ADB:Lauterbach, Wolfgang Adam

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Artikel „Lauterbach, Wolfgang Adam“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 75–78, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lauterbach,_Wolfgang_Adam&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 18:13 Uhr UTC)
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Lauterbach: Wolfgang Adam L., Rechtsgelehrter, geb. am 12. Decbr. 1618 zu Schleiz im Voigtlande, † am 18. August 1678 zu Waldenbuch bei Stuttgart. Eines Bürgermeisters Sohn empfing L. in seinem Geburtsorte eine ziemlich dürftige humanistische Bildung, bezog im 18. Lebensjahr (1636) die Universität Jena und vollendete nach zweijährigem Aufenthalt dortselbst seine juristischen Studien in Leipzig. Hier hielt er sodann fleißig Privatvorlesungen und benutzte die nächsten Jahre zu längeren Reisen, welche er theils allein, theils als Begleiter adeliger Studirender unternahm. Bei dieser Gelegenheit lernte er die Universitäten Heidelberg, Straßburg und Tübingen näher kennen und hielt sich nach einem Besuche der Schweiz und des Elsasses 1648 mehrere Monate in Speier auf, um sich mit dem kammergerichtlichen Verfahren vertraut zu machen. Im October 1648 ging er wieder nach Tübingen, wo er gegen Ende des vorhergegangenen Jahres als Doctor beider Rechte promovirt hatte, und erhielt dort im November 1648 als ordentlicher Professor den Lehrstuhl für Pandekten, welchen er nahezu 30 Jahre mit Auszeichnung einnahm, weshalb er von seinen Amtsgenossen achtmal zum rector magnificus und sehr häufig zum Dekan erwählt wurde. Als am 22. Decbr. 1657 sein Schwiegervater Thomas Lansius (Lanse aus Bergen in Oesterreich) mit Tode abging, wurde ihm die Oberaufsicht über das Collegium illustre übertragen, zugleich ernannte ihn Herzog Eberhard III. zum wirklichen Rath und Beisitzer am Hofgerichte. 1677 öffnete sich ihm ein neues Feld der Thätigkeit; in ehrender Anerkennung seiner hervorragenden Leistungen wurde er als Regierungsrath, Consistorialdirector und Mitglied der Universitäts-Visitationsdeputation nach Stuttgart gerufen. Nur ungern verließ er das ihm theuer gewordene Lehramt und zog im Juni 1678 nach Stuttgart. Dort aber sollte ihm ein nur kurzer Wirkungskreis beschieden sein. Anfangs August desselben Jahres von einer in Stuttgart herrschenden [76] Krankheit befallen, hoffte er von Luftveränderung günstige Wendung des Leidens. Er machte sich am 14. August auf den Weg, kam jedoch nur bis zum nahen Schlosse Waldenbuch, wo er tief erschöpft Rast halten mußte. Wenige Tage später – am 18. August 1678 starb er schmerzlich betrauert nicht blos von seinen Amtsgenossen sondern von dem ganzen gelehrten Deutschland. Die Leiche wurde auf herzoglichen Befehl unter Glockengeläute und Betheiligung aller dazwischen gelegenen Orte nach Tübingen gebracht und dort in der Stiftskirche bestattet.

L. war ein bedeutender Jurist, einer der bedeutendsten seines Jahrhunderts. Junge Studirende und bemoste Häupter, angehende Rechtsbeflissene und solche, welche nach dem Doctorhute strebten, zogen aus den verschiedensten Theilen Deutschlands und selbst von weiterher nach der Eberhard-Universität, um dem geistvollen und zündenden Vortrage des gefeierten Lehrers zu folgen, oder unter seinem Vorsitze den hochgeschätzten Tübinger Doctorgrad zu erringen. Daher kommt es auch, daß sich unter Lauterbach’s Schriften eine so auffällig große Zahl von Dissertationen – man zählt deren 111 – befindet. Diese Dissertationen von ungleichem Werthe erschienen zuerst in alphabetischer Ordnung zu Tübingen 1694. – 1728 wurden sie unter dem Titel: „W. A. Lauterbachii Dissert. academicae, de selectis nobilissimisque juris privati tam communis quam statutarii argumentis“ etc. etc. gleichfalls zu Tübingen in 4 Quartbänden, aufs Neue herausgegeben, vermehrt durch einige Dissertationen von Lansius und durch eine von Lauterbach’s Sohn, Ulrich Thomaß, De condominio territorii. Lauterbach’s Hauptwerk ist jedoch das bekannte „Compendium juris, brevissimis verbis sed amplissimo sensu et allegationibus universam fere materiam juris exhibens“ etc. etc. Er gab das Werk nicht selbst heraus, sondern mit seiner Genehmigung sein vieljähriger Schüler und Verehrer, der Licentiat Advocat Joh. Jac. Schütz zu Frankfurt a. M. Dasselbe erschien kurz nach Lauterbach’s Tod 1679 zu Tübingen, und machte in der juristischen Welt großes Aufsehen. Denn es gab kaum eine deutsche Hochschule, an der nicht die Pandekten nach Lauterbach’s Compendium gelesen wurden, kaum ein Spruchcollegium oder einen Gerichtshof, die nicht bei ihren Consilien und Urtheilen Lauterbach’s Compendium zu Rathe zogen, wie es denn auch ein unentbehrliches Inventarstück jeder juristischen Büchersammlung bildete. So erfuhr das Compendium von 1679 bis 1744 (ed. noviss. Tüb.) Auflage um Auflage, anfänglich fast nach jedem zweiten oder dritten Jahre, von denen jedoch die meisten durch zahlreiche Schreib- und Druckfehler entstellt sind. Als Ausnahme gelten nur die erste Auflage und neben jenen von 1686 und 1694 die von dem bekannten Tübinger Juristen Ferd. Christoph Harpprecht 1697 herausgegebene, welcher in der Vorrede versichert, nahe an tausend errata verbessert zu haben. Noch gründlicher ging der Jenenser Joh. Friedr. Hertel zu Werke, der in einem besonderen Buche (1735) zehn tausend (decem millia) „sphalmata et errores“ zusammenstellte, welche er in dem Schütz-Lauterbach’schen Compendium entdeckt hatte. Die erwähnte Vielzahl von Auflagen, namentlich aber die mannigfachen Bearbeitungen dieses Werkes erinnern lebhaft an Schiller’s Worte: „Wenn die Könige bau’n, haben die Kärrner zu thun“; denn die Literärgeschichte kennt nicht weniger als elf Schriftsteller, welche das Lauterbach’sche Compendium durch Erläuterungen, Anmerkungen u. dgl. noch sachdiensamer zu machen bemüht waren. Die Reihe eröffnete Arnold Pagenstecher (Köln 1694), dann Sam. Stryck (dessen succinctae annotationes von 1700–1741 zu Leipzig neunmal in 4° aufgelegt wurden), Gottl. Gerh. Titius (Leipzig 1703), Joh. Klein (Rostock 1707. 4°), Friedr. Ludovici (Halle 1711), Joh. Heinrich v. Berger (später Reichshofrath) (Wittenberg 1715, 4. ed. 1735), Joh. Heinr. Mollenbeck in Gießen (Lemgo 1717), Mich. Rhoden (Frankfurt a. O. 1717), Heinrich Freiesleben (Altenburg 1735. 4°), Jer. Hesse [77] (Wittenberg 1730), endlich Joh. Jac. Füldener (Breslau 1736. 4°). – Wol kein Pandekten-Handbuch war so lange im Gebrauche wie jenes Lauterbach’s, und wol keines genoß jenes Ansehen, ein Ansehen, welches in der That seines Gleichen sucht. Ja das Compendium hätte vielleicht eine noch längere und umfassendere Benützung gefunden, wäre die Schreibweise faßlicher gewesen. Allein L. liebte es, seinen Thesen zahlreiche Einwände und rationes dubitandi entgegenzustellen, welche den geregelten Fortgang der Darstellung hemmen und den Anfänger leicht verwirren; sodann bediente er sich der „ramistischen“ Lehrmethode, die bis Ende des 17. Jahrhunderts üblich, für juristische Disciplinen aber wenig geeignet war. Diese Methode führt ihren Namen von Petrus Ramus (de la Ramée, zu Paris 1572 in der Bartholomäusnacht ermordet), der aber selbst nicht in dem Stile schrieb, welchen man heutzutage den ramistischen nennt. Dieser letztere kennzeichnet sich durch die sog. Dichotomie (Zweitheilung), durch Anwendung der schon von Aristoteles und den Scholastikern überkommenen vier Causae (causae efficientes), nämlich: Stoff, Form, bewegende Ursache und Wirkung, sowie durch Tabellendarstellung. Wie die übrigen Gelehrten so waren auch die Rechtsgelehrten jener Zeit bemüht, jeden Satz des positiven Rechtes in der Digestenordnung auf sehr gekünstelte und gezwungene Weise nach diesen „quattuor causis efficientibus“ zu behandeln. Mit dem Aufhören dieser Stilweise verschwanden nach und nach die in dieser Methode abgefaßten Bücher, und allmählich wurde auch Lauterbach’s Compendium beiseite gelegt. Einige Zeit nach dem Compendium, also gleichfalls nach L.’s Tode erschien das „Collegium theoret.-practicum ad quinquaginta Pandectarum libros methodo-synthetica pertractum“, Tub. Vol. I., 1690. 4°, welches bis 1784 sechsmal aufgelegt wurde. Die Herausgabe besorgte auf Verlangen des Herzogs Karl Friedrich Lauterbach’s ältester Sohn, Ulrich Thomas, welcher hierbei Vorarbeiten von Schütz zu Grunde legte, trotzdem aber wegen Kriegsunruhen und dienstlicher Geschäfte den 2. Band erst 1706 fertig bringen konnte. Der 3. erschien 1711, das weitläufige Register 1714. Das Coll. ist ein Commentar über das Compendium, und sind namentlich die ersten 19 Bücher mit besonderer Sorgfalt behandelt, welche überdies der frühere Professor und spätere R.-K.-G.-Beisitzer Erich Mauritius, ein Schüler Lauterbach’s seiner näheren Durchsicht unterzog. Neben diesen theoretischen Arbeiten lieferte L. auch praktische und äußerte entschiedenen Einfluß auf die Fortentwickelung des Rechtes. So hat der baierische Gesetzgeber Freiherr v. Kreittmayr bei Lösung gemeinrechtlicher Controversen öfters Lauterbach’s Ansicht zum Gesetze erhoben und viele Rechtsuchende, angezogen von dem Rufe des großen Rechtslehrers wandten sich mit ihren Streitigkeiten an die Tübinger Juristenfakultät, deren Zierde eben L. war. In Folge dessen fertigte derselbe, welcher ohne Ermüdung sechs bis sieben Stunden an seinem Schreibtische zubringen konnte, mehr als 300 Consilien über Fragen des bürgerlichen Rechtes, welche von seinem Enkel, dem brandenburgischen Hof- und Regierungsrathe Adam Friedrich L. gesammelt, den zweiten und dritten Band der bekannten neun Folianten umfassenden Tübinger Consilien (nova collectio consiliorum juridicorum Tubingensium) bilden (Tüb. 1732–36. Fol.), und in der Praxis vielfach benützt wurden; während jene des peinlichen Rechts in dem vierten Bande Aufnahme fanden. L. war dreimal verheirathet, das erstemal (1648) mit einer Tochter seines berühmten Amtsgenossen Lansius; die zweite Che schloß er (1665) mit einer Tochter des württembergischen Oberrathes Hartnig, die dritte (1677) mit Anna Rosina Stieber. Aus beiden ersteren Verbindungen entstammten 11 Kinder, von welchen der älteste Sohn Ulrich Thomas Erwähnung verdient. Er widmete sich gleich seinem Vater der Rechtswissenschaft, gab (wie bereits erwähnt) außer einer Dissertation, dessen Colleg. theoret.-pract. heraus [78] und starb 1710 als Reichskammergerichtsassessor. Näheres über seine Lebensumstände berichtet Moser in seinem erläuterten Württemberg Thl. II. S. 255. Der Historiograph und magister eloquentiae Magnus Hessenthaler hat Wolfg. Ad. L. in der „Effigies Lauterbachiana, seu virtutum structura ex Lauterbachii vita repraesentata“ (Stuttgart 1681, Fol.), einem nun sehr selten gewordenen Druckwerk ein ehrenvolles litterarisches Denkmal gesetzt. Ein gut ausgeführter Stich von B. Kilian in 4° stellt L. in der Gelehrtentracht des 17. Jahrhunderts dar; das lang herabwallende Haar umrahmt ein volles Gesicht; die festgeschlossenen Lippen und der Blick verrathen Scharfsinn und Thatkraft. Auch J. Amman hat Lauterbach’s Porträt in Kupfer gestochen. – Ein vollständiges Schriftenverzeichniß bei Jugler, Beyträge zur juristischen Biographie, Band 3, S. 87–104.

Lauterbachii coll. theoret. pract. P. I. Praefatio.Stolle, Hist. d. jurist. Gelahrtheit S. 108. – Jugler a. a. O. S. 83–105. – G. G. Büchner, erläut. Voigtland, Dresden 1732. S. 102. – Gundling, Samml. kleiner deutscher Schriften, S. 21–25. – Hugo, Lehrb. eines civilist. Cursus Bd. 6. S. 39 u. 386. – M. Hessenthaler’s Effigies Lauterb. etc.Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1. S. 145–50.