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Artikel „Endlicher, Stephan Ladislaus“ von Karl Felix Halm, Heinrich Wilhelm Reichardt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 108–110, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Endlicher,_Stephan&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 19:24 Uhr UTC)
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Endlicher: Stephan Ladislaus E., Botaniker, Sprach- und Geschichtforscher, geb. 24. Juni 1804 zu Preßburg, † 3. März 1849 in Wien. Nachdem er die Gymnasialstudien in seiner Vaterstadt, die allgemeinen philosophischen in Wien und Pest vollendet hatte, trat er in das erzbischöfliche Seminar in Wien, um Theologie zu studiren, verließ aber, als er schon die Würde eines Baccalaureus in der Theologie und die ersten Weihen erhalten hatte, diese Laufbahn wieder und kehrte 1826 nach Preßburg zurück, wo er zunächst mit größtem Eifer linguistische und historische Studien betrieb. Auf einem Spaziergang mit seinem geistreichen Vater machte ihn dieser beim Anblick einer prangenden Wiese auf die Schönheiten der Natur aufmerksam, deren Studium doch viel größere Reize als philologische und historische biete. Das Wort zündete und so wurde E. auch Botaniker. Eine erste Verwendung im Staatsdienste erhielt er 1828 an der kaiserl. Hofbibliothek in Wien, wo er mit der Herausgabe des Handschriftenkatalogs betraut wurde. Schon früher hatte er sich durch mehrere gelehrte Arbeiten („Examen criticum codicis IV evangeliorum Byzantino-Corviniani“, 1826. „Anonymi, Belae regis notarii, de gestis Hungarorum liber“, 1827. „Prisciani de laude imperatoris Anastasii et de ponderibus et mensuris carmina“, 1828) vortheilhaft bekannt gemacht; seine Stellung an der Bibliothek benützte er bestens, um eine Reihe werthvoller Arbeiten in rascher Folge zu veröffentlichen. 1834 erschienen im Verein mit Hoffmann von Fallersleben die „Fragmenta theodisca versionis antiquissimae evangelii S. Matthaei“, 1835 mit Ferdin. Wolf das Buch vom „Bruoder Rauschen“, 1836 mit Eichenfeld die „Analecta grammatica“, eine Sammlung unedirter lateinischer Grammatiker, in demselben Jahre der „Catalogus codd. philologicorum latinorum (d. h. der lateinisch-classischen Litteratur) bibliothecae Vindobonensis“. Mit dieser gediegenen Arbeit nahm er von der Bibliothek Abschied; denn er hatte sich inzwischen als Schriftsteller auch auf dem Gebiete der Botanik einen so bedeutenden Ruf erworben, daß er 1836 zum Custos der botanischen Abtheilung des Naturaliencabinets und nach Jaquin’s Tode 1840 zum Professor der Botanik und Director des botanischen Gartens ernannt wurde. Auch in dieser Stellung fand er noch Muße, seine weitgreifenden linguistischen und historisch-antiquarischen Studien für die Wissenschaft zu verwerthen. So erschien 1837 sein „Verzeichniß der chinesischen und japanesischen Münzen des kaiserl. Münz- und Antikenkabinets“, 1843 ein Atlas von China in 16 Blättern, 1845 „Anfangsgründe der chinesischen Grammatik“, 1849 die „Gesetze des heil. Stephan“ und „Rerum hungaricarum monumenta Arpadiana“, eine beabsichtigte Ausgabe des Jordanes de rebus Geticis kam nicht zur Vollendung. Aber seine Hauptthätigkeit blieb doch fortan die naturwissenschaftliche. Als Vorstand der ihm anvertrauten Institute und Sammlungen entwickelte er ein bedeutendes [109] ordnendes Talent. Die neue Gestaltung des botanischen Gartens war sein Werk, ebenso die Einrichtung des neu begründeten botanischen Museums. Von Fenzl, Reißek und Putterlik bestens unterstützt, leitete er auch die neue Aufstellung und Ordnung des reichen Herbariums und begründete die mit dem Museum vereinte botanische Bibliothek. Seine eigene Sammlung botanischer Werke nebst Herbarium, deren Werth auf mehr denn 30000 Gulden geschätzt wurde, schenkte er dem Staate. Weitere Geldopfer brachte er, als es sich darum handelte, eine erste naturwissenschaftliche Zeitschrift in Oesterreich, die Annalen des Wiener Museums, zu begründen. Einen wesentlichen Antheil hatte er auch mit Hammer-Purgstall und Ettinghausen an der Errichtung der kaiserl. Akademie und Entwerfung ihrer Statuten, schied aber, als das Werk nach schweren Geburtswehen endlich zu Stande gekommen war, bald aus derselben aus, sei es, daß er sich durch die Bevorzugung Hammer’s als Präsidenten verletzt gefühlt hatte, oder daß ihn die unter dem Einfluß des Fürsten v. Metternich entworfene erste Liste von Akademikern nicht befriedigte. Als die Ereignisse des Jahres 1848 hereinbrachen, wurde E. in das österreichische, ebenso in das deutsche Parlament gewählt, zog sich aber bald zurück. Da er sich bei der akademischen Jugend einer großen Beliebtheit erfreute, suchte er anfangs vermittelnd einzuwirken, aber bald überholte ihn die rastlos fortschreitende Bewegung und als er am stürmischen 15. Mai auf energische Repressivmaßregeln drang, wurde er als Reactionär so angefeindet, daß er aus Wien flüchten mußte und es erst im Herbst wagen durfte, wieder zurückzukehren. Als Ungar von Geburt gerieth er auch in den ganz grundlosen Verdacht, mit den Häuptern der damaligen revolutionären Partei Ungarns in Verbindung zu stehen. Diese trüben Erfahrungen schmerzten ihn um so tiefer, als er in seinem letzten Lebensjahre auch von schweren Nahrungssorgen gedrückt wurde. Die großartigen Opfer, die er durch die Herausgabe kostspieliger botanischer Werke der Wissenschaft gebracht, hatten sein Privatvermögen aufgezehrt, während aller Nebenverdienst zu seinem unglaublich geringen Einkommen durch die Stürme der Zeit versiegt war. Kein Wunder, daß die verschiedenartigsten Gerüchte auftauchten, als E. am 28. März 1849 durch jähen Tod, über den noch jetzt ein unaufgeklärtes Dunkel schwebt, von seinen Drangsalen erlöst ward. Bezeichnend für die vormärzlichen Zustände von Oesterreich ist, daß ein um die Wissenschaft so hochverdienter Mann, der dem Staate großartige Schenkungen gemacht hatte, keine andere Auszeichnung in seinem Vaterland erhalten hat, als Titel und Rang eines k. k. Regierungsraths. Die stattliche Reihe botanischer Werke, durch die sich E. einen europäischen Namen gemacht hat, eröffnete 1830 die „Flora Posoniensis“, 1833 folgte der „Prodromus florae Norfolkicae“, welches Werk eine Uebersicht der Flora dieser interessanten Inselgruppe nach den von Ferdinand Bauer mitgebrachten Pflanzen und Skizzen enthält, und die „Atakta botanica, nova genera et species plantarum“, 1833 ff., 4 Hefte mit vielen Tafeln. In den J. 1836–40 erschienen die „Genera plantarum secundum ordines plantarum“, Endlicher’s Hauptwerk; es enthält die Beschreibung sämmtlicher damals bekannten Ordnungen (277) und Gattungen 6895) des Pflanzenreichs, mit genauer Angabe der Litteratur, Synonymen, wichtigsten Abbildungen, geographischer Verbreitung, endlich der medicinischen und technischen Verwendung. Die Anordnung geschah nach einem neuen, von Unger in Gemeinschaft mit E. entworfenen Systeme („Grundzüge der Botanik“, 1843). Nebenher gingen die „Grundzüge einer neuen Theorie der Pflanzenzeugung“, 1838, und die „Iconographia generum plantarum“, 1838–40, enthaltend die Beschreibung und Abbildung von 125 neuen Gattungen. Es folgten noch 1841 das „Enchiridion botanicum“, eine Art Auszug aus den Genera plantarum, 1842 die „Medicinalpflanzen der österreichischen Pharmacie“, 1842 „Catalogus horti academici Vindobonensis“ [110] und 1847 eine Monographie der Nadelhölzer: „Synopsis Coniferarum“. Auch betheiligte sich E. bei verschiedenen Arbeiten anderer Botaniker, wie von Bentham, Rob. Brown, Fenzl, Putterlik, Reißek, Schott u. a.; wir begnügen uns, die zwei größten Werke der Art anzuführen, die „Flora von Südamerika“, die er mit Pöppig 1835 ff. beschrieb, und die „Flora Brasiliensis“, von der er mit Martius die 9 ersten Hefte redigirte. Das letzte Werk, das seinen Namen trägt, war das 1844 begonnene Prachtwerk von Ant. Hartinger: „Paradisus Vindobonensis“, wozu er die Beschreibung der Pflanzen zu liefern begann. Das von Berthold Seemann fortgesetzte Werk kam erst 1860 zur Vollendung.

Fitzinger in der Oesterreich. National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann) II, 53 und VI, 431. Neitrich, Geschichte der Botanik in Niederösterreich in den Verhandl. des zoolog.-botanischen Vereins in Wien V, 51 (1855). Steger im Ergänzungs-Conversations-Lexikon V, 289. Wurzbach IV, 44.