Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Petzold, B.
Band: 22 (1870), ab Seite: 160. (Quelle)
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Pezzl, Johann (philosophischer, historischer und belletristischer Schriftsteller, geb. zu Mollersdorf in Niederbayern im Jahre 1756, gest. zu Wien, nach Einigen im J. 1823, nach Anderen erst im J. 1838). Ueber den Lebens- und Bildungsgang dieses interessanten Mannes ist nur Weniges bekannt. Er studirte die Rechte in Salzburg und beschäftigte sich frühzeitig mit schriftstellerischen Arbeiten, und schon die erste derselben, seine Briefe aus dem Noviziat – die bibliographischen Titel seiner zahlreichen Werke folgen weiter unten – zog ihm eine gerichtliche Untersuchung zu. Ob er derselben durch die Flucht sich entzog, oder ob erst nach derselben sich in die Schweiz begab, ist nicht festzustellen, seit dem Jahre 1782 lebte er als Privatgelehrter in der Schweiz und im Jahre 1785 begab er sich nach Wien, wo er bald die Stelle eines Secretärs, Lectors und Bibliothekars bei dem Staatskanzler Fürsten von Kaunitz erhielt. Einige Jahre später erlangte er eine Anstellung in der Chiffrekanzlei. In der Folge heirathete er eine vermögliche Frau und kam, wie Karoline Pichler erzählt, die ihn als einen Mann voll Geist, Leben und Kenntnissen, der viel in geselligen Kreisen verkehrte, schildert, durch diese Heirath, noch mehr aber durch die Geschäfte seiner Anstellung nach und nach aus seinen Beziehungen zur geselligen Welt. P. war ein ungemein fruchtbarer und vielseitiger Schriftsteller; wenn ihn auch Menzel in seinem Werke: „Die deutsche Literatur“ (Stuttgart 1836), I, S. 146, übrigens der Einzige, der seiner gedenkt – denn Laube, Goedeke, Kurz, Gottschall u. A. nennen auch nicht seinen Namen – wenig glimpflich aburtheilt, so erscheint diese Verurtheilung als ebenso befangen wie unbegründet und beruht auf der Kenntniß einiger weniger Schriften, die eben nichts zu Pezzl’s Autorruhm beigetragen, während doch andere ihm als specifisch-wienerischen Schriftsteller immerhin einige Bedeutung sichern. Pezzl’s Schriften sind in chronologischer Folge: „Briefe aus dem Noviziat an einen Freund“, 4 Bändchen (Zürch 1780 bis 1783, Orell, 8°.); – „Faustin oder das philosophische Jahrhundert“ (ebd. 1783, mit K. K.; 2. Aufl. ebd. 1784; 4. Aufl. 1788), dieses Werk wurde öfter – unter andern zu München im Jahre 1783 – nachgedruckt und dem Verfasser ein zweiter Theil untergeschoben; das Werk zeigt von hellem Geiste, gereifter Welt- und Menschenkenntniß und einer ausgebreiteten Belesenheit; – „Reisen eines Philosophen, oder Bemerkungen über die Sitten von Afrika, Asien und Amerika. Aus dem Französischen“ (Salzburg 1783, Mayr), eine Bearbeitung des Werkes von Poivre: „Voyages d’un philosophe“ (Yverdon 1768), das im Original oft aufgelegt worden; – „Sincerus, der Reformator“ (Frankfurt und Leipzig 1787 [Zürch, Orell], 8°.); – „Reise nach Ostindien und China in den Jahren 1774–1781; aus dem Französischen“. Mit 140 Originalkupfern, 2 Bände (Zürch 1783, Orell, gr. 4°.), eine Bearbeitung des französischen Originals von P. Sonnerat: „Voyage aux Indes orientales et à la Chine“ (Paris 1782, 4°.); – „Reise durch den bayerischen Kreis“ (Salzburg und Leipzig 1784, 8°.); – „Reisen durch Polen, Russland, Schweden und Dänemark, mit historischen Nachrichten und politischen Bemerkungen. Aus dem Englischen“, 3 Bände, mit K. K. und Karten (Zürch 1785–1795, Orell, gr. 4°.), Bearbeitung des englischen Werkes von William Coxe; – „Biographisches Denkmal Risbeck’s, Verfassers der Briefe eines reisenden Franzosen und anderer Schriften“ (Kempten [Wien] 1786, 8°.); [161] – „Maroccanische Briefe, aus dem Arabischen“ (Frankfurt und Leipzig 1784, Kraus, 8°.), eine Art Seitenstück zu Montesquieus„Lettres persannes“; – „Denkmal an Maximilian Stoll, herausgegeben von Al. Blumauer“ (Wien 1788, Gräffer, 8°.); – „Skizzen von Wien“. 6 Hefte (Wien 1786–1790, Degen, 8°.); da Pezzl’s Schriften über Wien ihres culturhistorischen Werthes wegen von Kennern noch immer geschätzt und gesucht sind, so lasse ich auch die übrigen hier folgen: „Skizze von Wien unter der Regierung Joseph’s II.“, 2 Bände (Wien 3. Aufl. 1853, Mörschner, 12°.); – „Neue Skizze von Wien unter der Regierung Franz II.“, 3 Hefte (Wien 1805 bis 1812; neue Aufl. 1829, v. Mösle, 8°.); – „Beschreibung der Haupt- und Residenzstadt Wien“ (Wien 1806; 3. Aufl. 1809; 4. Aufl. 1816; 5. Aufl. 1820; 6. verb. Aufl. mit 1 Karte 1823; 7. Ausg. verbess. u. verm. von Franz Ziska, mit 15 K. K., 1 Vign. u. 2 Plänen 1826, Armbruster, bis zur 5. Aufl. in 16°.; die 6. in 12°.; die 7. in gr. 12°, und auch ohne K. K. u. Pläne), von diesem Werke erschien auch eine französische Ausgabe:„Nouvelle Description de Vienne“ (4. Aufl. Wien 1822, Mörschner; 5. verbess. u. verm. Aufl. von J. S. Berman 1829, 12°.); – „Die Umgebungen Wiens als Fortsetzung der Beschreibung von Wien“. Mit 1 Reisekarte (ebd. 1807, 16°., 3. Aufl.), auch französisch; – „Wien mit Umgebungen und dessen Merkwürdigkeiten, oder unterrichtender Wegweiser für Fremde“, mit Plan (ebd. 1821; Artaria u. Comp., 8°.), auch französisch: „Guide de Voyagers à Vienne“ etc.; – „ Johann Pezzl’s Chronik von Wien. Berichtigt, vermehrt und bis auf die neueste Zeit fortgesetzt von Franz Ziska“. Mit 1 Portr., 1 Vign. u. 2 Plänen (ebd. 1824, Armbruster, 12°., auch Ausg. ohne K. u. Pl.); es wurde damit das Sammelwerk: „Wiens Geschichte, Beschreibung und Umgegend. Bearbeitet von J. Pezzl, Franz C. Weidmann, Franz Zika u. A.“ eröffnet, weitere Bände sind nicht erschienen; – die übrigen Schriften P.’s sind: „Vertraute Briefe über Katholiken und Protestanten“ (Straßburg [Wien] 1787, 8°.); – „Loudon’s Lebensgeschichte“. Mit Porträt (Wien 1791, Degen, 8°.), die Vignette stellt Loudon’s Grabmal dar; – „Eugen’s Leben und Thaten“ (ebd. 1791, 8°.); – „Charakteristik Joseph’s II. Eine historische und biographische Skizze“. Mit Portr. (ebd. 1. u. 2. Aufl. 1790; 3. Aufl. 1803; 4. Aufl. 1807; ebd. 1824, 8°.); – „Lebensbeschreibungen des Fürsten Montekukuli, des Fürsten Wenzel Lichtenstein, des Hofraths Ignaz von Born, sammt einem Porträte“ (Wien 1792, Degen, 8°.), die vier letztgenannten Werke bilden auch eine unter dem Gesammttitel: „Oesterreichische Biographie oder Lebensbeschreibungen seiner berühmten Regenten, Helden u. s. w.“ erschienene vierbändige Sammlung; – „Ulrich von Unkenbach und seine Steckenpferde“. 2 Theile (Wien 1800, 8°.), Satyre auf Gall’s Schädellehre; – „Gabriel oder die Stiefmutter-Natur. Ein satyrisch-komischer Roman“ (Wien 1810, Armbruster, 8°.); – „Dictionnaire nouveau de poche français-allemand et allem.-français etc.“, 2 Theile (Wien 1821, Armbruster, 16°.), auch mit deutschem Titel; – „Herrn von Mouradgea d’Ohsson’s vollständige Schilderung des Ottomanischen Reichs. Aus dem Französischen. 2 Bdchn. mit K. K.“ (ebd. 1790, gr. 8°.), Bearbeitung des Werkes von D’Ohsson: „Tableau général de l’empire Ottoman etc.“ (Paris 1787 et s.). Gräffer nennt Pezzl den „österreichischen Voltaire“. Sein „Faustin“, sein [162] „Unkenbach“, sein „Gabriel“ sind ganz in Voltaire’s Geiste. Sie haben aber mehr Substanz, Gehalt und Kern. „Faustin“ ist die geistvollste Satyre auf das philosophische Jahrhundert, wie „Unkenbach“ auf die Phrenologie. Pezzl in Geist, Anmuth, Zauber, Schärfe und Leichtigkeit steht über dem Mann von Ferney. Montesquieu’s persische Briefe haben mehr philosophische Tiefe, aber weniger schneidendes Leben als Pezzl’s maroccanische. Gegen seine ältere Skizze von Wien ist Mercier’s Gemälde von Paris oberflächliches Gewäsch. Ist es nöthig, sich gegen den Verdacht vaterländischen Optimismus oder des Outrirens überhaupt festiglich zu verwahren? So Gräffer, der nicht ganz Unrecht hat.

Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 199. – Ersch und Gruber, Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste (Leipzig, Brockhaus, 4°.) III. Section, 20. Theil, S. 67. – (Schulz, Fr.) Literarische Anekdoten auf einer Reise durch Deutschland, S. 226. – Meusel (Joh. Georg), Das gelehrte Teutschland (Lemgo 1784, Meyer, 8°.) Bd. VI, S. 73 u. f.; Bd. XI, S. 609; Bd. XV, S. 31; Bd. XIX, S. 108. – Oesterreichischer Zuschauer, herausg. von J. S. Ebersberg (Wien, 8°.) Jahrg. 1837, II. Bd. [nach diesem gest. am 11. Juni 1823]. – Frankl (Ludw. Aug.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) II. Jahrg. (1843), S. 78 u. 268 [Pezzl’s Charakteristiken von Gräffer und Karoline Pichler]. – Gräffer (Franz), Kleine Wiener Memoiren u. s. w. (Wien 1845, 8°.) Bd. II, S. 237.