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Artikel „Frohschammer, Jakob“ von Max Heinze in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 172–177, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Frohschammer,_Jakob&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 00:50 Uhr UTC)
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Frohschammer: Jakob F. war geboren am 6. Januar 1821 in Illkofen, einem in der Mitte zwischen Regensburg und Straubing gelegenen kleinen Dorf, wo seine Eltern einen stattlichen Bauernhof besaßen. Da er ein schwächliches Kind war, besuchte er erst spät die Schule seines Heimathortes und hielt sich in der guten Jahreszeit viel auf dem Weideplatze seines Vaters, nicht weit vom Donauufer, auf, um Pferde und Kühe des väterlichen Guts zu hüten, und mußte sich auch sonst in der Oekonomie beschäftigen. Da der Oheim Jakob’s Geistlicher war und der Knabe zu schwächlich schien zur Arbeit mit körperlicher Anstrengung, war der Vater – die Mutter war gestorben, als Jakob erst das zweite Jahr vollendet hatte – damit zufrieden, daß sein Sohn studire und natürlich Geistlicher werde. Aber schon mit der Vorbereitung für die Lateinschule gab es Schwierigkeiten, von denen F. in seiner Autobiographie meint, sie seien „ein Vorspiel und der charakteristische Anfang seines Lebensgeschickes“ gewesen, indem er in etwas zu trüber Anschauung geneigt war, seine Lebensgeschichte eine Historia calamitatum wie Abälard die seinige zu nennen, nur fehle bei ihm das romantische Moment, das die Schicksale Abälard’s so interessant mache. War es in seiner frühen Jugend der Pfarrer seines Geburtsorts, der ihn am Studiren hindern wollte, so trat ihm später ein Bischof in den Weg und zu guterletzt wollte ihm der Papst selbst das Recht, wissenschaftlich frei zu forschen, nehmen. Mit Mühe und Noth wurde der 13jährige Knabe in die Lateinschule zu Regensburg aufgenommen, wo er zunächst wegen seiner lückenhaften Vorbildung, seines schüchternen, ungeschickten Wesens, auch wegen kümmerlicher äußerer Verhältnisse viel zu leiden hatte, sich aber durchzuwinden wußte, da er begabt, fleißig war und durch Unterrichten sich Mittel verschaffte. Er machte so später die höhere Schule, das Gymnasium in Regensburg durch, bis er 1841 die Universität in München bezog, wo er nach Vorschrift die vier ersten Semester den allgemeinen Studien widmen mußte und besonders starke Neigung für Philosophie zeigte, deren Geschichte er schon früher, freilich nur theilweise und in sehr einseitiger Behandlung, durch Stark’s „Triumph der Philosophie“ kennen gelernt hatte. Er hörte in diesen zwei Jahren namentlich Vorlesungen von Thiersch, Görres, Schubert, ermöglichte es auch, mit einem Bekannten eine Reise nach Oberitalien zu machen, meist zu Fuß, das einzige Mal, daß er Italien zu sehen bekam. Im J. 1843 mußte er sich für ein Fachstudium entscheiden und wählte schließlich, nicht aus innerem Trieb, sondern mehr aus Rücksicht auf seinen Vater, seine Stiefmutter und auf seine Verwandten, die die Feierlichkeit der Primiz eines aus ihrer Familie erleben wollten, die Theologie. Zugleich war er der äußeren Sorgen enthoben, indem er sich durch Prüfung in das Georgianische Clericalseminar aufnehmen ließ, wo den Insassen Wohnung, Lebensunterhalt, zum Theil auch Kleider, frei gewährt wurden. Hatte er schon vorher sich um studentisches Treibens und fröhliche Geselligkeit so gut wie nicht bekümmert, so lag ihm das jetzt noch ferner. Er widmete sich, soweit ihm dazu die Vorlesungen, die gehört werden mußten, Zeit ließen, dem Studium des heiligen Thomas, der Symbolik Möhler’s, der Dogmatik Klee’s, sowie der früheren Dogmengeschichte, zu welcher letzteren er sich auch namentlich deshalb wenden mußte, weil er eine Preisaufgabe über die sogen. Charismata der ersten Christen bearbeitete. Er hatte die Genugthuung, den Preis zu erhalten, womit verbunden war, daß er später unentgeltlich promovirt wurde. Ehe er jedoch diese Würde erhielt, mußte er die erste der höheren Weihen empfangen, [173] d. h. das Subdiaconat. Vorher hatte er noch schwere Bedenken zu bekämpfen, weil er sich lieber den philosophischen Studien ganz hingegeben hätte, da ihm hierzu aber die Mittel fehlten, er auch von Professor Reithmayr, der ihn, aus demselben Dorfe wie F. gebürtig, mehrfach sonst berathen hatte, zu dem Glauben gebracht wurde, nach der Ordination würde er leicht seiner Lieblingsneigung nachgehen können, so entschloß er sich, den Schritt zu thun, „den schwersten Schritt“, wie er selbst sagt, „und den verfehltesten, der mein Leben und Wirken zu einer Kette von Conflicten, Kämpfen, Verfolgungen und Hemmungen machte“. So erhielt F. im J. 1847 zunächst; die vier niederen Weihen, dann die erste höhere, worauf die Promotion zum Doctor theologiae erfolgte. Für die beiden letzten Weihen mußte er sich noch im Regensburger Clericalseminar vorbereiten. Schließlich folgte die Ordination, und die Primiz fand statt. Er hatte gehofft, zur Fortsetzung seiner Studien nun nach München zurückkehren, vielleicht sogar eine andere Universität besuchen zu dürfen: darin hatte er sich bitter getäuscht. Er wurde in der nächsten Zeit, von seiner geistlichen Behörde nach verschiedenen Orten als Hülfsprediger gesandt, bis er im J. 1848 an den Bischof in Regensburg schrieb, wenn man ihm auch fernerhin die Erlaubniß, sich wissenschaftlich weiter zu bilden, verweigere, werde er auf alle geistlichen Functionen verzichten; Das wirkte. Er schied aus dem Seelsorgeramt, zu dem er nie Beruf gefühlt hatte, mußte freilich die nächsten Jahre wieder unter großen Entbehrungen in München leben, da die Ordination seine Lage finanziell eher erschwert als erleichtert hatte. Er schrieb mehrere historisch-kritische Abhandlungen, versuchte, sich in der philosophischen Facultät zu habilitiren, was er aber bald aufgab, da er als katholischer Geistlicher bei Thiersch, Schubert u. A. wenig Entgegenkommen fand, wurde von der theologischen Facultät als Privatdocent angenommen und begann seine Lehrthätigkeit im November 1850 mit Vorlesungen über Dogmengeschichte. Auch veröffentlichte er in demselben Jahr seine erste Schrift: „Beiträge zur Kirchengeschichte“, in welcher neben seiner Preisarbeit auch seine Habilitationsschrift: „Ueber die Differenz zwischen der katholischen und pelagianischen Lehre von der Willensfreiheit“ u. a. enthalten war.

Es folgten dann Vorlesungen über Religionsphilosophie und Pädagogik, später über andere philosophische Gegenstände, und als Frucht seiner philosophischen, namentlich psychologischen Studien die Schrift: „Ueber den Ursprung der menschlichen Seelen. Rechtfertigung des Generationismus“, München 1854, worin er gegenüber der gewöhnlichen theologischen Ansicht des Creatianismus, die vertrat, daß die ganze Menschennatur nach Leib und Seele von den Eltern stamme, und zwar nicht in der Weise des Traditionismus, sondern durch einem secundär-schöpferischen Act, „durch die im Gattungswesen der Menschheit gegebene allgemeine schöpferische Bildungs- oder Gestaltungskraft“ – eine ihm selbst damals unbewußte Hindeutung auf den Hauptgedanken seines später ausgebildeten philosophischen Systems. Dieser Schrift schloß sich 1855 an eine Streitschrift gegen Karl Vogt’s Köhlerglaube und Wissenschaft: „Menschenseele und Physiologie“, München, bestehend aus einer Reihe von Artikeln, die für die Augsburger Allgemeine Zeitung geschrieben waren. Auf diese beiden Veröffentlichungen wurde der König Maximilian II. aufmerksam gemacht, und so kam es, daß F. wider eigenes Erwarten eine in München erledigte Professur für Philosophie erhielt. So war das von ihm so heiß ersehnte Ziel erreicht; aber freilich blieb er auch in dieser Stellung nicht ohne erhebliche Anfechtungen. Zunächst wurde er in seiner Facultät selbst mit Mißtrauen betrachtet, sodann erhob sich Feindseligkeit der Jesuiten gegen sein Werk über die menschlichen Seelen, die es dahin brachte, daß dies bald auf den Index [174] gesetzt wurde, und verschiedene einflußreiche Personen, unter ihnen auch Döllinger, den freilich vergeblichen Versuch machten, den Autor zur Unterwerfung zu bewegen. Er ließ vielmehr 1855 eine Schrift: „Einleitung in die Philosophie und Grundriß der Metaphysik“, und 1861 eine weitere: „Ueber die Aufgaben der Naturphilosophie und ihr Verhältniß zur Naturwissenschaft. Mit Untersuchungen über Teleologie, Materie und Kraft“ erscheinen, sodann in demselben Jahr eine allgemeinen Inhalts: „Ueber die Freiheit der Wissenschaft“, in der er namentlich betonte, daß diese Freiheit durch nichts Aeußeres, auch nicht durch moralischen Zwang, gefördert werden, die Wissenschaft besonders nicht von geistlicher Autorität beeinflußt werden dürfe. Es ist erklärlich, wie sich gegen diese Aeußerungen, auch gegen seine Kritik des Thomas, mit der er in der „Einleitung“ nicht zurückgehalten hatte, die jesuitische Polemik, besonders in den Historisch-politischen Blättern rührte. Dem gegenüber gründete F. seine philosophische Zeitschrift „Athenäum“ 1862, in der bald von ihm eine „Darstellung und Kritik der Darwin’schen Lehre“ erschien, eine der ersten eingehenderen Abhandlungen über Darwin, aus der, wie auch aus anderen Schriften Frohschammer’s hervorgeht, daß er keineswegs Verächter der Natur- oder Erfahrungswissenschaften war. Im Gegentheil, er suchte stets in lebendiger Fühlung mit den Fortschritten der positiven Wissenschaften zu bleiben. Der Aufsatz über Darwin kam diesem zu Gesicht und brachte dem Verfasser die in einem Briefe ihm ausgesprochene Anerkennung ein, daß er Darwin richtig aufgefaßt und dargestellt habe, trotzdem er wesentlich von ihm abwich.

Diese letzten Schriften setzten die römische Indexcongregation wieder in Bewegung, in der Art, daß der Papst selbst an den Erzbischof in München ein Breve: „Gravissimas inter acerbitates“ am 11. December 1862 richtete, in welchem die Ansichten Frohschammer’s scharf beurtheilt, die geforderte Freiheit der Wissenschaft als eine effrenata licentia gebrandmarkt und erwartet wird, daß der Autor sich unterwerfe. Dieser leistete das Geforderte nicht, gab zwar Erklärungen ab, in denen aber kein Widerruf zu erkennen war, und so ging man gegen ihn von Seiten des Erzbischofs mit Strenge vor: er wurde von allen geistlichen Functionen suspendirt, die er ohnedies nicht mehr ausgeübt hatte, und den katholischen Theologen wurde verboten, Vorlesungen bei ihm zu hören. Zu Anfang des Sommersemesters 1863 sprach er in einer Vorlesung: „Das Recht der neueren Philosophie gegenüber der Scholastik“, über seine letzten Erfahrungen, diese wurde gedruckt, es wurde eine Adresse für ihn in Umlauf gesetzt und mit vielen Unterschriften bedeckt ihm überreicht. Nachdem die berühmte päpstliche Encyclica mit dem Syllabus der 80 verdammten Sätze, worin auf Frohschammer’s Philosophie auch Rücksicht genommen wird, veröffentlicht war, beleuchtete er diese Schriftstücke in einer besonderen Abhandlung, ohne freilich dadurch eine weitere Kreise heranziehende Opposition auf katholischer Seite zu erregen. In seinen ferneren Schriften: „Das Christenthum und die moderne Naturwissenschaft“, Wien-Leipzig 1868, und „Das Recht der eigenen Ueberzeugung“, Leipzig 1869, trat er wie schon früher für die Unabhängigkeit der Wissenschaft auf und polemisirte gegen das Dogma und ebenso gegen den Materialismus. Ueber das vaticanische Concil und die Unfehlbarkeit des Papstes äußerte er sich freimüthig in verschiedenen längeren und kürzeren Aufsätzen, die er für Tagesblätter schrieb, ohne sich aber der altkatholischen Bewegung anzuschließen, die „ihm nicht klar genug in ihren Zielen und als Halbheit erschien, auch die Bedingung ihres Gelingens – den vollendeten Thatsachen gegenüber nicht in sich trüge“. Der Mißerfolg des Altkatholicismus hat ihm mit dieser Voraussage vollständig Recht gegeben. [175] Warum er bei seinen Ueberzeugungen, die sich nicht nur gegen die Unfehlbarkeit des Papstes, sondern auch gegen die der Kirche richteten, religiös aber keineswegs indifferent und noch weniger abweisend waren, sich nicht der evangelischen Kirche zugewandt hat, darüber hat er, soviel dem Verfasser dieser Biographie bekannt ist, sich nicht ausgesprochen. Nachdem F. noch in aller Form excommunicirt worden war, veröffentlichte er einige kleinere Schriften, die sich mit der Berechtigung der Ansprüche des Papstthums beschäftigten und, nachdem sie zuerst in Zeitungen erschienen waren, als Flugblätter und Broschüren stark verbreitet, auch in fremde Sprachen übersetzt wurden. Es waren dies: „Der Fels Petri in Rom“, „Der Primat Petri und des Papstes“, „Das Christenthum und das Christenthum des Papstes“. Aber auch gegen die materialistische Richtung, wie sie sich in dem Alten und neuen Glauben von Strauß ziemlich unverblümt zeigte, ergriff er wieder entschieden das Wort in der Schrift: „Das neue Wissen und der neue Glaube“, Leipzig 1873, sich so als unverzagten Kämpfer gegen die beiden Extreme nach links und rechts zeigend. Vorausgreifend wollen wir hier sogleich sein Werk: „Die Philosophie des Thomas von Aquino kritisch gewürdigt“, Leipzig 1889, erwähnen, das der beinahe unbedingten Anerkennung des englischen Lehrers, wie sie durch die bekannte Encyclica Leo’s XIII. „Aeterni patris“ geboten war, gegenüber eine besonnene und gerechte, aber freie Beurtheilung dieses großen Denkers brachte, ihm sein gutes Recht gönnend, aber die Mängel bei ihm ohne Scheu beleuchtend. Es war dies seiner Zeit eine wissenschaftliche That, die nicht genug anerkannt, nur von katholischer Seite als mächtiger Angriff gegen den ganzen neuen Thomismus empfunden wurde.

Hatten sich in früheren Schriften schon Spuren eines eigenen Systems Frohschammer’s gezeigt, so trat er seit 1877 mit seinen Ansichten, die sich allmählich gebildet, geklärt und gereift hatten, hervor, zunächst mit dem das Princip entwickelnden Werke: „Die Phantasie als Grundprincip des Weltprocesses“, München, welchem später die zwei anderen Hauptwerke folgten: „Ueber die Genesis der Menschheit und deren geistige Entwickelung in Religion, Sittlichkeit und Sprache“, München 1883; und „Ueber die Organisation und Cultur der menschlichen Gesellschaft. Philosophische Untersuchungen über Recht und Staat, sociales Leben und Erziehung“, München 1885. Kleinere Schriften, die auch das System betreffen, sind: „Die Philosophie als Idealwissenschaft und System“, ebd. 1884, „Ueber das Mysterium Magnum des Daseins, Leipzig 1891, „System der Philosophie im Umriß. Philosophie als Idealwissenschaft und System.“, 1. Abth. 1892. Wie fast jeder selbstständige Denker, so fühlte auch er das Bedürfniß, seine Philosophie in Beziehung zu früheren Lehren zu setzen oder sie im Verhältniß zu diesen zu betrachten, auch Spuren seiner Gedanken bei Aelteren zu entdecken, gewissermaßen zur eigenen Bekräftigung. So schrieb er bald nach dem Erscheinen des ersten Hauptwerkes: „Monaden und Weltphantasie“, München 1879, worin er Leibniz, Herbart und ähnlich Denkende mit Rücksicht auf seine Lehre behandelt; ferner: „Die Bedeutung der Einbildungskraft in der Philosophie Kant’s und Spinoza’s“, München 1879; ferner: „Ueber die Principien der aristotelischen Philosophie und die Bedeutung der Phantasie in derselben“, ebd. 1881.

Wie die Metaphysik, überhaupt die Philosophie, in ihrer geschichtlichen Entwicklung sehr häufig anthropomorphisch verfahren ist – man braucht nur an die Ideen Plato’s, den Logos der Stoiker, an den Begriff Hegel’s, den Willen Schopenhauer’s, Hamerling’s und mancher Neueren zu denken – und wie sie das, ihren Vertretern bewußt oder unbewußt, zu thun genöthigt war, um Begreifliches, Vorstellbares zu bieten, so erfaßte auch F. als eigentliches [176] Weltprincip, aus dem er Alles in Natur und Geschichte, vom Größten bis zum Kleinsten, herleitete, etwas, das er in sich selbst fand, in jedem Menschen fand, die Phantasie. Waren andere Vorgänge im seelischen Leben, gleichsam verselbstständigt, zum Wesen der Welt gemacht worden, warum nicht auch dieser, der sicher unter den psychischen Erscheinungen hervorragt, dessen große Bedeutung z. B. von Kant für die Erkenntniß hervorgehoben war, indem er die Phantasie als synthetisches Princip anerkannte, die auch bei Fichte, Schelling, Hegel eine große Rolle spielte! Es muß zugegeben werden, daß jede wissenschaftliche Entwicklung, sogar die mathematische, unter dem Einfluß der Phantasie steht, ja daß diese auch bei den ganz gewöhnlichen seelischen Processen, sogar schon bei der Wahrnehmung, mitwirkt. Der Sprung, von dem in uns Lebendigen aus das Wesen der ganzen Welt zu erfassen, kann natürlich nicht als ein nothwendiger bewiesen werden, ist aber nicht viel gewagter als andere ähnliche, – es gehört nur, um ihn zu machen, selbst Phantasie. F. glaubt vollständige Analogie zwischen dem in uns Seienden und der äußeren Welt zu entdecken, ja mehr als bloße Analogie, nämlich Wesenseinheit. Ja es soll ein genetischer Zusammenhang zwischen beiden bestehen, insofern die sich bethätigende Weltphantasie im Reiche der Natur das Leben in seinen verschiedensten Gestaltungen der Pflanzen und Thiere bis zum Entstehen der Empfindung, in dem Bewußtsein hervorbringt. Aus der Seele, die durch Concentration und Verinnerlichung entsteht, entwickelt sich wiederum die subjective Phantasie, die gemäß dem allgemeinen Gestaltungsprincip selbst wieder formt und schafft. Ebenso zeigt sich im socialen Gebiet die schöpferische Kraft der Phantasie, indem das Volksleben in seiner Entwicklung sich auf sie gründet und durch sie gebildet wird. Namentlich in der Sprache offenbart sie sich, indem das Innerliche äußerlich gemacht wird, und das Aeußere vermittelst der Zeichen wieder innerlich. Auch auf die Pädagogik suchte F. sein Princip nicht ohne Erfolg anzuwenden, indem er für das heranwachsende Geschlecht seine Anschauungen wirksam machen wollte. Zuvörderst wird die Phantasie als immanentes Princip der Welt angesehen werden müssen; wollte man es also versuchen, über das Immanente hinauszusteigen und Begriff und Qualitäten des absolut Unendlichen, d. h. des göttlichen Wesens darzuthun, so würde man dazu auch am ersten die Phantasie als das Wesen fassen können.

So hat F. ein sich geschlossenes, aus einem Princip herauswachsendes System geschaffen und dies nicht nur in seinen Schriften niedergelegt, sondern auch auf dem Katheder vorgetragen. Vgl. Alb. Attensperger, Jak. Frohschammer’s philosophisches System im Grundriß. Nach Frohschammer’s Vorlesungen herausgegeben, Zweibrücken 1899. Er hat es freilich nicht erreicht, obgleich seine Vorlesungen gern gehört wurden und entschieden anregend wirkten, daß seine Lehre allgemeinere Verbreitung fand – nicht selten hat er mit Recht darüber geklagt, daß seine Bücher nicht in der von ihm erwarteten Weise anerkannt und gewürdigt, ja daß sie ignorirt würden. Es mag zu dieser nicht gerechten Schätzung seine Stellung zur katholischen Kirche beigetragen haben, die auch dem stärkeren Besuch seiner Vorlesungen hinderlich war, sowie das von vornherein etwas wunderbar scheinende Princip seiner Philosophie nebst dem Umstand, daß es keine sehr gefällige Schreibweise hatte und sich öfter wiederholte. Trotzdem hat er Einige gefunden, die ihn vollauf zu würdigen verstanden haben. Zu diesen gehören Frdr. Kirchner, namentlich in seinem Werke: „Ueber das Grundprincip des Weltprocesses mit besonderer Berücksichtigung Frohschammer’s“, Köthen 1882, Bernh. Münz in seiner Schrift: „J. Frohschammer, der Philosoph der Weltphantasie“, Breslau 1894. Namentlich Pädagogen wie [177] Dittes (Pädagogium 1884 f.), Wichard Lange (Rheinische Bl. 1877) machten auf die Wichtigkeit der Philosophie Frohschammer’s für ihre Wissenschaft aufmerksam.

Bis gegen Ende seines Lebens, obgleich sehr augenleidend, war F. mit der Feder thätig; er starb in Bad Kreuth, wo er Genesung von längerem Leiden suchte, am 14. Juni 1893. Er konnte das Bewußtsein haben, mit voller Kraft eingetreten zu sein für Wahrheit, für Freiheit der Wissenschaft und für die ideale Lebens- und Weltanschauung gegenüber der materialistischen, und für diese höchsten Güter im Kampfe auch gelitten zu haben, aber keineswegs mit seiner Person unterlegen zu sein. Er hat muthig auf dem Posten, den ihm sein Gewissen und sein Beruf angewiesen hatten, ausgehalten, sich selbst treu bis zu seinem Ende, noch über seinen Tod hinaus durch sein Testament für Wissenschaft und Erforschung der Wahrheit sorgend.

Autobiographie in: Deutsche Denker und ihre Geistesschöpfungen, herausgeg. v. Ad. Hinrichsen, Berlin, 2. Aufl. s. a. (hier viel benutzt). – Ed. Reich, Weltanschauung u. Menschenleben, Religion, Sittlichkeit u. Sprache. Betrachtung üb. d. Philosophie J. Frohschammer’s, Großenhain u. Leipzig[WS 1] 1884. – Geo. Sievert, Ueber die philosophisch-pädagogische Lehre Frohschammer’s, Bielefeld 1896; ders., Die Bedeutung des Frohschammer’schen Einheitsprincips (der Weltphantasie) für die Pädagogik, Rhein. Blätter 1897, Heft I u. II. – Briefe von u. üb. J. F., herausgeg. v. Bernh. Münz, Leipzig 1897. – Joh. Friedrich, J. F., ein Pädagoge unter den modernen Philosophen, Fürth 1896; ders., Systematische u. kritische Darstellung der Psychologie J. Frohschammer’s, Diss., Zürich 1899. – F. A. Steglich, D. pädagogische Idee Fr. Fröbel’s in ihrer philosophischen Begründung durch J. F., Diss., Bern 1898; derselbe, Neue Beiträge zur Würdigung der Frohschammer’schen Philosophie und Pädagogik, Allg. deutsches Lehrerztg., 1899, Nr. 51 f. – Ueberweg-Heinze, Grundr. d. Gesch. d. Philos., 4. Th., 9. Aufl., Berlin 1902, S. 322 ff.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Leipig