Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Heerbrand, Jacob“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 242–244, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heerbrand,_Jakob&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 12:23 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Heer, Rustenus
Nächster>>>
Heere, Lucas de
Band 11 (1880), S. 242–244 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Jacob Heerbrand in der Wikipedia
Jacob Heerbrand in Wikidata
GND-Nummer 116565101
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|11|242|244|Heerbrand, Jacob|Theodor Schott|ADB:Heerbrand, Jakob}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116565101}}    

Heerbrand: Jacob H., geboren in der schwäbischen Reichsstadt Giengen a. d. Brenz (Württemberg) am 12. August 1521, † in Tübingen am 22. Mai 1600, bedeutender protestantischer Theologe. Die Familie war aus Düren im Jülich’schen eingewandert und befand sich in guten Verhältnissen; der Vater unseres Jacob, Andreas H., ein Weber, seit dem 12. August 1520 mit Barbara Martini verheirathet, ein vielseitig gebildeter Mann mit guten Kenntnissen in Musik und Mathematik, seit Luther’s Auftreten sein begeisterter Anhänger und eifriger Leser seiner Schriften, bestimmte seinen ältesten Sohn Jacob früh zum Studium der Theologie; er erlebte noch die Freude, ihn und seinen jüngsten Sohn Philippus als Doctoren der Theologie zu sehen. Mit dem 15. Jahre besuchte der gut begabte, wissenseifrige und unendlich fleißige Jacob die lateinische Schule des benachbarten Ulm, welche von dem tüchtigen Philologen Georg Leonhard trefflich geleitet wurde. Dem Wunsche seines Vaters gemäß ging er 1538, ohne eine der benachbarten süddeutschen Universitäten besucht zu haben, nach Wittenberg, wo er 5 Jahre lang mit größtem Fleiße, der ihm manche Spottrede zuzog, Philosophie, dann Theologie studirte; Melanchthon hatte den eifrigen Studenten, der, um jeden Streit mit seinen Brüdern zu vermeiden, in den letzten zwei Studienjahren seinen Lebensunterhalt selbst verdiente, sehr liebgewonnen und trug ihm ein kirchliches Amt in Sachsen an, das H. aber ausschlug. In seine Heimath zurückgekehrt, trat er in württembergische Dienste, wurde 1544 Diaconus an der Georgskirche in Tübingen; vier Jahre blieb er an dieser Stelle, neben seinen kirchlichen Functionen lehrte er Mathematik. Herzog Ulrich schätzte den guten Prediger, den energischen Mann sehr hoch. Wegen des Interims, das er nicht annahm, mußte er Martini 1548 seine Stelle niederlegen, mit seinem neugegründeten Hausstande (Februar 1547 hatte er Margarethe Stamler geheirathet) blieb er in Tübingen, eifrigst bei Oswald Schreckenfuchs Hebräisch studirend, bis bessere Zeiten anbrachen. Herzog Christoph ernannte ihn 1550 zum Superintendenten von Herrenberg, in demselben Jahr wurde er auch zum Doctor der Theologie promovirt. Voll Vertrauen in seine theologische Gelehrsamkeit wählte Herzog Christoph ihn neben Brenz, Beurlin und Vannius zu seinem Abgesandten, als er zum zweiten Male März 1552 zu dem Trienter Concil eine Gesandtschaft schickte; ohne indessen zu einer öffentlichen Verhandlung zugelassen zu werden, verließen die Württemberger [243] April 1552 Trient wieder und der Umschwung, welchen die Schilderhebung von Kurfürst Moritz der protestantischen Sache brachte, hatte auch für die weitere Laufbahn Heerbrand’s die wichtigsten Folgen. 1556 folgte er der Einladung des Markgrafen Karl von Baden-Durlach, im Verein mit Andreä und Sulzer die Reformation in Baden durchzuführen; er nahm auf ein Jahr Urlaub aus württembergischen Diensten und siedelte nach Pforzheim über. Am 8. Januar 1557 stand er am Todtenbette von Albrecht von Brandenburg-Culmbach (s. seine „Warhafftige Histori vnd Bericht“, Pfortzheim 1557). In demselben Jahr nahm er als Begleiter des Markgrafen Theil an dem Frankfurter Gespräch und kehrte dann wieder in die Heimath zurück, er war nach Tübingen als Professor der Theologie berufen worden und trat noch im October in die Stelle und in den Senat ein. Mehr als 40 Jahre hat er seines theologischen Amtes gewartet, ein hochangesehener Lehrer im In- und Ausland; einen ehrenvollen Ruf Ottheinrich’s nach Heidelberg lehnte er ab, ebenso einen Ruf nach Jena, 1577 einen nach Marburg. Durch die neue Ordnung der theologischen Facultät im J. 1561 wurde ihm am 29. September d. J. das Stiftsdecanat (erste Predigerstelle an der Georgenkirche in Tübingen) und die Superintendentur an dem herzoglichen Stipendium (evangelisches Seminar) übertragen; acht Mal bekleidete er das Rectorat, bei den häufigen längeren Abwesenheiten von Jacob Andreä war er viermal Vicekanzler, bis er nach dessen Tode zum Kanzler, herzoglichen Rath und zum Ephorus des neuerrichteten Collegium illustre ernannt wurde (November 1590). Am 5. Januar 1599 legte er, „weil ihm zwar nicht die Freude am Berufe, aber die Kräfte des Körpers und Gedächtnisses gebrachen, welche man an einem Professor der Theologie sucht“, alle seine Stellen und Würden nieder, am 22. Mai 1600 Vormittags 11 Uhr starb er. Als theologischer Docent hatte er Pentateuch gelesen in 40 Jahren glücklich vier Mal denselben vollendet! Mit seinem bedeutenderen Freunde und Collegen Jac. Andreä eine Hauptstütze des Lutherthums und eifriger Förderer der Concordienformel, die er ins Lateinische übersetzte, hat er durch persönliche und schriftstellerische Thätigkeit auf lange Zeit die Richtung angegeben, in welcher sich die Tübinger protestantische Theologie bewegte. Am meisten trug dazu bei sein „Compendium Theologiae“ (Tubing. 1573 und oft aufgelegt), von ihm selbst neu bearbeitet im Anschluß an die Concordienformel (ibid. 1578), auf den Wunsch des Herzogs Ludwig von Crusius ins Griechische übersetzt (ibid. 1582); einen Auszug davon, „Epitome“, gab er selbst heraus (ibid. 1589); diese nach Melanchthon’s „Loci“ erste systematische Dogmatik der deutschen Protestanten (die Moral ist mit behandelt), klar, lichtvoll und gewandt geschrieben, streng der kirchlichen Lehre besonders der Concordienformel folgend, bildete den Uebergang von der Theologie des 16. Jahrhunderts zu der eigentlichen Schuldogmatik des 17. Jahrhunderts. Seine sonstigen, sehr zahlreichen Schriften (ein ziemlich vollständiges Verzeichniß derselben, sowie der im Druck erschienenen Predigten gibt Fischlin, Memoria theolog. wirtemberg., Ulmae 1719, I. 76 ff.) waren theils Dissertationen über einzelne Stücke der Glaubens- und Sittenlehre, theils Streitschriften gegen Gregor de Valentia („Ueber die Verehrung der Heiligen“), Georg Scherer („Ueber Luther’s Katechismus“), Georg Gotthard („Ueber die Rechtfertigungslehre“). in weltlichen Geschäften erfahren und vorsichtig, ein trefflicher Vermehrer seines Vermögens, Freund der Garten- und Baumcultur, war er zugleich der viel angegangene Berather Unzähliger; von Städten und Fürsten, aus Nah und Fern (Krain, Kärnthen, Ungarn) kamen zahlreiche Anfragen und Bittgesuche, die eine ungemein umfangreiche Correspondenz zur Folge hatten. Von seinen 11 Kindern ist allein zu erwähnen sein Sohn Philippus, gleichfalls Theologe.

[244] Eine eigentliche Lebensbeschreibung, die der so vielfach thätige Mann wol verdient hätte, gibt es bis jetzt noch nicht: doch ist die Leichenrede, die Erhard Cellius gehalten (Oratio funebris hab. ab E. Cellio, Tubing. 1600) sehr ausführlich; sonstige Quellen: Adam, Vitae Theolog.; Fischlin s. o.; Weizsäcker, Lehrer und Unterricht an der evangel. theolog. Facultät zu Tübingen, Tüb. 1877; Gaß, Gesch. der protestantischen Dogmatik.