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Artikel „Bruns, Paul Jakob“ von Carl Gustav Adolf Siegfried in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 450–452, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bruns,_Paul_Jakob&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 07:12 Uhr UTC)
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Bruns: Paul Jakob B., geb. zu Preetz in Holstein am 18. Juli 1743, † 17. Nov. 1814, empfing seine frühere Ausbildung zu Lübeck, die wissenschaftliche seit 1761 zu Jena, woselbst er seit 1764 Vorlesungen über biblische Wissenschaft zu halten begann. Im Jahre 1767 lernte er zu Paris den berühmten englischen Bibelkritiker Benjamin Kennicott kennen, welcher ihn ganz für seine Aufgabe einer umfassenden Vergleichung aller aufzufindenden hebräischen Handschriften des Alten Testaments gewann. Wie jener die Handschriften in England verglichen hatte, so durchreiste nun B. 3 Jahre lang Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Italien und war nach Beendigung dieser Reise noch 7 weitere Jahre damit beschäftigt, die sämmtlichen Varianten für die große kritische Ausgabe Kennicott’s zu ordnen. Das magere Ehrendiplom eines Doctor legum war das einzige, was B. von den vorher mit Versprechungen äußerst freigebigen Engländern erhielt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland ward B. als Professor der Litteraturgeschichte in Helmstädt angestellt, wozu 1787 sich das Amt des Bibliothekars gesellte. 1796 ward er Hofrath und Professor der morgenländischen Sprachen. Als 1810 die Universität Helmstädt aufgehoben wurde, ward B. von der theologischen Facultät derselben zum Doctor erwählt. Er ward alsdann nach Halle versetzt, wo er nach im Ganzen 33jähriger Lehrthätigkeit starb (s. Gesenius, Andenken an P. J. Bruns, dessen Leben und Verdienste, in Ammon und Bertholdt’s Krit. Journal der theol. Litt. III. 2. S. 113 ff. und Ersch, und Gruber Encykl. I. Thl. 13. S. 239). Wie aus diesem Lebensabriß bereits hervorgeht, so liegen die hauptsächlichen Verdienste von B. auf dem Gebiete der alttestamentlichen Textkritik. Er hatte sich zunächst auf jenen Reisen eine umfassende und genaue Kenntniß der hebräischen Handschriften des Alten Testaments erworben, wie er solche namentlich in seiner verbesserten Ausgabe der Kennicott’schen „Dissertatio generalis in V. T. hebraicum“ 1783 offenbarte. Er gab darin Proben des deutschen, spanischen und italienischen Schriftcharakters aus verschiedenen Handschriften und eine genaue Beschreibung des Unterschiedes der deutschen und spanischen Handschriften (p. 11. 12, vgl. auch den kurzen Auszug in Eichhorn’s Einl. in das A. T. II, 555 ff.). – Die in mancher Beziehung nicht ganz unstichhaltigen Einwürfe, welche der Rostocker Professor Tychsen gegen die Kennicott’schen Variantensammlungen richtete, gaben B. Gelegenheit, noch weiter seine Sachkenntniß auf diesen Gebieten zu zeigen. So in der „Apologie für Kennicott“ in Eichhorn’s Repertorium für biblische und morgenländische Litteratur VI, 173 ff., wo er von der Art der Bezeichnung ausgelassener Worte und Buchstaben in den hebräischen Handschriften handelt (vgl. Tychsen, Befreyetes Tentamen 1774. I. II. Antwort auf Herrn M. Bruns’ doppelten Angriff). Glänzender noch war seine Vertheidigung Kennicott’s gegen die Angriffe eines Ungenannten in: „De libello contra B. K. . . . ex anglico vertit suasque ad eundem B. K. literas adjecit,“ 1772 (vgl. J. D. Michaelis, Orient. und exeget. Bibl. V, 96 ff.). Hierher gehören auch der Aufsatz „Erläuterungen der Unterschriften in den hebräischen Manuscripten aus der jüdischen Geschichte“ (in Paulus’ N. Repert. f. bibl. u. morgenl. Litt. Th. II. Nr. 1) und die „Excerpte aus chald. Manuscr. der Bibel“ (in Eichhorn’s Repert. XV, 168 ff.). – Neben den Handschriften richtete er aber seine Aufmerksamkeit auch auf die ältere jüdische Textkritik. So gab er zuerst eine ausführlichere Nachricht über den „Sefer massoreth sajjeg lathora“ (1750) des R. Meier Hallevi (in der erwähnten Dissert. gen. p. 112. 121 sq. und im N. theol. Journal VI. Bd. S. [451] 765 f.) und machte auf den wichtigen der mantuanischen Bibel beigedruckten kritischen Commentar des Jedidja Salomon Norzi aufmerksam, welcher den Titel „Minchat schai“ führt (vgl. Tychsen, Befreyetes Tentamen S. 78 ff.). – Auch der Werth der Uebersetzungen für die Kritik des alttestamentlichen Textes entging seinem Scharfblicke nicht. In Eichhorn’s Repert. III, 166 ff. bespricht er eine Handschrift der ambrosianischen Bibliothek zu Mailand, welche einen Theil des Alten Testaments in syrischer aus den LXX gemachter Uebersetzung nebst Varianten des Aquila Theodotion, Symmachus und vielen Scholien enthielt. Ebendaselbst IV, 1 ff. sind von ihm aus Grabe’s Nachlaß Anmerkungen über Genes. 49 aus den Handschriften der LXX mitgetheilt worden. Ferner gehören hierher: „Bemerkungen über einige wichtige Lesearten der Cottonianischen griechischen Handschrift des ersten Buches Mose“ (in Eichhorn’s Repert. XIV, 30 ff.), „Variae lectiones in Genesin LXX ex codice M. S. Bodlejano“ in (Annal. litt. 1784. II, 193)- „Curae hexaplares in librum IV. regum“ (in Eichhorn’s Repert. IX, 157 ff. X, 58 ff.), worin er zeigte, daß Origenes bei seiner Hexepla eine der masorethischen Recension verwandte Handschrift benutzte; sodann seine: „Beiträge zu Montfaucons’ Hexaplen und Varianten aus einem griechischen Manuscripte der Psalmen“ (in Eichhorn’s Repert. XIII, 177 ff.), und „Syrische Nachrichten von den griech. Uebers. aus Manuscripten gesammelt“ (in Eichhorn’s Repert. XIV, 39 ff.) – Diese umfassende Sachkenntniß machte B. zum berufenen Kritiker der bisherigen Ausgaben des Alten Testamentes: so der Soncinischen Ausgabe (Diss. gen. p. 443), der complutensischen Polyglotte (ibid. p. 448 sqq.), der van der Hooght’schen Ausgabe (in der Abhandl. „De mendis typographicis editionis van der Hooghtianae a Kennicotto non sublatis“ in Eichhorn’s Repert. XII, 225 ff.) und endlich der von Kennicott selbst, welcher gegenüber er sich trotz seines Antheiles an derselben (s. darüber auch „Index locorum quae mandante cl. Kennicotto in codicibus hebraicis evolvit P. J. Br.“ in Eichhorn’s Repert. XIII, 200 ff.) die Freiheit seines wissenschaftlichen Urtheils bewahrte; letzteres besonders in der Abhandlung „De variis lectionibus bibliorum Kennicottianorum“ (in Eichhorn’s Repert. XII, 242 ff.), in der er zeigt, daß Kennicott’s Helfer in England oft aus Mangel an paläographischer Bildung irrten und daß Kennicott selbst in Bezug auf die Werthschätzung der einzelnen Handschriften zu wenig kritisch verfuhr. – Eine Probe von der Anwendung seiner bibelkritischen Grundsätze gab B. in der Schrift: „Benj. K. notae criticae in Psalmos 42. 43. 48. 89, ex anglico vertit et appendice auxit“, worin er zugleich Mittheilung über mehrere in Carlsruhe und Straßburg gefundene Handschriften des Alten Testaments macht (vgl. J. D. Michaelis Orient. und exeget. Bibl. III, 164 ff.). – Auf dem Gebiete der syrischen Sprachstudien erwarb sich B. Verdienste durch Herausgabe der Chronik der Barhebräus (Abulfaradsch), welche er aus einer zu Oxford aufgefundenen Handschrift abgeschrieben hatte. Nachdem zuvor ein Stück davon betitelt „De rebus gestis Richardi Angliae regis in Palaestina“ syrisch und lateinisch mit Anmerkungen (1780) erschienen war (s. Bruns, Selbstanzeige in Eichhorn’s Repert. VII, 183 ff., vgl. J. D. Michaelis a. a. O. XVII, 60 ff.) und eine zweite Probe: „Von Hakem dem Chalifen in Aegypten“ (in Eichhorn’s Repert. XIV, 1 ff.) syrisch und deutsch gefolgt war, gelang es ihm endlich 1789 im Verein mit G. W. Kirsch die Ausgabe des Ganzen zu Stande zu bringen (vollständigen Titel und Angabe der Nachträge s. bei Meyer, Gesch. der Schrifterkl. V, 90). Ueber die dieser Ausgabe noch anhaftenden Mängel s. Gesenius, Art. Barhebräus, in Ersch und Gruber’s Encykl. und Bickell, Conspectus rei Syrorum litterariae, 1872. – Auch gab B. die deutsche Uebersetzung eines syrischen Auszugs aus Eusebius’ [452] Chronik heraus, welchen er als Anhang zu einer syrischen Uebersetzung des Pentateuch in der Bodlejana vorgefunden hatte (in Eichhorn’s Repert. XI, 271 ff.). – Die Kritik des Neuen Testamentes förderte er durch „Bemerkungen über einige der vornehmsten Ausgaben der alten syrischen Uebersetzung des Neuen Testaments und Varianten zu den Evangelien dieser Uebersetzung aus einem Wolfenbüttler Codex“ (in Eichhorn’s Repert. XV, 153 ff. XVI, 107 ff.). – Einen Beitrag zur Kenntniß des Samaritanischen lieferte er durch Herausgabe des Schreibens der Sichemiten an Hiob Ludolf (in Eichhorn’s Repert. XIII, 277 ff.), welches er in Göttingen in Büttner’s Bibliothek gefunden hatte. Er theilte den samaritanischen Text in hebräischen Lettern, dazu lateinische Uebersetzung und erklärende Anmerkungen mit. In einer kurzen Einleitung stellt er das bisher über das Samaritanische Bekanntgewordene zusammen. – Zur Litteratur über die Sabäer gehören die vermischten Bemerkungen in Eichhorn’s Repert. XII, 378 ff. – Zu alledem beschäftigte sich der gelehrte unermüdlich arbeitsame Mann auch viel mit Geographie und allgemeiner Litteraturgeschichte. Das Verzeichniß seiner zahlreichen Arbeiten auf diesen Gebieten findet man in den ausführlichen Angaben von Meusel’s Gel. Teutschl. I, 471–475. XI, 111. XIII, 184 f. XVII, 274 f.