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Artikel „Nitzsch, Karl Immanuel“ von Friedrich August Nitzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 725–730, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nitzsch,_Carl_Immanuel&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 15:01 Uhr UTC)
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Nitzsch: Karl Immanuel N., zweiter Sohn Karl Ludwigs (s. o.), bedeutender wissenschaftlicher und praktischer Theolog, geb. am 21. September 1787 zu Borna (im jetzigen Königreich Sachsen), war nach zwölfjähriger Wirksamkeit (1810–1822) in Wittenberg und dem benachbarten Kemberg von 1822–1847 Professor und Universitätsprediger in Bonn und starb am 21. August 1868 als Professor, Oberconsistorialrath und Propst zu Berlin. Er gehörte während der [726] mehr als fünfzigjährigen Dauer seiner theologischen und kirchlichen Laufbahn zu den hervorragendsten Führern der deutschen Vermittelungstheologie, zugleich zu den entschiedensten Vertretern der Consensus-Union, sowie der Presbyterial- und Synodalverfassung in der preußischen Landeskirche und war nach Schleiermacher (mindestens der Zeit nach) der erste selbstständige Systematiker der neueren praktischen Theologie, endlich ein einflußreicher akademischer Lehrer, Prediger und Seelsorger. Getragen war sein Amtsleben von einer ebenso würdevollen als maßvollen männlich gläubigen Persönlichkeit.

Was seinen äußeren Lebensgang betrifft, so absolvirte er, vorgebildet auf der alten sächsischen Gelehrtenschule Pforta, wo er eine nachhaltige Begeisterung für das classische Alterthum einsog, sein theologisches Studium seit 1806 auf der Universität Wittenberg unter dem maßgebenden Einflusse seines Vaters, neben welchem aber auch Heubner, Schroeckh und namentlich Tzschirner auf ihn einwirkten. Alsbald begann die Verknüpfung des praktischen Kirchendienstes und der akademischen Lehrthätigkeit, welche er seitdem mit kurzer Unterbrechung sein ganzes Leben hindurch festhalten durfte. Im J. 1810 habilitirte er sich in Wittenberg als Privatdocent und hielt bis zum Ende des Wintersemesters 1812/13, nach dessen Ablauf die Universität – zunächst der Kriegsverhältnisse wegen – geschlossen wurde, Vorlesungen und Uebungen über neutestamentliche Exegese und dogmatische Gegenstände. Aber seit 1811 bekleidete er außerdem eine Hülfspredigerstelle an der Schloßkirche, seit 1813 neben dieser das dritte Diakonat an der Stadtkirche, und da er seinen Posten nicht verlassen wollte, verrichtete er nebst noch einem Geistlichen (Heubner) auch während der schweren Zeit der Blockade, des Bombardements, der Belagerung und der Erstürmung der Festung sein Seelsorgeramt, welches sich thatsächlich auf die Garnison und die gefangenen Soldaten erstreckte. Nach der Einverleibung Wittenbergs in den preußischen Staat ward die dortige Universität mit der Hallischen vereinigt. N. siedelte aber nicht mit über, trat vielmehr 1817 (in welchem Jahre ihm beim Reformationsjubiläum die Berliner theologische Facultät Ehren halber die Doctorwürde ertheilte) als Professor mit an die Spitze des an die Stelle der Universität getretenen Predigerseminars und hielt seitdem als vierter ordentlicher Lehrer desselben Vorlesungen über die Geschichte des kirchlichen Lebens und der Beredsamkeit, ohne sein Pfarramt aufzugeben. Nachdem er sodann von 1820–1822 das Propst- und Superintendentenamt in Kemberg (bei Wittenberg) verwaltet hatte, folgte er einem Rufe als ordentlicher Professor der systematischen und der praktischen Theologie, zugleich als Universitätsprediger, nach Bonn. Am Rhein betheiligte er sich lebhaft an den Verhandlungen der Synoden, zumal seitdem er 1835 als Deputirter der Kreissynode Mühlheim Mitglied der Provinzialsynode geworden war, die ihn sodann 1838 zu ihrem Assessor (d. h. Vicepräsidenten) wählte. In demselben Jahre wurde er von der Regierung zum Consistorialrath und Mitglied des Provinzialconsistoriums ernannt. Nachdem er aber durch sein Auftreten in der preußischen Generalsynode vom J. 1846, zu welcher er als Assessor der rheinischen Synode hinzugezogen war, als Haupturheber des (wenn auch mit Aenderungen) von der Versammlung genehmigten neuen (positiv biblischen, jedoch die cruces des sog. apostolischen Symbols nicht urgirenden) Ordinationsformulars ein weit über die Grenzen der Rheinprovinz hinaus sich erstreckendes Aufsehen erregt hatte, setzte der Minister Eichhorn 1847 seine Berufung nach Berlin durch, wo er in der theologischen Facultät Nachfolger Marheineke’s und außerdem Universitätsprediger wurde. Im folgenden Jahre trat er in das neu errichtete Oberconsistorium ein, 1852 in den 1850 an die Stelle des letzteren getretenen Oberkirchenrath. Seine Professur und seine Stelle im Oberkirchenrath behielt er auch, als er 1855 Propst zu St. Nicolai in Berlin [727] geworden war, während er sein Amt als Universitätsprediger aufgab. Am 16. Juni 1860 feierte er das fünfzigjährige Jubiläum seiner theologischen Lehrthätigkeit, am 24. Juni 1868 seine goldene Hochzeit.

N. gehörte zu den Männern, in deren Wirksamkeit sich ohne üble Verquickung theologische Wissenschaft und praktisch-kirchlicher Sinn gegenseitig durchdrangen. Dennoch können seine theoretischen und seine praktischen Leistungen hier gesondert skizzirt werden. Für seinen dogmatischen Standpunkt ist charakteristisch, daß er in den dreißiger Jahren selbst schrieb, von seinem Vater, von Schleiermacher und von Daub habe er am meisten gelernt, obgleich er in Sachen des Glaubens und der unmittelbaren Erfahrung von ihnen allen mehr oder weniger sich zurückziehen müsse. In der That begünstigte er eine speculative Fassung der gesammten Religionsgeschichte und selbst christlicher Centraldogmen und berührte sich insofern an einigen Punkten mit Daub. Indessen allezeit ist er der in den Schulen Schelling’s und Hegel’s und daher auch von Daub geübten Verwechselung zwischen metaphysischen und religiösen Sätzen sowie den in beiden herrschenden aprioristischen Constructionen entgegengetreten. Seinem Vater, dessen formal supernaturalistisches, materiell aber rationalistisches System er sich anfangs angeeignet haben mag und dessen Hochachtung für Kant er stets getheilt hat, stellte er später den Satz gegenüber, daß sich die Christen des Heiles auf solche Weise bewußt seien, als sei es ihnen nicht allein durch (übernatürliche) Thatsachen, sondern auch als (übernatürliche) Thatsache geoffenbart, d. h. daß der Offenbarungscharakter des Christenthums nicht allein daran hange, daß die vermeintlich an sich schon im Menschengeiste liegende, nur eben gebundene und gehemmte wahre Religion durch die übernatürlichen Thatsachen, durch welche sich dasselbe introducirte, in Activität gesetzt sei, sondern auch daran, daß ein übernatürlicher, wesentlich in der Thatsache des durch Christus begründeten Heiles bestehender Inhalt durch das Evangelium in den Menschengeist neu hineingestiftet sei. Aber auch bei Schleiermacher, dessen Religionsbegriff er im Wesentlichen vertheidigte, freilich zugleich ergänzt wissen wollte, und dessen Glaubenslehre er nachrühmte, daß das materiale Princip derselben das persönliche Sein und Wirken des Erlösers sei, vermißte er eine ausreichend klare Hervorhebung der Uebernatürlichkeit und ausschließlichen Wahrheit der biblischen Religion, und während er Schleiermacher’s Verdienst um die Aussonderung der Metaphysik aus der Theologie pries, hegte er starke Bedenken gegen diejenige metaphysische Grundansicht von Gott und Welt, die Schleiermacher selbst vertrat, nicht minder gegen die von demselben geübte Geringschätzung der Bedeutung der israelitischen Religion für die christliche, und Anderes. Dennoch bezeichnete einerseits Schleiermacher ihn öffentlich und ausdrücklich als den Mann, von dem er am liebsten sowohl gelobt werde als getadelt, und andrerseits ließ sich N. es gefallen, wenn er neben Twesten und Alexander Schweizer unter den positiven Systematikern als der Hauptvertreter der Schleiermacher’schen Dogmatik betrachtet wurde. Sein systematisches Hauptwerk, welches zumal in den beiden ersten Jahrzehnten nach seinem Erscheinen nicht ohne Einfluß auf die Zeittheologie geblieben ist und 1849 in’s Englische übersetzt ward, war das zuerst 1829 (zuletzt in 6. Auflage 1851) zu Bonn herausgegebene „System der christlichen Lehre“, eine Art biblischer Dogmatik, die jedoch nicht minder die ethischen als die Glaubensdogmen der heiligen Schrift in moderner Denk- und Sprachform reproduciren und systematisch zusammenfassen sollte. Daran schlossen sich später die (übrigens keineswegs umfangreichen) „Akademischen Vorträge über die christliche Glaubenslehre für Studirende aller Fakultäten“, herausgegeben von E. Walther, 1858. Unter den übrigen sich mit der Dogmatik berührenden Schriften Nitzsch’s hat seine „Protestantische Beantwortung der Symbolik Möhler’s am meisten Beachtung gefunden. [728] Dieselbe erschien 1835 als besonderer Abdruck aus den „Theologischen Studien und Kritiken“, einer Zeitschrift, unter deren Mitarbeitern N. in den ersten Jahrzehnten ihres Erscheinens überhaupt einer der angesehensten war (s. K. I. Nitzsch, Gesammelte Abhandlungen, 2 Bde., 1870).

Mindestens ebenso bedeutend wie seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem akademischen Lehrstuhl und in der Litteratur, auf welche hier nicht näher eingegangen werden kann (s. über dieselben Beyschlag’s unten erwähnte vortreffliche Biographie), waren seine auf dem praktischen Gebiete liegenden Verdienste um Gemeinde, Provinz und Landeskirche. In Bonn nahm er, obgleich er officiell nur Universitätsprediger war, thatsächlich auch die Stellung eines (zweiten) Geistlichen der 1816 (und zwar weder auf die lutherische, noch auf die reformirte Sonderconfession, vielmehr von vornherein lediglich auf das gemeinevangelische Bekenntniß) gegründeten Stadtgemeinde ein, half die Unionsgrundlage derselben befestigen und auf derselben ihre gottesdienstlichen Einrichtungen und Hülfsmittel ausbilden, erbaute als Prediger durch das Weihevolle seiner Persönlichkeit und durch Gedankenfülle auch diejenigen Gemeindeglieder, die ihn vorerst nicht völlig verstehen konnten, und trat durch seelsorgerliche oder casuale Handlungen zu einem engeren Kreise namentlich Gebildeter in Beziehungen, welche segensreich auf die ganze Gemeinde zurückwirkten. Die Unions-, Agenden- und Verfassungsfragen, die letzteren einschließlich der Ordnung der Lehrfreiheit, hatten aber weit mehr als eine parochiale eine provinciale und landeskirchliche Bedeutung, und sie wurden auch von N. in diesem Umfange erfaßt. Hinsichtlich der erstgenannten erlebte er eine doppelte Phase, insofern die Union in Preußen von Friedrich Wilhelm III. gefördert, von Friedrich Wilhelm IV. hingegen zwar nicht aufgehoben, aber auch nicht begünstigt, sondern mehr geduldet, ja bis zu einem gewissen Grade eingeschränkt ward. Er selbst veränderte und verhehlte aber seine rein unionistische Gesinnung niemals, auch in dem Augenblicke nicht, wo (1852) allen Mitgliedern des Berliner Oberkirchenraths zugemuthet wurde, sich wenigstens innerhalb der Union für lutherisch oder reformirt zu erklären. Freilich mußte er als Mitglied des rheinischen Consistoriums und später des preußischen Oberkirchenrathes den thatsächlich oder auch rechtlich bestehenden verschiedenen Graden und Arten der Union in allen concreten Fällen Rechnung tragen, aber er selbst bekannte sich zu der sogen. Consensus-Union, d. h. er hielt diejenige Aufhebung des Widerspruchs- und Separationsverhältnisses zwischen dem lutherischen und reformirten Protestantismus für die wünschenswertheste, welche bis zur Formulirung oder Declaration eines rein evangelischen, die gemeinsamen Grundlagen der lutherischen und der reformirten Lehre enthaltenden Bekenntnisses vorschritt, also über die bloße Conföderation, ja auch die bloße principielle oder gottesdienstliche und kirchenregimentliche Union hinausging; die sogen. absorptive, jedes bestimmte Bekenntniß aufsaugende Union aber billigte er nicht. Die Behauptung, daß die Union abgesehen von künstlichen modernen Confessionsversuchen bekenntnißlos in der Kirchengeschichte dastehe, widerlegte er durch sein „Urkundenbuch der evangelischen Union mit Erläuterungen“, 1853, welchem er sodann seine „Würdigung der vom Dr. Kahnis gegen die evangelische Union und deren theologische Vertreter gerichteten Angriffe“, 1854, folgen ließ.

Was den Agendenstreit anlangt, so gehörte N. zwar von Anfang an zu den maßvollsten Kritikern der im J. 1821 erschienenen Agende Friedrich Wilhelm’s III., protestirte aber auch seinerseits gegen die rechtswidrige, ein nicht vorhandenes jus liturgicum des Landesherrn zum Vorwand nehmende und die besonderen historisch begründeten Ansprüche der rheinischen Gemeinden und Synoden (aus Autonomie) außer Acht lassende Einführung und buchstäbliche Aufnöthigung derselben, vgl. sein „Theologisches Votum über die neue Hofkirchenagende und [729] deren weitere Einführung“, 1824. – Hinsichtlich der Kirchenverfassung theilte er im Allgemeinen die Ansicht seines Vaters (s. den betr. Art.), derzufolge ein Zusammenwirken des reinkirchlich-synodalen und des consistorialen Factors angestrebt werden sollte. Allein er wollte die näheren Modalitäten dieses Zusammenwirkens und den Umfang der Autonomie der rein kirchlichen Organe nach der territorialen und confessionellen historisch bedingten Eigenthümlichkeit der östlichen und der westlichen Provinzen Preußens und namentlich nach dem positiven Rechtsbestande bemessen wissen. Daher konnte er nicht umhin, sich eifrig an den Bestrebungen zu betheiligen, die darauf gerichtet waren, die noch vorhandenen Reste der altberechtigten Synodalverfassung, die namentlich in Jülich, Cleve, Berg und Mark (dem eigentlichen Stamm der heutigen rheinisch-westphälischen Kirche) vor Zeiten die Rechtsbasis für eine echt evangelisch kirchliche wirkliche Selbstverwaltung gebildet hatte, zu erhalten, neu zu beleben und zum Ausgangspunkte der Wiederherstellung der früheren, nur durch das unerläßliche landesherrliche jus circa sacra zu beschränkenden Autonomie zu machen. Seine Grundsätze über kirchliche Lehrfreiheit und Lehrordnung beurkundet namentlich der oben erwähnte der preußischen Generalsynode von 1846 vorgelegte Entwurf eines Ordinationsgelübdes. Die Verdienste, welche sich N. außerdem um die Revision von Gesangbüchern und Religionslehrbüchern, um die Aufstellung von Normen für die kirchliche Disciplin, um Beförderung der äußeren und inneren Mission, um Abwehr der Uebergriffe der katholischen Hierarchie, um die parlamentarische Vertretung protestantischer, der preußischen Landeskirche angemessener Grundsätze in der ersten preußischen Kammer (dem später sog. Herrenhause), endlich um den Gustav-Adolf-Verein, die Bibelgesellschaft und andere freie Vereine erworben hat, können hier nur berührt werden. Durch seine Zusammenstellung „biblischer Vorlesungen aus dem Alten und Neuen Testament für den Sonn- und Festtagsgottesdienst der evangelischen Kirche, nebst Erläuterungen“, 1846, welche sehr bald die Billigung der rheinischen Synode, unter König Wilhelm auch die Genehmigung der obersten Kirchenbehörde fand, lieferte er für die gottesdienstliche Bibellection ein werthvolles, die alten lutherischen Perikopen ergänzendes Material. Als hervorstechende Eigenschaft seiner Predigten ist mit Recht bezeichnet worden „der vollkommene Einklang, in welchem das religiöse und das sittliche Element gehandhabt wird, sowie die Einfalt, Wahrheit und Milde der Beurtheilung im Verein mit der idealen Höhe der Maßstäbe, mit dem heiligen Ernst der Forderung.“ Im engeren Sinne populär gehalten sind sie nicht, aber trotz der gewissermaßen dialektischen Form lebendig und erbaulich, in rhetorischer Beziehung schmucklos, vgl. die „Neue Gesammtausgabe“ einer Hundertzahl seiner Predigten (1867), außerdem die in dieser nicht enthaltenen „Predigten, in den Jahren 1813 und 1814 zu Wittenberg, größtentheils während der Belagerung der Stadt gehalten“ (1815) und die „Predigten in den Kirchen Wittenbergs gehalten“, 1819. Die gegenseitige Durchdringung der theoretischen und der praktischen Seite in der theologischen Individualität Nitzsch’s findet sich litterarisch ausgeprägt in zahlreichen Vorträgen und Einzelabhandlungen, die großentheils in der „Monatsschrift für die evangelische Kirche von Rheinland und Westphalen“ (Bonn, bei Marcus, seit 1842) und in der „Deutschen Zeitschrift für christliche Wissenschaft und christliches Leben“ (Berlin bei Grieben, seit 1850 von K. Th. Schneider, später von W. A. Hollenberg redigirt) abgedruckt sind, namentlich aber in dem Hauptwerke seines ganzen Lebens, der 1847 begonnenen, 1867 vollendeten „Praktischen Theologie“ (Bonn, bei Marcus). Hier geht er aus von dem „urbildlichen Begriff vom kirchlichen Leben“, sucht sodann die gegenwärtige Phase des in eine geschichtliche Entwickelung eingegangenen kirchlichen Lebens, d. h. den protestantisch-evangelischen Begriff vom kirchlichen Leben zu erfassen und entwickelt so auf der Grundlage der Idee und der Geschichte die leitenden [730] Gedanken für alle zu erfüllenden Aufgaben. Demnach handelt das erste Buch 1. vom kirchlichen Leben nach seiner Idee, 2. vom evangelisch-kirchlichen Leben und dem jetzigen Zeitpunkt, und gibt einen einheitlichen, umfassenden und tief fundamentirten Unterbau der einzelnen praktisch-theologischen Disciplinen, wie ihn speciell für die praktische Theologie noch niemand gegeben hatte (1. Bd.: Einleitung und erstes Buch, Allg. Theorie des kirchlichen Lebens, 1847, 2. Aufl., 1859). Erst das zweite Buch handelt vom kirchlichen Verfahren oder den Kunstlehren und zwar 1. von den unmittelbar auf Erbauung der Gemeinde gerichteten Thätigkeiten, d. h. a) von der Lehre oder dem Dienste am Wort, Homiletik und Katechetik (2. Bd., 2. Buch, 1. Abtheil.: der Dienst am Wort, 1848, 2. Aufl. 1860); b) von der kirchlichen Feier (Liturgik, 2. Bd., 2. Buch, 2. Abtheil.: der evangelische Gottesdienst, 1851, 2. Aufl. 1863); c) von der eigenthümlichen Seelenpflege des evangelischen Hirtenamtes, Pastorallehre (3. Bd., 1. Abtheil., 1857, 2. Aufl. 1868). 2. von der ordnenden Thätigkeit (3. Bd., 2. Abtheil., die evang. Kirchenordnung, 1867). Ein Register zu dem ganzen Werk gab K. L. Schmidt, 1872.

W. Hoffmann, Erinnerung an K. I. Nitzsch, Berl. 1868. – W. Beyschlag, Zum Andenken an D. K. I. Nitzsch, Theol. Studien und Kritiken, 1869, IV. – Derselbe, Karl Immanuel Nitzsch, eine Lichtgestalt der neueren deutsch-evangelischen Kirchengeschichte, Berl. 1872. – E. Rudorff, C. I. Nitzsch, Stunden der Erhebung. Eine Sammlung von Aussprüchen. Berlin 1878. – Herzog’s Real-Encyklopädie, 2. Aufl., Bd. X, S. 805 f. – K. I. Nitzsch und die ev. Kirche der preußischen Rheinprovinz, ein Zeitbild v. G. H., in Gelzer’s Protestant. Monatsblättern für innere Zeitgeschichte, Bd. XVI, Gotha 1860.