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Artikel „Middeldorpf, Hinrich“ von Carl Gustav Adolf Siegfried in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 710–711, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Middeldorpf,_Hinrich&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 11:08 Uhr UTC)
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Middeldorpf: Heinrich M. ward am 21. August 1788 zu Hamburg geboren als Sohn eines dortigen Kaufmanns, welcher ihn zur Erziehung zunächst einem würdigen Landgeistlichen übergab, dessen Vorbild in der Seele des Kindes schon den Entschluß zum Studium der Theologie weckte. 1804 kam er auf das Johanneum zu Hamburg, wo unter Gurlitt’s Leitung Neander und Varnhagen von Ense seine Mitschüler waren. Später bezog er das sogenannte akademische Gymnasium seiner Vaterstadt, welches damals eine philosophisch-philologische Vorbildung für das Universitätsstudium gab. Zugleich gab er in der untersten Classe des Johanneums einige Lehrstunden. Sodann studirte er in Helmstedt, wo Lichtenstein und Bruns ihn auf die Orientalia hinwiesen. Auch den seltsamen Beireis hat er damals gehört. Bredow führte ihn in Geschichte und classisches Alterthum ein. Von hier ging er nach Göttingen, wo ein Kreis hervorragender Lehrer wie Heyne, Eichhorn, Heeren, Planck, Dissen und Andere ihm geistige Nahrung bot. 1810 promovirte er in Helmstedt als Dr. phil. – Durch Wilhelm v. Humboldt’s Vermittlung ward er bald darauf in Frankfurt a. O. als Privatdocent der orientalischen Sprachen mit einer kleinen Vergütung angestellt. Im Herbst 1811 siedelte er mit der Viadrina an die Leopoldina nach Breslau über und ward hier außerordentlicher Professor der Theologie, 1812 zugleich Custos der königlichen und Universitätsbibliothek daselbst. Die patriotische Erhebung führte ihn 1813 als Feldprediger in die Reihen der Kämpfer für das Vaterland, bis Kränklichkeit ihn zur Rückkehr nöthigte. 1815 aber reiste er als Deputirter der Provinz in die rheinischen und belgischen Hospitäler zur Pflege der Verwundeten. Im selben Jahre ward er ordentlicher Professor, 1816 Dr. theol., 1823 Director des königl. Seminars für gelehrte Schulen, 1826–29 Mitglied der wissenschaftlichen Prüfungscommission. 1828 ward er Consistorialrath. Seine Vorlesungen in Breslau erstreckten sich über alt- und neutestamentliche Fächer, Dogmatik, Symbolik und Ethik. – Später ward er Oberconsistorialrath und durch hohe Orden ausgezeichnet. Nach längeren körperlichen Leiden schied er am 21. Januar 1861 dahin. (Nowack, Schlesisches Schriftstellerlexikon H. 4, 1840, S. 90–95. – W. Böhmer, Zur Erinnerung an Dr. H. M. (Zeitschr. f. wissensch. Theol. 1861, Bd. IV, S. 332–334) Protest. K. Z. 1861, Nr. 5.) Seine früheren Arbeiten: „Nahum, aus dem Hebräischen übersetzt und erklärt“, 1808, und „Symbolae exegeticae ad librum ecclesiastae“, 1811, sind veraltet. Sehr verdienstvoll aber war seine Ausgabe eines Theils des sogenannten „Codex Syriaco-hexaplaris“, 1835, zu welcher er durch seine „Curae hexaplares in Jobum“, 1817 (s. den vollständigen Titel bei de Wette-Schrader, Lehrb. d. Einl., 1869, S. 117) bereits seinen Beruf erwiesen hatte. Diese Handschrift, welche eine syrische Uebersetzung des hexaplarischen (LXX) Textes vom A. T. enthielt, war aus einem syrischen Kloster der nitrischen Wüste in Aegypten in die ambrosianische Bibliothek zu Mailand gekommen und theilweise von Matth. Norberg (1787) und Bugati (1788) herausgegeben. An diese Arbeiten schloß M. an, indem er den Jesaias, die 12 kleinen Propheten, die Sprüchwörter, den Hiob, das Hohelied, die Klagelieder, den sogen. Prediger nach einer ihm überlassenen Abschrift herausgab und bei dieser Gelegenheit viele Fehler des letzteren verbesserte. Das 4te (2te) Buch der Könige edirte er dann nach zwei Abschriften einer Pariser Handschrift. Im zweiten Bande gab M. hierzu Erläuterungen (den vollständigen lateinischen Titel siehe bei Nestle, Brevis linguae Syriacae grammatica, 1881, Abschn. litteratura [711] p. 22, No. 122). Werthvolle Verbesserungen zu Middeldorpf’s Ausgabe gab G. H. Bernstein in der Zeitschr. der deutsch. morgenl. Ges., Bd. III, S. 411–428. Neuerdings sind diese Arbeiten durch Ceriani überholt, 1863 bis 1874 (s. Nestle a. a. O. S. 23, Nr. 124 b. c.). – Außerdem schrieb M. eine „Commentatio de institutis literariis in Hispania quae Arabes auctores habuerunt“, 1810 (Fürst, biblioth. jud. II, 377) und eine „Commentatio de Prudentio et theologia Prudentiana“ 1823, 26, 2 Partes; vgl. Zeitschr. f. histor. Theol. 1832, Bd. II, St. 2, S. 127–190. – Um das neue Testament machte er sich verdient durch die Beschreibung der Seidelischen Handschrift desselben (in Rosenmüller’s bibl.-exeget. Repertor. Thl. 2), fortgesetzt unter dem Titel: „Variae lectiones e cod. N. Ti. Seideliano jam Francofurti ad V. asservato“ (in Rosenmüller’s commentatt. theol. T. II Pars 2, in welchem Bande sich noch zwei durch M. zum Druck beförderte litterarische Seltenheiten befinden: Endlicher’s examen criticum Codicis graeci IV Evangeliorum Posonii asservati“ und Herm. Sam. Reimari dissertationes tres de differentiis vocum hebraicarum“, 1717–18). – Hierzu kommen zahlreiche Broschüren, Reden, Abhandlungen, Predigten, Recensionen, deren Bedeutung wol mit ihrer Zeit erloschen ist, weshalb ihre Aufführung hier unterbleiben kann. M., obwol wie aus dem Angeführten erhellt, auch für streng wissenschaftliche Arbeiten durchaus befähigt, ward doch durch die Entwickelung der Theologie und Kirche seiner Zeit, bei dem lebhaften Antheil, den er innerlich hieran nahm, immer mehr in ein praktisches Wirken hineingedrängt, ohne daß ihm nachgesagt werden könnte, er sei ein Parteimann geworden. Er kämpfte für das edle Gut der Freiheit der Wissenschaft und der religiösen Ueberzeugung nach rechts wie nach links, nahm sich des Lutheraners Scheibel in Breslau ebenso sehr an, wie Bruno Bauer’s in Bonn, für dessen Verbleiben im Amte er stimmte, als die Facultät in Breslau um ihr Votum dieserhalb befragt wurde. Sein Wirken in seinen zahlreichen Aemtern in der Kirche, Universität und Schule war ein rastloses und gesegnetes, wie es von einem Manne zu erwarten stand, der nicht nach der Schablone war, sondern die eigne in gediegenem Streben gebildete Natur in die Wagschale werfen konnte.