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Artikel „Pfeil, Wilhelm“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 648–655, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfeil,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 3. November 2024, 16:39 Uhr UTC)
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Pfeil: Friedrich Wilhelm Leopold P., Forstmann, geb. am 28. März 1783 zu Rammelburg (am Harze), † am 4. September 1859 im Bade Warmbrunn bei Hirschberg (Schlesien), gehört mit zu den hervorragendsten Geistern auf forstlichem Gebiete. Bei einer besseren theoretischen Grundlage würde er es sogar vielleicht zum ersten Forstmanne Deutschlands gebracht haben. P. verlebte als Sohn angesehener Eltern eine glückliche, an Eindrücken der verschiedensten Art reiche Kindheit. Sein Vater, Johann Gottlob Benjamin P. (s. u. S. 655), war kurfürstlich sächsischer Justizamtmann und zugleich Generalbevollmächtigter der Besitzungen der Freiherrlich von Friesen’schen Familie; seine Mutter (zweite Frau des Vaters), eine geb. Göckingk, war die Schwester des später geadelten preußischen Geheimen Oberfinanzraths und bekannten Dichters († 1828). Acht Kinder waren dieser glücklichen Ehe entsprungen, von welchen Wilhelm das vierte war. Er sollte eigentlich Rechts- und Cameralwissenschaft studiren und bezog daher, bis zu seinem 14. Jahre durch Hauslehrer vorbereitet, 1797 das Gymnasium Stephaneum zu Aschersleben. Der im October 1801 erfolgte plötzliche Tod seines Vaters beraubte ihn jedoch der zur Fortsetzung der bezüglichen Studien erforderlichen Mittel und zwang ihn, sich einer anderen Laufbahn zuzuwenden. Schon von frühester Jugend ab hatten Wald und Jagd sein Hauptvergnügen ausgemacht, wozu wohl die schöne waldreiche Umgebung seines Geburtsortes die nächste Veranlassung gewesen war. Er wendete sich daher nun dem forstlichen Berufe zu und trat zu diesem Zwecke nach damaligem Gebrauche zu Anfang November 1801 bei dem preußischen Oberförster Kersten zu Königshof (bei Elbingerode) in die forstliche Lehre. Seinen dasigen Aufenthalt und seine spätere Lehrzeit schildert P. in dem Artikel: Die Lehrzeit (Krit. Blätter für Forst- und Jagdwissenschaft, 27. Band, 1. Heft, 1849, S. 135–206) in so überaus anziehender Weise, daß es ein wahrer Genuß ist, sich in die Lectüre dieser Episode zu vertiefen, welche uns höchst typische Bilder aus dem Jägerleben vergangener Zeiten vorführt. Kersten war als Schüler des alten Döbel ein guter Jäger, welcher von Büchern und Schulweisheit nichts wissen wollte und unseren P. in diesem Sinne erzog. Der Schwerpunkt wurde auf die Ausbildung [649] in der Jagd, welche der Principal als Dienstgeschäft – nicht als Vergnügen – auffaßte, gelegt. Das Füttern der Jagdhunde, Sauberhalten der Schießgewehre, Abspüren und Pürschengehen, das Lauern auf der Fuchshütte bei Wind und Wetter und dergl. unter Anleitung des Oberförsters selbst und des Jägerburschen Hoff, welchem der junge Lehrling in erster Linie anvertraut worden war, bildeten seine Hauptbeschäftigung. „Der Blick Hoff’s, wenn ein unvorsichtiger Tritt des Lehrlings ein Geräusch machte, ein Reis knickte, ein Zweig rauschte, ein Steinchen knirschte, war unnachahmlich. Aerger, Drohung und Verachtung lagen gleichmäßig darin.“ Das einzige forstliche Buch im Forsthause war Fr. A. L. von Burgdorf’s Forsthandbuch, und auch dieses war erst auf Grund höheren Befehls angeschafft worden. Das Königshofer Revier war in der Hauptsache ein Fichtenwald von den einfachsten wirthschaftlichen Verhältnissen. Eines Tages erklärte daher der alte Kersten seinem Lehrlinge, daß er nun bei ihm nichts wesentlich Neues mehr lernen könne, sich vielmehr auf ein Laubholzrevier begeben müsse, und brachte ihn gegen Ende des Jahres 1802 selbst zu dem Landjäger Pauli nach Thale. Dieser war in vielen Dingen der gerade Gegensatz zu Kersten. Er hatte früher als Forstgeometer und Taxator unter Hennert fungirt, Holzhandel auf Rechnung der Administration betrieben, und galt für einen gelehrten Forstmann. Die Jagd hingegen stand bei ihm nicht hoch in Ehren, und seine Lieblingsbeschäftigung (die Kunsttischlerei) ließ ihn wenig in den Wald kommen. Trotzdem lernte P. auch bei ihm Manches, namentlich Geschäftsführung und praktische Mathematik; außerdem machte er während seines Aufenthaltes in Thale die Bekanntschaft des bei der Halberstädter Kammer angestellten Oberforstmeisters v. Hünerbein, welche nicht ohne Folgen blieb. Seine Schreiblust und sein poetisches Talent brachen sich schon damals Bahn, indem er als Mitarbeiter an einem in Halberstadt erscheinenden halbkritischen Wochenblatte auftrat, in welchem u. A. auch manch launiges Gedicht aus seiner Feder erschien. Nach einjährigem Aufenthalt in Thale betheiligte er sich 1803, unter Leitung des reitenden Feldjägers Eyber, an der Vermessung des Reviers Sehlde (im Hildesheim’schen) und hatte dann das Glück, von seinem Gönner v. Hünerbein, welcher beauftragt worden war, die damals zu Preußen gehörigen Staatsforste des Fürstenthums Neufchâtel und Valangin einer Inspection und Revision zu unterziehen, mit in die Schweiz genommen zu werden. Hierdurch lernte er nicht nur die Haupttheile dieses schönen Gebirgslandes, sondern auch einige süddeutsche Forste kennen, welche Hünerbein bei dieser Gelegenheit mit besuchte. Nach seiner Zurückkunft beendigte er seine formelle Lehrzeit bei dem Landjäger Kähne zu Königsthal (Grafschaft Hohenstein), welchem er bereits Mithülfe bei den schriftlichen Arbeiten zu leisten vermochte. Schon seine Lehrzeit bot hiernach eine gewisse Vielseitigkeit dar, welche er gewissenhaft auszubeuten suchte; da aber jeder seiner drei Lehrherren nach gewissen Richtungen hin Lücken im Wissen oder Können zeigte, sah er sich frühzeitig auf eigenes Sehen im Walde hingewiesen. Dieser Umstand erweckte und reifte in ihm einen gewissen kritischen Sinn, welchen er später in ausgedehnten Maße bethätigte, aber leider nicht immer im Dienste echter Wissenschaft. Kaum hatte er ausgelernt (im Frühjahr 1804), als sich ihm sogleich ein Unterkommen und zwar als Forstassistent auf den herzogl. kurländischen Gütern in Schlesien bot. Sein Gönner v. Hünerbein hatte auch hier wieder die Hand im Spiele gehabt; zudem war einer seiner Onkel Generalbevollmächtigter der Prinzessin Dorothea von Kurland. Als Wohnsitz wurde ihm Kleinitz (zur Herrschaft Deutsch-Wartemberg gehörig) angewiesen. Sein Vorgesetzter, Förster Ouvert zu Sedczyn, war ein alter Jesuitenzögling ohne jegliche forstliche Bildung und schon gegen 80 Jahre alt. P. erhielt daher so zu sagen den ganzen technischen Betrieb [650] übertragen. Das Revier war etwa 14 000 Morgen groß, bot ziemlich ungeordnete Verhältnisse und hatte stark unter den Angriffen der polnischen Bevölkerung zu leiden, sodaß er manchen gefährlichen Strauß mit Holz- und Wilddieben bestehen mußte (vgl. den Artikel „Die Lernzeit“ in den Kritischen Blättern f. F. u. J., 33. Band, 2. Heft, 1853, S. 186–225). Mit rastlosem Eifer warf er sich auf sein neues Feld, zumal nachdem er nach Ouvert’s Pensionirung (1. März 1806) zum Revierverwalter aufgerückt und nach Sedczyn übergesiedelt war. Durch seine Verheirathung mit Albertine Beate Nowack, Tochter des Oberamtmanns zu Petersdorf, gründete er nun auch einen eignen häuslichen Heerd (Juli 1807), aber er mußte sich, wegen seines knappen Einkommens, zunächst sehr einschränken, zumal da inzwischen der Bücherdurst in ihm erwacht war, zu dessen Befriedigung mit der Zeit eine kleine Bibliothek nothwendig wurde. Um sich ungestört dem Studium hingeben zu können, richtete er sich ein Giebelstübchen unter dem Dache seines beschränkten Wohnhauses ein; wie bescheiden dieses Eldorado war, geht daraus hervor, daß er dasselbe nur mittels einer Leiter von außen ersteigen konnte. Der Wald ging ihm jedoch nach wie vor über Alles; sein Wahlspruch: „Fraget die Bäume selbst, wie sie erzogen sein wollen; sie werden Euch besser belehren, als die Bücher es thun“ kennzeichnet die Richtung, welcher er bis zum letzten Athemzuge treu blieb. Er durchstreifte den Forst Tag und Nacht, um allerwärts Ordnung zu schaffen und der Natur ihre Geheimnisse abzulauschen und brachte es durch seine unermüdliche Energie auch dahin, daß die Forst- und Wildfrevel mit der Zeit fast ganz aufhörten. Wohlthuend berührt in seiner Selbstbiographie die große Offenheit, mit welcher er die damals von ihm begangenen wirthschaftlichen Mißgriffe, namentlich im Culturwesen, bespricht. Es war lediglich eine Consequenz seines rein empirischen Ausbildungsganges, daß er, seine bezüglichen Erfahrungen vom Harze ohne Weiteres auf das ganz andere Verhältnisse bietende Sumpfrevier Sedczyn übertragend, Culturen und sonstige Operationen ausführte, deren Erfolg weder den Kosten, noch den Erwartungen entsprach. Die freiheitliche Bewegung, welche das deutsche Volk in den Jahren 1813–15 ergriff und gegen den französischen Usurpator zu den Waffen rief, drückte auch ihm, obwohl er niemals zuvor Soldat gewesen war, das Schwert in die Hand. Die schlesischen Stände wählten ihn durch Patent vom 12. Juni 1813 sogar zum Hauptmann, und als solcher focht er 1813 und 1814 in den Schlachten bei Großbeeren und Wartenberg mit, betheiligte sich auch an der Belagerung von Wittenberg. Nach dem ersten Pariser Frieden entlassen, kehrte er wieder in seinen früheren Wirkungskreis und den Schoß seiner Familie zurück. Als Zeichen ihrer Zufriedenheit ließ ihm seine fürstliche Dienstherrin am 5. Januar 1815 die Bestallung zum fürstlich kurländischen „Oberförster“ zu Theil werden, wodurch sich übrigens sein Wirkungskreis nicht änderte. Noch in dasselbe Jahr fiel die Veröffentlichung seiner ersten selbständigen Schrift: „Erfahrungen und Bemerkungen über die Cultur der Waldungen in Schlesien und in den Marken nach Hartig’s, Burgdorf’s und Kropf’s Grundsätzen“. 1816 folgte das Werk: „Ueber die Ursachen des schlechten Zustandes der Forsten und die allein möglichen Mittel ihn zu verbessern, mit besonderer Rücksicht auf die Preußischen Staaten“. In– dieser „freimüthigen Untersuchung“ trat der Verfasser mit großer Schärfe und in geistreicher Weise gegen den Staatswaldbesitz auf, was bei der damaligen Zeitströmung großes Aufsehen hervorrufen und die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf ihn lenken mußte. Kurze Zeit darauf (noch im J. 1816) erfolgte durch seinen Uebertritt als Forstmeister in die Dienste des Fürsten Heinrich Karl Erdmann zu Carolath-Beuthen eine wesentliche Verbesserung seiner äußeren Lage. Die betreffende Dienstesstelle war nicht [651] nur glänzend dotirt (das jährliche Gesammteinkommen incl. der sehr reichlichen Accidentien wird in der Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung, 1874, S. 287 auf 2000 Thlr. beziffert), sondern auch sehr selbständig, da er das volle Vertrauen seines Dienstherrn genoß. 56 000 Morgen Wald unterstanden seiner Verwaltung; nebenbei wurde er auch mit der Oberaufsicht über die Forste des Reichsgrafen von Pückler-Muskau betraut. 1819 sollte er die Direction über die letzteren ausschließlich übernehmen, allein die bezüglichen Unterhandlungen zerschlugen sich. Pfeil’s Thätigkeit in Carolath war zunächst der Vermessung und Betriebseinrichtung der zugehörigen Forste zugewendet. Er brachte ferner Ordnung in die Personalverhältnisse und legte, außer anderen Culturen, namentlich auch einige Eichensaaten an, jedoch war sein gesammtes Wirken hier, da bald ein Wendepunkt in seiner Laufbahn eintrat, von zu kurzer Dauer, als daß sich wesentliche Spuren desselben hätten zeigen können. Schon früher, namentlich aber in Carolath, war er vielfach mit hochstehenden und einflußreichen Männern in Berührung gekommen, so u. A. mit dem Oberlandforstmeister G. L. Hartig und dem Geh. Oberfinanzrath Thilo. Außerdem hatte er auch seine Schriftstellerei wieder aufgenommen und 1820 eine Broschüre: „Ueber forstwissenschaftliche Bildung und Unterricht im Allgemeinen, mit besonderer Anwendung auf den preußischen Staat“ etc., sowie in den beiden Jahren 1820 und 1821 ein größeres forstencyklopädisches Werk: „Vollständige Anleitung zur Behandlung, Benutzung und Schätzung der Forsten“ (2 Bände, 1. Bd. Holzkenntniß und Holzerziehung; 2. Bd. Forstbeschützung, Einrichtung und Schätzung, Benutzung, Gerechtsame etc.) veröffentlicht. Als es sich daher um die Besetzung der an der Universität Berlin neu zu errichtenden Stelle eines Lehrers der Forstwissenschaft handelte, warf man sein Auge auf P. Gleichzeitig ging ihm von Hannover aus der Antrag zu, als Lehrer an der Forstschule, welche zu Clausthal ins Leben gerufen werden sollte, einzutreten. P. zog Berlin vor; die wirkliche Berufung dorthin verzögerte sich aber aus verschiedenen Gründen bis Ostern 1821. Sein Bestallungsdecret (vom 7. April datirt) lautete auf den außerordentlichen Professor an der Universität mit dem Titel „Oberforstrath“ und 2000 Thaler Gehalt. Da er, um als Professor an der Universität auftreten zu können, des Doctorgrades bedurfte, erwarb er sich denselben auf Grund einer mit Genehmigung der philosophischen Facultät deutsch geschriebenen Dissertation: „Ueber die Nothwendigkeit, die Forstwissenschaft mit der Nationalökonomie in Uebereinstimmung zu bringen.“ Das betr. Diplom wurde ihm durch den berühmten Hegel (damals Decan der philosophischen Facultät) überreicht. Als Specialfächer wählte er zunächst Forstgeschichte und Staatsforstwirthschaftslehre. Hatte nun auch P. seinen Wunsch, als Docent wirken zu können, endlich erreicht, so stellten sich doch im Laufe der Zeit verschiedene Umstände und Verhältnisse heraus, welche ihm den Aufenthalt in Berlin allmählich verleideten. Der Unterricht konnte sich, in Ermangelung naher Forste, nicht genug an den Wald anlehnen. Von den Vertretern der Grund- und Hülfswissenschaften wurde zu viel geboten und auf die noch jugendliche Forstwissenschaft mit Geringschätzung herabgesehen. P. selbst mochte sich bei seinem rein autodidaktischen Ausbildungsgange zumal unter den Vertretern der Geisteswissenschaften wie Saul unter den Propheten fühlen. Endlich gestaltete sich auch sein Verhältniß zu G. L. Hartig mit der Zeit immer trüber. So kam es, daß – ohne Zweifel hauptsächlich infolge seiner Bemühungen – der forstliche Unterricht 1830 von Berlin nach Neustadt-Eberswalde verlegt wurde. Die Einrichtung der neuen Anstalt blieb ihm allein überlassen; die Eröffnung derselben fand am 3. Mai d. g. J. statt. „Pfeil hatte erreicht, was er gewollt hatte, die Isolirung der Forstwissenschaft von dem geistigen Gesammtleben der Zeit, seine eigene Loslösung von dem großen [652] Centrum der Wissenschaft, in dem es ihm nicht hatte gelingen wollen, der von ihm vertretenen Wissenschaft und sich selbst den gebührenden Platz zu erobern“ (Bernhardt). Im Verein mit Ratzeburg und Schneider lehrte und wirkte er als Director der neuen Forstakademie fast 30 Jahre, indem er gleichzeitig eine umfassende schriftstellerische Thätigkeit entfaltete. Zu seinen Lieblingserholungen gehörte die Jagd auf Rothwild, welcher er namentlich von seinem Jagdhäuschen auf dem Dambachskopfe bei Thale aus mit Vorliebe nachging. Von 1856 ab begann er zu kränkeln, lehrte aber trotzdem noch 2 Jahre; erst am 20. Juni 1859 erfolgte auf Nachsuchen seine Pensionirung, unter Verleihung des Prädicats „Geheimer Oberforstrath“. Er beabsichtigte, den Rest seiner Tage in Hirschberg (Schlesien) zu verleben, weil hier seine (verheirathete) Tochter lebte, und weil er von dem Gebrauche des nahegelegenen Bades Warmbrunn auf Linderung seiner gichtischen Leiden hoffte. In aller Stille reiste er daher nach dem Schlusse der Sommervorlesungen (Anfang September) alsbald nach Warmbrunn ab, starb aber schon am Tage nach seiner Ankunft. Eine Arterienverhärtung hatte sein Ende herbeigeführt. Seine irdischen Ueberreste wurden am 7. September 1859 nach Hirschberg verbracht und auf dem evangelischen Friedhofe daselbst bestattet.

Wilhelm P. war ein Mann von scharfem Verstande, tüchtigen forstlichen Kenntnissen, guter Beobachtungsgabe, reicher praktischer Erfahrung und eminenter Arbeitskraft; er entbehrte aber leider der zum Lehrberufe erforderlichen naturwissenschaftlichen und mathematischen Grundlage. Sein ganzes Leben war eigentlich ein ihm wol unbewußter Kampf gegen diese Lücke, deren Ausfüllung ihm, aller Mühe ungeachtet, nicht gelingen wollte. Wenn er trotzdem als Lehrer große Erfolge erreichte, so war dies lediglich seiner Originalität – man kann sogar sagen Genialität – zu verdanken. Er bekämpfte nämlich mit der ihm eigenen Entschiedenheit die damals vorherrschende dogmatische Richtung, das Auswendiglernen bestimmter Normen nach Autoritäten, die Hartig’schen „Generalregeln“. Er vertrat vielmehr den Standpunkt, daß jedes forstliche Wirthschaftsverfahren den Eigenthümlichkeiten des Standorts und den sonstigen örtlichen Verhältnissen angepaßt werden müsse, und daß der Forstmann in dieser Beziehung durch keine Regel gebunden sein dürfe. Hand in Hand mit dieser individualisirenden Richtung ging eine hochgradige Befähigung, die Zuhörer anzuregen und deren Urtheilskraft zu schärfen. Sein Vortrag entbehrte zwar der streng logischen Ordnung und gleichmäßigen Behandlung der einzelnen Gegenstände, da er es liebte, vom eigentlichen Thema abzuschweifen; bald wurde er zu ausführlich, bald zu aphoristisch – je nachdem ihn eben sein eigenes Interesse auf den Gegenstand hinleitete oder fern hiervon hielt. Aber dafür lag in seinen Worten eine Fülle von Gedanken und praktischen Fingerzeigen, und sein Eifer im Dociren, sowie die seinen Vortrag durchdringende Liebe zum Walde wirkten so mächtig auf seine Zuhörer ein, daß diese über die oft mangelhafte Begründung der gebotenen Lehren hinwegsahen. Sehr zu statten kam ihm hierbei sein staunenswerthes Gedächtniß, sein scharfer Blick und seine durch häufige Reisen und Excursionen erlangte Bekanntschaft mit dem Walde. Er hatte für alles, was er sagte, belegende Beispiele zur Stelle. Seine Schüler lernten hierdurch denken und selbständig urtheilen; sie vermochten infolge dessen das geringe positive Wissen, welches sie aus den Vorträgen mitnahmen, durch häusliches Studium auszufüllen. P. sprach schnell und viel; die Ideen überholten meist seine Worte. Als kleine Aeußerlichkeiten seines Vortrags seien erwähnt, daß er das „ei“ fast wie „eu“ aussprach und die Angewohnheit besaß, zwei Negationen verneinend zu gebrauchen.

[653] Pfeil’s schriftstellerische Thätigkeit war eine ganz hervorragende. Außer den bereits genannten Schriften verfaßte er (in chronologischer Reihenfolge) die nachstehenden Werke: „Tafeln über den kubischen Inhalt des runden Stammholzes von 1–60 Fuß Länge und 1–48 Zoll mittleren Durchmesser“ (1821); „Ueber Befreiung der Wälder von Servituten im Allgemeinen, sowie über das dabei nöthige und zweckmäßige Verfahren nach Vorschrift und Anleitung der in den preußischen Staaten deshalb erschienenen Gesetze“ (1821); „Ueber die Bedeutung und Wichtigkeit der wissenschaftlichen Ausbildung des Forstmannes für die Erhöhung des Nationalwohlstandes und Volksglückes“ (1822); „Grundsätze der Forstwirthschaft in Bezug auf die Nationalökonomie und die Staats-Finanzwissenschaft“ (I. Band 1822, II. Band 1824); „Die Behandlung und Schätzung des Mittelwaldes“ (1824); „Erfahrungen und Bemerkungen zur besseren Cultur der Waldungen“ (1825); „Ueber Insectenschaden in den Wäldern, die Mittel ihm vorzubeugen und seine Nachtheile zu vermindern“ (1827); „Anleitung zur Ablösung der Waldservitute, mit besonderer Rücksicht auf die Preußische Gesetzgebung“ (1828; 2. Aufl. 1844; 3., gänzlich umgearbeitete Auflage mit neuem Titel 1854); „Neue vollständige Anleitung zur Behandlung, Benutzung und Schätzung der Forsten“ – (dieses Handbuch [2. Ausgabe] erschien in 5 Abtheilungen, von welchen jede mehrere Auflagen erlebte. Die betr. Abtheilungen führen die Titel: „Das forstliche Verhalten der deutschen Waldbäume und ihre Erziehung“ [1829, 2. Aufl. 1839, 3. Aufl. 1854]; „Kritisches Repertorium der Forstwissenschaft und ihrer Hülfswissenschaften“ [1830, 2. Aufl. 1855]; „Forstschutz- und Forstpolizeilehre, im Anhange die Nachweisung der preußischen Forstpolizeigesetze“ [1831, 2. Aufl. 1845]; „Forstbenutzung und Forsttechnologie“ [1831, 2. Aufl. 1845, 3. Aufl. 1858]; „Die Forsttaxation“ [1833, 2. Aufl. 1843, 3. Aufl. 1858]) -; „Die Forstwirthschaft nach rein praktischer Ansicht, so wie sie der Privatforstbesitzer oder Verwalter führen muß“ etc. (1831, 2. Aufl. 1839, 3. Aufl. 1843, 4. Aufl. 1851; 5. Aufl. 1857, 6. Aufl. [von M. R. Preßler im Sinne des Reinertragswaldbaues revidirt und ergänzt] 1870); „Kurze Anweisung zur Jagdwissenschaft für Gutsbesitzer und Forstliebhaber“ (1831); „Die Forstpolizeigesetze Deutschlands und Frankreichs nach ihren Grundsätzen mit besonderer Rücksicht auf eine neue Forstpolizei-Gesetzgebung Preußens“ (1834); „Anleitung zur Feststellung der vom Forstgrunde zu erhebenden Grundsteuer“ (1835); „Die Forstgeschichte Preußens bis zum Jahre 1806“ (1839); „Vollständige Anweisung zur Jagdverwaltung und Jagdbenutzung mit Rücksicht auf eine zweckmäßige Jagdpolizeigesetzgebung“ (1848); „Anleitung zur Ausführung des Jagdpolizeigesetzes für Preußen vom 7. März 1850“ (1850); „Die deutsche Holzzucht, begründet auf die Eigenthümlichkeit der Forsthölzer und ihr Verhalten zu dem verschiedenen Standorte“ (1860, nach seinem Tode von seinem Sohne, Staatsanwalt Pfeil, herausgegeben).

Außerdem gab P. von 1822 ab die Zeitschrift: „Kritische Blätter für Forst- und Jagdwissenschaft“ heraus, welche er zum bei weitem größten Theil mit eigenen Abhandlungen und litterarischen Berichten füllte. Bis zu seinem Tode erschienen 41 Bände à 2 Hefte und vom 42. Bande das 1. Heft (1859). Seitdem übernahm H. Nördlinger die Redaction bis zum Jahre 1870, in welchem der 52. und letzte Band dieser s. Z. viel gelesenen Zeitschrift erschien. Er war früher auch Mitarbeiter an G. L. Hartig’s Journal für das Forst-, Jagd- und Fischereiwesen und an dessen Forst- und Jagd-Archiv von und für Preußen.

Die Richtungen, welche P. in diesen Schriften hauptsächlich vertrat, waren die forstpolitische und die waldbauliche. In Bezug auf forstpolitische Fragen [654] war er der erste Forstmann, welcher – im Gegensatze zu den Vertretern der absoluten Forsthoheit – auf dem Boden des Smith’schen Systems stehend, freieren Anschauungen huldigte. Im Gegensatze zu G. L. Hartig wies er mit Entschiedenheit auf die Unrichtigkeit der Wirthschaft des größten Massenertrages hin und betonte zuerst die Nothwendigkeit des Betriebs höchster Rentabilität. Er war sich aber – infolge seiner mangelhaften mathematischen Kenntnisse – nicht klar über die Consequenzen seiner Forderung, denn als Preßler später die Wege zur Realisirung dieses Princips zeigte, trat er hierzu in Opposition. Ueberhaupt verwickelte er sich, da er zu wenig gründlich und zu rasch arbeitete, namentlich bei der Würdigung der volkswirthschaftlichen Seite des forstlichen Gewerbes in vielfache Widersprüche, welche ihm manche litterarische Fehde zuzogen. In waldbaulicher Beziehung ist „Die deutsche Holzzucht“ als seine beste Leistung zu bezeichnen. Dieses (letzte) Werk repräsentirt gewissermaßen das Facit seines ganzen forstlichen Wissens und Könnens; es ist der Extract der gesammten forstwissenschaftlichen Bibliothek, welche er in einem halben Jahrhundert in die Welt geschickt hat. Am ausführlichsten hat er hier und in anderen waldbaulichen Schriften die norddeutsche Kiefernwirthschaft behandelt. In der Borkenkäferfrage huldigte er – gestützt auf die Lehren des alten Kersten – der richtigen Ansicht, daß der Borkenkäfer, wenn man ihn ungestört sich entwickeln lasse, zuletzt auch ganz gesunde Bestände angreife und schließlich zu tödten vermöge. Die Energie, mit welcher er in den bezüglichen Streit eintrat, war Veranlassung, einer neuen Species den Namen Bostrichus Pfeilii beizulegen. Der Waldfeldbaubetrieb zählt ihn zu seinen Gegnern. Seine Anschauungen in der forstlichen Unterrichtsfrage machten verschiedene Wandlungen durch. Anfangs für den forstlichen Universitätsunterricht eingenommen, vertrat er zuletzt das Princip der isolirten Fachschule, welche keine allgemeine Bildung geben dürfe. Angeregt nach den mannigfaltigsten Richtungen hin haben s. Z. alle diese Schriften; aber es geht ihnen doch der nachhaltige Werth ab, weil P. nicht im Stande war, systematisch und methodisch zu arbeiten, und weil er – fremde Leistungen mißachtend – alles aus sich selbst heraus entwickeln wollte, anstatt auf den von theoretisch besser geschulten Fachgenossen gelieferten Fundamenten weiter zu bauen. Um Nachwirkendes zu liefern, reicht aber bloße Genialität ohne positives Wissen nicht aus. Wenn P. trotzdem lange Zeit auf dem Gebiete der Forstlitteratur eine tonangebende Stellung eingenommen hat, so erklärt sich dies hauptsächlich durch die rücksichtslose Verfolgung gegnerischer Ueberzeugung mit scharfem Spotte, welche ihm fast ein Bedürfniß war. In seinen „Kritischen Blättern“ warf er jedem anders denkenden Autor den Fehdehandschuh hin, ließ sich aber leider dann nicht auf weitere Vertheidigung einer einmal angeregten Controverse mit wissenschaftlichen Waffen ein, sondern wurde höchstens persönlich. Von Haus aus war P. eigentlich gar nicht kritisch angelegt, denn es fehlten ihm gründliche Bildung, Respect vor den wissenschaftlichen Arbeiten Anderer und Objectivität im Urtheile; auch krankte er – zumal während seiner Docirzeit – etwas an Eigenliebe. Aber seine gewandte und namentlich den Empirikern schmeichelnde (zünftige) Schreibweise, seine massenhaften und oft sehr derben Ausfälle, sein beißender Hohn und seine Geschicklichkeit, einzelne Schwächen seiner Gegner herauszugreifen und sich in satyrischen Wendungen hierüber zu ergehen, verschafften ihm stets ein großes Leser- und Lacherpublicum. Nur wenige wagten seiner oft recht seichten, ja sogar den Sachverhalt entstellenden, aber in Worten scharfen Kritik zu widersprechen. So schmetterte er namentlich manches jugendliche, eben aufstrebende Talent zu Boden und hat daher als Kritiker (Diezel nannte ihn scherzhaft „Zeus omnipotens Eberwaldensis!“) vielleicht mehr geschadet als genützt. Seine Außenseite war auch im mündlichen Verkehr [655] rauh, doch war er gegen seine Schüler gerecht und sogar wohlwollend, wenn er bemerkte, daß sie es mit ihren Studien ernstlich meinten. Mehrere Ordensauszeichnungen schmückten seine Brust; auch war er Mitglied zahlreicher gelehrter Vereine. Seine Schüler (er unterrichtete deren während einer 38jährigen Lehrthätigkeit im Ganzen 1272) und Freunde setzten ihm auf dem Dambachskopfe (bei Thale), seinem Lieblingsplätzchen, ein Denkmal, welches am 3. Juli 1865 enthüllt wurde. Mehr als dieses äußere Erinnerungszeichen wird aber den künftigen Geschlechtern dasjenige Denkmal erzählen, welches sich dieser immerhin bedeutende und eigenartige Forstmann in seinen Werken selbst gegründet hat.

Kritische Blätter für Forst- und Jagdwissenschaft, 27. Band, 1. Heft, 1849, S. 135 (Die Lehrzeit); das. 33. Band, 2. Heft, 1853, S. 186 (Die Lernzeit); das. 41. Band, 2. Heft, 1859, S. 98 (Die Docirzeit); das. 42. Band, 2. Heft, 1860, S. 1 (Zum Andenken an Pfeil, vom k. preuß- Corpsauditeur Marcard); das. 45. Band, 2. Heft, 1863, S. 197 (Rückblicke auf die forstliche periodische Literatur etc., vom Oberforstrath von Berg). – Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, 1859, S. 441 (Todesnachricht); das. 1860, S. 115 (Verzeichniß seiner Schriften); das. 1861, S. 79 (Replik Dr. Theodor Hartig’s[WS 1], gegen Grunert gerichtet); das. 1874, S. 287 (Pfeil’s Besoldung in Carolath, v. W. K.); das. 1879, S. 408 (Beiträge zur Biographie Pfeil’s während seines Aufenthaltes in Sedczyn und Carolath). – Vossische Zeitung, 1859, Nr. 226 (Nekrolog, von Ratzeburg). – Schneider, Forst- und Jagdkalender für Preußen, 1860 (Nachruf). – Verhandlungen der 21. Versammlung der deutschen Land- und Forstwirthe, 1860. – Monatschrift für das Forst- und Jagdwesen, 1860, S. 2 (Ratzeburg). – Grunert, Forstliche Blätter, 1. Heft, 1861, 1 (Pfeil, seine Schüler und die Forst-Lehranstalt zu Neustadt-Eberswalde nach seinem Tode); das. 2. Heft 1861, S. 223 (Kampf gegen Windmühlen; gegen Theodor Hartig gerichtet); das. 3. Heft, 1862, S. 202 (Nachtrag zu Pfeil’s Schülern). – Brockhaus’ Conversations-Lexikon, XI. Band, 11. Aufl., S. 609. – Fraas, Geschichte der Landbau- und Forstwissenschaft, 1865, S. 492, 493, 558, 559, 560 und 606. – Fr. v. Löffelholz-Colberg, Forstliche Chrestomathie, II, S. 319, Nr. 637 u. 638; S. 320, Bem. 265a; das. III, 1, S. 683, Bem. 761b; das. IV, S. 345 (Nachträge, Ergänzungen und Verbesserungen); das. V, 1, S. 15, Nr. 69; S. 57, Nr. 213 und S. 67, Nr. 251. – G. v. Schwarzer, Biographieen, S. 21 (als Todestag wird unrichtig der 4. October 1859 angegeben). – Ratzeburg, Forstwissenschaftliches Schriftstellerlexikon, S. 399. – Bernhardt, Geschichte des Waldeigenthums etc., II, S. 254, 279, 290, 294, 337, 364, 397, 401 und 402; das. II, S. 66, 88, 129, 151, 153, 161 bis 184 (Biographie), 220, 228, 232, 240–242, 245, 260, 272, 285, 287, 297, 302–304, 322, 323, 327, 328, 333, 335, 336, 347, 348, 350, 353, 358, 392, 395, 396 und 400. – Judeich, Deutscher Forst- und Jagd-Kalender, 1876, II. Band, S. 5 (Judeich). – G. L. Hartig, Lehrbuch für Jäger, 1. Bd., 10. Aufl. 1877, herausgegeben von Dr. Th. Hartig, S. 27. – Roth, Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, S. 651. – Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen, 15. Band, 1883, S. 288 (Pfeil’s[WS 2] 100jähriger Geburtstag). – Heß, Lebensbilder hervorragender Forstmänner etc., 1885, S. 269–274. Hier findet sich auch die das Denkmal betreffende Journal-Litteratur (Aufforderung zu Beiträgen, Verzeichniß der Beiträge, Rechnungsablage, Enthüllung des Denkmals etc.) verzeichnet.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Theodor Hartig (* 21. Februar 1805 Dillenburg; † 26. März 1880 Braunschweig), deutscher Forstwissenschaftler.
  2. Vorlage Satzfehler: „Pfeil's“ doppelt