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Artikel „Sack, Friedrich Ferdinand Adolf“ von Siegfried Lommatzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 315–318, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sack,_Friedrich&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 01:14 Uhr UTC)
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Sack *): Friedrich Ferdinand Adolf S., preußischer Hof- und Domprediger, wurde als der vorjüngste Sohn Friedrich Samuel Sack’s (s. o.) am 16. Juli 1788 zu Berlin geboren. Im väterlichen Hause mit Hülfe von Hauslehrern erzogen, erhielt er seine wissenschaftliche Ausbildung theils durch die letzteren, theils auf dem Joachimsthal’schen Gymnasium. Unter den Lehrern dieses berühmten Instituts machte namentlich Philipp Buttmann auf ihn einen mächtigen Eindruck, dem er in einer kurzen Skizze „Zum Andenken Buttmann’s Worte gegeben hat. Zu Ostern 1807 bezog er mit einem jüngeren Bruder die Universitat Göttingen, um Theologie zu studiren. Hier fesselten ihn die theologischen Vorlesungen Stäudlin’s, Eichhorn’s, Planck’s des Vaters und des Sohnes, während er sich philologisch bei Wunderlich und Dissen ausbildete, auch geschichtliche (bei Heeren), physiologische, kunstgeschichtliche und ästhetische Vorlesungen hörte. Ein guter Kopf verbunden mit warmem Gefühlsleben, ein Gemisch von Humor und jugendlicher melancholischer Schwärmerei machte ihn sehr geeignet, vielseitige Bande der Freundschaft zu schließen, die ihn mit nicht wenigen später öffentlich hervorgetretenen Männern in Berührung brachten. So mit Friedrich Thiersch und Ernst Schulze, der auch seine poetische Ader anregte. Nach dreijährigem Studium kehrte er ins väterliche Haus zurück und wurde, nachdem er in Potsdam sein theologisches Examen bestanden hatte, 1811 in die Zahl der königlichen Domcandidaten zu Berlin aufgenommen. An der eben eröffneten neuen Universität setzte er seine Studien fort. Vornehmlich von Schleiermacher fühlte er sich angezogen und war ihm mit inniger Verehrung zugethan. Schleiermacher seinerseits schätzte den jungen S. und würdigte ihn eines intimeren Umganges. In der die geistige Atmosphäre Berlins auf das mächtigste bewegenden Zeit, in welcher die Erhebung Preußens gegen das französische Joch vorbereitet wurde, trat S. Männern wie Georg Ludwig Spalding, Niebuhr, Eichhorn, v. Hüser, Georg Reimer, E. M. Arndt nahe. Zwei Gedichte, welche er dem letzteren widmete, spiegeln die Begeisterung wieder, die Arndt’s Persönlichkeit in ihm erweckt hatte. Unter den Altersgenossen seiner theologischen Studien sind besonders Pischon, Grell, v. Mauderode zu nennen. Am Befreiungskriege durfte unser junger Theologe zu seinem Leidwesen nicht theilnehmen, da er als Gehülfe der Domgeistlichkeit unabkömmlich zu sein schien. Wie sehr er dennoch die große Zeit innerlich mit erlebte, beweisen seine damals entstandenen patriotischen Poesieen, welche den Verlauf des großen Völkerkampfes nach einzelnen Seiten oder im ganzen feierten und von denen einige der Oeffentlichkeit übergeben sich auch in weiten Kreisen Beifall erwarben. Als im J. 1815 der Krieg mit Napoleon wieder ausbrach, hatte S. die Freude, zugleich mit seinem jüngeren Bruder (s. A. D. B. XXX, 158), nachdem beide vom Vater ordinirt worden waren, als Feldprediger der Brigade des Obersten v. Luck, welche zum dritten, unter Befehl des Generals v. Thielmann stehenden Armeecorps gehörte, zugetheilt zu werden. Er begleitete seine Soldaten bis [316] nach Paris, wo er mehrmals predigte. Nach der Heimkehr der Armee trat er wieder in seine Stellung am Dome zurück, um mit seinem Bruder das ihnen vom Ministerium reservirte Reisestipendium der Domcandidaten auszunutzen. Den Traditionen der Familie entsprechend, richteten die Reisenden ihr Augenmerk vorzüglich auf die Kenntniß der reformirten Länder und Kirchen, und bereisten Holland, England und die Schweiz. In Genf verweilten sie mehrere Monate, und kehrten von dort über Basel nach Berlin zurück. Daß S. ein fleißiger und pflichttreuer Beobachter der kirchlichen Verhältnisse jener Länder war, läßt sich aus einem von ihm erstatteten ausführlichen Reisebericht erkennen.

Bald nachher wurde er zum Hülfsprediger seines greisen Vaters berufen und hatte die Freude, sich noch von letzterem im Dome eingeführt zu sehen. Unerwartet früh wurde ihm dann nach dem Tode desselben die vierte ordentliche Hof- und Dompredigerstelle übertragen; und schon 1822 rückte er in die dritte Stelle ein. Er hat sein Amt in allen damit verbundenen Obliegenheiten mit einer dem Vorbilde seiner Väter entsprechenden Berufstreue und Uneigennützigkeit verwaltet. Einen besondern Werth legte er auf ein erbauliches und verständliches Predigen. Von Seiten des Königs und der königlichen Familie ward ihm ein ähnliches Vertrauen wie seinem Vater entgegengebracht. Auch ihm wurde der Religionsunterricht und die Confirmation mehrerer preußischer Prinzen und Prinzessinnen übertragen: so der Prinzessin Friederike, nachherigen Herzogin von Anhalt-Dessau, der späteren Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin, der Prinzessin Luise, vermählt mit dem Prinzen Friedrich der Niederlande, sowie des Prinzen Adalbert. Ein Lichtpunkt war es in dem Leben Sack’s, daß er sich im vertrauten Umgange mit dem gastfreien, den Notabilitäten von Kunst und Wissenschaft geöffneten Hause des genialen Fürsten Anton Radziwill und seiner Gemahlin, geborenen Prinzessin Luise Friederike von Preußen, erfrischen durfte. Hier fand er aber auch eine vorzügliche Stätte geistlicher Wirksamkeit als Seelsorger der evangelischen Mitglieder der fürstlichen Familie. Als solcher ward ihm die Aufgabe, die aus dem Leben Kaiser Wilhelm’s I. bekannte Prinzessin Elise Radziwill im evangelischen Glauben zu unterrichten und zu confirmiren. Wie alle, welche diese geistreiche, talentvolle und liebenswürdige Fürstentochter näher gekannt haben, von ihrem Wesen entzückt waren, so zollte ihr auch S. als Lehrer aufrichtige Bewunderung und innige Zuneigung. Nach ihrem frühen Hinscheiden hat er ihr in einem Aufsatz in der Allgemeinen Zeitung ein Denkmal pietätvoller Erinnerung gesetzt. Da er einen Theil seiner bei der Confirmation oder anläßlich des ersten Abendmahlsganges hochgestellter Persönlichkeiten gehaltenen Reden und Predigten veröffentlicht hat, so vermögen wir daraus zu ersehen, daß er sich für die religiöse Unterweisung fürstlicher Jugend die erprobten pädagogischen Grundsätze seines Vaters angeeignet hatte. Dagegen hatte er sich in theologischer Hinsicht mehr an Schleiermacher angeschlossen. Das tritt uns nicht nur aus den genannten Reden, sondern auch aus einer Sammlung von 30 Predigten entgegen, die er im Verein mit seinem jüngeren Bruder in den Druck gab und von denen die Hälfte ihm zugehörte. Schon die Themata, welche sich sämmtlich an neutestamentliche Texte anschließen und religiös ethischer Natur sind, erinnern deutlich an Predigten Schleiermacher’s. Wie letzterer legte er in der Verkündigung wahrer Frömmigkeit alles Gewicht auf den lebendigen Anschluß an die Person Jesu Christi, auf unsere innere Lebens- und Geistesgemeinschaft mit dem Erlöser. In Christo erblickte er die von Ewigkeit her versehene Offenbarung der vollkommenen, erlösenden und beseligenden Liebe Gottes. So war ihm auch der Tod Jesu die höchste That einer freien, göttlichen Liebe und in diesem Sinne schon unmittelbare Begründung unserer Erlösung von Sünde und Vergänglichkeit. Dagegen mochte er den uns mit Gott [317] versöhnenden Opfer-Charakter dieses Sterbens nur als ein geheimnißvolles, schwer zu deutendes Ausklingen und Erfüllen alttestamentlicher Ideen betrachten: so daß es ihm auch bei dieser christologischen Vorstellung hauptsächlich auf die Erzeugung eines alles Leid überwindenden seligen Gottesfriedens in uns, auf die sich hierin offenbarende Gemeinschaft der Gläubigen mit Christo ankam. Darum verlangt er auch vom Christen Aehnlichkeit mit Jesu versöhnendem Tode in der Verbreitung des Geistes und des Wirkens versöhnender, Frieden stiftender Liebe.

S. gehörte zu denjenigen Vertretern der reformirten Kirche, welche ihre Mißbilligung der schroff staatskirchlichen Reform der bestehenden Liturgieen und der sich damit verknüpfenden zwangsweisen Durchführung der evangelischen Union unter Friedrich Wilhelm III. nicht verhehlten. Im Januar 1822 reichte er in Verbindung mit seinen Amtsbrüdern Ehrenberg und Theremin beim Könige eine Vorstellung gegen die damals von letzterem befohlene Einführung einer neuen Agende für die Berliner Hof- und Domgemeinde, welche ohne Rücksicht auf die Wünsche der Domgeistlichkeit zu Stande gekommen war, ein. In diesem Protest wurde um des Gewissens willen die Bitte ausgesprochen, daß die frühere Liturgie des Domes so lange in Kraft bleiben möge, bis die königlichen Behörden oder die Landessynode eine agendarische Ordnung für die ganze Landeskirche würden herbeigeführt haben. Als Friedrich Wilhelm sich diesen Bitten unzugänglich erwies, erklärte zwar das Domministerium sich dem Gebrauch der Agende nicht widersetzen zu wollen, doch übernahm gerade S. eine nochmalige Darlegung der liturgischen Bedenken und Wünsche desselben in einem Gutachten, welches dem Könige vorgelegt werden sollte. Der König erklärte sich zwar zur Annahme einer solchen Vorstellung bereit, doch werde sie auf eine Aenderung seiner Entschlüsse keinen Einfluß mehr haben. War hiernach die Liturgie des Domes thatsächlich festgestellt, so fehlte für S. die directe Veranlassung, sich an den weiteren, die ganze Landeskirche in Erregung versetzenden agendarischen Kämpfen zu betheiligen. An einem selbständigen Eingreifen in die kirchliche Bewegung hinderte ihn sowol seine friedliebende Natur, als auch die Scheu, den König, den er persönlich verehrte, und dem er so manche Beweise des Wohlwollens verdankte, entgegenzutreten. Im J. 1821 hatte sich S. mit Emilie v. Oppen verheirathet. Dieser Ehe entstammten vier Söhne, von denen zwei dem Vater im Tode vorausgingen. Seine letzten Lebensjahre waren durch schwere körperliche Leiden getrübt, zu denen sich die schon bei seinen Vorfahren aufgetretene Neigung zur Hypochondrie gesellte. Der Verlust theurer Familienmitglieder und Freunde ließ seine melancholische Stimmung zu unaussprechlich tiefen, ihn schwer prüfenden Seelenleiden anwachsen „gegen die er lange Zeit im Glauben kämpfte, bis er physisch und psychisch unterlag“. Nach vergeblichen zu seiner Herstellung gemachten Versuchen wurde er am 16. October 1842, noch nicht 55 Jahre alt, in Bonn durch einen friedlichen Tod von seinen Leiden erlöst.

Eine biographische Skizze veröffentlichte über ihn sein Bruder in der Schrift: „Friedrich Ferdinand Adolphs Sack … hinterlassene Gedichte und Reden nebst einigen Skizzen. Mit einem Lebensabrisse und einem Anhange“ (Bonn 1843). Hierin finden sich auch einige Kanzelreden Sack’s, wie die dem Andenken Buttmann’s und der Prinzessin Radziwill gewidmeten Aufsätze. Die oben erwähnten Einsegnungsreden und Abendmahlspredigten sind abgedruckt unter dem Titel: „Vier Reden und zwei Predigten b. Konfirmationen in fürstl. Häusern u. d. ersten Abendmahlsfeier junger Christen, gespr. v. Fried. Ferd. Ad. Sack“ (1820). Die übrigen Predigten enthält die Sammlung: „Predigten v. Friedr. Ferd. Ad. Sack, königl. preuß. Hof- und Domprediger … u. v. K. H. Sack, Dokt. u. ord. Prof. d. Theol … (1835). Im Verein mit Karl Bauer gab S. noch eine „Auswahl aus Neuendorff’s hinterlassenen Gedichten [318] nebst e. (von ihm verfaßten) Lebensskizze u. Charakteristik d. Dichters (1839) heraus.


[315] *) Zu Bd. XXX, S. 152.