ADB:Ludwig VI. (Kurfürst von der Pfalz)

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Artikel „Ludwig VI., Pfalzgraf bei Rhein“ von Friedrich von Bezold in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 577–580, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_VI._(Kurf%C3%BCrst_von_der_Pfalz)&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 07:22 Uhr UTC)
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Ludwig, Pfalzgraf bei Rhein, als Kurfürst (1576–1583) der sechste dieses Namens, Friedrichs des Frommen ältester Sohn und Nachfolger, wurde geboren [578] am 4. Juli 1539. In seine Kinderjahre fiel der Uebertritt des Vaters zum Protestantismus; die Unterweisung im lutherischen Glaubensbekenntniß, die L. zu Hause und am Hofe Philiberts von Baden erhielt, wurde für seinen späteren Lebensgang entscheidend. Aus seiner humanistischen Bildung blieb ihm außer der Fertigkeit im Latein ein gewisses Interesse an historischen Studien, die er namentlich wegen der „ethica und politica exempla“ als ein wichtiges Bildungsmittel betrachtete. Der Besuch der burgundischen Universität Dôle (1554) erwarb ihm die von Friedrich als unentbehrlich angesehene Kenntniß der französischen Sprache. Später kam er an den Hof des Kurfürsten Ottheinrich, dessen Nachfolger Ludwigs Vater im J. 1559 wurde. L. nahm als Erbe der Kur an allen wichtigen Regierungsgeschäften Theil, war im J. 1561 vorübergehend Statthalter zu Heidelberg und erhielt 1563 die Statthalterschaft der Oberpfalz, in der er bis zu Friedrichs Tod verblieb. Schon damals lastete der zwiefache Druck einer untergrabenen Gesundheit und schwerer religiöser Kämpfe auf dem jungen Fürsten; er hatte vom Vater zwar die strenge Gewissenhaftigkeit und die theologischen Neigungen, nicht aber die kräftige Constitution und die Entschiedenheit des Charakters geerbt. Seine religiöse Ueberzeugung, durch Friedrichs „Abfall“ zum Calvinismus keineswegs erschüttert, nöthigte den Regenten der gleichfalls streng lutherischen Oberpfalz geradezu an die Spitze der Opposition. Obwohl der Vater ihm wiederholt und ausdrücklich volle Gewissensfreiheit zusicherte, konnte er es doch nicht unterlassen, immer wieder nicht nur an der Oberpfalz, sondern auch an der Person des Prinzen Bekehrungsversuche zu machen, die natürlich verbunden mit der sichtbaren Bevorzugung des zweiten Sohnes Johann Casimir den Familienfrieden gründlich zerstören mußten. Hiebei fand L. eine nur zu eifrige Kampfgenossin in seiner Gemahlin Elisabeth, einer Tochter Philipps von Hessen, mit der er seit 1560 vermählt war; die fanatische Frau scheute sich nicht dem Schwiegervater persönlich entgegenzutreten, wie sie auch nachmals die Seele der gegen den Calvinismus eingeleiteten Verfolgung war: und diese am liebsten noch verschärft hätte. L. dagegen, schon mit 21 Jahren brustleidend, büßte die Aufregung eines so peinlichen Streits schwer an seiner Gesundheit, so daß er, wie sein Schwager Landgraf Wilhelm sagt, bereits als „ein schwacher abgehender Herr“ zur Regierung gelangte. Ohne sein Beisein vollzog der aufgebrachte Vater das Testament; gegen seinen Willen mußte er die Vertretung des Kurfürsten auf den beiden Tagen zu Regensburg (1575 und 1576) übernehmen, wo der Kaiser und Kursachsen nicht unterließen dem Sohn des verhaßten Calvinisten persönlich alle Freundlichkeit zu erweisen. Friedrichs Tod (26. Octbr. 1576) brachte dem Haupterben die Befreiung aus einer unerträglichen Lage, um ihn sofort in neue Kämpfe zu verwickeln. Die gewaltsame Wiederherstellung des Lutherthums in der Kurpfalz (wobei etwa 500 Geistliche und Lehrer ihre Stellen verloren) und ein ärgerlicher Streit über das väterliche Testament führte beinahe zum Krieg mit Johann Casimir; auch nach dem Vergleich vom Jan. 1578 blieb das Verhältniß der Brüder ein gespanntes. Ludwigs confessionelle Restauration fand ihren Schlußstein in der Säuberung der Heidelberger Universität von allen Andersgläubigen. Dies geschah aber erst, nachdem der Kurfürst, früher ein Gegner des Andreä’schen Concordienwerks und seiner Verdammung aller Dissentirenden, endlich zur Unterzeichnung einer seinen Bedenken Rechnung tragenden Präfation (31. Juli 1579) gebracht worden war. Sein Generalsuperintendent Patiens bezeugt selbst, der „gute Fürst“ werde manchmal von seiner energischen Gemahlin und den Theologen derart in die Enge getrieben, daß man ihn wirklich bedauern müsse. Auch nach der Publikation der Concordie weigerte sich L. standhaft, das ohne sein Wissen beigefügte Tauf- und Traubüchlein (mit dem Exorcismus) anzunehmen; schließlich wurde ihm eine als [579] gleichwerthig anerkannte Ausgabe ohne dieses Anhängsel zugestanden. Uebrigens hörte unter seiner Regierung das Communiciren außer Landes an calvinistischen Orten und das Abhalten von „Winkelpredigten“ niemals ganz auf und an seinem eigenen Hof duldete der Kurfürst dissentirende Räthe. Abgesehen von dieser unerfreulichen Seite erscheint Ludwigs Regententhätigkeit in günstigem Licht. Sein confessioneller Eifer ging keineswegs so weit, um ihn wie einen August von Sachsen zum gehorsamen Diener Habsburgs und kurzsichtigen Handlanger der katholischen Reaction zu machen. L. erfüllte die Hoffnungen nicht, die man von dieser Seite an seinen Regierungsantritt geknüpft hatte; gleich anfangs suchte er, freilich vergebens, die auf dem Reichstag von 1576 eingeleiteten Schritte zu Hebung der protestantischen Religionsbeschwerden weiter zu verfolgen. In dem zwischen Katholiken und Evangelischen zu Aachen entbrannten Streite (1581) nahm er sich seiner Glaubensgenossen mit einer Wärme an, die am kursächsischen Hof sehr unliebsam berührte. Auf dem Reichstag von 1582, dessen persönlichen Besuch er trotz aller Bitten des Kaisers verweigerte, führten seine Gesandten den Vorsitz im Convent der Evangelischen, konnten aber bei der ablehnenden Haltung Kursachsens die Wünsche Ludwigs bezüglich der Religionsbeschwerden eben so wenig durchsetzen wie seinen sehr niedrigen Ansatz der zu bewilligenden Türkenhülfe. Hier wie in fast allen den Reichstag beschäftigenden Fragen, in dem Streit des Kaisers mit den Reichsstädten, in der Forderung einer Reichshülfe zu Erhaltung kaiserlichen Stands nahm L. durchaus gegen den Kaiser und Kursachsen Stellung und wollte sogar schließlich den Abschied gar nicht oder nur unter Protest siegeln, wogegen seine Gesandten die Oppositionslust ihres Herrn zu mäßigen suchten. In den folgenden Kölnischen Unruhen (vgl. d. Art. Gebhard Truchseß) war L. wieder der einzige von den lutherischen Kurfürsten, der sich der protestantischen Sache und ihres Vertreters Gebhard Truchseß ernstlich annahm. Als freilich die von einem Convent evangelischer Stände zu Worms beschlossene Geldhülfe von 8 Steuermonaten von den meisten nicht geliefert wurde und nicht nur der streng lutherische Württemberger, sondern auch der freisinnige, aber ängstliche Landgraf Wilhelm ihren Einfluß bei L. gegen die weitere Bethätigung an einem so zweifelhaften Handel geltend machten, wurde auch L. schwankend, und suchte die bewaffnete Einmischung seines Bruders vergebens zu hintertreiben. Aber der voraussichtliche und laut verkündigte Triumph der Katholischen ließ ihm keine Ruhe; am 21. August schrieb er einen Convent sämmtlicher evangelischen Stände nach Mühlhausen (auf den 28. Octbr.) aus, wobei sogar eventuell ein protestantisches Defensivbündniß in Anregung gebracht werden sollte. Vor dem angesetzten Termin starb L. am 12. Octbr. zu Heidelberg. Er hinterließ aus erster Ehe einen Sohn, den nachmaligen Kurfürst Friedrich IV. und zwei Töchter; nach dem Tod Elisabeths (21. März 1582) hatte er sich trotz seiner Kränklichkeit (2. Juli 1583) zum zweiten Mal vermählt, mit der jungen Anna von Ostfriesland. Sein Testament fand natürlich bei dem calvinistischen Bruder ebensowenig Gnade, wie bei ihm selbst der letzte Wille des Vaters; die lutherische Restauration wurde durch einen energischen Rückschlag des Calvinismus wieder vernichtet. Im Innern hat Ludwigs Regierung trotz des lutherischen Bekenntnisses den unter Friedrich dem Frommen aufgekommenen Geist kirchlicher Strenge und calvinistischer Nüchternheit festgehalten. Die Kunstliebe Ottheinrichs theilte L. so wenig wie sein Vater oder Bruder. Die polizeiliche Regelung aller, insbesondere der wirthschaftlichen Verhältnisse (christliche Polizeiordnung 1578; Landesordnung 1582), die Ausgabe des Landrechts (1582), die Beschäftigung des Fürsten mit den Details der Verwaltung, das alles entspricht vollkommen der damaligen Entwickelungsstufe des landesherrlichen Absolutismus. [580] Die theologische Richtung dieser Fürstengeneration ist selten so einseitig verkörpert worden wie in dem frommängstlichen, stets kränkelnden Pfälzer, dessen Wahlspruch: „All’ Ding zergänglich“ für sein ziemlich trübseliges Dasein wie für sein ephemeres Lebenswerk vortrefflich paßt. Ludwigs Herzensgüte erkannten Freunde und Gegner fast einstimmig an; seine Gemahlin Elisabeth sagt einmal von ihm: „Wer sich thut drücken, da will jedermann überhüpfen“. Glücklicher Weise hat ihn dieser Grundzug seiner Natur davor bewahrt, den kurzen Triumph seines Bekenntnisses mit Blut zu beflecken.