BLKÖ:Gall, Franz Joseph
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
---|---|---|---|
korrigiert | |||
<<<Vorheriger
Galimberti, Livius |
Nächster>>>
Gall, Joseph Anton | ||
Band: 5 (1859), ab Seite: 63. (Quelle) | |||
[[| bei Wikisource]] | |||
Franz Joseph Gall in der Wikipedia | |||
Franz Joseph Gall in Wikidata | |||
GND-Eintrag: 118537245, SeeAlso | |||
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
| |||
|
J. A. L. Fossati’s (siehe diesen IV. Bd. S. 307) Mittheilung einer lombardischen Familie, Namens Gallo, welche aus Mailand nach Deutschland übersiedelte. Von zehn Kindern eines Kaufmanns widmete er sich dem ärztlichen Studium, welches er in Straßburg begann. Daselbst von einer schweren Krankheit durch die Sorgfalt eines Mädchens gerettet, nahm er dasselbe aus Dankbarkeit zur Frau. 1781 ging er nach Wien, wo van Swieten und Stoll lehrten, erhielt daselbst die Doctorwürde und trieb neben seiner Praxis fleißig anatomische Studien, wobei er seine Aufmerksamkeit vorzugsweise auf die Anatomie des Gehirns und die genaueste Untersuchung des Nervensystems desselben richtete. 1796 begann er seine berühmten Vorträge über die Schädellehre in Wien, welche seinen Namen alsbald in ganz Europa bekannt machten. Sie wurden später verboten, nachmals aber für einen kleinen Kreis von Auserwählten – mit Ausschluß des großen Publicums – gestattet. 1805 verließ G. Wien, u. z. für immer, hielt Vorträge in Berlin, Magdeburg, Dresden und 1807 in Paris, wo er seinen bleibenden Aufenthalt nahm, großen Anhang für seine Lehre und eine bedeutende ärztliche Praxis fand. In Betreff der letzteren weigerten sich viele Aerzte, ihn zu ihren Consultationen beizuziehen, theils weil er Ausländer war, theils weil es G. so eingerichtet hatte, daß seine Patienten nie erfuhren, welche Arzneien sie erhielten; jeder Patient hatte nämlich eine bestimmte Nummer und der Apotheker erhielt die numerirten Receptformeln von G. unmittelbar. 1819 wurde G. als Franzose naturalisirt. Seine Reise nach London 1823, um daselbst [64] Vorträge zu halten, hatte seine Erwartungen getäuscht. Als er 1825 Witwer geworden, vermälte sich G. zum zweiten Male; drei Jahre später erlag er, 71 J. alt, den langwierigen Folgen eines Schlaganfalles. Die Zahl der Schriften, welche G. unmittelbar selbst herausgegeben, ist nicht groß. Es sind folgende: „Philos.-medicinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustande des Menschen“ (Wien 1791, mit neuem Titel: Leipzig 1800); – „Introduction au cours de physiologie du cerveau“ (Paris 1808); – „Recherches sur le système nerveux en général et sur celui du cerveau en particulier“ (Eb. 1809, 4°.), dieses Werk gab G. gemeinschaftlich mit Spurzheim heraus, der sich ihm noch in Wien angeschlossen, ihn nach Paris begleitet und dann seine Lehre verbreitet hatte. Später (1813) entzweite er sich mir ihm, aber kurz vor seinem Tode fand zwar keine persönliche Versöhnung Statt, weil eine solche G.’s Zustand nicht erlaubte, aber das Verlangen Beider, sich auszusöhnen, wie Fossati meldet, war ausgesprochen. Auch eine deutsche Uebersetzung erschien unter dem Titel: „Untersuchungen über die Anatomie des Nervensystems im Allgemeinen und des Gehirns insbesondere“, 2 Theile Paris und Straßburg 1809 u. 121); – „Anatomie et Physiologie du système nerveux en général et du cerveau en particulier...“, 4 Bde. (Paris 1810–19, 4°., mit einem Atlas von 100 Tafeln), der 1. u. 2. Bd. trägt noch Spurzheims Namen. Gall veranstaltete später eine wohlfeile Octavausgabe in 6 Bänden. Die einzelnen Bände dieser Ausgabe erschienen auch unter besonderen Titeln. [Vergl.: J. M. Quérard: La France littéraire... (Paris 1829 u. f.) III. Bd. S. 243.] Bedeutend hingegen ist die Literatur seines Systems, über welches nach Galls Vorlesungen und Unterredungen Werke von J. F. K. Arnold, H. G. C. v. Selpert, K. G. Blode u. A. herausgegeben wurden [vergl. die Quellen]. Obgleich G. um die Aufnahme in die Académie des sciences sich bewarb, so war doch die Zahl seiner Gegner zu groß, um sie zu erwirken.
Gall, Franz Joseph (Phrenolog, geb. zu Tiefenbrunn in Schwaben 9. März 1758, gest. zu Montrouge bei Paris 22. Aug. 1828). Entstammt nach- Die Taufnamen Johann Joseph, Friedrich Joseph, die ihm auf Bildern und in Werken beigelegt werden, sind sämmtlich falsch, er heißt Franz Joseph Gall. – Scheve (Gustav Dr. ), Phrenologische Bilder (Leipzig 1852–55, 2. Aufl.) enthält Galls Porträt, Biographie und ein Verzeichniß der über die Phrenologie erschienenen Werke. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Ilmenau, Voigt, 8°.) VI. Jahrg. (1828) II. Thl. S. 655 [nach diesem gest. 23. August 1828; er heißt daselbst Friedrich Joseph]. – Vrolik (Geraard), Het leerstelsel van J. Gall gechetst and opgehelderd (Amsterdam 1804, 8°.). – Bjoern (Christian), Historiske Efterretninger om Dr. Gall og hans Organlaere (Odensef (1810, 8°.). – Der Komet, herausg. von C. Herloßsohn. Literaturblatt. Beilage zum „Kometen“ 1830, Nr. 39: „Johann Joseph Gall. Notizen über ihn und seine Lehre“ von Otto von Deppen [enthält Mittheilungen über G.’s Besuche in den Gefängnissen zu Berlin und Spandau; er heißt hier falsch Johann Joseph statt Franz Joseph]. – Mathis. Juristische Monatschrift 1805, I. Bd. S. 476. – Morgenblatt (Stuttgart, Cotta) 1828, Nr. 231 u. f. – Allg. (Augsburger) Zeitung 1828, Nr. 262. – National-Zeitung der Deutschen 1828, Stück 86. – Ersch (J. S.) und Gruber (J. G.), Allg. Encyklopädie der Wissenschaften und Künste (Leipzig 1822, Gleditsch, 4°.) I. Sect. 52. Thl. S. 400–413 [S. 402 eine Uebersicht der kranioskopischen Literatur; der Aufsatz ist von F. W. Theile]. – Frankfurter Konversationsblatt 1843, Nr. 149–152: „Das Kabinet des Doctor Gall“ von A. Esquiros. – Frankl (L. A. Dr. ), Sonntagsblätter 1843, S. 31: „Zur Charakteristik östr. Schriftsteller“ von Franz Gräffer. 2) Gall. – Ebenda S. 268: „Ueber ältere österr. Schriftsteller. Silhouetten aus der Erinnerung, geschnitten von Karoline Pichler. Gall.“ – Gräffer (Franz), Kleine Wiener Memoiren (Wien 1845, Beck, 8°.) II. Bd. S. 84. – Tagespost (Graz, Folio) 1858, Nr. 58. – Gerber (Ernst Ludwig), Neues histor.-biogr. Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1812, Kühnel, gr. 8°.) II. Bd. Sp. 241. – Biographie des hommes vivants (Paris 1816, Michaud, 8°.) III. Bd. S. 200 [daselbst heißt sein Geburtsort irrig Tiesenbrunn]. – Nouvelle Biographie [65] générale.... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1853) XIX. Bd. Sp. 271–284 [ein Originalartikel von Fossati mit authentischen Mittheilungen und interessanten Einzelnheiten über G.’s Leben]. – Medaillen. 1) Kopfseite: F. Josephus Gall. Unten: Barre f. Revers: Aesculapio Salvatori. Unten: MDCCCXX B. F. Ein Kranker liegt auf einem Ruhebette, dessen Lehne das Potocki’sche Wappen zeigt, vor ihm steht Aesculap, die Vögel der Nacht, Eule und Fledermaus, entfliehen, der rechte Fuß tritt auf eine Kröte; die linke Hand hält einen Schlangenstab, rückwärts eine Säule, auf derselben ein Todtenschädel. Graf Potocki ließ auf seinen Retter diese Medaille prägen. Der Kopf ist mit bewundernswerther Aehnlichkeit ausgeführt. Weniger gelungen ist die Reversseite. Größe 133/4 Lin. [nach Mionnet]. – 2) Zwei Medaillen von Loos und Abramson wurden ihm zu Ehren während seines Aufenthalts in Berlin 1805 geprägt. Ihre Beschreibung steht in der Berliner Zeitung 1805. – 3) Kopfseite: François Joseph. Gall. Reversseite ein Lorbeerkranz, innerhalb desselben Au createur de la physiologie du cerveau. Als Umschrift: Né à Tiefenbrunn grand Duché de Bade en 1758, mort à Paris en 1828. Von dem berühmten Medailleur Barre mit G.’s sprechend ähnlichem Porträt (Hesperus 1829, Nr. 51). – Porträte. 1) Unterschrift: Franz Joseph Gall. Dr. der Arzneykunst zu Wien. Unter einem Strich: geb. 1758 den 9. März zu Tieffenbrunn unweit Pforzheim in Kur Baden. Oberhalb des Namens ein Schädel mit den Organen des Gehirns. Rahl p. Laurens sc. – 2) Unterschrift: Dr. Joh. Jos. Gall. Rahl p. Bollinger sc. (Zwickau bei Gebr. Schumann.) – 3) F. Jagemann p. A. Karcher sc. 8°. – 4) C. Schule fec. 1805, 8°. – 5) A. W. Caspari p. L. Portman sc. 1806, 4°. – 6) Haller v. Hallerstein del. A. Reindel sc. 1841, 4°. – 7) (Wrenk sc.) Fol. – 8) Neben ihm die Büste Haydns. Grassi pinx. (Pichler sc. ?) gr. Fol. – 9) A. Tardieu sc. 8°. – 10) Gemalt von Ferd. Jageman, gestochen von H. Schmid, Fol. [Das ähnlichste Bild des berühmten Phrenologen. Vergl. darüber: Journal der Luxus und der Moden. Sept. 1805, S. 627 und April 1806, S. 221.) – Galls Denkmal etc. Gall ist auf dem Friedhofe Père Lachaise in Paris begraben und ein bescheidenes, 1836 errichtetes Denkmal bezeichnet seine Ruhestätte. Seine Schriften sind, ihrer materialistischen Tendenz wegen, in Rom verboten worden. Den Umstand, daß Gall in seiner Sterbestunde den geistlichen Beistand ablehnte und die kirchliche Einsegnung seines Leichnams untersagte, bringt man mit obigem Verbot in Verbindung. – Sein Kopf kam in seine eigene Sammlung, welche später dem Museum des Pflanzengartens in Paris einverleibt worden. Fossati hat eine Diagnose seines Schädels nach Galls eigenem System entworfen. Einen kurzen und klaren Abriß seines Systems gibt F. W. Theile in dem bereits angeführten Artikel[WS 1]: Gall in Ersch und Grubers „Allg. Encyklopädie“ I. Sect. 52. Thl. S. 401–413.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Arkikel.