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Artikel „Eber, Paul“ von Adolf Brecher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 529–531, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eber,_Paul&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 10:05 Uhr UTC)
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Eber: Paul E., Professor der Theologie, Stadtpfarrer, Superintendent in Wittenberg, geboren in Kitzingen in Franken den 8. Novbr. 1511, † 10. Decbr. 1569. Sein Vater, ein Schneider zu Kitzingen, schickte den gut beanlagten Sohn nach vorbereitendem Schulunterricht in der Vaterstadt im 12. Jahre zuerst auf die Schule nach Ansbach, sodann nach einer durch Krankheit herbeigeführten Unterbrechung des dortigen Unterrichts 1525 nach Nürnberg auf die unter Ketzmann’s Leitung stehende Lorenzer Schule, an der er auch den Unterricht Camerarius’ genossen zu haben scheint. Nach sieben Jahren (Oct. 1532) bezog E., reichlich ausgestattet mit Stipendien von Nürnberg, seiner Vaterstadt Kitzingen und dem Markgrafen von Brandenburg, die Universität Wittenberg. Er traf sie in ihrer höchsten Blüthe, Luther und Melanchthon in der reichsten Entfaltung ihrer Kraft. Bald erwarb er sich das Vertrauen und die Freundschaft des letzteren, die in immer neuer Bewährung bis zu dessen Tode dauerte und E. von seinen Freunden den bezeichnenden Ehrentitel eines Repertorium Philippi einbrachte. Nach vier Jahren ward er Magister und begann zu lesen, Repetitionen und Disputationen zu leiten. Seine Vorlesungen umfaßten die Philosophie, die Physik und die alten Autoren. Sein Lehrtalent führte ihm nicht wenige Studenten und Schüler zu, aber zu einer festen Anstellung gelangte er erst 1541 (Juli). Nach seinen eigenen Mittheilungen war die Freundschaft Melanchthon’s der Grund, daß mehrere Mitglieder des akademischen Senates ihm nicht wohlwollten. Am 13. Sept. 1541 verheirathete er sich mit Helena Küffner aus Leipzig. Der eigene Hausstand gewährte ihm die Möglichkeit, Kostschüler aufzunehmen, denen er trotz seiner vielfachen, stets sich steigernden Amtsgeschäfte eine treue und dankbar anerkannte Fürsorge widmete. Auch seine Privatschule entstand wol um diese Zeit. Im Frühjahr 1544 trat er als Professor der lateinischen Grammatik in den akademischen Senat ein und, wie es scheint, damit auch dem alternden Luther näher. Der Tod desselben und die Schlacht bei Mühlberg und ihre unmittelbaren Folgen, die er, einer von den wenigen zurückgebliebenen Universitätslehrern, in Wittenberg ertrug, endlich der Wechsel der Regierung störten und unterbrachen seine Thätigkeit über ein Jahr lang. Doch mit frischem Eifer nahm er sogleich nach der Wiedereröffnung der Vorlesungen (Oct. 1547) seine frühere Thätigkeit wieder auf. Es war ein auch für die damalige Zeit sehr ausgedehnter Kreis wissenschaftlicher Objecte, den er beherrschte. Er las über Philosophie und Philologie, über Mathematik, Astronomie, Geschichte und mit besonderer Vorliebe über Naturwissenschaften, meistens natürlich unter Anlehnung an die Alten, z. B. an die Historia naturalis des Plinius („De Vita et Scriptis C. Plinii Quaedam praefationis loco recitata a Paulo Ebero auspicante explicationem secundi libri Naturalis Historiae VI Febr. 1556“, Witebergae 1556), die Biographien des Plutarch und die Germania des Tacitus, aber auch unter Zugrundelegung der Schriften von Zeitgenossen, wie der Schrift Melanchthon’s De anima und des Arminius Hutten’s. Dem historischen Gebiete gehörten seine beiden Erstlingsschriften an, die „Historia populi Judaici a reditu ex Babylonico exilio usque ad ultimum excidium Jerosolymae etc.“, Witeb. 1548 und das „Calendarium historicum“, Witeb. 1550, welche weite Verbreitung in fremden Sprachen und mehreren Ausgaben fanden, und von denen das letztere besonders einen interessanten Beleg für die damalige Auffassung von Geschichte bietet; dem naturwissenschaftlichen eine Schrift, die er mit Caspar Peucer herausgab: „Vocabula rei nummariae, ponderum et mensurarum Graeca, Latina, Ebraica etc.“, Lips. 1556. – Seine bisherige private und akademische Thätigkeit, gesteigert durch die zeitweilige Uebernahme des Decanats der philosophischen Facultät und des Rectorats hatte E. mehr in die Weite herumgeführt, als ihm einen Mittelpunkt gegeben. Seine wesentlich auf [530] das Innerliche gerichtete Natur, seine Frömmigkeit und Bescheidenheit, mit denen sich eine vorzügliche praktische Befähigung verband, hatten in den früheren Aemtern noch wenig Verwendung gefunden. Erst durch seine Berufung in die theologische Facultät und in den Dienst der Kirche gewann er den Raum, auf dem ihm eben so sehr Sammlung der Kräfte, als Entfaltung seiner besonderen Gaben möglich wurde. Schon öfter vorher, z. B. auf dem Convent zu Pegau und bei der Kirchenvisitation von 1555 zur Mitwirkung in kirchlichen Dingen berufen, wurde er Ostern 1557 zum Professor der Theologie und Prediger an der Schloßkirche zu Wittenberg und schon im folgenden Jahre, nach dem Tode Bugenhagen’s, einstimmig vom Senat der Universität und dem Stadtmagistrat zum Stadtpfarrer und Superintendenten des Kurkreises berufen. Die neidlose Anerkennung seiner Verdienste um die Universität und die Kirche, welche durch diese Berufung ausgesprochen und durch die Verleihung der theologischen Doctorwürde (Decbr. 1559) noch erhöht wurde, hatte allerdings zur Voraussetzung, daß E. der Wucht seines verantwortungsvollen Amtes gewachsen sein werde. Er war ihm gewachsen, wenn auch die Bürde der Geschäfte eines Pfarrers, Superintendenken, Professors und – nach dem baldigen Tode Melanchthon’s (1560) – gewissermaßen ersten Vertreters der gesammten lutherischen Kirche, die auf ihm lastete und unter den beständigen Kämpfen mit Flacianern, Katholiken u. A. sich fast täglich steigerte, „bei unausgesetzten Anstrengungen seinem von Jugend auf schwächlichen und gebrechlichen Körper gefährlich zu werden“ drohte. Aber seine Frömmigkeit, seine Kenntniß des Volkes und das Geschick, einfach, verständlich und herzlich zu reden, kamen ihm in seinem Pfarramte wesentlich zu Hülfe. Seine Predigten (Katechismuspredigten von 1562, nach seinem Tode herausgegeben von Theoph. Feurelius, Nürnberg 1578, und Erklärung der Definition oder Beschreibung Gottes, herausgegeben von Mattheus Major 1588) tragen durchweg jenen Charakter an sich und geben ein treffliches Zeugniß für die damalige Wittenberger Schule. – Seine früh begonnenen und trotz ihrer Mannigfaltigkeit stets mit Sorgfalt und Gründlichkeit betriebenen Studien wendeten sich seit 1558 hauptsächlich der Theologie zu, in der er im wesentlichen Melanchthon’s vermittelnden Standpunkt festhielt. Freilich ist es ihm nicht gelungen, denselben wissenschaftlich zu vertiefen und fortzubilden. Er theilt darin leider das Loos und die Neigung der Reformatorenschüler überhaupt, welche das Erbtheil ihrer Lehrer ängstlich und oft höchst einseitig vor allen Flecken der Irrlehre zu hüten suchen, aber er unterscheidet sich von den meisten derselben dadurch doch vortheilhaft, daß er sich den weiten Blick der Melanchthon’schen Schule für die Friedens- und Einungsbedürfnisse der Kirche auf dem Gebiete der Lehre bewahrt und, zwar wenig muthig, aber durch harte Noth gezwungen, seine zwischen Calvin und Luther vermittelnden Lehrgrundsätze den zelotischen Forderungen seiner starrlutherischen Gegner nach Möglichkeit anbequemt. Dies zeigt sich am deutlichsten in seinen Schriften über die Abendmahlsfrage. In den hierüber entbrennenden Streitigkeiten zwischen den thüringischen und den sächsischen Theologen hatte er die letzteren, besonders seine Wittenberger Collegen, „die Philippisten“, gegenüber dem Vorwurf calvinistischer Gesinnung zu vertheidigen. Es liegen mehrere umfangreiche amtliche Erklärungen vor, die er auf Erfordern des gegen seine Theologen mißtrauischen Kurfürsten von Sachsen im Namen seiner Collegen auszuarbeiten hatte. Sie datiren aus den J. 1561 und 1562 und erhalten ihren Abschluß in der 1561 fertigen, aber erst 1562 resp. 1563 deutsch und lateinisch erschienenen Schrift: „Vom heiligen Sacrament des Leibes und Blutes etc.“ oder „Pia et in verbo Dei fundata assertio, declaratio et confessio Dr. P. E. de sacratissima coena Domini nostri Jesu Christi“.

[531] Es war seiner Entstehung nach natürlich, daß dieses Buch, welches mehrfache Ausgaben erlebte und selbst von den Gegnern günstig aufgenommen wurde, mehr auf den praktischen Zweck der Erhaltung des Friedens, als auf Ueberzeugung der Gegner durch wissenschaftliche Gründe abzielen mußte. – 1563 gab E. sein „Psalterium cum argumentis“ und 1565, auch um einem praktischen Bedürfnisse zu genügen, nämlich um dem Kurfürsten August von Sachsen, der statt aus den classischen Autoren an der heiligen Schrift auf leichte und bequeme Art Latein lernen wollte, eine möglichst correcte Uebersetzung derselben zu liefern, im Verein mit Georg Major die „Biblia latina etc.“ heraus. E. hatte das alte, Major das neue Testament übersetzt und beide waren dabei so verfahren, daß der parallele lutherische Text von vornherein als der richtige angenommen und der der Vulgata nach demselben emendirt und auch äußerlich möglichst in räumliche Uebereinstimmung gebracht wurde. Wissenschaftlicher Werth ist trotz der Lobsprüche, welche die Verfasser für ihre Arbeit ernteten, derselben nicht zuzusprechen. – Als ein Ausfluß eines kindlich-frommen gottergebenen Sinnes sind seine zum Theil noch heute hoch geschätzten 6 Lieder zu erwähnen: „Helft mir Gottes Güte preisen“, „Herr Jesu Christ wahr’r Mensch und Gott“, „Wenn wir in höchsten Nöthen seyn“, „Herr Gott Dich loben wir“, „In Jesu Wunden schlaf ich ein“, „Zwei Ding’, o Herr, bitt ich von Dir“, von denen die beiden letzten ihm wenigstens mit großer Wahrscheinlichkeit zugeschrieben werden.

Der Abend seines Lebens ward nicht weniger durch die heftigen Kämpfe in der Kirche, als durch die traurigen Eindrücke, welche er von der äußeren Lage seiner näheren und weiteren Umgebung erhielt, getrübt. Es war zu viel, aber für seine Auffassung der Weltlage charakteristisch, wenn er am 8. Mai 1569 schrieb: „Wie läßt sich da auf dauernde Ruhe hoffen? Es sind ja fast alle einzelnen Länder mehr oder weniger mit diesen Uebelständen heimgesucht, so daß, wenn Jemand auswandern wollte, er am Ende dem Rauch entflohen wäre, um in die glühenden Kohlen zu fallen.“ Diese Furcht vor der Zukunft, die im letzten Jahrzehnt seines Lebens auch in Bezug auf seine Familie ihn oft mit bangen Sorgen erfüllte, die Mühen seines Amtes, welche durch die Forderung seiner Hülfe und seines Rathes auf jedem gefährdeten Punkte der Kirche verdoppelt wurde, vor allem aber seine resultatlose und doch so aufregende Thätigkeit auf dem unerquicklichen Religionsgespräche zu Altenburg (Oct. 1568 bis 5. März 1569) verzehrten die Kraft Eber’s in dem Maße, daß er nach dem im Juli 1569 erfolgten Tode seiner Gattin nur noch wenige Monate unter schweren Schmerzen verlebte. Er ward beigesetzt in der Stadtkirche zu Wittenberg.

G. J. Planck, Geschichte der protestantischen Theologie, Bd. V. – H. A. Erhard in Ersch und Gruber, Encyklopädie. – C. H. Sixt, Dr. Paul Eber, der Schüler, Freund und Amtsgenosse der Reformatoren. Heidelberg 1843. – E. H. Sixt, Paul Eber. Ein Stück Wittenberger Lebens. Ansbach 1857. – Th. Pressel, Paul Eber. Elberfeld 1862. – I. A. Dorner, Geschichte der protestantischen Theologie, S. 361 ff. München 1867.