BLKÖ:Pázmándy, Dionys (1816–1856)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Pazout, Joseph
Band: 21 (1870), ab Seite: 404. (Quelle)
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Pázmándy, Dionys [der Sohn] (ungarischer Deputirter, geb. zu Kömlöd in Ungarn 7. April 1816, gest. 24. Jänner 1856). Der einzige Sohn des berühmten Landtags-Deputirten Dionys P. [s. d. Vorigen] aus dessen Ehe mit Judith von Pély-Nagy. Erhielt im Elternhause und in Schulen eine sorgfältige Erziehung, welche auf Reisen vollendet wurde. Nach seiner Rückkehr in die Heimat trat er unter Anleitung seines berühmten und als Oppositionsmann ebenso geachteten als gefürchteten Vaters in’s öffentliche Leben, das sich damals bereits in anderen Geleisen bewegte, als zu jener Zeit, da der Vater als Volksrepräsentant debutirte. Die französische Revolution vom Jahre 1830 war auf Ungarn, das, wie bekannt, vor dem 48ger Jahre eine von den übrigen Provinzen der Monarchie beneidete Ausnahmsstellung einnahm, nicht ohne Einfluß geblieben. Die ungarische politische Welt hatte durch die lebhaften journalistischen Bewegungen der Parteien, durch Kossuth’s großartige Agitation, durch die Centralisationsdoctrin eine ganz andere Gestalt bekommen. Die Debatten, wie ein Publicist jener Zeit schildert, drehten sich nicht mehr-um allgemeine Fragen, um große Phrasen, um das mit Floskeln behängte Lob der Freiheit, Oeffentlichkeit der Geschwornengerichte, um Klagen gegen die Censur u. s. w. sondern um Detaillirung und Formulirung anerkannter Wahrheiten; nicht so sehr um das „Was“ als um das „Wie“. Daß die königlichen Freistädte des Votums bedurften; daß die Steuerfreiheit des Adels und die Wahlumtriebe zu beseitigende Uebel der Nation waren; daß die Geistlichkeit mit zu großen Besitzungen dotirt sei; daß man das Volk erziehen lassen müsse u. s. w. dieß wußte schon Jedermann: vom Verfahren, von der Ausführung, von den zweckmäßigsten Mitteln, diese seit Jahren debattirten Postulate zu verwirklichen, mußte derjenige sprechen, welcher angehört werden wollte. Die bisher noch nie in Zweifel gezogene Vollkommenheit des Comitatssystems, dessen panacäische Natur, jenes unverletzliche noli tangere war angegriffen, und zwar durch Männer, deren fleckenloser Patriotismus nicht bezweifelt werden konnte, die aus den Ländern der Freiheit Beispiele anführten, und aus den ewigen Quellen des Geistes, aus dem reinen Repräsentativsystem die Vertheidigungsgründe ihrer Ansicht schöpften. Pázmándy, der schon in früher Jugend viel gelesen, viel nachgedacht hatte, wurde durch seine politischen Sympathien zu dieser neuen Schule hingezogen. Er theilte die Ansicht des „Pesti Hirlap“ in der Städtefrage, er [405] theilte sie hinsichtlich der Comitate. Kaum majorenn geworden, wurde er Vicegespan des Komorner Comitates und bald darauf in den ungarischen Landtag gewählt, in welchem er so zu sagen auf den Schultern seines verdienstvollen Vaters emporklimmend, bald eines der bedeutendsten Mitglieder der Opposition wurde. Man vergleiche über seine vormärzliche parlamentarische Thätigkeit, L. Tóth’s treffliche Charakteristik in Csengery’s „Ungarns Redner und Staatsmänner“, Bd. I, S. 376–391. Ernster Ereignisse gewärtig, traf auch ihn das Jahr 1848, in welchem er wieder in den Landtag gewählt wurde. Am 8. Juli 1848 wurde der erste Landtag in Pesth eröffnet. Pázmándy war nicht anwesend. Er befand sich damals mit Ladislaus Szalay in Frankfurt a. M. als ungarischer Gesandter bei dem deutschen Parlamente und bei der deutschen Centralgewalt. Als am 10. Juli das Unterhaus zur Wahl seines Präsidenten schritt, fiel dieselbe auf den abwesenden Pázmándy. Sie geschah durch Namenaufruf und mit Stimmzettel. Um halb ein Uhr verlas der Alterspräsident Palóczy [s. d. S. 246 dies. Bds.] das Resultat des Scrutiniums. Unter 307 Abstimmenden hatten Dionys P. 266, Graf Teleki 27, Nyári 6, Stephan Bezerédi 2, Szentkirályi, Murgu, Lónyai und Kazinczy je 1 Stimme erhalten. Als ihm diese Auszeichnung, welche zugleich der Beweis eines außerordentlichen Vertrauens seiner Nation war, nach Frankfurt berichtet ward, eilte er sofort nach Pesth zurück. Dort begrüßte ihn, als er den Präsidentenstuhl zum ersten Male einnahm, das donnernde Éljen der ganzen Versammlung. In schwierigster Zeit verwaltete er sein so wichtiges Amt. Einmal, am 9. August, bei Gelegenheit der Debatte über die Elementarschulen, überließ er seinen Platz zeitweilig dem zweiten Vicepräses Grafen Pálffy, um als Redner an dem parlamentarischen Kampfe theilzunehmen, dessen Gewoge alsbald um den edlen Kämpen und sein Amendement emporschwoll, so daß Pálffy zuletzt genöthigt war, die Sitzung um 4 Uhr aufzuheben. In der Sitzung vom 4. September, in welcher die Absendung einer Deputation nach Wien an Se. Majestät den Kaiser beschlossen wurde, erklärte P., daß nur er als erwählter Präsident des Hauses der Sprecher derselben sein könne, was auch angenommen wurde. Die Deputation erhielt von dem Landtage die gemessene Ordre, sich nicht länger als 24, höchstens 48 Stunden in der Kaiserstadt aufzuhalten und jeden Aufschub über diese Zeit als abschlägige Antwort zu betrachten. Ihre Aufgabe war, Se. Majestät den Kaiser zu bitten, die croatische und serbische Schilderhebung desavouiren und sobald als möglich in die Mitte ihrer getreuen Ungarn kommen zu wollen. Am 6. September Abends traf die Deputation in Wien ein. Unter Berathungen über die Anrede und erforderlichen Aenderungen in derselben vergingen die Tage bis zum 9. September, an welchem es in mehr als 80 Wagen nach Schönbrunn ging, wo die Deputation von Sr. Majestät empfangen wurde. Auf die Anrede, welche Pázmándy gehalten, erwiederte der Monarch, daß er seiner geschwächten Gesundheit wegen nicht im Stande sei, nach Ungarn zu kommen, daß er ferner die bei dem ungarischen Landtag in Fassung befindlichen Gesetze erst prüfen wolle, was jedoch als keine Schmälerung der Märzerrungenschaften betrachtet werden solle, daß er endlich die Integrität der ungarischen Kronländer aufrecht zu erhalten wünsche, [406] die bezüglichen Maßregeln aber dem ungarischen Ministerium mittheilen werde. So endigte die Audienz zu Schönbrunn. Die Deputation kehrte auf der Donau nach Pesth zurück, wo sie am 10. September Nachmittag ankam. Aber die mittlerweile bekannt gewordene Nachricht von dem kais. Handschreiben an den Ban gab der ganzen Situation ein anderes Licht. In so stürmischer Periode führte Pázmándy den Vorsitz im Hause. Am 15. September begab er sich an der Spitze von sieben Mitgliedern zu dem Erzherzog Palatin Stephan, um ihn im Namen des Hauses zu bitten, er wolle das Commando über die Drauarmee übernehmen. Am 30. September berichtete er dem Hause über den ersten Zusammenstoß mit den Croaten und daß sofort eine Volksversammlung bezüglich des Landsturmes stattfinden werde. Am 8. October war auf den Mauerecken nachstehendes. „buchstäblich copirtes Placat" zu lesen: „In der Nacht angelangte neueste Nachrichten. General Roth sammt seinem über 6000 Mann zählenden Lager, 12 Kanonen und der ganzen Kriegsmunition ist durch die Obersten Moriz Perczel und Arthur Görgey gefangen genommen worden. In Wien ist eine Revolution ausgebrochen und nach Berichten des Regierungscommissärs im Oedenburger Comitate, Alexander Niczky, der größte Feind unseres Vaterlandes, der österreichische Kriegsminister Graf Baillet-Latour, aufgehängt worden. Unsere Truppen ziehen dem Lager des Jellačić entgegen. Dionys Pázmándy“. Indessen nahmen die kriegerischen Ereignisse ihren Fortgang. Pázmándy nahm noch immer den Präsidentenstuhl ein. Am Sylvesterabend 1848 legte er sein Amt nieder. Ueber die Motive dieses Schrittes liegt nichts Authentisches vor. Tóth berichtet: „Als im December die Thronbesteigung des Kaisers und Königs Franz Joseph als gesetzlos erklärt wurde, habe Pázmándy der pragmatischen Sanction eine andere Deutung gegeben, als Kossuth, der damalige Dictator. Für dieses kühne Aussprechen seiner Ansicht wurde er von den Lippen, an welchen damals das ganze Volk, also auch Leben und Tod hing, mit irgend Etwas bedroht, „was auch der zehnte Mann nicht liebt"; seit dieser Zeit wurde er mißmuthig. In der dunklen Sylvesternacht sprach er den Beschluß aus, welcher die Deputirten nach Debreczin beorderte, er selbst aber blieb zu Hause." Nach Einigen soll er an den Fürsten Windisch-Grätz einen Brief geschrieben haben, worin er denselben um Vergebung seiner revolutionären Sünden bat, worauf der Fürst dem reumüthigen Patrioten Pardon habe angedeihen lassen. Für die Wahrheit dieser Vorgänge liegt nichts vor, denn die von einem F. R. verfaßte Schrift: „Ungarns politische Charaktere", welche diesen Hergang berichtet, hat nicht geschichtliche Glaubenswürdigkeit. Nachdem P. sein Amt niedergelegt, zog er sich von allem politischen Treiben zurück, begab sich nach Baracska, wo er die letzten Jahre seines Lebens, das im schönsten Mannesalter von erst 40 Jahren endete, der Erziehung seiner Kinder und der Bewirthschaftung seiner Güter widmete. P. war mit Lydia Domonkos verheirathet, welche ihm drei Söhne und zwei Töchter gebar. Die ersteren sind Béla, Dionys und Geysa, die letzteren Wilhelmine, vermälte Otto Lónyay, und Serena.

Ungarns politische Charaktere. Gezeichnet von F. R. (Mainz 1851, J. G. Wirth Sohn, 8°.) S. 163. – Levitschnigg (Heinrich [407] Ritter v.), Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth 1850, Heckenast, 8°.) Bd. II, S. 153. – Schlesinger (Max), Aus Ungarn (Berlin 1850, Franz Duncker, 8°.) Zweite Aufl. S. 280 u. f. – Springer (Ant.), Geschichte Oesterreichs seit dem Wiener Frieden 1809 (Leipzig 1864 u. 1865, Hirzel, gr. 8°.) Bd. II, S. 501, 503. – Vehse (Eduard Dr.), Geschichte des österreichischen Hofs und Adels und der österreichischen Diplomatie (Hamburg, Hoffmann u. Campe, kl. 8°.) Bd. XI, S. 175.