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Artikel „Sam, Konrad“ von Gustav Bossert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 304–306, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sam,_Konrad&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 13:47 Uhr UTC)
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Sam: Konrad S. (mundartlich auch Saum und Som), Theologe und Reformator der Reichsstadt Ulm, wurde 1483 zu Rottenacker an der Donau südwestlich von Ulm geboren, weshalb er auch Konrad Rottenacker genannt wurde. Seine Schulbildung empfing er wohl erst in dem nahen Städtchen Munderkingen, dann mit Johann Heigerlin oder Faber von Leutkirch, dem späteren Bischof von Wien, gemeinsam in Ulm und studirte 1505 ff. in Freiburg, 1509 in Tübingen. Befreundet mit Johann Oekolampadius, fand er in der Nähe von dessen Heimath Weinsberg eine Anstellung als Prediger in Brackenheim. Hier schloß er sich frühe an die reformatorische Bewegung an und predigte die neue Lehre, so daß Luther auf ihn aufmerksam wurde und ihm am 1. October 1520 einen Aufmunterungsbrief und seine Schriften sandte (De Wette 1, 489). Ein Besuch des ehemaligen Franciscaners und eifrigen Flugschriftenschreibers Johann Eberlin von Günzburg, den S. im Herbst 1523 nur drei Stunden in seinem Hause beherbergt hatte, bot dem österreichischen Landesregiment die erwünschte Handhabe, um im Frühjahr 1524 in Brackenheim die Dienstentlassung Sam’s zu erwirken. S. wandte sich nach Ulm, um dem dortigen Rath seine Dienste anzubieten, während der Rath gleichzeitig einen Boten an S. geschickt hatte, um ihn nach Ulm zu berufen. Am 15. Juni traf S. mit seiner aus Baiern stammenden, aber ihm bis jetzt nicht rite angetrauten Gattin Elisabeth in Ulm ein. Nach drei Probepredigten wurde er mit dem Auftrag, das lautere, klare Wort Gottes zu predigen, angestellt.

An Erfolg fehlte es S. nicht. Die ihm erst angewiesene Barfüßerkirche faßte die Zuhörermenge nicht mehr, weshalb S. bald das große Münster überlassen wurde. Nach dem Tode des letzten Münsterpfarrers bekam er auch die Leitung der Ulmer Kirche ganz in seine Hand. Sein Name wurde in ganz Oberschwaben bekannt. Der Rath von Memmingen ersuchte ihn um ein Gutachten über den Reformationsplan des dortigen Predigers Schappeler (Januar 1525). Die Bauern erwählten S. 1524 neben den gefeiertsten Gottesgelehrten zum Schiedsrichter in ihrer Sache. Im Abendmahlsstreit schloß sich S. mit seinem Freund Oekolampad eng an Zwingli an und entfremdete sich immer mehr von Luther, so daß er sich zuletzt zu gehässigem Urtheil über Luther fortreißen ließ. Die derbe Weise, mit der S. seine Abendmahlslehre gegenüber der katholischen und lutherischen Lehre vertrat, brachte ihn bald sowohl mit den Vorkämpfern des Papstthums in Süddeutschland, mit Faber und Eck, als mit Vertretern der lutherischen Lehre in Fehde. Neben Althammer in Nürnberg und Billikan in Nördlingen schrieb besonders der Reutlinger Johann Schradin heftig gegen S., der Schradin in einer [305] Druckschrift antwortete, dagegen Eck auf die Disputation in Bern lud, an der S. im Januar 1528 persönlich theilnahm, ohne daß Eck erschienen wäre.

In Ulm gelang es S. nur schwer und langsam, der Sache der Reformation den Sieg zu verschaffen. Den Rath machten die politischen Rücksichten auf den Kaiser und den Schwäbischen Bund ängstlich-bedächtig, die altgläubige Minderheit hatte noch angesehene Vertreter im Rath. S. selbst stürmte mit rücksichtsloser Heftigkeit und Grobheit, die erbitterte, wo eine ruhiger schaffende Kraft die Gemüther gewonnen hätte. Erst wollte der Rath jede Aenderung der Kirchengebräuche bis zum Reichstage in Speier 1526 vermieden wissen; kaum wurde evangelischer Sacramentsgebrauch im Haus gestattet. Wol ging man nach dem Speirer Reichstag einen Schritt weiter, beschränkte die Messen, beseitigte anstößige Bilder und unbiblische Gebräuche, legte den Mönchen Schweigen auf und gestattete die Priesterehe, weshalb sich S. jetzt öffentlich mit seiner Elisabeth trauen ließ. 1528 konnte S. gemeinschaftlich mit Michael Brothag[WS 1] „eine christliche Unterweisung der Jungen“ (Katechismus) herausgeben, der 1529 ein Gesangbüchlein und ein deutscher Psalter folgten. Aber die Messe blieb bestehen. Denn Ulm wollte auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 vor dem Kaiser unanfechtbar dastehen und trat deshalb auch weder der Augustana noch der Tetrapolitana bei. Aber der für die Sache der Reformation ungünstige Reichstagsabschied brachte endlich der evangelischen Sache in Ulm den Sieg. Die Zünfte verweigerten mit erdrückender Mehrheit die Annahme des Abschieds. Der Abschluß des Schmalkaldischen Bundes stärkte den Muth des Rathes. Jetzt konnte S. die zeitweilige Berufung Oekolampad’s, Butzer’s und Blarer’s nach Ulm durchsetzen, mit deren Hülfe die Reformation durchgeführt, die Geistlichen visitirt und der Kirche eine neue Ordnung in Zwinglischem Geist geschaffen werden sollte. Was S. sieben Jahre lang heftig erstritten, war jetzt erreicht, am 16. Juni 1531 fiel auch die Messe, und das ganze Reformationswerk gelang. Aber zu Sam’s Schmerz mußte Ulm auf dem Tag zu Schweinfurt April 1532 für seine Betheiligung am Schmalkadischen Bund die Anerkennung der Augustana und der Apologie zugestehen. In Ulm selbst ließ die frische religiöse Begeisterung nach, der Rath freute sich, die Kirche völlig beherrschen zu können, im Volk regte sich unbändige Lebesucht, während sich im Stillen das Täuferthum stark ausbreitete. Sam’s Freudigkeit sank, seine Arbeitskraft wurde in dem großen Amt rasch erschöpft. Kaum 50 Jahre alt, brach der starke Mann unter wiederholten Schlaganfällen zusammen und starb am 30. Juni 1533, ohne Nachkommen zu hinterlassen.

Von S. sind folgende Schriften bekannt: 1) Sein obengenannter Katechismus, den er 1533 mit der Sacramentenlehre vermehrte, und der 1536 vom Rath neu herausgegeben wurde; 2) eine 1526 ohne Sam’s Wissen gedruckte, aber von ihm anerkannte Predigt über das Nachtmahl, welche die Heidelberger 1569 neu drucken ließen; 3) seine drei letzten Predigten von Davids Ehebruch, Mord, Strafe und Buße (Ulm, Varnier 1534).

Grundlegend bleibt Keim’s Artikel in Herzog’s theol. Realencyclopädie 20I, 670–681, wozu die Urkunden des Ulmer Archivs und die Sammlungen ungedruckter Briefe in Zürich und S. Gallen benützt sind. – Veesenmeyer, Nachricht von Konrad Sams Leben. 1795 (Ulmer Gymn.-Programm). – Veesenmeyers übrige Schriften über die Ulmer Reformation. – Schnurrer, Erläuterungen der württb. Kirchen- und Ref.-Geschichte. 1798. – Schmid, Denkwürdigkeiten der württb. und schwäb. Ref.-Geschichte. Heft 2 (Ulm 1817). – Keim, Reformation der Reichsstadt Ulm. 1851. – Keim, Wolfg. Rychard (theol. Jahrbücher 1853). – Keim, die Stellung der schwäb. Kirchen (theol. [306] Jahrb. 1854. 1855). – Ders., Amb. Blarer, 1860. – Seb. Fischer, Ulmer Chronik (Verhandlungen des Vereins für Ulm und Oberschwaben. N. F. 7). – Dobel, Memmingen in der Reformationszeit. Augsburg 1877. – Radlkofer, Johann Eberlin. Nördlingen 1887. – Württemb. Vierteljahrshefte 1884. S. 28 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Michael Brodhag (um 1500–1559), Rektor der Lateinschule in Ulm.