ADB:Reinhard, Karl (Polyhistor)

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Artikel „Reinhard, Karl“ von Ernst Wilhelm Förstemann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 63–65, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reinhard,_Karl_(Polyhistor)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 10:20 Uhr UTC)
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Band 28 (1889), S. 63–65 (Quelle).
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Reinhard: Karl R. ist am 20. August 1769 zu Helmstedt geboren; sein Vater war wahrscheinlich der dortige Bürgermeister R. Ueber seine Knabenzeit ist nichts bekannt geworden; seine Befähigung zur Poesie hat sich schon sehr früh geäußert, denn seine frühesten später gedruckten Gedichte stammen bereits aus seinem dreizehnten Lebensjahre und zeigen schon eine ganz ungewöhnliche Leichtigkeit der Form. In seiner Vaterstadt Helmstedt hat er die Rechte studirt, sich aber vorzugsweise der Philosophie und den schönen Wissenschaften gewidmet; als Professoren, denen er besonders viel verdanke, nennt er selbst den Theologen Henke, den Historiker Remer und den Professor der Medicin und Naturwissenschaft Beireis. Seine Mutter verlor er schon während seines Aufenthaltes in Helmstedt, seinen Vater im Jahre 1793. Er wurde 1789 durch den Grafen Christian Friedrich zu Stolberg-Wernigerode als Hofmeister der jungen Grafen berufen und hat mehr als zwei Jahre lang auf den Schlössern zu Wernigerode und Ilsenburg zugebracht; mit ihm zugleich war bei der Erziehung der gräflichen Kinder ein geborener Wernigeröder, Johann Gottfried Richter beschäftigt; beide jungen Männer schlossen eine innige Freundschaft und R. hat seinem [64] früh verstorbenen Freunde durch Herausgabe von dessen litterarischem Nachlaß ein Denkmal gesetzt. Von Wernigerode, in dessen schöner Umgebung zahlreiche Dichtungen entstanden, wurde auch Halberstadt und dort vor Allem der Protector der jungen Litteraten, Gleim, voll Verehrung aufgesucht und besungen. Im Anfange des Jahres 1792 finden wir ihn längere Zeit wieder in seiner Vaterstadt Helmstedt, von Ostern ab dagegen in Göttingen, wohin ihn der dortige Dichterbund, namentlich Bürger zieht. Dort wird er Privatdocent der Philosophie und Assessor der philosophischen Facultät. Ein sehr harter Schlag traf ihn, als sein Freund Bürger im Jahre 1794 starb; er übernahm darauf die Fortführung des von Bürger bis dahin herausgegebenen Musenalmanachs und hat sich sowohl dadurch als durch die Herausgabe von Bürger’s sämmtlichen Schriften ein entschiedenes Verdienst erworben. In Göttingen, das ihm nach Bürger’s Tode verödet schien, hat er bis zum Jahre 1806 gelebt, doch seine Stellung an der Universität aufgegeben und sich nur als Privatlehrer und Schriftsteller beschäftigt. Seine Dichtungen in dieser Zeit, wie auch schon früher, sind zum großen Theile erotischer Natur, und auf diesem Gebiete hat er viele, zum Theil sehr trübe Erfahrungen gemacht. Gegen Ende des Göttinger Aufenthalts, während dessen er auch eine Zeit lang in Münster in Verbindung mit seinem unglücklichen Geistesverwandten Christian Friedrich Raßmann gelebt zu haben scheint, wurde er 1804 durch den Bürgermeister zu Minden, den kaiserlichen Pfalzgrafen Scherlach, zum kaiserlichen gekrönten Poeten ernannt, als der Letzte, der diese Würde bekleidet hat, welche mit dem alten deutschen Reiche unterging. Ebenso gehörte er auch noch, unter dem Namen Lyndor, dem pegnitzischen Blumenorden zu Nürnberg an. Im J. 1807 folgte er wie so viele andere hervorragende Männer einem lebhaften damals leicht erklärlichen Zuge nach der Gegend von Dänemark hin. Zuerst lebte er vier Jahre lang in Ratzeburg, wo er während dieser ganzen Zeit die Ratzeburgischen litterarischen Blätter redigirte. Damals wurde er vom Herzoge von Sachsen-Gotha zum Hofrathe ernannt, nachdem er kurz zuvor Ehrenmitglied des weltlichen Stiftritterordens St. Joachim geworden war; hiermit hängt es wol zusammen, daß er sich in den letzten Jahrzehnten seines Lebens „von R.“ schrieb. Von Ratzeburg siedelte er 1811 nach Hamburg und dann nach Altona über; hier stand er, litterarisch unausgesetzt thätig, in enger Verbindung mit dem Theater, für das er namentlich bei festlichen Anlässen Prologe dichtete, eben so Ansprachen bei Anwesenheit fürstlicher und anderer hohen Personen, z. B. Blücher’s im J. 1816; mehrere dieser Dichtungen sind auch ins Dänische übersetzt worden. Während dieser Zeit trat er besonders in nähere Beziehung zum Grafen Friedrich Ludwig v. Moltke, dessen lateinische Denkschrift auf Klopstock er ins Deutsche übersetzt hat. Seit 1824 hatte er seinen eigentlichen Wohnsitz in Berlin, wo er mehreren gelehrten Gesellschaften beitrat; zeitweilig lebte er auch in Potsdam, da sein Sohn dort Premierlieutenant beim Cadettencorps war, zuweilen jedoch auch, namentlich zuletzt, in Zossen, wo er in großer Zurückgezogenheit am 24. Mai 1840 gestorben ist. Er hatte die Anlage zu einem bedeutenden Dichter durch Ideenfülle und Schwung des Ausdrucks, auch durch leichte Beherrschung selbst schwieriger Formen, doch hat ihn seine überaus große litterarische Vielgeschäftigkeit nicht zur Durchführung großer Aufgaben kommen lassen. Seine Schriften bis ins Einzelne zu verzeichnen ist an dieser Stelle nicht möglich. Wir erwähnen zuerst seine selbständigen Werke: „Auch etwas über Orden, namentlich über die sogenannten schwarzen Brüder“. Frankfurt und Leipzig (Braunschweig) 1790; „Ueber die jüngsten Schicksale der alexandrinischen Bibliothek“, Göttingen 1792 (ins Französische übersetzt von K. v. Villers 1798); „Erste Linien eines Entwurfs der Theorie und Litteratur des deutschen Styls“, Göttingen 1796; „Gedichte mit Melodien von Hiller, [65] Naumann, Schultz und Schwenke“, Göttingen 1794 (zweite Sammlung mit Melodien von Forkel u. Naumann, Münster 1803; zweite Auflage des ersten Bändchens mit Musik von Schwenke, Hamburg und Leipzig 1795); „Gedichte“, neue Ausgabe, Altona 1819; „Deutsches Handwörterbuch für die Geschäftsführung, den Umgang und die Lektüre“ (von C. F. T. Voigt, aber in zweiter Auflage von R. umgearbeitet), drei Bände, Altona 1817; „Kleine Romane“, Altona 1821; „Gedichte, mit Begleitung des Pianoforte, in Musik gesetzt von André, Forkel, Gluck u. A.“, Berlin 1823; „Handbuch der allgemeinen Weltgeschichte“, vier Bände, Berlin 1828; „Abriß der allgemeinen Weltgeschichte“, Berlin 1830. Zweitens ist er mehrfach thätig gewesen als Herausgeber fremder Schriften, dahin gehört Folgendes: „Bouterwecks Gedichte“, Göttingen 1802: „Joh. Gottfried Richters litterarischer Nachlaß“, Flensburg und Leipzig 1793. Namentlich ist er für Bürger’s Nachlaß thätig gewesen: „Gottfried August Bürgers sämmtliche Schriften“, Göttingen 1796 (vier Theile, 1–2 Gedichte, 3–4 vermischte Schriften). Zweite Ausgabe 1803, mit Bd. 5 und 6 Hamburg 1814. Neue Ausgabe, Göttingen 1817–20. Letzte vollständige und verbesserte Ausgabe, Berlin 1823 bis 1824, sieben Theile; „G. A. Bürgers Akademie der schönen Redekünste, fortgesetzt durch eine Gesellschaft von Gelehrten“, Bd. I, Stück 1–4, Göttingen 1797, Bd. II, Stück 1, Göttingen 1798; „G. A. Bürgers Lehrbuch der Aesthetik“, Berlin 1825; Desselben „Lehrbuch des deutschen Stils“, Berlin 1826; Desselben „Aesthetische Schriften, ein Supplementband zu allen Ausgaben von Bürger’s Werken“, Berlin 1832. Eine dritte Seite seiner Thätigkeit hat er als Uebersetzer entfaltet; wir erwähnen hier: „Idyllen und ländliche Erzählungen, aus dem Französischen der Mlle. Levesque“, Helmstedt 1788; zweite Auflage Lübeck 1807, dritte 1812; „Skizze des Charakters des Kronprinzen von Dänemark; nebst einer Uebersicht des gegenwärtigen Zustandes der Litteratur und der schönen Künste in diesem Lande, fünf Briefe, aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen“, Flensburg und Leipzig 1793; „J. F. Marmontel’s Abendunterhaltungen, aus dem Französischen übersetzt“, Münster 1801; „Altar, den Manen F. G. Klopstock’s errichtet von Friedrich Ludwig, Grafen von Moltke, aus dem Lateinischen übersetzt“, Altona 1821. Viertens war er Herausgeber mehrerer Sammelschriften, Taschenbücher und Zeitschriften: „Musenalmanach“ (auch mit dem Titel poetische Blumenlese, für die Jahre 1795–1802 zu Göttingen, für 1803 zu Leipzig, für 1804 zu Münster erschienen; „Polyanthea, ein Taschenbuch für 1807, mit Kupfern und Musik“, Münster 1806; „Romanbibliothek“, auch mit dem Titel Romanenkalender, zu Göttingen für 1798–1802, zu Leipzig für 1803; „Ratzeburger litterarische Blätter“, ebendas. 1808–1811. Vollends ist es unmöglich, hier auf seine unzähligen Aufsätze, poetischen Beiträge, Recensionen und sonstige Beiträge zu Zeitschriften einzugehen; eine große Menge derselben ist in den folgenden Schriften verzeichnet, doch wegen der häufigen Anonymität gewiß nicht vollständig.

Gelehrtes Berlin im J. 1825. Berlin 1826. – Neuer Nekrolog der Deutschen, achtzehnter Jahrgang, 1840. Weimar 1842. – Chr. Fr. Keßlin, Nachrichten von Schriftstellern und Künstlern der Grafschaft Wernigerode, Magdeburg 1856.