Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 57 (1889), ab Seite: 216. (Quelle)
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Wölfl, Joseph (Tonsetzer, geb. zu Salzburg 1772, gest. in London 12. Mai 1812, nach Anderen 1814). Der Sohn eines Verwalters der landesfürstlichen Stiftungen, bildete er sich in der Musik in seiner Vaterstadt unter Leopold Mozart und Michael Haydn. Schon in seinem siebenten Jahre spielte er mit allgemeinem Beifall ein Violinconcert. Er studirte vorzüglich das Clavier und wurde einer der größten und fertigsten Pianisten seiner Zeit. Als sich der Ruf Mozart’s in ganz Deutschland verbreitete, beschloß Wölfl’s Vater, den Sohn zur musicalischen Ausbildung dem unsterblichen Meister zu übergeben. Und dieser nahm Wölfl auf das wohlwollendste auf, und Beide wurden innige Freunde. Mozart empfahl auch den damals 18jährigen Wölfl dem polnischen Grafen Ogiński als Capellmeister. In Warschau machte der junge [217] Tonkünstler großes Aufsehen. Alles verlangte den Virtuosen zum Meister, und es waren Wölfl’s goldenste Tage, leider nur von zu kurzer Dauer, denn als die polnische Revolution ausbrach, verlor Ogiński (1794) sein Vermögen und Wölfl seinen bisherigen Dienst. Letzterer blieb noch ein Jahr in Warschau und ging nach der Theilung Polens 1795 nach Wien. Hier componirte er viel und war bei seinem heiteren Wesen ebenso allgemein beliebt, als seiner Kunstfertigkeit wegen bewundert. Hier schrieb er auch für Schikaneder’s Theater in der Vorstadt Wieden die komische Oper „Der Höllenberg“ (1795), die sehr gefiel. Diese Oper erschien im Stich fürs Clavier in Wien bei Artaria und in Braunschweig. Im Jahre 1798 componirte er für das Hofoperntheater die Operette „Das schöne Milchmädchen oder der Guckkasten“, und für Schikaneder’s Theater die Operette „Der Mann ohne Kopf“, welch letztere gleichfalls großen Beifall fand, und aus welcher ein Marsch für das Clavier im Stich erschien. Die ebenfalls in Wien geschriebene Oper „Das trojanische Pferd“ scheint nicht zur Aufführung gekommen zu sein. 1798 vermälte sich Wölfl mit der Schauspielerin Therese Klein, nach Anderen Klemm. Da seine Ehe sich wenig glücklich gestaltete, ging er 1799 auf Kunstreisen, auf welchen er die meisten Städte Deutschlands besuchte. Bei dem Enthusiasmus, den er mit seinem namentlich durch seine Riesenhände ungemein begünstigten Spiel überall erregte, glich diese Reise einem förmlichen Triumphzuge. Sein letztes Concert, bevor er Deutschland verließ, gab er in Hamburg am 30. November 1799. In Dresden hatte sich die Capelle schon zur Probe eines Concertes versammelt, die Stimmen waren aufgelegt, und es fehlte zum Beginne des Concertes nichts mehr als das Instrument, auf dem er spielen sollte. Endlich wurde es gebracht, aber es war um einen halben Ton zu tief gestimmt. Als der Clavierstimmer dann erklärte, das Instrument nicht vor einer Stunde in die richtige Stimmung bringen zu können, setzte sich Wölfl ans Clavier, um das Orchester nicht länger warten zu lassen, und spielte sein in C gesetztes Concert (eines der schwersten Pianoforteconcerte) mit solcher Fertigkeit, Reinheit und Präcision aus Cisals ob es in dieser Tonart geschrieben gewesen wäre. 1799 kehrte er nach Wien zurück, aber die häuslichen Zerwürfnisse hielten ihn nicht lange daheim, er ging wieder auf Reisen, und zwar 1801 über Holland und die Niederlande nach Paris, wo er mit seinem Spiel neuerdings allgemeine Bewunderung erregte. Daselbst schrieb er auch die Oper „L’amour romanesque“, die 1804 zum ersten Male aufgeführt wurde. Im Jahre 1805 ging er nach London, dort aber fand er den erwarteten Beifall nicht, seine Ausgaben standen in dieser theueren Stadt in keinem Verhältnisse zu seinen Einnahmen, sein Leichtsinn im täglichen Leben schwächte seine Gesundheit, und er starb in einem Dorfe bei London in größtem Elende. Da durch die Continentalsperre alle Verbindung mit dem Festlande unterbrochen war, erfuhr man lange nichts von ihm und über ihn. Erst als sich seine Witwe mit dem Oboisten des Frankfurter Orchesters, Schmitt, vermälte, erhielt man authentische Nachrichten über seinen Tod. Seine Fertigkeit im Taschenspiel soll ihn in Verbindung mit einem Falschspieler in üblen Ruf gebracht und zunächst das Elend verursacht haben, in das er gerathen war. Die Virtuosität [218] Wölfl’s auf dem Piano war eine ganz ungewöhnliche, und damit verband er eine muscalische Begabung außerordentlicher Art. Er war ein Zeitgenoß Beethoven’s und im Pianospiele dessen Rival. Beethoven’s Spiel war sehr brillant, doch weniger delicat und schlug zuweilen in das Undeutliche über. Seine Hauptstärke besaß dieser Tondichter im freien Phantasiren, und darin leistete er wirklich Großartiges, denn jedes ihm gegebene Thema verstand er mit Leichtigkeit und Sicherheit in der Ideenfolge zu variiren, ohne den leitenden Gedanken des Tonstückes zu verlieren. Wölfl aber war ihm darin überlegen, daß er mit gründlich musicalischer Gelehrsamkeit und wahrer Würde in einer Composition Sätze, deren Ausführung geradezu unmöglich schien, mit Grazie und Deutlichkeit vortrug. Auch war sein Vortrag überall klar, im Adagio gefällig und einschmeichelnd, so daß, während man ihn bewundern mußte, das Wohlgefühl des Genusses auch nicht im Geringsten beeinträchtigt wurde. In Frankreich, wo es fremden Künstlern immer sehr schwer gemacht wird, eroberte sich Wölfl bald sein Publicum. Die Franzosen erblickten in dem Pianisten, dessen Namen sie in unbewußter Ahnung der Größe des Künstlers in Wolf wandelten, ein halbes Wunder und hielten ihn, in ihrer Weise sich auszudrücken für einen des hommes les plus étonnants de l’Europe sur le piano. Für die Richtigkeit der Angabe, daß Wölfl Musiklehrer der Kaiserin Josephine gewesen und diese nach ihrer Scheidung von Kaiser Napoleon in die Schweiz begleitet habe, können wir keine Beweise beibringen, wenngleich wir die Sache für sehr möglich halten.

Uebersicht der im Stich erschienenen Compositionen für Kammermusik von Wölfl. „2 sonates pour le clavecin“ Op. 1 (Offenbach 1795). – „3 sonates pour le clavecin avec violon“ Op. 2 (Wien 1796, Mollo). – „3 sonates pour le clavecin“ Op. 3 (ebd. 1797). – „3 quartetti a 2 viol., A. e B.“ Op. 4 (Wien bei Kozeluch, Offenbach bei André 1798). – „3 sonates pour le clavecin avec violon et B.“ Op. 5 (Augsburg 1795). – „3 sonates pour le clavecin“ in As, D und A, Op. 6 (ebd. 1798; Herrn Ludwig von Beethoven dedicirt). – „3 sonates pour le clavecin“ Op. 7 (Wien 1799, Eder). – „3 sonates pour le clavecin avec violon“ Op. 8 (Augsburg 1800). – „3 sonates avec flûte“ Op. 9 (Leipzig). – „6 quartetti a 2 violini, A. e B.“ Op. 10, Liv. 1 et 2 (ebd. 1800, Breitkopf). – „3 sonates pour le clavecin avec flûte“ Op. 11 (ebd. 1800, Breitkopf). – „Marche et rondeau avec. fl.“, in D, Op. 13 (ebd.). – „3 sonates pour le clavecin avec violon composées des idées prises de „La creation“ de Haydn“ Op. 14 (ebd. 1801, Breitkopf). – „3 sonates pour le clavecin“ Op. 15 (Wien 1802). – „3 sonates pour le clavecin avec v. et vo.” in B, D und C, Op. 16 (Paris). – „Sonate pour le clavecin à 4 mains“ Op. 17 (Leipzig, Kühnel). – „Premier concert pour le clavecin“, in G, Op. 20 (Paris). – „3 sonates pour le clavecin à 4 mains“ Op. 22 (Leipzig). – „3 grands trios pour le clavecin, viol. et vo.“, in D, E und C, Op. 23 (ebd.). – „Sonates progressives pour le clavecin et violon“ Op. 24. – „Grand trio pour le clavecin et vo.“ Op. 25. – „Second concert pour le clavecin“, in E, Op. 26 (Paris und Leipzig). – „Sonate pour le pianoforte avec violon ou flûte“ Op. 27 (Leipzig, Kühnel). – „3 sonates pour le clavecin“ Op. 28. – „Grand sonate pour le clavecin et violon“ Op. 29. – „3 quatuors à 2 v., A. et B.“, in Es, G und D, Op. 30 (Paris und Leipzig). – „Grand duo pour le clavecin et violon“ Op. 31. – „Troi sième grand concert pour le pianoforte“, in F, Op. 32 (ebd. 1807), dédié à J. B. Cramer. – „3 sonates pour le pianoforte“ Op. 33 (ebd. 1807). – „Sinfonia“, in Cm, Op. 40 (Leipzig, Breitkopf). – „Non plus ultra. Grande sonate pour le pianoforte“ Op. 41 (Leipzig, Offenbach und Wien). – „Le diabie a quatre, grande sonate“, in E, Op. 50 (ebd.). Außer [219] diesen Compositionen mit Opuszahl sind noch bekannt: „9 variations pour le clavecin sur le terzetto: Pria ch’io l’impegno Nr. 1 (Wien 1797, Träg). – „Variations pour le clavecin sur une pièce d’Alcina“ Nr. 2 (ebd., Träg). – „9 variations pour le clavecin sur: Weil der Mond so lieblich scheint Nr. 3 (ebd. 1799, Träg). – „9 variations pour le clavecin sur: Ach schön willkommen aus der Winter’schen Oper „Das Labyrinth“, Nr. (ebd. 1798, Träg). – „9 variations pour le clavecin sur: Herbei, herbei, ihr Leute aus vorgenannter Oper, Nr. 5 (ebd). – „9 variations pour le clavecin sur: La stessa, la stessissima Nr. 6 (ebd. 1799, Träg). – „9 variations pour le clavecin sur: Die Hölle ist finster Nr. 7 (ebd. 1802, Träg). – „9 variations pour le clavecin sur: Weibchen, treu wie euer Schatten (Wien bei Artaria, Offenbach bei André). – „9 variations pour le clavecin sur: Wenn ich nur alle Mädchen wüsste (Wien 1798, Leipzig bei Kühnel). – „9 variations pour le clavecin sur: Schau, dass du bald ein Meister bist (Wien 1799, Eder). – „9 variations pour le clavecin sur: Kind, willst du ruhig schlafen (Hamburg 1799, Böhm). – „Die Geister des Sees. Ballade, für Clavier und Gesang“ (Leipzig 1799, Breitkopf). – „Gesänge am Clavier. 2 Hefte, enthaltend Lieder und eine vierstimmige Hymne von Ramler“ (ebd. 1799, Breitkopf). – „Air: Mein Vater hat gewonnen, varié pour le clavecin“ (ebenda 1801, Kühnel). – „9 variations pour le clavecin sur: Se vuol ballare de Mozart (ebd. 1802, Breitkopf). – „Sonate pour le clavecin avec flûte obligée“ (1801). – „Romance de Méhul, variée pour le clavecin“ (Leipzig und Paris). – „Sonate avec introduction et fugue pour le clavecin“, in Cm, Nr. 12 des Repertoire de clavecin (Zürich 1807, Nägeli). – „9 variations pour le clavecin“ (Leipzig). – Variationen auf das Lied: „Wenns Liserl nur wollt’“ (Offenbach). – „Variationen (Menuet: Der Fischer)“, in B (ebenda). – „12 valses“ (Leipzig, Offenbach und Paris). – „6 valses“ (Bonn). – „Marcia et rondo pastorale“, in D (Offenbach). – „Grand marche“ (Leipzig). – „6 calme. Grand concert“, in G (Leipzig und Offenbach). – „Concerto di camera“, in Es (Offenbach). – Der von Wölfl componirten Opern geschah schon in der Biographie Erwähnung. Die Oper „L’amour romanesque“ erschien vollständig bei Breitkopf und Härtl in Leipzig im Stich; die Ouverture dazu aber in allen möglichen Bearbeitungen, und von der Oper „Der Höllenberg“ erschienen auch mehrere Nummern im Stich.
Quellen. Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Für Künstler, Kunstfreunde und alle Gebildeten. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Offenbach 1861, Joh. André, gr. 8°.) Band III, S. 887. – Hanslick (Eduard). Geschichte des Concertwesens in Wien (Wien 1869, Braumüller, gr. 8°. – Leipziger allgemeine Musik-Zeitung, 3. October 1800, S. 40. – Gerber (Ernst Ludw.). Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler u. s. w. (Leipzig 1814, Kühnel, gr. 8°.) Bd. IV, Sp. 598–602. – Gaßner (F. S. Dr.). Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Franz Köhler, Lex. 8°.) S. 903. – Engl (Joh. Ev.). Gedenkbuch der Salzburger Liedertafel zum fünfundzwanzigjährigen Stiftungsfeste am 22. November 1872 (Salzburg, 8°.) S. 269. – (Wigand’s) Conversations-Lexikon, XV. Theil. S. 285. – Biographien salzburgischer Tonkünstler (Salzburg 1845, Oberer, kl. 8°.) S. 53. – Pillwein (Benedict). Biographische Schilderungen oder Lexikon salzburgischer theils verstorbener, theils lebender Künstler u. s. w. (Salzburg 1821, Mayr, kl. 8°.) S. 262. – Riemann (Hugo Dr.). Musik-Lexikon. Theorie und Geschichte der Musik u. s. w. (Leipzig 1882, bibliogr. Institut, br. 12°.) S. 1019 [nach diesem gest. 11. Mai 1812]. – Allgemeine Wiener Musik-Zeitung (Wien, 4°.) III. Jahrg., 8. August 1843, Nr. 94.
Porträts. 1) Gezeichnet von Tielker (gr. Fol.) – 2) Scheffner sc. (4°.). – 3) H. W. Pyne del., Meyer sc. (Fo.), fast ganze Figur.