ADB:Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von
[483] Aufenthalte theils in der türkischen Hauptstadt selbst, theils in Syrien und Aegypten, wohin er den englischen Seehelden Sidney Smith während dessen Expedition gegen die Franzosen begleitete, über England in die Heimath zurückgekehrt, ging H.-P. im Herbste 1802 in der Eigenschaft eines Legationssecretärs abermals nach Constantinopel, wurde im J. 1806 zum kaiserlichen Agenten in Jassy befördert, schon im folgenden Jahre aber, auf eigenes Verlangen, der damaligen geheimen Haus-, Hof- und Staatskanzlei in Wien zugetheilt, wo er im J. 1811 zum Staatskanzleirathe und fünf Jahre darauf zum Hofrathe avancirte, mit welchem Posten und den Functionen eines k. k. Hofdolmetschers er seine amtliche Laufbahn abschloß. Diese bietet somit wenig besonderes Interesse, obgleich die ersprießlichen Dienste, welche er als Begleiter des genannten englischen Admirals bei den Conferenzen mit dem Großvezir zu Jaffa, bei den Verhandlungen mit den Mamelukenchefs in Alexandrien, sowie später, während der Besetzung Wiens durch die Franzosen, freilich mehr als Privatmann, dadurch leistete, daß er mehrere hundert kostbare orientalische Manuscripte der k. k. Hofbibliothek, welche sich die beutelustigen Sieger bereits angeeignet hatten, denselben durch geschickte Ausbeutung seiner mit französischen Gelehrten angeknüpften freundschaftlichen Verbindungen wieder entriß, hinlänglich beweisen, daß er jedenfalls im Stande gewesen wäre, auch im diplomatischen Fache Tüchtiges zu vollbringen. Auch kommen die vielfachen Ehren, Auszeichnungen und theilweise auch materiellen Vortheile, welche ihm während seines langen Lebens zu Theil wurden, nicht sowol dem Beamten, sondern vielmehr dem Gelehrten zugute. So seine zahlreichen Decorationen, seine Erhebung in den Freiherrnstand, das Präsidium der Wiener Akademie der Wissenschaften, das Prädicat Purgstall sammt dem Gute Hainfeld in Steiermark, welches ihm von der letzten Gräfin Purgstall in Anerkennung seiner litterarischen Verdienste testamentarisch zugewendet wurde. Was Hammer-Purgstall’s wissenschaftliche Leistungen selbst anbelangt, so sind dieselben so vielseitiger Art, daß es, namentlich bei beschränktem Raume, schwer fällt, sie unter bestimmte allgemeine Schlagworte einzureihen. Doch sind Poesie, Geschichte, Archäologie, Topographie, Litteraturhistorie, orientalische Bibliographie und Philologie diejenigen Titel, unter welchen wenigstens die meisten und wichtigsten seiner Schöpfungen untergebracht werden können. Wie alle phantasiereichen Naturen war auch H.-P., wenn auch ohne specielles Talent in dieser Richtung, der Dichtkunst mit Vorliebe ergeben. Zwei Oden, die eine „Asia“, die andere „Weidling“ überschrieben, in welcher ersteren er das Morgenland überhaupt und in welcher letzteren er das stille Thal bei Klosterneuburg, wo er seine akademischen Ferien zubrachte und auch begraben liegt, in schwungvoller Weise feierte, waren die ersten Früchte seiner jugendlichen Einbildungskraft, das arabische „hohe Lied der Liebe“ (eine Uebersetzung der Taija von Ibn ’ol Faridh) die letzte dichterische Blüthe seines hohen Greisenalters. Inzwischen fallen als seine umfangreichsten und ihrem Inhalte nach interessantesten metrischen Uebertragungen: Die Diwane der drei größten Dichter des vorderasiatischen Orients, nämlich des Persers Hafyz, des Arabers Motanabbi und des Osmanen Baki, „Wamik und Azra“, das älteste romantische Gedicht der Perser, das romantische Gedicht „Rose und Nachtigall“ aus dem Türkischen von Fazli, das mystische persische Gedicht „Rosenflor des Geheimnisses“ von Mahmud Schebisteri etc. Auch „Der tausend und einen Nacht noch nicht übersetzte Märchen“ (Stuttgart 1823 und 1824) dürften hier um so mehr Erwähnung finden, als dieselben häufige und längere Gedichte enthalten und überdies auch deren Auffindung in Constantinopel oder Kairo den Bemühungen Hammer-Purgstall’s verdankt wird. Unter Hammer-Purgstall’s historischen Werken ist unbedingt seine „Geschichte des osmanischen Reiches“ dasjenige, welches vermöge der Großartigkeit seiner Anlage und der [484] Fülle seines zum größten Theile ganz neu erschlossenen Quellenmaterials den ersten Platz einnimmt. Wiederholt ins Französische übersetzt, ward es recht eigentlich ein Gemeingut aller Gebildeten und verschaffte seinem Verfasser zuerst jenen Weltruf, dessen er mit Recht genießt. Die „Geschichte der Assassinen“ (ebenfalls ins Französische übersetzt), jene der „goldenen Horde in Kiptschak, d. i. der Mongolen in Rußland“, „der Ilchane, d. i. der Mongolen in Persien“ und jene „der Chane der Krim“, die „Geschichte der Nachkommen Dschengis Chan’s“ von Wassaf (persischer Text und Uebersetzung) und der „Gemäldesaal der Lebensbeschreibungen großer moslemischer Herrscher der ersten sieben Jahrhunderte der Hedschra“, sämmtlich in ihrer Art höchst schätzbare und zum Theile sehr umfangreiche Monographien, gruppiren sich gewissermaßen als Planeten um jenes Centralgestirn orientalischer Historiographie. Von Hammer-Purgstall’s speciellen Beiträgen zur Culturgeschichte des Morgenlandes verdienen seine „Staatsverfassung und Staatsverwaltung des osmanischen Reiches“ und die von der Berliner Akademie gekrönte Preisschrift „Ueber die Länderverwaltung unter dem Chalifate“ als selbständige größere Arbeiten an erster Stelle erwähnt zu werden. Ueberaus zahlreiche andere Abhandlungen, welche auf das Culturleben der Orientalen Bezug nehmen, finden sich zerstreut in den „Fundgruben des Orients“, den Denkschriften und Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissenschaften und vielen anderen gelehrten Zeitschriften. Hierher gehören auch seine beiden Anklageschriften gegen den Templerorden „Mysterium Baphometis relevatum“ etc. und „Die Schuld der Templer“, welche schon der Polemik halber, zu welcher sie Veranlassung gaben, bedeutendes Aufsehen erregten. Aber nicht blos morgenländischen, sondern auch Geschichtsstoffen des Occidents war Hammer-Purgstall’s umfassende Thätigkeit zugewendet, wie „Khlesl’s, des Cardinals, Directors des geheimen Cabinets Kaiser Mathias’, Leben“, „Die Porträtgallerie des steiermärkischen Adels“ u. a. m. beweisen. Hierher endlich sind auch seine Biographien und Nekrologe zu rechnen, mit welchen er zumeist das Andenken hingeschiedener Fachgenossen feierte. Von Hammer-Purgstall’s specifisch archäologischen Arbeiten sind leider nur zwei Abhandlungen, nämlich: Mithriaca ou les Mithriaques (Caen et Paris, 1833), welche den Mithra-Sonnendienst behandelt und Seitens der Pariser Akademie eine ehrenvolle Erwähnung erhielt, und das „Mémoire sur deux coffrets gnostiques de M. le duc de Blacas“ (Paris 1835, Dondey-Dupré) im Buchhandel erschienen. Von Hammer-Purgstall’s Reisebeschreibungen und Topographien haben der „Umblick auf einer Reise von Constantinopel nach Brussa“ (Pest 1818, Hartleben) und „Constantinopolis und der Bosporus“ (ebendaselbst 1822), trotz der seither verflossenen langen Frist nichts an Werth verloren und werden, der ebenso wissenschaftlich eingehenden als schwungvollen Schilderungen der dortigen Oertlichkeiten halber noch heutzutage von Touristen mit Nutzen und Genuß gelesen. Von Hammer-Purgstall’s litterarhistorischen Werken sind namentlich, was die poetische Litteratur der drei vorderasiatischen mohamedanischen Völker anbelangt, seine „Geschichte der schönen Redekünste Persiens“ (Wien 1818, Volke), seine „Geschichte der osmanischen Dichtkunst“ (Pest 1836–38, Hartleben) und seine „Litteraturgeschichte der Araber“ (Wien 1850–56, Staatsdruckerei), deren Fortsetzung nur durch des Verfassers Tod unterbrochen wurde, wahre Muster biographischen und anthologischen Sammelfleißes. Auch Eichhorn’s fünfter Band der Litteraturgeschichte (Litteratur der Osmanen) ist ein Produkt derselben unermüdlichen Schaffensfreudigkeit. In bibliographischer Beziehung wurden seine „Encyklopädische Uebersicht der Wissenschaften des Orients“ (Leipzig 1804, Breitkopf & Härtel; auch ins Französische übersetzt), seine Recension der orientalischen Handschriften der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien, sein kritischer Katalog der von ihm selbst erworbenen arabischen, [485] persischen und türkischen Manuscripte und seine in verschiedenen gelehrten Zeitschriften zerstreuten ausführlichen Anzeigen und Besprechungen der theils im Orient selbst, theils in Europa erschienenen orientalischen oder auf den Orient bezüglichen Druckschriften, sowie seine Verzeichnisse der in den Bibliotheken Italiens befindlichen morgenländischen Handschriften zu einer reichen Quelle der Erkenntniß und Belehrung für die jüngere Generation Orientalischer Sprachforscher. Außer diesen in die oben erwähnten Fächer einschlagenden größeren Werken schrieb H.-P. zahlreiche theils selbständige, theils orientalischen Mustern nachgebildete Gedichte, ferner mehrere Dramen und Romane, Anzeigen, Kritiken, Monographien und andere Abhandlungen über wissenschaftliche Fragen aller Art und endlich auch Polemiken, unter welchen letzteren jene hervorgehoben zu werden verdient, in welcher H.-P. den Namen seiner Vaterstadt mit Graz (statt des bis dahin gebräuchlichen Grätz) documentarisch feststellte, weil er durch dieselbe auch thatsächlich die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten bekehrte, da seither die Bezeichnung „Graz“ wirklich sowol in der officiellen Sprache als auch im Volksmunde allgemein Geltung erhalten hat. Ueberdies leitete H.-P. während neun Jahren die Redaction der „Fundgruben des Orients“, welches erste Organ deutsch-morgenländischer Wissenschaft in Oesterreich und Deutschland er unter Mitwirkung und auf Kosten des edlen Mäcens der orientalischen Sprachstudien Grafen Wenzeslaus Rzewuski gründete (1809) und verwaltete, correspondirte mit sieben gelehrten Gesellschaften, deren Mitglied er war, und betheiligte sich nicht minder lebhaft an den Arbeiten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, einer Schöpfung, die ihrerseits ebenfalls großentheils Hammer-Purgstall’s zwölfjährigen Bitten, Rathschlägen und Bemühungen zu verdanken ist, was auch sowol von den neuen Akademikern, welche ihn zu ihrem ersten Präsidenten wählten, als auch Seitens des kaiserlichen Stifters, welcher diese Wahl genehmigte, gebührend anerkannt wurde. Bei dieser so außerordentlichen Vielseitigkeit und umfassenden Großartigkeit seiner litterarischen Thätigkeit kann es nicht auffallen, daß manche von Hammer-Purgstall’s Leistungen im Detail nicht so gefeilt erscheint als dies vielleicht zu wünschen gewesen wäre, und daß sich wol im Einzelnen auch manche Irrungen und Verstöße einschlichen, die bei sorgfältigerer Ausarbeitung hätten vermieden werden können. H.-P. war eben vor Allem und zuvörderst das, als was er am Eingange dieser Zeilen bezeichnet wurde, ein Bahnbrecher und Entdecker. Wie die Squatters in die amerikanischen Wildnisse, drang er mehr als irgend einer seiner Fachgenossen in die fernsten, bis dahin kaum von einem Europäer betretenen Verstecke der morgenländischen Litteraturwelt ein, mit kühnen Meisterhieben das mystische Dunkel lichtend und den nachfolgenden Pflanzern unmeßbar weite Räume für eingehendere Culturarbeiten öffnend. „Nicht das Einleben in einzelne Werke“ heißt es in dem Nachrufe, welchen die Wiener Akademie der Wissenschaften durch den Mund ihres Generalsecretärs Wolf ihrem verstorbenen Vorstande widmete – „nicht das kritische Untersuchen eines begrenzteren Stoffes, nicht das Durchforschen einer besonderen Periode oder das Ergründen einer Specialität konnte ihn fesseln, lange und anhaltend beschäftigen und befriedigen; in der Umfassung ganzer Litteraturen, in der Darstellung von Reichs- und Völkergeschichten, in dem Schematisiren eines wissenschaftlichen Gesammtgebietes fand sein Geist sein wahres Element, seine wahre Befriedigung. Darum war auch seine Wirkung eine weitgreifende, anregende, großartige etc.“ Und Fallmerayer, welchem doch allzugroße Nachsicht und Herzensweichheit in seiner Kritik im Allgemeinen nicht vorgeworfen werden kann, bricht vor dem frischen Grabe des großen Todten in die enthusiastischen Worte aus: „Was sonst im Laufe vieler Generationen und nur mit der geistigen Gesammtkraft ganzer Nationen verrichtet wird, hat H.-P. innerhalb der engen Schranken eines Menschenlebens [486] für sich allein zu Stande gebracht. Könnten sich die Sitten so weit verfeinern, daß für die Größe der Menschen die geistige That und die sittliche Kraft, nicht die Summe des vergossenen Blutes und der aufgehäuften Ruinen den Maßstab geben, so würde der Hingeschiedene in den Augen der spätesten Nachwelt ein Heros, einer der größten Eroberer und Wohlthäter des menschlichen Geschlechtes sein etc.“ Weniger emphatisch endlich, aber nicht minder treffend schloß Mohl, der Uebersetzer des Firdussi und Secretär der Société asiatique in Paris, seine öffentliche Gedächtnißrede zur Ehre Hammer-Purgstall’s, indem er sagt: „Man kann sich heutzutage nicht mit irgend einem Theile der Geschichte der Araber, der Perser und der Türken beschäftigen, ohne zugleich genöthigt zu sein, auf seine (Hammer-Purgstall’s) Werke zurückzugehen: man kann die Genauigkeit seiner Uebersetzungen untersuchen müssen, man kann seine Methode kritisiren oder die Form seiner Schriften zu orientalisch finden, aber Niemand kann über dieselben hinweggehen, ohne sie benutzt zu haben.“ Gegenüber diesem übereinstimmenden Lobe und Preise litterarischer Celebritäten ersten Ranges verschwinden die, wenn auch im Einzelnen gewiß häufig berechtigten Angriffe, welche Dietz und Andere gegen den lebenden und Schlottmann gegen den todten Titanen richteten. H.-P. war eben ein Koloß und keine ciselirte Gemme, ein Catarakt und kein Canal. Pyramiden, Sphinxe und Obeliske wollen aber im Großen beurtheilt werden, und daß ihre Ausführung manches zu wünschen übrig läßt, thut ihrer Größe keinen Eintrag. Was Sir W. Jones für England, was Silvestre de Sacy für Frankreich gewesen, war H.-P. für Oesterreich und Deutschland: der tapfere Befreier und erste Ritter und Vorkämpfer der bis dahin zur bloßen Dienstmagd der Bibel-Exegese erniedrigten stolzen Dame und souveränen Fürstin: „Orientalische Sprachforschung“, zu deren edlem Dienste sich seither eine so stattliche Schaar wackerer Paladine drängte. – Hammer-Purgstall’s Privatleben bietet im Allgemeinen nicht mehr Interesse als jenes der meisten Fachgelehrten. Doch unterschied er sich von der Mehrzahl dieser Letzteren vortheilhaft dadurch, daß er über der Studierstube der Außenwelt nicht gänzlich vergaß, sondern die angestrengteste wissenschaftliche Thätigkeit bis an sein spätes Lebensende mit den gefälligen Formen eines Weltmannes und einem lebhaften Sinne für heitere Geselligkeit zu vereinbaren verstand. Im J. 1816 verheirathete er sich mit der geistreichen Tochter des Banquiers Ritter v. Henikstein, aus welcher Ehe ihm vier Kinder erblühten, von welchen ihm drei bereits in die Gruft nachgefolgt sind. Durch ein angenehmes Familienleben verschönert, wurde im Winter sein Haus in Wien, im Sommer seine Villa in Döbling oder sein Gut Hainfeld in Steiermark ein willkommener Sammelplatz für Meister und Jünger der Wissenschaft aus aller Herren Ländern, welche sich an der immer gleich liebenswürdigen Gastfreundschaft, an der jederzeitigen Bereitheit zu werkthätiger scientifischer Aufmunterung und Unterstützung, und an den belehrenden Gesprächen des berühmten Hausherrn erfreuten. H.-P. starb zu Wien am 23. November 1856 an einer Herzverknöcherung im hohen Alter von 83 Jahren. Wie die Natur seinen Körper nicht zu beugen vermochte – er war noch ganz kurz vor seinem Tode kaum ergraut, bewahrte Gesicht und Gehör fast unverändert und bewegte sich mit jugendlicher Frische –, so blieben auch seine geistige Kraft und sein Schaffenstrieb ungestört und ungeschwächt bis zu den äußersten Marken seines Daseins. Noch am Tage vor seinem Hinscheiden dictirte er, und selbst während der seltenen Momente, wo der körperliche Schmerz sein Bewußtsein umflorte, warf er mit dem Bleistifte Sätze auf das Papier, unleserliche und unverständliche und doch so beredte Zeugen seines unermüdlichen und unerschöpflichen Thätigkeitstriebes. Ueber die häufig bis zur gänzlichen Selbstversenkung ausartende Hingebung, mit welcher H.-P. seinen Studien nachhing, waren seinerzeit in Wien die absonderlichsten Anekdoten in Umlauf. So soll er in der [487] Zerstreuung den für seine Trauung anberaumten Tag vergessen und, während die Hochzeitsgäste ihn bereits in der Kirche erwarteten, sich im Prater spazierend mit der Interpretation eines Lieblingsautors beschäftigt, zuweilen auch seine eigenen Kinder, wenn er ihnen auf der Promenade begegnete, nicht erkannt, sondern mit fremden verwechselt, gelegentlich auch im eigenen Hause um sich selbst nachgefragt und, als man ihm sagte, der Baron sei ausgegangen, auch selbst wieder das Haus verlassen und seinen Spaziergang fortgesetzt, ja im J. 1848 über dem Nachgrübeln nach einer Biographie des arabischen Dichters Abul Maani das Bombardement von Wien durch den Fürsten Windischgrätz total ignorirt und nur, als eine Bombe in der Nähe seines Arbeitszimmers platzte, insoweit von dem Ereignisse Notiz genommen haben, daß er – ein moderner Archimedes – den hereinstürzenden Kammerdiener beauftragte: den ihn störenden Lärm möglichst ferne zu halten. Alles dieses ist selbstverständlich im hohen Grade übertrieben, doch immerhin bezeichnend für den tiefen Ernst und die weihevolle Sammlung, mit welchen H.-P. seine selbstgestellten wissenschaftlichen Aufgaben erfaßte. Wie die Potentaten und Großwürdenträger des Morgenlandes, in dessen innerstes Wesen er sich wie kaum je ein anderer Orientalist eingelebt hatte, war H.-P., noch verhältnißmäßig jung an Jahren, bedacht gewesen, sich eine würdige Grabwohnung einzurichten, die er - wie ebenfalls die Orientalen zu thun pflegen – zeitweilig besuchte, bei welchem Anlasse es dem Schreiber dieser Zeilen wiederholt vergönnt war, die weise Unerschrockenheit zu bewundern, mit welcher der damals schon hochbetagte Gelehrte seiner baldigen Auflösung entgegensah. In dem lieblichen Thale von Weidling, der Stätte seiner Knabenspiele und seines ersten Jugendfleißes, auf dem ländlichen Friedhofe, wo auch Lenau ruht, erhebt sich das im morgenländischen Stile ausgeführte Monument, unter welchem der nimmermüde Forscher dauernd rastet. Auf demselben prangt in den grauen Marmor gehauen eine zehnzüngige Lilie, mit welcher morgenländischen Blume einst ein persischer Botschafter den Verstorbenen unter Anspielung auf die zehn Sprachen, in welchen er las und schrieb, verglichen hatte, und um dieselbe schlingen sich ebenfalls in zehn verschiedenen Idiomen passende Epitaphe, unter welchen das von ihm selbst gelegentlich aus dem Arabischen übertragene
Hammer-Purgstall: Joseph Freiherr v. H.-P., unbedingt der hervorragendste Pionier, Pfadfinder und Bahnbrecher auf dem Gebiete der vorderasiatischen Sprachwissenschaft und der Kenntniß des mohamedanischen Orients überhaupt. H.-P. ward, als Sohn eines k. k. Gubernialrathes, im J. 1774 (9. Juni) zu Graz geboren, von wo er noch als Knabe nach Wien übersiedelte und hier zuerst im Barbarastifte und dann in der k. k. orientalischen Akademie seine weitere Ausbildung empfing. Im Frühjahr 1799 trat er als Beamter der k. k. Internuntiatur in Constantinopel in den öffentlichen Dienst. Nach einem etwa zweijährigen„Aller Menschen harrt die Stunde,
Alle Reiche geh’n zu Grunde;
Ihn allein, den Alllebend’gen,
Kann die Zeit, der Tod nicht bänd’gen.“
den hervorragendsten Platz einnimmt und im verkleinerten Maßstabe wol auch auf ihn selbst Anwendung findet. Kann doch auch er auf die stolze Selbstkritik „Non omnis moriar“ so berechtigten Anspruch erheben wie andere Auserwählte.
- Dr. Constant. Wurzbach’s Biographisches Lexicon des Kaiserthums Oesterreich, Wien 1861, 7. Theil, wo sich auch Hammer-Purgstall’s sämmtliche Werke, sowol nach Materien als chronologisch geordnet, sowie auch die auf H.-P. bezüglichen anderen Biographien, Kritiken etc. verzeichnet finden.