ADB:Stolberg-Wernigerode, Otto Fürst zu

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Artikel „Stolberg-Wernigerode, Otto Fürst zu“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 551–564, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stolberg-Wernigerode,_Otto_F%C3%BCrst_zu&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 03:59 Uhr UTC)
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Stolberg-Wernigerode: Otto Fürst zu St.-W., General der Cavallerie à la suite der Armee, erbliches Mitglied des preußischen Herrenhauses und der ersten Kammer der Stände des Großherzogthums Hessen, geboren am 30. October 1837 zu Gedern am Vogelsberge, † auf Schloß Wernigerode am 19. November 1896. – Um uns ein Verständniß des Wesens und Strebens des Grafen und späteren Fürsten Otto zu St.-W. zu vermitteln, müssen wir einen kurzen Blick auf seinen Vater, den Erbgrafen Hermann, Sohn des regierenden Grafen Henrich (s. d.) und der Jenny, geb. Prinzessin zu Schönburg-Waldenburg, geboren zu Wernigerode am 30. September 1802, † daselbst am 24. October 1841, werfen, der ohnehin seiner Leistungen wegen eine Erwähnung an dieser Stelle verdient. Graf Hermann’s Jugendentwicklung fällt in eine Zeit, in der sein theoretisch und praktisch gründlich vorbereiteter Vater die während der französischen Fremdherrschaft sehr zerrütteten wirthschaftlichen Verhältnisse des Hauses wieder ordnete und zu neuer Blüthe brachte. Bei Verfolgung dieser Lebensaufgabe war er auch eifrig bestrebt, sich in seinem erstgeborenen Sohne Hermann einen tüchtigen Gehülfen und einstigen Nachfolger zu erziehen. Zu diesem Behufe ließ er ihn nicht nur auf der Lateinschule zu Wernigerode und seit Herbst 1819 auf der Nicolaischule zu Leipzig vorbereiten, dann auf den Universitäten Leipzig und Berlin studiren, sondern darnach auch im praktischen Dienste als Beamter sich bethätigen und üben. So bestand er im J. 1823 die wegen Anstellung im Justizfach erforderliche Prüfung aufs beste und versah bis Mai 1825 als Auscultator beim Stadtgericht zu Berlin mit Hingebung und Pünktlichkeit einen keineswegs leichten, aber wegen Ausbildung im bürgerlichen Rechtswesen wichtigen Dienst. Er verließ dann die richterliche Thätigkeit, wandte sich dem Verwaltungsfache zu und trat nach einem mit vorzüglicher Auszeichnung bestandenen Examen als Referendar bei der Königlichen Regierung in Merseburg ein. Unermüdlich war er bestrebt, in dem dortigen Beamtenkreise sich weiter auszubilden. Auch vermittelte es [552] sein Vater als Vorsitzender, daß der Sohn an den Verhandlungen des ersten und zweiten Sächsischen Provinziallandtages als Vertreter seines Vetters, des Grafen Joseph zu Stolberg-Stolberg theilnehmen konnte. So bildete er sich zum tüchtigen Geschäftsmann aus. Nach vierjähriger Thätigkeit in Merseburg begab er sich nochmals nach Berlin, um sich durch Studien verschiedener Fächer, deren Kenntniß ihm bei seinem zukünftigen Beruf von Wichtigkeit war, gründlich vorzubereiten. So hörte er z. B. die Vorlesungen über Chemie bei Mitscherlich. Das höhere zweite Staatsexamen zurückzulegen wurde er nur dadurch verhindert, daß sein durch eine Verletzung am Knie behinderter Vater im J. 1830 seiner Hülfe bei der Verwaltung der gräflichen Besitzungen dringend bedurfte. Noch durch eine wohl angewandte Studienreise weiter vorgebildet, wandte er sich mit allem Eifer seinem Beruf, besonders der Oberaufsicht über das gräfliche Hüttenwesen, zu. Nach einer abermaligen Studienreise nach Westfalen und dem Niederrhein übertrug ihm der Vater die Verwaltung der im J. 1804 an Wernigerode zurückgefallenen Herrschaft Gedern in Oberhessen, wo er ein reiches Leben weckte und sich allgemeine Verehrung und Liebe erwarb. Wie früher am Sächsischen Provinziallandtag nahm er nun im Frühjahr 1834 an den Verhandlungen des Hessischen Landtages Theil. Ende 1838 erreichte diese so reiche als angenehme Thätigkeit ihr Ende, als der bereits ins 66. Lebensjahr getretene Vater ihn als Gehülfen in der Verwaltung nach Wernigerode zurückrief, ein Ruf, dem der Sohn in Ehrfurcht und Liebe folgte, obwohl es sich hinfort um einen viel ausgedehnteren, anstrengenderen Arbeitskreis in der Leitung der gräflichen Kammer, des Hüttenwesens in Ilsenburg, der Landwirthschaft und des Forstbetriebes handelte. Schon am 24. October 1841 wurde der rastlos wirkende, menschenfreundliche und allgemein geliebte und verehrte Herr, nachdem er einige Wochen vorher – am 23. September – durch den Tod seines hoffnungsvollen erstgeborenen Sohnes Albrecht tief erschüttert worden war, infolge eines nervösen Schleimfiebers dahingerafft.

Da der nunmehr zur Nachfolge im Regimente bestimmte zweite Sohn Otto bei des Vaters Tode noch nicht ganz vier Jahre zählte, so konnte von einer unmittelbar erzieherischen Einwirkung des Vaters kaum die Rede sein. Aber um so merkwürdiger tritt nun das geistige Erbe des Vaters und das ihm durch treueste Erziehung übermittelte Vorbild bei der Entwicklung und im Wesen des Sohnes hervor. Die Leiterin und Seele dieser zumal die Jugendjahre durchaus bestimmenden inneren Entwicklung, seine Mutter, die Erbgräfin Emma, geborene Gräfin v. Erbach-Fürstenau, war eine Frau von inniger Frömmigkeit und Geistestiefe, auch von warmer werkthätiger Menschenliebe, aber ihre bedeutende und edle Erscheinung war von einer angeborenen Hoheit, die zunächst eine Annäherung ausschloß. Ohne Zweifel war es der Abglanz dieses mütterlichen Wesens, der sich im Sohne wiederspiegelte und ihn gelegentlich zurückhaltend erscheinen ließ, obwohl in seinem Innern dieselbe Menschenliebe wohnte, die aus des Vaters leutseligen Augen strahlte. So früh ihm der Vater genommen war, so lange durfte er sich der treuen Sorge und Pflege seiner bis an ihren erst am 1. December 1889 erfolgten Tod innigst verehrten und geliebten Mutter erfreuen. Die Bestimmung über die Unterweisung und Ausbildung des Sohnes als zukünftigen Erben des Regiments überließ die Erbgräfin vertrauensvoll dem Großvater, dem Grafen Henrich, dem es, da er erst im 82. Lebensjahre am 16. Februar 1854 verstarb, vergönnt war, jene Aufgabe treu und gewissenhaft zu erfüllen, bis der sittlich früh gereifte Enkel im siebzehnten Lebensjahre stand.

Nach der ersten Jugenderziehung in Ilsenburg und dem Besuch eines von dem Regierungsrath Eilers geleiteten Privatinstituts zu Freienfelde bei Halle a. S. [553] genoß Graf O. von 1851–1856 den Unterricht des unter Leitung des tüchtigen Directors Eichhoff stehenden Gymnasiums zu Duisburg. Seinem Vater nacheifernd, arbeitete er so treu, daß er ebenso wie dieser die Reifeprüfung mit Auszeichnung bestand und vom mündlichen Examen entbunden wurde. Als er dann seinen akademischen Studiengang in Göttingen begann, war der Umfang der von ihm getriebenen Fächer ein ziemlich weiter. Zunächst handelte es sich um das Studium der Rechte und der Kameralwissenschaft, wobei Aegidi [WS 1] und Hassenstein seine Lehrer waren. Er hörte aber auch geschichtliche Vorlesungen bei Waitz, Physiologie bei R. Wagner, Chemie bei Wöhler, ein philosophisches Privatcolleg bei Lotze, Nationalökonomie bei Hanssen. Das gesellschaftliche Leben wurde in einem seinem Stande entsprechenden Kreise theils in Göttingen, theils in dem leicht erreichbaren Hannover gepflegt. Nach seinem eigenen Zeugnisse that es ihm dann im Sommer 1858 das liebliche Heidelberg an, wo er, ohne seinen ernsten zukünftigen Beruf aus den Augen zu verlieren, als Mitglied des Corps der Saxoborussen jugendfroh das studentische Leben pflegte.

Schon als Schüler zu Duisburg war Graf O. durch den Tod seines Großvaters Erbe der ausgedehnten Besitzungen des Hauses Stolberg-Wernigerode geworden. Während seiner Minderjährigkeit führte über fünftehalb Jahr sein Oheim Graf Botho mit großer Gewissenhaftigkeit und Sparsamkeit das vormundschaftliche Regiment. Zwar war, als Graf O. um Michaelis 1858 seinen akademischen Studiengang beschloß, die Zeit seiner Volljährigkeit nahezu herbeigekommen, und er hatte sich auch auf sein zukünftiges Lebenswerk wohl vorbereitet. Da er aber unter seinem Oheim die Verwaltung unter guter Aufsicht wußte, so beeilte er sich nicht, die Verwaltung sofort in die Hand zu nehmen, sondern widmete sich von 1859–1861 dem preußischen Heeresdienst und trat in das Regiment gardes du corps ein. Da dieses abwechselnd in Berlin und Potsdam stand, wurde ihm schon jetzt reiche Gelegenheit geboten, zum Haupte des Königlichen Hauses und zu dessen Gliedern in persönliche Beziehung zu treten. Im letzten Jahre fühlte er sich aber gedrungen, da er sich seinen Aufgaben als regierender Graf zu Stolberg in Wernigerode widmen wollte, um Entlassung aus dem activen Heeresdienst einzukommen. Er trat nun in das Verhältniß à la suite der Armee ein, in welchem er bis zum General der Cavallerie emporstieg.

Seitdem er nun das Regiment und die Leitung der gräflichen Verwaltung in die Hände genommen hatte, bemerkten die Beamten, zunächst die oberen, bald, daß sie es mit einem überaus thätigen, selbständigen, einsichtigen und genau unterrichteten Herrn zu thun hatten, der selbst in die Verwaltung eingriff. Wenn sie dadurch zur Sorgfalt und eifriger Pflichterfüllung angespornt wurden, so war doch auch dieser Dienst ein sehr lohnender, und es ehrt ebenso den Herrn wie den Diener, wenn Graf O. noch in seiner letzten Krankheit dankbar der redlichen Männer gedachte, die ihm und seinem Hause gedient hatten und wenn er besonders solchen Männern in der Grafschaft Ehrendenkmale setzte, die bei treuer Pflichterfüllung freimüthige und selbständige Urtheile abgegeben hatten, die gelegentlich den eigenen Neigungen entgegenstanden.

Ein so urtheilsfähiger Zeuge wie der spätere Cultusminister Dr. Bosse [WS 2], der als Kammerdirector zu Roßla und durch seine mehrfachen persönlichen Berührungen mit dem Grafen in der Lage war, sich aus eigener Beobachtung ein sicheres fachmännisches Urtheil über des Grafen Wirksamkeit zu bilden, weiß davon zu sagen, eine wie gründliche Kenntniß derselbe sich von den verschiedenen Zweigen der Verwaltung, an denen er auch ein persönliches Interesse [554] nahm, angeeignet hatte, so daß er überall sachgemäß eingreifen konnte. Aber wir wissen es auch aus eigener Erfahrung, wie es einem begegnen konnte, wenn man glaubte, bei Ertheilung einer Auskunft seinem Wissen trauen zu können, daß Graf O. durch genauere Information den Berichtenden beschämte.

Die Bewältigung eines so erstaunlichen Materials, wie die Vorbereitung auf die mannichfachen Fragen der Verwaltung es erheischte, und die oft ein Aufsitzen bis tief in die Nacht nöthig machte, war nur durch eine unverkümmerte, unverdorbene Jugendkraft zu bewirken. Wir wissen es aus des Grafen eigener Mittheilung, daß er, wenn ein Gegenstand ihn sehr beschäftigte und ihm sonst nicht die ausreichende Zeit übrig blieb, eine ganze Nacht auf dessen Studium verwandte. Freilich vermochte er auch fast zu allen Stunden und unter verschiedenen Umständen festen und erquickenden Schlaf zu finden.

Die lebendige persönliche Betheiligung an der Verwaltung und den Hausangelegenheiten führte ihn auch dazu, neue Bahnen zu beschreiten. So suchte er die Häupter der drei Linien zu gemeinsamer Sicherung ihrer Rechte zu veranlassen und die jährlichen Zusammenkünfte der Oberbeamten jener Linien behufs Verhandlung über gemeinsame Interessen, die vom Kammerdirector in Roßla zuerst angeregt waren, gewannen durch des Grafen rege Antheilnahme Bedeutung und Leben. Daneben verdienen die jährlichen Kohlenordnungen erwähnt zu werden. Dem Namen nach knüpften sie an die jährlich in Ilsenburg stattfindende Abrechnung über die Holzköhlerei an, wobei dann die Köhlermeister für das nächste Jahr gedungen wurden. Als diese Holzköhlerei fast ganz aufgehört hatte, ließ Graf O. an ihre Stelle unter Beibehaltung des alten Namens eine neue Einrichtung, eine jährliche Beamtenversammlung treten, in der zuerst Gegenstände aus den verschiedenen Zweigen der Verwaltung, Fragen über die persönlichen Verhältnisse der Arbeiter verhandelt, auch Vorträge, die Beamtenschaft und die engere Heimath betreffend, gehalten wurden, woran sich dann ein gemeinsames Mahl schloß. Die Hauptbedeutung dieser sogenannten „Kohlenordnung“ bestand aber darin, daß dadurch das Gemeingefühl der Beamtenschaft geweckt und genährt wurde.

Mit all diesen Kenntnissen, dieser Arbeitskraft und frischem frohem Streben hätte Graf O. in der Erfüllung der ihm durch seine Geburt zugefallenen Pflichten eine große Aufgabe zu lösen gehabt; aber weit größere nahm er infolge der mit dem Jahre 1864 beginnenden großen Ereignisse zum besten des Gesammtvaterlandes und im Dienste des von ihm innigst verehrten und geliebten königlichen Oberlehnsherrn freiwillig und nicht ohne große Opfer auf seine Schultern.

Die ersten Bethätigungen seines vaterländischen Sinnes waren Werke der christlichen Nächstenliebe. Nach dem deutsch-dänischen Feldzuge nahm er verwundete Krieger in Pflege und behielt sie dann meist in seinen Diensten. Größere Dienste leistete er im J. 1866: als Delegirter des Militärinspecteurs der freiwilligen Krankenpflege bei der Mainarmee war er beim Stabe des Generals Vogel von Falkenstein und nahm als solcher an verschiedenen Gefechten Theil, wobei er auch mehrfach im Feuer stand. So konnte er denn auch nach hergestelltem Frieden an dem erhebenden Einzuge der Truppen in Berlin theilnehmen. Die persönliche Bethätigung zum Heil leidender Krieger gehörte zu seinen Lieblingsaufgaben; er erfüllte sie als Mitglied des Johanniterordens, als welches er seit 1868 die Stelle eines Commendators für die Provinz Sachsen, von 1872–1885 die des Ordenscanzlers einnahm, sowie als Vorsitzender des Central-Comités der deutschen Vereine, wie besonders des deutschen Vereins vom Rothen Kreuz, bis an sein Ende und hat auch gebührende Anerkennung dafür gefunden.

[555] Gewiß verdienen solche freiwilligen Bethätigungen der Vaterlands- und Menschenliebe ein ehrendes Gedenken, aber mehr Selbstverleugnung und Hingabe an die großen Aufgaben und Ziele der Zeit, in die er hineingeboren war, forderten die Arbeiten des Friedens nach den errungenen Siegen. Wir gedenken dabei zunächst der parlamentarischen Thätigkeit. Unvergeßlich ist uns der Abend des 9. Februar 1867, an welchem der 29jährige Graf O. in der sogenannten Nöschenröder Schenke in einer bunt zusammengesetzten Versammlung an einer improvisirten Rednerbühne mit bewunderungswürdiger Beherrschung der Lage eine Wahlrede hielt. Schon brach infolge einiger unparlamentarischen Ausdrücke eines entgleisten Philologen ein Sturm aus; doch wurde derselbe bald gedämpft und der erlauchte Bewerber war vollständig Herr der Lage. Er erklärte, er habe es als eine zwar nicht angenehme, aber doch nicht abzulehnende Pflicht angesehen, sich der Candidatur und allen damit verbundenen Obliegenheiten zu unterwerfen, als er von Anderen dazu aufgefordert sei. Das Ergebniß der Bewerbung war ein erfreuliches: obwohl mit großem Geschick für eine nicht extreme Gegencandidatur geworben wurde, fielen auf den Grafen im Wernigerödischen 3063, auf den nationalliberalen Gegencandidaten 668 Stimmen. Daß Graf O. zum Abgeordneten zum ersten constituirenden Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt wurde, geschah infolge dieses Wahlergebnisses in seiner Grafschaft, was um so bemerkenswerther ist, als bis dahin in dem aus den größeren Kreisen Halberstadt und Oschersleben und der Grafschaft Wernigerode gebildeten Wahlkreise die Candidaten der Grafschaft stets unterlegen waren.

In dem Wahlaufruf vom 12. Januar, an dessen Spitze Graf Otto’s Name stand, war ausdrücklich daran erinnert, daß es gelte, die durch die Siege noch nicht abgeschlossenen Erfolge durch die Werke des Friedens zu krönen. Und wenn es überhaupt bezweifelt werden könnte, daß der regierende Graf sich im Sinne des Ministerpräsidenten Graf Bismarck für die Candidatur gewinnen ließ, so braucht nur daran erinnert zu werden, daß dieser am 18. Januar dem Wahlausschuß selbst erklärte, die Wahl des regierenden Grafen Otto zu Stolberg-Wernigerode wäre der königlichen Regierung eine besonders willkommene.

Kaum hatte er begonnen, bei der Begründung des Norddeutschen Bundes durch seine parlamentarische Thätigkeit dem Könige, dem Vaterlande und dem großen leitenden Staatsmanne seine willigen Dienste zu leisten, als ihm eine weit schwierigere Aufgabe angesonnen wurde: er wurde vom Grafen Bismarck dazu ausersehen, durch die Annahme des Amtes eines ersten Oberpräsidenten die Bevölkerung der erst eben durch Waffengewalt dem Königreich Preußen angegliederten Provinz Hannover, die in erdrückend großer Mehrheit diesem Herrschaftswechsel widerstrebte, mit den neuen Verhältnissen zu versöhnen. Wohl hatten manche Maßnahmen bezüglich der Verfassung unter König Ernst August und wegen des Kronguts und sonst unter Georg V. nicht unbegründeten Widerstand gefunden, und für die lebhaften deutschen Einheitsbestrebungen seit 1848 war manchen Stürmern das Königreich Hannover als ein Hemmschuh erschienen. Aber im allgemeinen war dieses doch ein wohlgeordneter, trefflich verwalteter Verfassungsstaat, dessen vom Minister Stüve durchgeführte Landgemeinde-, Städte- und Aemterorganisation als musterhaft gelten konnten. Nun hatte auch das bei der Eroberung geflossene Blut das Selbständigkeitsgefühl gestärkt und den Gegensatz gegen Preußen verschärft: für den Grafen kam noch die Schwierigkeit hinzu, daß er wegen der Stammgrafschaft Hohnstein dem entsetzten Könige von Hannover als Oberlehnsherrn gehuldigt hatte. Endlich war es dem Grafen besonders schmerzlich, daß sich der specifisch welfische [556] Gegensatz gegen Preußen nirgends schärfer ausgeprägt fand, als bei der lutherischen Geistlichkeit.

Trotzdem schreckte Graf O. vor all diesen Schwierigkeiten nicht zurück und erkannte es als seine patriotische Pflicht, die ihm durch das Vertrauen des Königs Wilhelm übertragene Aufgabe nach Kräften zu erfüllen. Wenn er gerade dieses Vertrauen von der höchsten Stelle bei seinem Abschied von Wernigerode am 15. September 1867 ausdrücklich hervorhob, so steht anderseits auch fest, daß diese seine Berufung eben so sehr den Wünschen des leitenden Staatsmannes entsprach, der ja schon zu Anfang des Jahres offen ausgesprochen hatte, wie willkommen ihm die Wahl des Grafen zum Reichstag des Norddeutschen Bundes sei. Als man aber darnach in Regierungskreisen eine andere Wahl getroffen hatte und die Ernennung des Freiherrn v. Nordenflycht zum Oberpräsidenten von Hannover bereits fest beschlossen war, geschah es durch das unmittelbare Eingreifen Bismarck’s, daß dies rückgängig gemacht und die Ernennung des Grafen O. zu Stolberg-Wernigerode zu dieser wichtigen Stelle durchgesetzt wurde.

Zur Ueberwindung der wenigstens theilweise angedeuteten Schwierigkeiten, mit denen Graf O. bei der Uebernahme des Oberpräsidiums von Hannover zu ringen hatte, brachte er in seiner Person und Stellung reiches Rüstzeug mit. Nicht nur der Gedanke, daß er Carrière machen wolle, war bei seiner Unabhängigkeit völlig ausgeschlossen, jeder Verständige erkannte, daß er dem an ihn ergangenen Rufe folgte, um eine hohe vaterländische Pflicht zu erfüllen. Das Haus Stolberg-Wernigerode genoß eines besonders begründeten Rufes; er selbst war schon seit seiner Göttinger Studentenzeit in manchen, besonders höheren Kreisen von Hannover wohlbekannt. Und wenn er zu Hoffesten, die er zu besonderer Genugthuung der Hannoveraner veranstaltete, auch Personen aus den höheren welfisch gesinnten Adelskreisen einlud, so erklärten sie wohl gelegentlich, wenn sie auch der Ladung des Oberpräsidenten zu folgen nicht geneigt seien, so wären sie doch gern bereit, die des Grafen O. zu Stolberg-Wernigerode anzunehmen.

Als die Hauptsache kam nun zu diesen mehr äußerlichen Umständen das geschickte Auftreten und die unermüdliche Wirksamkeit des Grafen. Mit der ihm natürlichen Liebenswürdigkeit, Klugheit und Selbstverleugnung wußte er die vielfach verstimmt und spröde ihm gegenüberstehenden Gemüther zu gewinnen, geeignete Räthe herbeizuziehen, weniger geeignete aber und ungeschickte bei dem außerordentlichen Vertrauen, das er sowohl beim Könige Wilhelm wie beim Ministerpräsidenten Graf Bismarck genoß, zu beseitigen. Dazu kam nun aber als das Wichtigste die außerordentliche Thätigkeit, die er entfaltete. Mit erstaunlicher Arbeitskraft arbeitete er Tag für Tag bis in die Nächte hinein, war für jedermann zugänglich, ließ sich die Sachen vortragen, prüfte sie selbst und war aufs äußerste bestrebt, den Geschäftsgang abzukürzen. Durch häufige Reisen in der Provinz suchte der Oberpräsident sich persönlich von der Lage der Dinge zu überzeugen, und mit seinem praktischen Blick und scharfem Verstande wußte er auch in vielen Sachen zu rathen. Dabei hatte er nicht zuletzt manchen Erfolg dadurch, daß er sich die Personen mit seinen hellen, klaren Augen ansah und ihnen sein Wohlwollen entgegenbrachte.

Der deutsch-französische Krieg von 1870/71, der zu einer Waffenbrüderschaft der Hannoveraner mit den Bewohnern der altpreußischen Provinzen und mit allen deutschen Stämmen führte und dessen ruhmvoller Verlauf und siegreicher Ausgang den Norddeutschen Bund zu einem geeinten deutschen Reiche erweiterte, förderte natürlich mächtig die Bestrebungen des Grafen zur Versöhnung der Hannoveraner mit dem preußischen Staate, der allen Nationalgesinnten [557] als Schöpfer und Hort dieser Einigung erscheinen mußte. Gleichwohl brachten die ersten Stadien dieses Krieges dem Oberpräsidenten manche unangenehme Erfahrungen, indem die Oberbefehlshaber sich manche Uebergriffe in die Civilverwaltung erlaubten und die Eingesessenen der Provinz nicht immer mit der nöthigen und angemessenen Rücksicht behandelten. Indem nun aber Graf O. auch hier nach Kräften versöhnend einzuwirken suchte und hierbei an allerhöchster Stelle wegen des unbegrenzten Vertrauens, dessen er sich erfreute, den nöthigen Rückhalt fand, so mußte ihm gerade die Ueberwindung dieser Schwierigkeiten das Vertrauen und die Liebe der Provinzialen sichern.

Was ihm, abgesehen von den Folgen des siegreichen deutsch-französischen Krieges, sein Präsidialamt wesentlich erleichterte, war die Freiheit der Bewegung, wie das unbedingte Vertrauen, das König Wilhelm ihm verstattete, und die Uebereinstimmung in den wesentlichen Regierungs- und Verwaltungsgrundsätzen mit dem Grafen und Fürsten Bismarck. Natürlich konnte im Großen und Ganzen darüber von beiden Seiten kein Zweifel obwalten, daß es darauf ankam, die neue Provinz mit dem preußischen Staatswesen zu verschmelzen; aber über die Mittel und die Weise, wie dieses Ziel zu erreichen sei, gingen die Ansichten weit auseinander. Während einzelne der zuerst in die Provinz berufenen Beamten meinten, man müsse so bald und so energisch als möglich die Einrichtungen der alten Provinzen in der neugewonnenen einführen und deren Eigenthümlichkeiten beseitigen, ging Graf O. im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten von einer ganz anderen Auffassung aus: indem er sich möglichst genau mit den eigenthümlichen Verhältnissen und dem Herkommen in der Provinz und den einzelnen Landschaften vertraut machte, suchte er überall das für gut Erkannte, und bestehende Einrichtungen, soweit eine Aenderung nicht dringend nothwendig schien, zu erhalten.

Durch zwei an den Grafen O. gerichtete Schreiben vom 17. und 28. Februar 1870 hatte Graf Bismarck sich entschieden gegen das von regierungsfreundlicher Seite beliebte Verfahren ausgesprochen, die Bewohner der neuerworbenen Lande mit brandenburgischer Geschichte zu unterhalten, um dadurch preußischen Patriotismus in ihnen zu wecken. Natürlich hatte er nichts dagegen, daß die Erinnerung an solche geschichtliche Ereignisse und Persönlichkeiten aufgefrischt würde, bei denen wirklich lebendige Beziehungen zur preußischen Geschichte obwalteten, wie das bei den hannöverschen Stammlanden seit dem siebenjährigen Kriege, bei Ostfriesland seit dem Großen Kurfürsten der Fall war. Wo aber solche lebendigen Beziehungen fehlten, seien solche künstlich aufgepfropften Belehrungen nutzlos und nachtheilig. Diese Auffassung des Ministerpräsidenten war ganz und gar die des Grafen O., und er erklärte sich alsbald in einem Bericht ausdrücklich mit diesen Grundsätzen ohne Vorbehalt einverstanden.

Nachdem der Graf zu Anfang des Jahres 1873 den Zweck der ihm in Hannover gestellten Aufgabe im wesentlichen als erfüllt ansehen konnte, bat er den König um Enthebung von seinem arbeitsreichen Amte. Auf einem am 5. März 1873 zu seinen Ehren veranstalteten Abschiedsmahl konnte er in einer Ansprache, in der er zunächst Gott die Ehre gab, seinem frohen Danke gegen die Bevölkerung und die Mitarbeiter bei seinem Bemühen Ausdruck geben: für den Erfolg seines unermüdlichen Wirkens ist es gewiß ein schönes Zeugniß, daß er von 1871–1878, d. h. bis zu einer Zeit, wo ihm andere Aufgaben die Fortsetzung solcher parlamentarischer Thätigkeit unmöglich machten, im deutschen Reichstage zwei hannöversche Wahlkreise, Melle-Diepholz und Goslar-Klausthal, vertrat. Dabei mag bemerkt werden, daß er in politischen Fragen auf Seiten der freiconservativen Partei stand, während er in den kirchlichen [558] Fragen eine entschieden conservative Stellung einnahm. Noch ein lauteres allgemeines Zeugniß als die parlamentarische Vertretung ist für die Beliebtheit, die der Oberpräsident Graf O. sich infolge seiner fünfjährigen Wirksamkeit erworben hatte, der Sturm von Petitionen, der sich erhob, um ihn zum Verbleiben in Hannover zu vermögen.

Wenn Graf O. den Rücktritt vom Oberpräsidium mit der Nothwendigkeit begründete, nach fünfjähriger Abwesenheit von Wernigerode seine durch schwere Amtsgeschäfte im Dienste des Gesammtvaterlandes gebundene Kraft wieder der Verwaltung der eigenen Besitzungen zu widmen, so wird jeder Einsichtige diesen Grund als durchaus zulänglich erkennen und die großen Opfer zu würdigen verstehen, die er bis dahin für König und Reich gebracht hatte. Gegen Ende der Oberpräsidentschaft hatte er auch schon seine parlamentarische Thätigkeit wieder aufgenommen und von 1872–1877 auch zum ersten Mal als Nachfolger seines Vetters Graf Eberhard zu Stolberg-Wernigerode den Vorsitz im Herrenhause führen können. Es ist wohl zu verstehen, daß ihm gerade diese Thätigkeit, in der er sein Geschick, zu einigen und zu vermitteln, besonders bewähren konnte, eine vor anderen angenehme und willkommene war.

Kaum drei Jahre waren seit Niederlegung des Amtes als Oberpräsident vergangen, als das Vertrauen des Kaisers und der Scharfblick des Fürsten Bismarck den in der Verwaltung Bewährten für eine diplomatische Thätigkeit und Stellung ersah, nämlich für den Posten des deutschen Botschafters am Kaiserlich österreichischen und Königlich ungarischen Hofe in Wien. Es konnte durchaus nicht als selbstverständlich erscheinen, daß eine Persönlichkeit, die sich neben ihrer Umsicht und unverwüstlichen Arbeitskraft durch ihr gerades, offenes Wesen in der Verwaltung bewährt hatte, sich auch für ein staatsmännisch-diplomatisches Amt eignen werde. Wenn Fürst Bismarck ihm das aber durchaus zutraute, so dürfte darin gewiß ein starker Beweis für die Offenheit und Ehrlichkeit der Politik des Reichskanzlers gefunden werden. Jedenfalls hat er sich in dem Grafen nicht getäuscht, wie dieser seinerseits die Thätigkeit in Wien als die angenehmste auf seiner thätigen Laufbahn angesehen hat. Die durch ihn bewirkte Anbahnung freundschaftlicher Beziehungen zwischen dem deutschen Reiche und Oesterreich-Ungarn hatte nicht zuletzt ihren Grund in dem gewinnenden, das größte Vertrauen erweckenden Eindruck, den seine Persönlichkeit auf den Kaiser von Oesterreich und die leitenden Männer in Wien machte. Es war mehr als ein Höflichkeitsact, wenn wir den Grafen Andrássy nach dem weiter unten zu erwähnenden Bündnisse in Wernigerode zum Besuch und in herzlichem Verkehr mit dem früheren Botschafter sehen.

Im Frühjahr 1878 trat Graf O. in das preußische Staatsministerium, wurde dessen Vicepräsident und damit zugleich Minister ohne Portefeuille und durch das Gesetz vom 17. März d. J. Stellvertreter des Reichskanzlers oder, wie der kurze Ausdruck lautete, Vicekanzler. Jenes Gesetz gestattete dem Fürsten, sich in allen ihm unterstellten Geschäftszweigen, mit Ausnahme der Beaufsichtigung der Bundesstaaten durch das Reich, durch Bevollmächtigte vertreten zu lassen, obwohl seine alleinige Verantwortlichkeit bestehen blieb. Der Graf wurde also infolge jenes Gesetzes Ende Mai zum Vicepräsidenten des preußischen Ministeriums und zum Vertreter des Reichskanzlers im Bundesrath ernannt. Besonders hatte er in seiner schwierigen Stellung dem großen Staatsmann die mannichfachen, oft heiklen Personalfragen abzunehmen, überhaupt eine schwere, kaum übersehbare Arbeitslast. Mit unverdrossenem Eifer stürzte er sich in die Flut der ihm zufallenden Geschäfte; Tag für Tag kam er nicht vor zwei Uhr Nachts zu Bett, auf seinem Arbeits- und Vorzimmer gingen die Personen wie auf einem Jahrmarkte aus und ein; mit frischer [559] Manneskraft vermochte der Vicekanzler solche Anstrengungen zu ertragen und dabei gutes Wohlsein zu bewahren. Zur Vermehrung seiner Arbeit trug auch der am 20. October des Jahres 1879 erfolgte Tod des Staatssecretärs v. Bülow bei.

Aber sein hohes Doppelamt stellte an den Vicekanzler des Reiches und Vicepräsidenten des preußischen Staatsministeriums nicht nur der von ihm zu bewältigenden Arbeitslast wegen außerordentliche Anforderungen, sie forderte auch eine ganz außerordentliche Selbstverleugnung, denn er hatte wohl alles Schwere und Unangenehme der hohen Stellung zu tragen, aber die Entscheidung lag überall nicht bei ihm, sondern bei dem Fürsten Bismarck als Ministerpräsidenten und Reichskanzler.

Von allen geschäftlichen Leistungen abgesehen, hat Graf O. zur Zeit der Verwaltung dieser hohen Staatsämter wegen der innigen Vertrauensstellung zu Kaiser Wilhelm dem großen Leiter der deutschen Politik und zugleich dem deutschen und europäischen Frieden in sehr kritischer Zeit einen außerordentlichen Dienst geleistet. Es war im J. 1879, als Fürst Bismarck sich aufs eifrigste bemühte, ein Bündniß zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn zu Stande zu bringen, um dieses Reich aus seiner isolirten Stellung Rußland gegenüber zu befreien, es auch von Frankreich abzuziehen und dadurch zugleich die deutsche Position zu stärken. Für diesen Gedanken war jedoch Kaiser Wilhelm durchaus nicht zu gewinnen. Weil es sich doch auch dabei um eine Sicherstellung Rußland gegenüber handelte, so meinte er durch ein solches Bündniß die Treue gegen seinen Neffen, den Kaiser Alexander III., zu verletzen. Als Fürst Bismarck den Kaiser Wilhelm nicht umzustimmen vermochte und bei einem Versagen der kaiserlichen Einwilligung seinen Rücktritt in Aussicht stellte, zeigte der Kaiser sich seinerseits bereit, abzudanken, um dem Reichskanzler freie Bahn zu machen. Da Beides bei den obwaltenden europäischen Verwicklungen sehr gefährlich gewesen wäre, so machte Fürst Bismarck noch einen letzten Versuch, durch den persönlichen Einfluß des Grafen O. zu Stolberg-Wernigerode den Kaiser für seinen Plan zu gewinnen. Das geschah: der Graf reiste alsbald nach Baden-Baden, wo der Kaiser sich damals aufhielt, und seinen Bemühungen und Vorstellungen gelang es, den Kaiser umzustimmen und zur Unterzeichnung des Bündnißvertrages zu gewinnen. So kam das österreichischerseits vom Grafen Andrássy vermittelte deutsch-österreichische Defensivbündniß vom 7. October 1879 zu Stande, das bestimmt war, den durch das Dreikaiserbündniß geschaffenen europäischen Frieden zu befestigen, ein Bund des Friedens und der gegenseitigen Vertheidigung.

Der Dienst, den Graf O. in dieser wichtigen Angelegenheit dem Fürsten Bismarck und dem Vaterlande leistete, stand durchaus in Uebereinstimmung mit seinen eigenen Bestrebungen, daher er sich desselben noch in seinen späteren Lebensjahren ganz besonders gefreut hat. Weniger konnte das da der Fall sein, wo er in williger Entsagung auch da die Politik des leitenden Staatsmannes in Fällen zu stützen suchte, wo er ihre Tendenz nicht innerlich theilte, wie dem Minister Falk [WS 3] gegenüber. Es konnte daher nicht davon die Rede sein, das mit dem Abgang der Minister Falk, Hobrecht [WS 4] und Friedenthal [WS 5] und dem Eintritt von Bitter und Friedberg [WS 6] eine des Grafen Ueberzeugungen zuwiderlaufende Richtung im Ministerium zur Herrschaft gelangt sei; im Gegentheil vertrat Falk gegenüber der kirchlich entschieden conservative Vicepräsident nur die Regierung, nicht das Princip, während unter den neuen Ministern Friedberg ihm besonders nahe stand. Wenn in den „Denkwürdigkeiten“ Fürst Chlodwig v. Hohenlohe [WS 7] den Reichskanzler sich gelegentlich über den Grafen Stolberg beklagen läßt, „weil er nichts thue“ (Denkwürdigk. II, S. 269), [560] so kann das nicht von der Unthätigkeit in den ihm obliegenden amtlichen Geschäften gemeint sein, das wußte Fürst Bismarck besser; es konnte nur an den Verzicht auf eigene politische Initiative gemeint sein, und das konnte der Fürst seinem treuen, sich in seinem Dienste aufopfernden Helfer nur danken.

Eine persönliche Intimität hat zwischen beiden einander ergänzenden hohen Staatsdienern nicht stattgefunden, das schienen schon persönliche Lebensanschauungen auszuschließen. Der Reichskanzler verdankte sein persönliches Ansehen und seinen Fürstencharakter durchaus seinen Verdiensten und seiner eminenten Größe, während der Vicekanzler bei allem freiwilligen, hingebenden Dienste und bewundernswerther Selbstverleugnung doch auf seinen Geburtsstand und dessen Rechte hielt, die der große Kanzler nicht entsprechend werthete. Sehr irrig wäre es nun aber, daraus folgern zu wollen, daß Fürst Bismarck nicht die Person des Vicekanzlers gebührend gewürdigt, auch die Bedeutung seiner Geburtsstellung nicht zu erkennen gewußt habe. Wir wollen den Fürsten Bismarck selbst zeugen lassen. Als Graf O. sich fünftehalb Jahr dem Reichs- und Staatsdienst gewidmet hatte und nun die Zeit gekommen glaubte, wo er sich wieder ganz seinen eigenen Angelegenheiten widmen könne und in diesem Sinne am 5. September 1880 an den Kanzler mit dem Bemerken schrieb, er wolle dem Reichskanzler keine Schwierigkeiten verursachen, antwortete Fürst Bismarck fünf Tage später aus Friedrichsruh u. a.: „Sie sagen, daß Sie Ihre amtliche Leistung gering anschlagen, aber ich glaube, Sie unterschätzen dieselbe. Es kommt in Euer Erlaucht Stellung gar nicht darauf an, daß Sie in die Details der Geschäfte regelmäßig eingreifen; es kommt vielmehr darauf an, ob das Gewicht Ihrer Persönlichkeit und Ihrer Stellung im Lande in die Wagschale des Ministeriums gelegt wird oder nicht, sowohl dem Lande gegenüber, als auch in der Vertretung unserer Politik bei Seiner Majestät dem Könige. Ich habe manche Collegen im Staatsministerium gehabt, welche bei ununterbrochener eigener Betheiligung an den laufenden Geschäften dennoch in langjähriger Amtsthätigkeit dem Lande nicht dieselbe Summe von Diensten geleistet haben wie Euer Erlaucht allein in der Zeit des Octobers vorigen Jahres. In diesen und anderen Vorkommnissen von politischem Schwergewichte, wie die kirchliche Gesetzgebung, die Reform unseres Steuerwesens, kurz in allen größeren principiellen Fragen ist das Gewicht Ihres Namens und Ihrer Person nicht so leicht zu ersetzen“ u. s. f.

Dem Wunsche des Fürsten entsprechend verblieb der Graf denn auch in seinem Amte als Vicekanzler noch bis zum Juni 1881. Ein schönes Zeichen von der treuen Verehrung, die der Graf dem großen Staatsmann bis ans Ende bewahrte, war die Anrede, die er in seinem letzten öffentlichen Auftreten am 1. April 1895 zu Friedrichsruh als Vertreter des Herrenhauses an den Fürsten bei dessen 80. Geburtstage hielt und die allgemeinen tiefen Eindruck machte.

Auf den besonderen Wunsch des Kaisers übernahm er im J. 1884 das Amt eines Oberstkämmerers, daß er dann noch bis zum Jahre 1892 unter Kaiser Wilhelm II. fortführte. Als Nachfolger des Grafen v. Schleinitz [WS 8] war er zugleich von 1885–1888 mit der Leitung des Königlichen Hausministeriums betraut. Nach Niederlegung der Staatsämter war er nur noch Präsident des Herrenhauses und Vorsitzender der preußischen und deutschen Vereine vom Rothen Kreuz. Als solcher war er auch bei den internationalen Zusammenkünften dieser Vereine zu Karlsruhe 1887 und zu Rom im April 1892 als Vorsitzender, seit 1891 auch nach dem Ableben des Feldmarschalls Grafen Moltke Kanzler des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler, den ihm König Wilhelm I. noch im Januar 1888 verliehen hatte.

[561] Bei aller Hingabe an das gesammte deutsche Volk und Vaterland und an den preußischen Staat und seinen König beseelte ihn warme Liebe zu dem engeren heimathlichen Kreise. Am 15. November 1865 lernten wir ihn zuerst als Vorsitzenden einer großen provinzialen conservativen Parteiconferenz kennen, welche die Gründung genossenschaftlicher Creditcassen bezweckte. Schon seit 1862 nahm er öfters an den Verhandlungen des Provinziallandtags Theil; von 1871–1875 war er Vorsitzender des Landtags und des Provinzialausschusses.

Ein besonderes Interesse bekundete er an Unternehmungen für heimische Kunst und Geschichte sowie an frommen und gemeinnützigen Unternehmungen provinzialer Selbstverwaltung. Es war für ihn einer der erfreuendsten Momente während seiner Verwaltung der Provinz Hannover, als der Graf zu Ende des Jahres 1867 dem Provinziallandtage zu Hannover die amtliche Erklärung abgeben konnte, daß König Wilhelm darein gewilligt habe, daß die Verwaltung des sog. Domanialablösungs- und Veräußerungsfonds mit einem jährlichen Zinse von 550 000 Mark dem Provinzialständischen Verbande für gewisse gemeinnützige und milde Zwecke überlassen werde. Da das auf Grund dieser Zuweisung am 7. März 1868 der Vorläufer einer gleichen Ausstattung aller übrigen Provinzen des Staates war (die von Hessen-Nassau war schon voraufgegangen), so suchte er dieselben alsbald für eine wissenschaftliche Unternehmung der heimischen Provinz Sachsen nutzbar zu machen, indem er eine zweimalige Beschickung des Vaticans behufs Erhebung provinzialgeschichtlicher Schriftstücke anregte und ins Werk richten half. Ueberhaupt liebte und förderte er eifrig geschichtliche Arbeiten, naturgemäß zunächst die des eigenen Hauses und seiner Besitzungen. Dem auf seinen ausgesprochenen Wunsch in Wernigerode im J. 1868 gegründeten Harzverein für Geschichte und Alterthumskunde war er bis zu seinem Ende nicht bloß dem Namen nach ein treuer Protector.

Wiederholt leitete er bei seinem tiefen kirchlichen Interesse die Verhandlungen der sächsischen Generalsynode; auch bei der evangelischen Generalsynode in Berlin führte er zur allgemeinen Befriedigung den Vorsitz. An der während seiner politischen Wirksamkeit sich mehr und mehr in den Vordergrund drängenden socialen Frage nahm er ebenfalls den regsten Antheil, und bei dem am 19. October 1878 im Reichstage angenommenen Socialistengesetz ist er wesentlich betheiligt.

Wenn lediglich zur Steuer der Wahrheit gesagt werden muß, daß Graf O. seine ganze Kraft dem Dienste des großen Ganzen für Kaiser, König und Vaterland widmete, an den kirchlichen, socialen und sittlichen Fragen des Volkslebens regen Antheil nahm und dafür stets Hand und Herz offen hatte, so war daneben auch sein eifriges, zielbewußtes Streben auf den Glanz und die Sicherung seines Hauses und auf die Ehre und Erhöhung seines Geburtsstandes gerichtet. Zwar, wenn er Rechtsgänge zur Geltendmachung von Ansprüchen des Hauses, z. B. auf die an Blankenburg unternahm, so erfüllte er hier im wesentlichen nur eine ihm als dem Haupte des Hauses obliegende Pflicht. Es handelte sich dabei meist nur um Opfer, doch wurde ihm im J. 1867 durch einen billigen Vergleich gegen den Verzicht auf die Ansprüche an Elbingerode ein angrenzender Forstbezirk überwiesen. Dem Glanze des Hauses diente der langdauernde Erneuerungsbau des Schlosses Wernigerode, der den vorgefundenen ziemlich formlosen Bau dieses alten Hoheitssitzes zum schönsten Bergschlosse in ganz Norddeutschland umschuf. Der romanische Bothobau in Ilsenburg, die Herstellung der Klosterthürme in Drübeck, der [562] Bau der gothischen Kirche in Schierke dienten zur Förderung der Kunst wie zur Ehre und Zierde der Grafschaft und des Hauses Stolberg-Wernigerode. Daneben ist der rund 300 000 Mark kostende Bau eines Gymnasialgebäudes, für diese im J. 1867 vom Rathe zu Wernigerode übernommene höhere Schule nicht unerwähnt zu lassen. Wie jenes Schulpatronat mit sehr ansehnlichen Opfern verbunden ist, so stellt nun auch das Statut des gräflichen Hauses Stolberg-Wernigerode, das Graf Otto im J. 1876, um die Zeit, als er seine diplomatische Stellung in Wien antrat, ausarbeitete, hohe Anforderungen an das Haupt seines Hauses. Es wurde darin ein gutes Stück Herrenrechts festgesetzt und die Ehre des Hauses gefördert. Am 27. Mai 1878 erhielt es die königliche Bestätigung.

Um dieselbe Zeit, in der dieses Hausgesetz ausgearbeitet wurde, erreichte eine vom Mittelalter her bis zu Graf Otto’s Zeit fortdauernde Rechtsentwicklung ihren Abschluß. Die alten Hoheitsrechte des gräflichen Hauses Stolberg-Wernigerode waren durch Vergleiche mit der Krone Preußens in den Jahren 1714 und 1822 näher umschränkt worden und wurden durch die Körperschaft der gräflichen Regierung ausgeübt. Da durch die politische Entwicklung in Preußen seit Errichtung des Deutschen Reichs, besonders die neue Kreisordnung diesen Rechten großentheils der Boden entzogen war, so geschah es im J. 1876, daß diese Gerechtsame vom 1. October d. J. ab theils auf die königlichen Behörden theils auf neu eingerichtete Organe der Selbstverwaltung übergingen.

Durch jene politischen Veränderungen und das Aufhören der gräflichen Regierung hatte der Geburtsstand des Grafen keine Veränderung erfahren. Dennoch hielt derselbe es für angemessen, anknüpfend an ältere unerledigt gebliebene, im Frühjahr 1865 mit seinen Vettern in Stolberg und Roßla gepflogene Verhandlungen die Verleihung oder Annahme der Fürstenwürde zu erstreben. Es handelte sich dabei eigentlich nur um die Erneuerung und Annahme einer älteren Verleihung. Eine solche war nämlich im J. 1742 einer Nebenlinie des Hauses, der von Stolberg-Gedern, durch Kaiser Karl VII. verliehen und auch auf Graf Otto’s directen Vorfahren Graf Christian Ernst (1710–1771) erstreckt worden. Da die Bedenken, welche diesen von der Annahme jener Würde zurückgehalten hatten, nicht mehr obwalteten, so trug Graf O. kein Bedenken, sie nun durch Verleihung Kaiser und König Wilhelm’s II. anzunehmen, die am 22. October 1890 erfolgte. Das Diplom bot auch eine durch den Fürsten veranlaßte zweckmäßige neue Formation des größeren Wappens. Nach dem Diplom vom Jahre 1890 erstreckt sich der fürstliche Charakter nur auf den Fürsten Otto und seine Nachkommen im Stammgut Stolberg-Wernigerode erster Generation sowie auch auf die Nachkommen des jedesmaligen erstgeborenen Sohnes und voraussichtlichen Nachfolgers im Stammgut.

Die im J. 1868 beginnenden Königs-, Kaiser- und kronprinzlichen Besuche, deren bis 1887 bereits zehn stattgefunden hatten, veranlaßten den Fürsten, die Erinnerung daran durch ein im Wernigeröder Thiergarten errichtetes Denkmal festzulegen, das am 19. Juni 1890 durch Kaiser Wilhelm II. eingeweiht wurde. Diese Idylle inmitten einer Zeit von Kampf und anstrengender Arbeit haben ein gewisses allgemeineres Interesse insofern, als sie daran erinnern, daß die großen Arbeiten und Erfolge der Wirksamkeit des Fürsten im Zusammenhange stehen mit seinen regen persönlichen Beziehungen zu den großen königlichen und kaiseriichen Herren.

Nach einem Leben von unermüdlichem, erfolgreichem Wirken schien dem Fürsten bei einem kräftigen, durchaus gesunden Körper ein friedlicher Lebensabend [563] zu winken, und doch starb er, erst 59jährig, infolge einer über ein Jahr dauernden Krankheit dahin. So schwer nun dieses lange Siechthum, dessen Ursachen man wohl in zu starkem Rauchen gesucht hat, fast mehr für seine nächsten Angehörigen und Freunde als für ihn selbst war, so läßt es sich keineswegs als ein trostloses bezeichnen, nicht nur, weil der Kranke selbst bei Athemnoth und Schmerzen den Humor zu bewahren und zu scherzen vermochte, sondern weil während dieser Zeit der innere Mensch geprüft wurde und in bewundernswerther Weise in die Erscheinung trat. Zu den ausgeprägtesten Eigenschaften des Fürsten gehörte es nämlich, daß er es geflissentlich vermied, in den tiefsten Glaubens- und Lebensfragen sein Inneres zu offenbaren, die Wurzeln seiner religiös-ethischen Lebenskraft bloßzulegen. Nun wird man kaum sagen dürfen, daß er an und für sich diesem Grundsatze nicht auch während seines Leidens treu geblieben wäre. Aber indem ihm während der Krankheit die Möglichkeit des Wirkens nach außen genommen war und die zarteste Liebe der zunächst Stehenden die Aeußerungen seines Inneren sorgfältig beobachtete und dem Gedächtniß aufbewahrte, sind diese zur Ergänzung seines Lebensbildes ans Licht getreten.

Diese Erinnerungen sind von der hinterbliebenen, geistig hochbegabten Gemahlin, der Fürstin Anna (Elisabeth), Tochter des Prinzen Heinrich LXIII. Reuß j. L., und seiner Tante Karoline, Tochter seines Großvaters, des regierenden Grafen Henrich (geboren am 9. Januar 1837, vermählt am 22. August 1863) aufgesetzt. Sie geben zunächst ein schönes Zeugniß von der innigen Liebe, die sie mit ihrem Gemahl; „der Sonne ihres Lebens“, verband. Wie er in gesunden Tagen es nicht liebte, daß packende Zeugnisse frommen Sinnes und treuen Bekenntnisses von Gliedern seines Hauses, über die er sich herzlich freute, durch den Druck bekannt gegeben würden, so sehen wir auch den Leidenden nicht eigentlich geistliche Gespräche führen; wohl aber liegt neben ihm im Krankenzimmer das aufgeschlagene Bibelbuch und zwar bei Stellen geschichtlicher Bücher des Alten Testaments, in denen er Antwort und Trost auf die ernstesten ihn betreffenden Fragen suchte. Beim Osterfest erhebt er sich an einer von der Fürstin vorgelesenen Predigt. Er findet Trost und Erquickung am evangelischen Liederschatz, einem Paul Gerhardt’schen „O Haupt voll Blut und Wunden“ oder an der Gräfin Aemilie Juliane von Schwarzburg „Wer weiß wie nahe mir mein Ende“ und bereitet sich natürlich auf letzteres durch das mit den Seinigen gemeinsam genossene Mahl des Herrn vor.

Sonst aber vermied er bis ans Ende, außer in Fällen, wo physische Schwäche unwillkürlich die Thränen aus den Augen lockte, alle Aeußerungen der Wehmuth und des Schmerzes, wie er auch von seiner Umgebung lieber den Ausdruck der Freude in Wort und Geberde, als den mitleidender Theilnahme sah, was den Nahestehenden oft schwer wurde. Wenn die Seinigen sich zum Abschied um ihn versammelt hatten, hat er wohl gesagt: „Wir haben doch nicht zu früh Spektakel gemacht. Das wäre doch unangenehm“. Aber bei solchen Gelegenheiten hat er dann auch hinzugesetzt: „sie sollen nur Alle wissen, daß ich an sie denke“. Dieses Gedenken, das ja der Kernpunkt der Liebe ist, hat er treu gepflegt bis ans Ende. Nicht nur die nächsten Angehörigen hat er immer gern um sich gesehen; sondern auch Personen, die zu ihm in irgend einem näheren Verhältniß standen, besonders die Beamten. Es schien, als er ob sie alle, soweit sein Zustand es nur gestattete, vor seinem Ende noch einmal sehen wollte. Als er im April 1896 zu einer Cur nach Baden-Baden gereist war, wurde er von einem starken Verlangen nach der harzischen Heimath und nach Wernigerode bewegt, wohin er denn auch am 22. Mai [564] zurückkehrte und am Abende des nächsten Tages mit innigster Theilnahme empfangen wurde. Zu seinen letzten Lebensäußerungen gehörte der innige Wunsch, daß auch in seinem Enkel Botho [WS 9] das Interesse für die Heimath sorgsam gepflegt werde.

Die großartige Begräbnißfeier am 23. November, bei der Oberconsistorialrath und Hofprediger Dr. Renner die Trauerrede über Jesaias 57, 2 hielt und bei der die kaiserlichen Majestäten, hohe Fürstlichkeiten, die königlichen Staatsbehörden, das Herrenhaus und andere Körperschaften persönlich oder durch Kranz- und Blumenspenden vertreten waren, entsprach der Stellung und den Verdiensten des Entschlafenen. Es darf nicht bezweifelt werden, daß bei dem nicht enden wollenden Zuge des Leichengefolges eine aufrichtige Verehrung und Liebe zum Ausdruck kam, die sich der Verewigte in weiten Kreisen, zumal in seiner Grafschaft erworben hatte. Einen äußeren Ausdruck ihrer innigen Verehrung und Liebe suchten die Kreisstände der Grafschaft Wernigerode dem verewigten Fürsten durch ein am 30. October 1900, seinem 63. Geburtstage, an einer besonders hierzu geeigneten Stelle des fürstlichen Lustgartens errichtetes Denkmal zu geben, auf welchem eine von Professor Walter Schott [WS 10], einem Sohne der Grafschaft, meisterhaft modellirte, von Lind in Berlin in Kupfer getriebene Büste des Fürsten angebracht ist. Sonst ist natürlich an bildlichen Darstellungen des Fürsten kein Mangel, sie finden sich in manchen Gemälden auf den fürstlich und gräflich stolbergischen Schlössern, besonders in Wernigerode und in Zeitschriften. Von Einzeldrucken ist ein Kniestück hervorzuheben, das den späteren Fürsten in jüngeren Jahren in der Uniform der Gardes du Corps darstellt, auf einer sorgfältigen im Auftrage des Fürsten ausgeführten Radirung ist derselbe im Brustbilde und in der Generalsuniform mit etwas strengem Gesichtsausdruck vorgeführt. Als lebenswahr ist eine viel in den Handel gekommene Photographie von Scharwächter in Berlin zu bezeichnen.

Vgl. Bettelheim’s Biogr. Jahrbuch und Deutscher Nekrolog, 2. Bd., S. 425–434. – Dr. Jul. Robert Bosse in der Deutschen Revue, Mai-Juni 1903, Sonder-Abdruck S. 1–23. – H. v. Poschinger, Bismarck-Portefeuille Bd. 1, S. 15, 16. – Chlodwig, Fürst von Hohenlohe, Denkwürdigkeiten, 2. Bd. Stuttgart u. Leipzig 1907, an verschiedenen Stellen. – Hans Blum, Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks. 1903, S. 214. Derselbe, Fürst Bismarck und seine Zeit, 3. Bd. München 1895, S. 428; 4. Bd., S. 66, 68. – G. Schuster, Briefe, Reden und Erlasse des Kaisers und Königs Friedrich III. Berlin 1907, S. 268 f. – Anna, Fürstin zu Stolberg-Wernigerode, Erinnerungen. Als Handschrift gedruckt. Dresden o. J., 180 S. – Ueber des Fürsten Vater, den Erbgrafen Hermann zu St.-W., s. Nekrolog der Deutschen von 1841, S. 1006–1016. – Handschriftliche eigene Aufzeichnungen des Fürsten bis zum Schluß seiner staatsmännischen Laufbahn harren noch der Veröffentlichung.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ludwig Aegidi (1825–1901), Jurist, Publizist; Politiker.
  2. Julius Robert Bosse (1832–1901), Verwaltungsjurist, 1892–99 preuß. Cultusminister.
  3. Paul Ludwig Adalbert Falk (1827–1900), von 1872–79 preuß. Kultusminister, ab 1882 Präsident des Oberlandesgerichts Hamm.
  4. Arthur Heinrich Ludolf Johnson Hobrecht (1824–1912), nationalliberaler Politiker.
  5. Karl Rudolf Friedenthal (1827–1890), preuß. Politiker, Jurist und Unternehmer.
  6. Heinrich von Friedberg (1813–1895), preuß. Jurist und Politiker.
  7. Chlodwig Carl Viktor Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1819–1901), war 1866–1870 bayr. Ministerpräsident und 1894–1900 Reichskanzler und preuß. Ministerpräsident.
  8. Alexander Gustav Adolf Graf von Schleinitz (1807–1885), preuß. Staatsminister, Minister des Auswärtigen 1858–1861; Minister des kgl. Hauses 1861–1885.
  9. Botho Otto Wolfgang Fürst zu Stolberg-Wernigerode (1893–1989).
  10. Walter Schott (geb. 1861 in Ilsenburg; † 1938), Bildhauer.