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Artikel „Widebram, Friedrich“ von Friedrich Wilhelm Cuno in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 338–340, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Widebram,_Friedrich&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 16:06 Uhr UTC)
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Widebram: Friedrich W., reformirter Schulmann, lateinischer Dichter und Theologe, geboren am 4. Juli 1532 zu Pößneck im Vogtlande, † am 2. Mai 1585 zu Heidelberg. Als Student war in Wittenberg Melanchthon, dessen Gunst er sich erfreute, sein Hauptlehrer. Im Jahre 1557 ward er Rector der Zerbster Schule und zwei Jahre später kam er in derselben Eigenschaft nach Eisenach. Wegen seiner Tüchtigkeit berief man ihn 1563 zum Professor der [339] Beredsamkeit und Dialektik nach Jena, von wo er sechs Jahre nachher nach Wittenberg vocirt wurde. Hier wurde er nach dem Tode des Pastors Paul Eber 1570 dessen Nachfolger und kurz nachher mit der Würde eines Doctors der Theologie geschmückt. Durch die Abfassung des Dresdener Consensus, worin die melanchthonische Abendmahlslehre offen dargelegt wurde, sah sich der sogenannte Philippismus oder Kryptocalvinismus bereits als siegende Partei im Lande an. Auch W. wurde durch solchen Consensus für dieselbe gewonnen. Als nun Kurfürst August auf dem Convente zu Torgau 1574 den anwesenden Wittenberger Theologen, den Professoren Caspar Cruciger, Christoph Pezel, Heinrich Moller und W. die daselbst aufgestellten strenglutherischen Artikel inbetreff des Abendmahles zur Unterschrift vorlegen ließ, verweigerten sie solche und beriefen sich auf das Corpus Doctrinae Melanchthon’s und die Dresdener Artikel. Hierauf wurden sie in das Zimmer eines Torgauer Bürgers eingesperrt. Auch am folgenden Tage beharrten sie, trotz verschiedener Drohungen, einmüthig bei ihrer Ueberzeugung. Unter militärischer Bedeckung nach Leipzig geschleppt, verwahrte man sie vierzehn Tage auf der Pleißenburg. Ihre Inquisitoren, verlegen, was mit ihnen anzufangen, ließen sie endlich die Torgauer Artikel mit Wahrung ihrer melanchthonischen Ueberzeugung unterzeichnen. Hierauf wurde ihnen Hausarrest in Wittenberg ertheilt. Nach dreijähriger Haft und Ausstellung eines Reverses wurden sie dann des Landes verwiesen. Alle vier wendeten sich nunmehr nach Nassau-Katzenelnbogen, wo Graf Johann der Aeltere, der Bruder Wilhelm’s von Oranien, welcher, aus dem milden Lutherthum Melanchthon’s zum Calvinismus durchgedrungen, eben im Begriffe stand, letzterem seine Grafschaft zuzuführen. Bereitwilligst nahm er unsere vier Exulanten auf, von denen W. im Herbst 1577 von Noviomagus (s. A. D. B. XXIV, 47) als Inspector und Pastor zu Dietz eingeführt wurde. Unter manchen Schwierigkeiten führte W. die reformirte Lehre in Nassau-Dietz ein, legte überall Schulen an und setzte Presbyterien und Prediger-Convente oder Synoden ein, nachdem er alle noch vorhandenen papistischen Ueberreste aus den Kirchen hatte entfernen lassen. Im J. 1579 reiste er mit Pezel, der zu Herborn Inspector geworden war, nach Bremen, um dortige Streitigkeiten unter den Pastoren zu schlichten. In der Grafschaft Solms-Braunfels führte er, von seinem Landesherrn dazu auf längere Zeit beurlaubt, ebenfalls das reformirte Bekenntniß ein. Im Frühjahre 1584 hielt der pfälzische Kirchenrath bei dem nassauischen Grafen um W. an, denn zur Wiedereinführung des reformirten Kirchenwesens in der Kurpfalz nach dem Tode des lutherischen Kurfürsten Ludwig VI. sah er sich nach tüchtigen reformirten Theologen um. Als der Graf W. nicht ziehen lassen wollte, bat dessen Schwager, Pfalzgraf Johann Casimir selbst um ihn. In Heidelberg wurde W. Mitglied des Kirchenrathes. Leider war seine Wirksamkeit daselbst von kurzer Dauer. Schon nach wenigen Monaten nahm ihn der Tod hinweg. Seine Gebeine wurden in der Peterskirche beigesetzt.

Seine Werke erschienen 1601 in Heidelberg, seine „poemata sacra“ gesondert. Mehrere seiner Poesien finden sich auch in Casp. Dornavii Amphitheatrum Sap. Socrat. Joco-Seriae“, Tom. I. Hannov. 1619. In den Jahren seiner Wittenberger Haft verfertigte er eine metrische lateinische Uebersetzung der Psalmen, welche er dem Herrn Christo widmete. Der berühmte Hieronymus Zanchius zu Neustadt an der Haardt hat sich über dieselbe in einem Schreiben an W. sehr anerkennend geäußert: „Ich habe vieler und berühmter Autoren elegant geschriebene Psalterien gelesen, aber deine Reinheit und Schlichtheit der Sprache, verbunden mit der so großen Schönheit derselben, die den Sinn David’s stets deutlich und kurz ausdrückt, hat mich am meisten erfrischt.“ –

Joh. Jac. Grynaeus, oratio de vita et morte Fr. Widebrami. Heidelb. [340] 1585. – M. Adami, vitae Germ. Theolog.H. Heppe, Gesch. d. deutschen Protest. II. – F. W. Cuno, Johann der Aeltere von Nassau-Dillenburg. – J. H. Steubing, Biogr. Nachr. aus dem 16. Jahrh. – Ders., Topographie der Stadt und Grafschaft Dietz. – A. G. Schmidt, Anhalt’sches Schriftsteller-Lexicon etc.