlung Traeg wies in Handschrift aus: eine acht- und eine sechsstimmige Harmonie und ein Duo für zwei Violinen. – „Die edle Rache“. Operette. 1795, nach Anderen schon 1792 in Wien aufgeführt. – I due gobbi oder die zwei Buckligen“. Opera buffa. Gemeinschaftlich mit Paër in Musik gesetzt und 1796 in London mit außerordentlichem Beifalle aufgeführt. Einzelne Nummern daraus sind in London auch im Stiche erschienen. – „Die Freiwilligen“. Schauspiel von Stephanie. Mit Gesang. 1796 in Wien gegeben. Kaiser Leopold II. beschenkte den Componisten für dieses Werk mit einer goldenen Dose. – „Der Retter in Gefahr“. Cantate. 1796 in Wien aufgeführt. Sie wurde zweimal im großen Redoutensaal zum Besten des neuen Freicorps gegeben. Dichtung und Composition, Gesang und Orchester, Alles wurde unentgeltlich auf dem Altar des Vaterlandes geopfert. Der „Eipeldauer“ in seinen Briefen an seinen Vetter berichtet über diese Aufführung: „Z’ Mittag um 12 Uhr hat d’ Kantati ang’fangen und da sind über 3000 Menschen beisammen g’wesen. ’s Leggeld ist nur 1 fl. g’wesen. aber d’ meisten gnädig’n Herrn und Frau’n haben 1 fl. 8 kr. (!) zahlt, und Einige haben sogar ein’ Ducaten geben. Den Schlußchor sang das Publikum mit; Herren stiegen auf die Bänke und schrien: „Es lebe der Kaiser!“ und schwenkten die Hüte. Das Rührende laßt sich nicht b’schreiben“. So im 30. Hefte. Im 31. Hefte heißt es weiter: „D’ vorige Wochen haben’s im Redoutensaal wieder die berühmte Kantate aufg’führt und weil’s dösmal was z’ Essen und z’ Trinken dabei geben hat, so ist’s noch zweimal so voll g’west als sonst. D’ patriotische Kantati hat nur a Stund’ dauert, aber’s Essen und Trinken ist bis in der Fruh fortgangen“. Die Cantate ist wiederholt im Stich erschienen: in Wien bei Eder, in Berlin bei Rellstab, beide fürs Clavier. – „Der Wildfang“. Operette. 1798 in Wien aufgeführt. Fürs Clavier 1798 gestochen. – „Der Marktschreier“. Operette. 1799 in Wien gegeben. Davon erschien die Ouverture fürs Orchester bei André in Offenbach gestochen. – „Die Liebe im Serail“. Operette. 1799 in Wien gespielt. – „Soliman der Zweite oder die beiden Sultaninen“. Operette. Aufgeführt 1800 in Wien. Erschien fürs Clavier gestochen bei Simrock in Bonn. – „Il Turco in Napoli“. Opera buffa. Für Prag geschrieben, wo sie auch unter seiner persönlichen Leitung im Jahre 1794 auf dem königlich landständischen Theater gegeben wurde. In Wien ging sie erst 1800 in Scene. – „Gulnare“. Opera buffa. 1800 in Wien gespielt. – „Cantate auf die Ankunft des [293] Erzherzogs Karl“. In Wien aufgeführt. Fürs Clavier gestochen. – „Ariadne a Nassos“. Cantata a voce sola con Cembalo. Ungedruckt. – Zwei Cantaten von Rautenstrauch: „Der Retter in Gefahr“ und „Der Kampf für den Frieden“. Beide aufgeführt. – „Liebe macht kurzen Proceß“. Operette. Gemeinschaftlich mit Hoffmeister und Wölfl componirt. – „Phasma oder die Erscheinung aus dem Verschwiegenheitstempel“. Operette. 1801 in Wien gegeben. – „Il noce di Benevento“. Ballo di Viganò. Erschien bei Ricordi in Mailand im Stich. Daraus auch besonders „Contradanza delle Streghe“. Die Beilage zu Nr. 43 des Jahrganges 1825 der Leipziger „Musikalischen Zeitung“ bringt Fragmente aus diesem in Deutschland unter dem Titel „Die Zauberschwestern aus dem Beneventer Walde“ bekannten Ballete. Die so reiche Sammlung musikalischer Manuscripte von den berühmtesten Tonheroen, welche die Musikfirma Ricordi besitzt, enthält das Autograph einer Cavatina von Süßmayer: „L’aspetto d’una femina“. Außerdem componirte S. viele kleinere Tonwerke, Märsche, so jenen für das Freiwilligen-Aufgebot im Jahre 1797, Fest- und andere Lieder, darunter das der Geburtstagsfeier des Kaisers Franz II. von der Prager Universität gewidmete, von Professor Niemeczek verfaßte Lied, welches von einem zahlreichen Orchester im Jahre 1794 in der Teinkirche abgesungen wurde, und wofür ihm die Universität durch die Hand des Rectors mit einem ehrenvollen Schreiben eine kostbare goldene Dose verehrte; endlich noch vieles Andere, insbesondere in seinem letzten Lebensjahre, in welchem er durch eine Krankheit fast fortwährend ans Zimmer gefesselt blieb und diese unfreiwillige Muße durch fleißiges Componiren sich erträglich zu machen suchte. Wie heut zu Tage, benützte man auch damals Motive Süßmayer’scher Compositionen zu Variationen u. dgl. m., so z. B. componirte ein Abt, Namens Joseph Robert Suppan, in Gratz, über das Duett „Die Milch ist gesünder“ aus Süßmayer’s „Spiegel aus Arkadien“ „XII Variations p. le Clav.“, welche 1799 bei Artaria in Wien im Stich erschienen sind.
Quellen zur Biographie. Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. V, S. 236 [nach diesem geb. in Wien (?) im Jahre 1766, gest. 1803, also im Alter von 37 Jahren. Demnach ist die Angabe am Schlusse: gestorben im Alter von 47 Jahren, um volle 10 Jahre zu hoch gegriffen]. – [Dlabacz (Gottfried Johann), Allgemeines historisches Künstler-Lexikon für Böhmen und zum Theile auch für Mähren und Schlesien (Prag 1815, Haase, 4°.) Bd. III, Sp. 241. – Annalen der Literatur und Kunst in den österreichischen Staaten (Wien, 4°.) II. Jahrg. (1803, December, Nr. 35, S. 275. – Wurzbach (Constant von) „Mozart-Buch“ (Wien 1869, Wallishausser, 8°.) S. 51, 165, 166. – Sievers’ (G. L. P.) Mozart und Süßmayer, ein neues Plagiat, Ersterem zur Last gelegt und eine neue Vermuthung, die Entstehung des Requiems betreffend (Mainz 1829, K. Schott’s Söhne). – Rheinische Blätter für Unterhaltung u. s. w., Beiblatt zum „Mainzer Journal“ 1850, Nr. 179, S. 714: „Mozart’s Requiem“. – Hanslick (Eduard), Geschichte des Concertwesens in Wien (Wien 1869, Braumüller, gr. 8°.), Seite 170. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.). Zweite Abtheilung. Bd. X, S. 946. – Gerber (Ernst Ludwig), Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1812, Lex.-8°.) Bd. IV, Sp. 303. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in Einem Bande (Stuttgart 1849, Franz Köhler, Lex.-8°.), S. 810. – Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Dresden, Robert Schäfer, gr. 8°.) Band III, S. 675 [eine jener nichtssagenden Artikel, von denen dieses Werk übervoll ist]. – (Schwaldopler), Historisches Taschenbuch [auch u. d. T. „Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts“]. Mit besonderer Rücksicht auf die österreichischen Staaten (Wien, Anton Doll, kl. 8°.), III. Jahrg. (1803), S. 200 u. f. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1866, Nr. 641 im Feuilleton: „Patriotische Concerte in Wien. Ein geschichtliches Erinnerungsblatt“. Von Ed. Hanslick.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Compoponist.