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Artikel „Frölicher, Otto“ von Martin Gisi in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 177–179, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fr%C3%B6licher,_Otto&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 03:34 Uhr UTC)
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Frölicher: Otto F., bedeutender schweizerischer Landschaftsmaler, geboren in Solothurn am 5. Juni 1840, † in München am 2. November 1890. Seine ersten Jugendjahre verlebte er in Olten, wo sein Vater Oberamtmann war, und in Solothurn, wohin dieser 1849 als Regierungsrath übersiedelte. Schon früh zeigte er ein außergewöhnliches Talent für das Zeichnen, das von seinem kunstverständigen Vater und dem Maler Gaudenz Taverna, der als Lehrer an der Kantonsschule von Solothurn wirkte, in zielbewußter Weise gefördert wurde. „Schon seine ersten Versuche im Zeichnen und Malen nach der Natur, die in diese Zeit zurückreichen, zeugten, wie ein Biograph von ihm sagt, von so correcter Auffassung und selbständiger Anschauung, daß er sich von Anbeginn seiner Laufbahn als einer der seltenen Künstler documentirte, die ohne Anlehnung an schon Gesehenes oder in Nachahmung Anderer ihren eigenen Weg einschlagen.“ Nachdem sich F. am Gymnasium und Lyceum in Solothurn eine tüchtige humanistische Bildung erworben hatte, begab er sich im Herbst 1859 nach München, um sich der Kunst, speciell der Landschaftsmalerei zu widmen; zu seinem Lehrer hatte er seinen Landsmann J. G. Steffan. Von 1863–1865 weilte er in Düsseldorf, wo die beiden Landschaftssmaler Oswald und Andreas Achenbach, für die er eine große Verehrung hegte, den Anziehungspunkt für junge Künstler bildeten. Nachdem er zwei Jahre in der Schweiz zugebracht hatte, kehrte F. 1868 nach München zurück, das seine zweite Heimath wurde und das er nie mehr für längere Zeit verließ, mit Ausnahme eines ungefähr ein Jahr – 1876 bis 1877 – dauernden Aufenthaltes in Paris, während dessen er in freundschaftlichem Verkehr mit seinen französischen Kunstgenossen [178] in Barbizon bei Fontainebleau Naturstudien oblag und fruchtbare Anregungen für sein ferneres Schaffen empfing; den Vertretern der sogenannten Fontainebleau-Schule, Corot, Rousseau, Dupré, Daubigny, Troyon u. a. hatte er schon vorher seine aufrichtige Bewunderung zugewendet, und ohne sich zu ihrem blinden Nachahmer zu machen, folgte er in selbständiger Weise dem von ihnen gepflegten gesunden Realismus.

Nachdem sich F. anfänglich mehr der vaterländischen Gebirgsnatur gewidmet und sowohl in einer Reihe von Oelgemälden als in Zeichnungen zu den illustrirten Werken „Rhododendron“ von H. A. v. Berlepsch und „Die Schweiz“ von Dr. Gsell-Fels Motive aus Alpengegenden meisterhaft behandelt hatte, pflegte er später mit Vorliebe das Studium der bairischen Landschaft, die nähere und fernere Umgebung von München, wo er das reichste Material zu seinen poesievollen Bildern fand. „Die Werke, die F. geschaffen, zeichnen sich aus durch sichere Zeichnung, einfache Technik, kräftige Farbengebung, große und poetische Auffassung des Stoffes, sowie fein abgewogene Raumvertheilung; mit großer Virtuosität behandelt er stets die Luft und die Ferne. In ihnen finden wir die Natur in allen möglichen Stimmungen wiedergegeben und die verschiedenen Jahreszeiten wußte er trefflich nach ihren charakteristischen Erscheinungen darzustellen. Meistens herrscht die ernste Stimmung vor; heraufziehende Gewitter, Regengüsse oder Momente vor oder nach solchen, poetischer Mondschein waren seine Lieblingsthemata. Die Baumnatur behandelte er virtuos; seine Eichen und Buchen waren von vollendeter Zeichnung, breit und massig in der Technik und von überzeugendster Naturwahrheit. Die Entwicklung des Bodens und der Gründe mit ihren Terrainfaltungen und Erhebungen wußte er in markanter Weise und verständlich wiederzugeben. Diese seltene klare Auffassungsweise gab auch allen seinen Bildern einen genialen Zug ins Große, wie überhaupt Alles, was F. gemalt und gezeichnet hat, einen eminent künstlerischen Eindruck macht. Seine Zeichnungen sind eigentliche Kunstwerke; indem er stets nur das Bedeutende, das Wichtigste betonte, während er das Nebensächliche unterordnete oder ignorirte, wußte er mit wenigen Strichen weit mehr zu sagen, als Andere mit vielen Dutzenden.“ Von der Gewissenhaftigkeit, mit der F. arbeitete, zeugen die vielen Skizzenbücher, zahllosen Bleistift- und Federzeichnungen und Farbenskizzen, die sich nach seinem Tode in seinem Nachlasse fanden und von deren Reichthum auch seine nächsten Freunde keine Ahnung gehabt hatten, da er in seiner Bescheidenheit mit seinem Können und Schaffen nicht zu prunken pflegte. Seiner Bescheidenheit ist es auch zuzuschreiben, daß er trotz seines fleißigen Arbeitens verhältnißmäßig wenig Bilder auf den Markt brachte; da er in seiner Gewissenhaftigkeit nie ein Bild aus der Hand geben wollte, das nicht allen von ihm selbst an dasselbe gestellten Anforderungen entsprach, arbeitete und corrigirte er oft sehr lange daran, bis es ihm genügte; manches Bild malte er auch zwei bis drei Mal in verschiedener Form, bis er die dem Stoff entsprechende rechte gefunden hatte.

In den Münchener Künstlerkreisen genoß F. ein großes Ansehen und wurde wegen seiner edlen Charaktereigenschaften, seines strengen sittlichen Ernstes, der indessen einen glücklichen Humor und einen heitern Umgangston nicht ausschloß, von seinen Collegen sehr geschätzt. Mehrmals wurde er in den Vorstand der Künstlergenossenschaft gewählt und bei verschiedenen Anlässen als Juror beigezogen, und die Maler der verschiedensten Richtungen ehrten und suchten ihn als unparteiischen Berather und Kritiker bei ihren Arbeiten.

Wenn ihm auch seine große und imposante Gestalt eine lange Lebensdauer zu sichern schien, litt F. in seinen letzten Jahren doch öfters an körperlichen Beschwerden, die wohl ihren Grund zum Theil in mangelnder Schonung [179] beim Aufenthalt im Freien haben mochten, und im Juli 1890 wurde er von einer Unterleibskrankheit befallen, die sich zunächst in einer intensiven Gelbsucht äußerte und der er am 2. November desselben Jahres erlag, tief betrauert von seinen Freunden und Bekannten, die den edlen Menschen und tüchtigen Künstler von Herzen lieb gehabt hatten. Nach seinem Tode veranstalteten seine Kunstgenossen in München eine Sonderausstellung seines Nachlasses, die von der Arbeitskraft wie der Vielseitigkeit und dem künstlerischen Geschmack des Dahingeschiedenen beredtes Zeugniß ablegte. Viele seiner Bilder finden sich in schweizerischen und auch deutschen Kunstsammlungen, wie auch in Privatbesitz; ein Theil seines Nachlasses wird im städtischen Museum von Solothurn aufbewahrt, wo schon früher mehrere seiner schönsten Gemälde Aufnahme gefunden hatten.

Vgl. Dr. G(ampert) im „Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich für 1892.“ – H. E. v. Berlepsch in Beilage zur „Allgemeinen Zeitung“ Nr. 314 (265) vom 12. November 1890 und in „Die Kunst unserer Zeit“, Jahrg. 1891. – Dietschi in „Oltner Tagblatt“ Vom 4. November 1890. – „Allgemeine Schweizer Zeitung“ (Basel) vom 4. und 5. November 1890. – „Bund“ (Bern) vom 3. November 1890 u. s. w.