ADB:Fischer, Emanuel Friedrich von

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Artikel „Fischer, Emanuel Friedrich von“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 52–61, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fischer,_Emanuel_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 21:19 Uhr UTC)
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Fischer: Emanuel Friedrich v. F., geb. den 19. Sept. 1786, † den 13. Jan. 1870; Schultheiß in Bern. Aus einem alten patricischen Geschlechte der Stadt Bern gebürtig, Sohn und Enkel verdienter Magistraten, widmete sich F. der politischen Laufbahn, in welcher ihm ungewöhnliche Begabung des Geistes und Charakters seltene Auszeichnung, die Zeit, in deren Entwicklung sein Wirken fiel, ebenso schwere Prüfungen brachte. Als 12jähriger Knabe Zeuge der feindlichen Einnahme und Mißhandlung Berns und alles ihm Theuern durch die Truppen der beutegierigen fränkischen Republik – eine Erinnerung, die ihn mit unauslöschlicher Abneigung gegen Frankreich erfüllte, – trat er nach erhaltener Ausbildung auf den Akademien in Bern und Genf 1802 zunächst in den militärischen Dienst seines Vaterlandes, nahm 1804 in demselben an der Unterdrückung des Aufstandes gegen die sogen. Mediationsverfassung im Canton Zürich („Bockenkrieg“) Antheil, machte 1805, 1808 und 1813 die schweizerischen Grenzbesetzungen mit und trat hierbei zum ersten Male in nähere Berührung mit dem Manne, an dessen Seite er später Berns Geschicken vorstand, dem als General den Oberbefehl führenden schweizerischen Landammann und bernischen Schultheißen Niklaus Rudolf von Wattenwyl. 1805 dessen Adjutant, wurde F. 1813 dem in Basel befehligenden Obersten von Herrenschwand als Adjutant beigegeben. Zu Missionen an Wattenwyl, an den damaligen Landammann Reinhard in Zürich, an die österreichischen Generale Bubna und v. Langenau verwendet, welche die Vorhut der Alliirten im Breisgau commandirten und bei den Verhandlungen seines Divisionärs mit den letzteren anwesend, hatte F. hierbei Gelegenheit zu nahem Einblick in die militärischen und politischen Verwicklungen aller Art, welche der Ein- und Durchmarsch der Alliirten gegen Frankreich für die Schweiz hervorrief. Die Nichtbehauptung der schweizerischen Neutralität, wie die hastige Gewaltsamkeit, mit welcher eine ultrareaktionäre Partei in Bern unter dem Einflusse des österreichischen Sendlings Senft-Pilsach die Mediationsverfassung beseitigte, erregten in ihm gleichen Unwillen. Nachdrücklich und wirksamst trat er für seinen unmittelbaren Vorgesetzten, v. Herrenschwand, auf, als demselben ungerechte Vorwürfe gemacht werden wollten, schloß sich aber auch, als v. Wattenwyl und dessen bisheriger College v. Mülinen wieder an Berns Spitze berufen wurden, an dieselben an und nahm lebhaften Antheil an der Politik, welche sie befolgen zu sollen glaubten.

Schon früher hatte F. verschiedene Secretariatsstellen untergeordneter Art bekleidet, war auch 1810 zum Mitglied des Amts oder erstinstanzlichen Civil-Polizeigerichts in Bern ernannt worden; eine Wahl, auf die ihm eine gekrönte juristische Preisschrift 1808 natürliche Anwartschaft erworben. Jetzt betraute ihn der Große Rath mit der Stelle eines Legationsraths oder dritten Gesandten Berns, neben Mülinen und dem Rathsherrn v. Stürler, erst auf der sogen. 13örtigen Tagsatzung in Luzern, dann auf der unter Reinhard’s Vorsitz gebildeten, von der Mehrheit der Cantone besuchten und allein von den europäischen Mächten anerkannten 19örtigen Tagsatzung in Zürich. Vom April 1814 bis anfangs April 1815 harrte F. nicht ohne Selbstüberwindung in dieser Stellung [53] aus, die Berns Streit mit Aargau und Waadt und öftere Abwesenheit seiner von F. dann vertretenen Vorgesetzten schwierig und oft peinlich machten. Eine Aufsehen erregende Schrift des Aargauers Rengger beantwortete er durch Veröffentlichung der „Beiträge zur Vervollständigung der Schrift, betitelt: Ueber den schweizerischen Bundesverein und die Ansprüche Berns“. Die Rückkehr Napoleon’s von Elba, der Wiederbeginn des europäischen Krieges und die Aufstellung einer schweizerischen Armee unter dem General N. Franz v. Bachmann (s. d.), brachten F. die willkommene Abberufung von Zürich. Als Oberstlieutenant trat er in Bachmann’s Stab ein. Zwischen dem General, der mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, und F. bildete sich ein höchst freundschaftliches Verhältniß, das den kurzen Feldzug lange überdauerte und erst mit Bachmann’s Hinschied 1831 endigte, nach welchem F. in deutscher und in französischer Sprache die oben citirte Schrift: „Zum Andenken des Freiherrn N. Fr. Bachmann an der Letz“ erscheinen ließ. Nach geschlossenem Frieden kehrte F. zu den politischen Geschäften in Bern zurück, führte die Feder in der Commission, welche unter Wattenwyl’s Vorsitz die Fundamentalgesetze Berns revidirte, wurde 1816 Secretär des Geheimen Rathes, führte 1817 eine Mission an den badischen Hof in Karlsruhe mit Erfolg aus und übernahm 1818 den ungleich schwierigeren Auftrag, gemeinsam mit einem luzernischen Gesandten, Schultheiß Rüttimann, im Namen beider Cantone eine Unterhandlung in Rom mit dem päpstlichen Stuhle über Errichtung des projectirten neuen Bisthums Basel zu pflegen. Entgegenstehende Wünsche anderer Cantone, das Bestreben der Curie möglichst viele kleine Diöcesen zu schaffen, vor allem die Zähigkeit des Cardinals Consalvi und seiner Beauftragten gestalteten die Aufgabe der beiden Abgeordneten ungemein mühevoll, zuletzt erfolglos. Nach Einreichung einer entschiedenen Schlußerklärung verließen sie Rom, das auf weitere Verhandlungen mit der Nuntiatur in der Schweiz verwies. F. aber hatte die Genugthuung, seine Haltung von der heimathlichen Regierung vollkommen anerkannt, durch Verleihung der selten ertheilten goldenen Verdienstmedaille geehrt zu sehen und die Reise, die bis nach Neapel und auf den Vesuv ausgedehnt worden war, der Anblick Roms, Bekanntschaften, wie diejenige von Niebuhr, der F. auszeichnete, waren mehr als Ersatz für alles Verdrießliche der Unterhandlungen. War es doch auch Größern, Oesterreich, Hannover, den Niederlanden, bei der Curie ganz ähnlich ergangen. Heimgekehrt, stieg F. 1820 im Staatsdienste zu der wichtigen Stelle eines Amtsstatthalters der Regierung im Amtsbezirke Bern auf, in welcher er selbständig für die Verbesserung der öffentlichen Zustände nach allen Richtungen zu wirken Gelegenheit fand, wurde 1823 zugleich zum Heimlicher, d. h. zu einem der beiden Beamten ernannt, die als Beauftragte des Großen Rathes über die Aufrechthaltung der Fundamentalgesetze zu wachen und Beisitz im Kleinen Rathe hatten, und trat endlich, 1824, als wirkliches Mitglied in diese letztere Behörde ein. Sich nicht auf die gewöhnlichen Verwaltungsgeschäfte beschränkend, hatte F. den allgemeinen für Bern wichtigen politischen Fragen seine stete Aufmerksamkeit zugewendet. Der aristokratischen Staatsform des restaurirten Bern wünschte er durch zeitgemäße Reformen nach Innen festeren Halt zu geben; ihre Vertheidigung gegen mannigfache äußere Gegner beschäftigte ihn. In ersterer Beziehung blieben freilich seine Anstrengungen in den wichtigsten Punkten erfolglos. Wol kamen 1820 ersprießliche Reformen mit Bezug auf den Staatshaushalt zu Stande, der überhaupt die glänzende Seite der damaligen Verwaltung bildete, aber eine Veränderung der Fundamentalgesetze, wodurch F. der Stadt Bern freiere Stellung gegenüber der Staatsobrigkeit, bestimmten Einfluß auf die Besetzung der obersten Landesbehörde und Selbstverwaltung zu verschaffen beabsichtigte, wurde im März 1821 abgelehnt. Auch den Mangel an Initiative und frischer Thätigkeit, an [54] Entgegenkommen gegenüber der Bevölkerung bekämpfte F. in den Behörden oft vergeblich. Glücklicher war er in anderen Dingen. Er bewirkte 1819 die Errichtung eines Denkmals in der Münsterkirche für die im J. 1798 im Kampfe gegen die Franzosen gefallenen Vertheidiger Berns, war 1822 Miturheber des ersten eidgenössischen Officiersfestes; er vertheidigte nachdrucksvoll Bern und den Schultheißen von Wattenwyl, insbesondere gegen Angriffe, welche die legitimistische und katholisch-reactionäre Partei in Frankreich und deren Anhänger Jahre hindurch gegen das patricische Bern richteten. Als Bern und auch die übrigen schweizerischen Regierungen 1821 wegen Maßregeln gegen Karl Ludwig von Haller von Bonald im Journal des Débats heftig angegriffen wurden, veröffentlichte er eine energische Abwehr; es erschien die: „Correspondance entre M. le vicomte de Bonald et M. Fischer au sujet de la conversion de M. C. L. de Haller“, Genève 1821. Im Kleinen Rathe stellten überhaupt Talent, Energie, erworbene Verdienste F. in die erste Reihe, neben die Schultheißen v. Wattenwyl und Mülinen und den Staatssekelmeister v. Muralt, der jenen beiden und F. gegenüber als Haupt der streng aristokratisch Gesinnten galt. – Als in Folge der Karlsbader Beschlüsse, der Congresse von Troppau, Laibach und Verona die Mächte 1823 auf die Schweiz als Zufluchtsort vieler politischer Flüchtlinge und Sitz einer freien Presse mit zahlreichen Begehren um Ausweisung Verfolgter und um Maßregeln gegen die Presse einzudringen begannen, selbst das aristokratische Bern revolutionärer Gesinnung beschuldigt wurde, und ein geheimes Comité von Diplomaten, Priestern und Ultra’s, den jesuitischen baierischen Gesandten d’Olry an der Spitze (die „Cabale“), von Bern selbst aus das Feuer bei den europäischen Höfen und in der ausländischen Presse schürte, stand F. unter denjenigen, die berechtigten Forderungen sich zwar nicht zu versagen, ebenso entschieden aber, unberechtigten gegenüber, die Unabhängigkeit und Ehre der Schweiz zu wahren gedachten. In diesem Sinne führte F. eine Mission seiner Regierung bei denjenigen von Waadt, Wallis und Genf aus, wirkte an der Tagsatzung mit und trat mit einer ihm eigenen Schlagfertigkeit Anmaßungen der fremden Diplomatie entgegen. Er unterschied von der revolutionären und von der exclusiven Partei (wie er die Ultra’s benannte) sorgfältig eine schweizerisch-nationale. Von dem gleichen Standpunkte aus betheiligte er sich auch 1822–26 nachdrücklich bei Aufstellung und Behauptung des sogen. Retorsionsconcordates, des Versuchs einer Anzahl Cantone, durch ein System gemeinsamer Eingangszölle auf französische Waaren Frankreich zu Abstellung der Beschränkungen zu veranlassen, durch welche sein Handels- und Zollsystem den schweizerischen Verkehr immer mehr beeinträchtigte. Gegenstand heftiger Bekämpfung durch andere, vollem Freihandel huldigende Cantone und durch einen eigens dazu beauftragten französischen Botschafter, den Marquis v. Moustier, der die Uneinigkeit der Cantone auf jede Weise förderte, mußte das Concordat freilich schon 1824 dahin fallen. Mit Moustier selbst, der sich gegen Bern und gegen F. persönlich sehr beleidigend und ganz im Sinne der „Cabale“ benahm, gerieth F. dabei ernst zusammen. Das Nachlassen der revolutionären Parteien im Auslande und damit auch der Polizeithätigkeit der Mächte, nach dem Siege der bourbonischen Restauration in Spanien, sowie die feste Sprache des Vororts Bern verschafften endlich der Schweiz gegen Ende 1824 größere Ruhe und die Ersetzung von Moustier durch den neuen französischen Botschafter Rayneval, 1825, stellte auch mit Frankreich ein gutes Vernehmen her. Inzwischen blieb F. in allen wichtigen schweizerischen äußeren Angelegenheiten für Bern betheiligt, hatte denselben 1825 insbesondere in dem auftauchenden Streite über Zulässigkeit des bernischen Ohmgeldes, einer Abgabe auf alle in dem Canton eingeführten auch schweizerische Weine zu vertreten (zum Theil gegen seine persönliche [55] Ueberzeugung), brachte 1825 eine wichtige Uebereinkunft mit den Niederlanden betreffend die dortigen Schweizerregimenter zum Abschluß und unternahm mit Freunden einen neuen ernsten Versuch, Abänderung der Fundamentalgesetze im früher schon beabsichtigten Sinne zu bewirken. Aber auch dieser Versuch scheiterte an dem schroffen Widerstande der Ultra-Aristokraten (December 1826) und als F., von der Nothwendigkeit der verworfenen Reform tief überzeugt, im Frühjahr 1827 noch einmal die Sache anregte, mußte er schon bei den ersten Schritten erkennen, daß sie völlig aussichtslos war, und verzichten. Ohnehin bestand bereits in den regierenden patricischen Kreisen eine nicht unbedenkliche Spaltung. Seit 1823 bewarb sich das bourbonische Königthum in Neapel bei mehreren Cantonen und bei Bern vorzüglich um die Errichtung schweizerischer Regimenter in seinem Dienste. Die Frage, in der sich Interessen und Anschauungen im Patriciat auf’s mannigfachste kreuzten, hielt die Gemüther in heftiger Spannung und trat mehr und mehr in den Vordergrund. F. war neben dem Schultheißen von Wattenwyl einer der entschiedensten Gegner des begehrten neapolitanischen Dienstes. Als der Große Rath am 3. März 1827 in der Sache beschließen sollte, trat F. mit großem Nachdruck für die Ablehnung der Anträge von Neapel auf, aber die Stimmen standen ein und nur Wattenwyl’s Stichentscheid bewirkte, daß diese Ablehnung erfolgte. Wenige Tage später trat Wattenwyl’s College, Mülinen, von Alter und Kränklichkeit gebeugt, aus der Regierung zurück und unter größter Spannung erfolgte die Wahl eines neuen Schultheißen. Sie fiel auf F., dessen bisherige Leistungen, Thatkraft, Beredsamkeit und persönliches Verhältniß zu Wattenwyl dabei zusammenwirkten und der Wahl große Bedeutung gaben. In weiten Kreisen, selbst unter ehemaligen Gegnern Fischer’s in anderen Cantonen, begrüßte man in ihr einen vielversprechenden Sieg des einsichtigen, die Zeitbedürfnisse erkennenden Theiles des aristokratischen Bern. Persönlichen Feinden Fischer’s in Bern aber und den unversöhnlichen Gegnern des Patriciates im Canton und in der übrigen Schweiz, die Fischer’s Talent und Beharrlichkeit in seinen politischen Grundsätzen kannten und fürchteten, wurde er jetzt Gegenstand mannigfacher, oft sehr illoyaler Angriffe und auch die legitimistischen Kreise unter den fremden Diplomaten zeigten sich über seine Wahl nicht erfreut. Als Schultheiß repräsentirte nun F. Bern auf der Tagsatzung von 1827 und beim Abschluß des intercantonalen Vertrags, betreffend das errichtete neue Bisthum Basel (26. März 1828), als erster eidgenössischer Bevollmächtigter die Schweiz in den wichtigen Nachbarstractaten mit Frankreich über Niederlassungs- und Gerichtsverhältnisse vom 18. Juli 1828. Mit besonderem Eifer und Ernst nahm er an der Spitze der Obrigkeit an der Feier des dritten Jubiläums der bernischen Kirchenreformation Theil, das am 1. Juni 1828 gefeiert wurde. Mittlerweile tauchte die Frage des neapolitanischen Dienstes wieder auf. Die im Sommer 1828 unerwartet erfolgende Anzeige der königlich niederländischen Regierung, daß sie die schweizerischen Regimenter in ihrem Dienste binnen Jahresfrist zu entlassen gedenke, ließ die Rückkehr von über 2000 bernischen Officieren und Soldaten in die Heimath ohne Beschäftigung und Aussichten erwarten und mußte eine anderweitige Verwendung derselben wünschbar erscheinen lassen. Die Unterhandlungen mit Neapel wurden daher wieder angeknüpft, und führten zum Abschlusse eines Dienstvertrages für ein bernisches Regiment am 6. Oct. 1828. Auch F. erklärte sich für die ihm jetzt nothwendig scheinende Sache. Vergeblich waren hingegen seine und Wattenwyl’s Bemühungen dafür, daß Bern in dem immer bitterer sich gestaltenden Streite betreffend das Ohmgeld seine Isolirung unter den Cantonen durch ein Einlenken hebe; die Mehrheit des bernischen Großen Rathes wollte hievon nichts wissen; selbst ein Einlassen auf eine Vermittelung durch unbetheiligte [56] Cantone wurde wiederholt verweigert (Februar 1829, März 1830). Starre Patricier und Gegner des Patriciates, denen jene Isolirung erwünscht war, wirkten hierin gegen die beiden einsichtigeren Schultheißen zusammen. Inzwischen war das Jahr 1830 angebrochen, das eine sich in vielen Zeichen unverkennbar ankündigende neue Zeit zum Durchbruche bringen sollte. Schon hatte diese in größerer Freiheit der Presse in vielen Cantonen, in einer Verfassungsrevision in Luzern zu Ende 1829 Ausdruck gefunden. F., als Amtsschultheiß, präsidirte zum ersten Male die in Bern zusammentretende Tagsatzung. Er eröffnete sie mit einer Rede, die, wie seine ganze Haltung, großen Eindruck machte, von kleinlichen Gegnern aber auch sofort zu hämischen Verdächtigungen benutzt wurde. Die Tagsatzung, die diesmal keine grundsätzlichen Fragen zu behandeln hatte, verlief rasch und friedlich. Aber mitten in die Tage ihres Beisammenseins war die Kunde von der Pariser Julirevolution gefallen, die wie ein erschütternder Schlag auf das ganze Gefüge der inneren politischen Verhältnisse der Schweiz traf und auch für die Beziehungen des Landes nach außen unberechenbare Veränderungen nach sich ziehen konnte. Während sofort in einer ganzen Reihe von Cantonen Umwälzungen und Verfassungskämpfe eintraten, wandte Bern, als Vorort, seine Aufmerksamkeit den auswärtigen Verhältnissen zu, vermittelte und befürwortete bei den Cantonen die Anerkennung des durch einen Bevollmächtigten sich ankündigenden neuen französischen Königthums, kam aber schließlich, da allseitige Rüstungen der Mächte einen europäischen Krieg erwarten ließen und ernste und einträchtige Vorkehrungen zu nachdrücklicher Behauptung der schweizerischen Neutralität unumgänglich schienen, zum Entschlusse, die Tagsatzung außerordentlicher Weise wieder einzuberufen. Unter Fischer’s Leitung trat sie am 23. December zusammen, traf in wenig Tagen volle Anstalt zum Aufgebot der ganzen Wehrkraft des Landes und richtete eine Neutralitätserklärung an die Mächte, stellte aber auch den mit bisherigen Bundesvorschriften nicht im Einklang stehenden und nicht durchführbaren Grundsatz der Nicht-Einmischung des Bundes bei cantonalen Verfassungswirren als Norm für die Zukunft auf; eine Regel, welche nur bestimmt war, den Verfassungen der Restaurationszeit die im Bunde verheißene Garantie zu entziehen. Vergeblich hatten Bern und Uri gegen diesen Beschluß gesprochen. Auch für Bern war übrigens Abänderung der Verfassung nun unausweichlich. Die Bürgerschaft der Hauptstadt, die wohlhabenden und gebildeten Bewohner der Landstädte strebten nach Theilnahme an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten; die in anderen Cantonen siegreichen Parteien, auch Frankreichs Einflüsse, das in einer völligen Umwälzung in der Schweiz sein Interesse sah, richteten ihre Anstrengungen gegen das aristokratische Bern. F. wünschte die Grundlagen der bisherigen Verfassung beizubehalten, ihr aber durch Erweiterung des Kreises der Berechtigten breitere Unterstützung auch außerhalb des Patriciates zu gewinnen und gleichzeitig die Regierungsgewalt zum Schutze der Ordnung und gesetzmäßigen Uebergangs zu den neuen Formen durch umfassende militärische Maßregeln zu verstärken. Aber dem ersteren schon früher von ihm vergeblich verfolgten Gedanken standen Diejenigen entgegen, die von keinen Zugeständnissen wissen wollten; Andere, auch Wattenwyl, verwarfen jede ungewöhnliche Maßregel zum Schutze der Regierung als bedenklich. Am Ende beschränkte sich der Große Rath auf den nichts entscheidenden, aber Alles in Frage stellenden Beschluß, eine außerordentliche Commission von 11 Mitgliedern zur Prüfung aller Vorschläge oder Wünsche niederzusetzen, die ihr in Betreff der Verfassung, Gesetze oder Verwaltung eingereicht werden würden (6. December 1830) und einige unbedeutende militärische Anordnungen zu treffen. Während nun zahlreiche Begehren verschiedensten, theilweise eingreifendsten Inhaltes einliefen, steigerte sich überall die [57] Bewegung, ergriff nach und nach die Massen, auch des Landvolks, nahm im französischen Theile des Cantons, dem katholischen Jura, bald die Gestalt eines drohenden Aufruhrs an und entlud sich endlich zu dem entscheidenden Schlage auf die ganze bestehende Ordnung der Dinge durch die unter Leitung der Brüder Schnell von Burgdorf abgehaltene große Volksversammlung in Münsingen vom 10. Januar 1831. Hier wurde zuerst die Aufstellung eines besonderen Verfassungsrathes d. h. Umgestaltung des Staates ohne Rücksicht auf die bestehenden Gesetze und Behörden von Karl Schnell verlangt. F., der anfangs Januar zu den in Luzern fortgesetzten Sitzungen der außerordentlichen Tagsatzung abgegangen war, fand, als er am 9. Januar heimberufen in Bern ankam, die Verhältnisse in voller Auflösung, die Regierung machtlos;, der Ausgang des folgenden Tages bestätigte diese Lage und als der Große Rath am 13. Januar zur Berathung des Berichtes der Eilfercommission zusammentrat, stellte F. in ergreifender Rede den die Versammlung überraschenden, von einem Theile derselben lebhaft bestrittenen, aber von seinem Collegen, v. Wattenwyl, gebilligten Antrag die obrigkeitliche Gewalt niederzulegen und einem vom Volke zu wählenden Verfassungsrathe die Entwerfung einer neuen Verfassung zu überlassen, nach deren Annahme durch das Volk die nur noch provisorisch fortzuführende Verwaltung von der bisherigen Regierung auf die neuen Behörden zu übertragen sei. F. war sich bewußt, hiermit die ausdrückliche Abdication des Patriciates, das Ende des alten Bern und seiner eigenen Laufbahn an der Spitze desselben zu besiegeln, sah aber keine Möglichkeit, auf anderem Wege gewaltsamen Auftritten unberechenbarer Art oder ausgesprochener Anerkennung politischer Grundsätze zu entgehen, die seinen Ueberzeugungen zuwiderliefen. Mit großer Mehrheit wurde sein Antrag zum Beschlusse erhoben und in einer Proclamation dem Volke hiervon Kunde gegeben: Am 1. Februar trat der Verfassungsrath zusammen, am 31. Juli erfolgte die Annahme der von ihm ausgearbeiteten Verfassung durch das Volk und am 20. Oct. trat die bisherige Regierung ab. Der von ihr veröffentlichte umfassende „Bericht über die Staatsverwaltung des Cantons Bern von 1814 bis 1830“ und eine von F. verfaßte Abschiedsproclamation blieben ihre ehrenden Denkmale. –

Gänzliches einstweiliges Enthalten von jeder Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten wäre nun für F. vollkommen gerechtfertigt und bei den Leidenschaften, die um ihn walteten, wol auch das Richtige und Glücklichste gewesen. Allein das Gefühl seiner bisherigen Stellung, Sorge um die Vaterstadt und deren Besitz und Rechte, die Ueberzeugung von der Pflicht, hiefür einzustehen, das Bewußtsein seiner Kraft und das Bedürfniß politischer Thätigkeit gestatteten ihm ein solches Verhalten nicht. Der Verfassungsarbeit trat er durch eine „Kritische Beleuchtung“ des ersten von einer Commission ausgearbeiteten Entwurfes, die nicht ohne allen Erfolg blieb, dann aber auch durch eine öffentliche „Erklärung“ gegenüber, die seine Verwerfung des definitiven, dem Volke vorgelegten Entwurfes kund that und wesentlich auf einen die Zahl der stadtbürgerlichen Mitglieder des Großen Rathes beschränkenden Artikel begründete. Fischer’s Erklärung schlossen sich 188 Stadtberner an. Denn auch die Mehrheit der Stadtbürger, anfänglich gegen das Patriciat und mit der Bewegung gehend, hatte sich vom Verfassungsrathe getrennt, als derselbe der Stadt jede bevorzugte Stellung verweigerte und sie allen übrigen Gemeinden des Landes durchaus gleichstellte. Schon im April 1831 stand die Stadt der werdenden neuen Ordnung der Dinge abgeneigt gegenüber und als die Bildung sogenannter Schutzvereine für letztere in allen Theilen des Cantons, unter Begünstigung des Verfassungsrathes, erfolgte, erfüllten sie Befürchtungen, welche zu einer feierlichen Verwahrung ihrer Rechte durch die oberste Stadtbehörde (19. Septbr.) führten. [58] Mittlerweile hatte auch die Stadt selbst sich eine neue Verfassung zu geben, und F. – noch als Mitglied der provisorisch im Amte gebliebenen Regierung – an den Arbeiten der städtischen Verfassungscommission als Mitglied und Vorsitzender eifrigen Antheil und nach Annahme der neuen Stadtverfassung auch die am 28. September auf ihn gefallene Wahl zum Präsidenten des neuen Stadtrathes angenommen. Diese Stellung gab allen seinen Schritten, schließlich auch seiner, allerdings mit der „Erklärung“ folgerichtigen Ablehnung des Eintritts in den neuen großen Rath des Cantons doppelte Bedeutung, erregte den Argwohn der neuen Machthaber und vermehrte das Mißtrauen, welches dieselben, vor allem die Brüder Schnell und der von ihnen geleitete Präsident des Verfassungsrathes und neue Schultheiß, Altrathsherr v. Tscharner – früher ein starrer Anhänger des Alten und entschiedener Gegner von Fischer’s Reformvorschlägen im Kleinen Rathe – gegen F. hegten; Eindrücke, denen zu begegnen F. nach seiner Denkungsart verschmähte. Bald vermehrten die sich drängenden Ereignisse in und außer dem Canton, die Gründung des schweizerischen Schutzvereins in Langenthal, die Neuenburger und Basler Wirren, die von der Regierung vorgeschriebene allgemeine Eidesleistung der Beamten und Officiere auf die neue Verfassung und die Verweigerung dieses Eides durch 73 Officiere aus den Kreisen des Patriciates und seiner Anhänger (10. Jan. 1832), die gegenseitige Spannung. Die Regierung trat feindselig gegen die Stadt auf, erklärte, keine Kenntniß von der, 1831 doch ausdrücklich durch sie genehmigten Stadtverfassung zu haben (Januar 1832), erließ am 19. Mai 1832 ein Decret über Erneuerung der Gemeindebehörden im Canton, welches neben den bisher allein bestehenden Bürgergemeinden Einwohnergemeinden schuf und ihnen ein Vermögen zuerkannte, das nur auf Kosten der ersteren gebildet werden konnte, und hob am 25. Mai die kraft der Bestimmungen eines Regierungsdecretes vom J. 1804 im J. 1830 errichtete und seither vom Staate, gleichwie die Schutzvereine, mit Waffen versehene städtische Bürgerwehr auf. Durch einen Großrathsbeschluß vom 21. Aug. ließ sie zugleich den der Familie v. Fischer im Januar 1831 auf vier Jahre – verlängerten Pachtvertrag betreffend die Posten aufheben und die Pacht auf Monatsfrist (statt Jahresfrist) künden. Diesen Vorgängen gegenüber bestellte der große, aus 140 Mitgliedern bestehende Stadtrath eine Specialcommission mit Auftrag und unbedingter Vollmacht zur Wahrung der Rechte der Bürgerschaft gegen Gefährdung durch das Decret vom 19. Mai und ernannte F. zum Präsidenten dieser siebengliedrigen Commission; ein Schritt, den alle Gesellschaften (Zünfte) der Bürgerschaft in besonderen Zuschriften der Behörde verdankten, dessen bedenkliche Seite für die „Sieben“ F. aber sehr wol erkannte. Dennoch folgten er und die übrigen sechs Ernannten dem an sie ergangenen Rufe. Gemeinsam veranstalteten sie nun die Veröffentlichung zweier Flugschriften zur Vertheidigung der neuen Stadtverfassung und des durch die Dotationsurkunde von 1803 der Stadt bei Ausscheidung mit dem Staate zugekommenen Vermögens, reichten zwei Mal eine Rechtsverwahrung der Stadt gegenüber dem Decrete vom 19. Mai bei der Regierung ein, welche dieselbe schroff zurückwies, gingen aber auch unvorsichtiger Weise so weit, für künftige Wiedererrichtung einer Bürgerwehr die Anschaffung von Munition und Waffen zu beschließen und erstere bereits insgeheim anzusammeln, während schon allerlei Gerüchte von Anschlägen gegen die Regierung circulirten, das Benehmen einzelner Patricier, die über die Bedächtigkeit der Stadtbehörden spotteten, Aufsehen erregte und der Große Rath am 7. Juli ein neues Gesetz über Aufruhr und Hochverrath erließ, das die heimliche Aufsammlung von Waffen und Kriegsvorräthen mit Strafe bedrohte, allerdings aber dem Stadtrathe amtlich nicht mitgetheilt wurde. Als kurz darauf die von allen Vorgängen wohlunterrichtete Regierung gegen die eifrigsten ihrer Gegner einzuschreiten, sie mitten in Bemühungen, [59] Anhänger zu werben, aufzuheben beschloß (die bedeutendsten entkamen aus dem Lande vor der projectirten Verhaftung) und am 31. August auch eine Untersuchung des Stadthauses anordnete, kamen hierbei jene verheimlichten Munitionsvorräthe zu Tage, was ungeheures Aufsehen erregte und zu den abenteuerlichsten Gerüchten über eine große Verschwörung und beabsichtigte gewaltsame Reaction Veranlassung gab. Die Regierung traf sofort umfassende militärische Anstalten, rief acht ihr befreundete Cantone zu eventueller Hülfeleistung auf und ergriff mit Begierde den Anlaß, den Sieben den Proceß zu machen. F. als Präsident und der mit den gemachten Ankäufen betraut gewesene Oberst v. Tscharner erschienen als besonders gravirt, und als zu Tage kam, daß F., der mit einem der entflohenen Patricier, Fischer von Eichberg, verwandt und nahe befreundet war, nicht ohne Kunde von dessen Gesinnungen und mancherlei Schritten gewesen und ihn in vertraulichen Schreiben unter verhüllten Formen vor Unvorsichtigkeiten gewarnt hatte, glaubte die Regierung an einen Zusammenhang zwischen den Absichten der Entflohenen und der Siebenercommission und suchte, freilich vergeblich, nach wirklichen Beweisen dieser „Connexität“. Sechs Monate blieb F., acht Monate Tscharner, drei Monate blieben ihre Collegen in strenger, theilweise quälerischer Untersuchungshaft, ehe eine Freilassung auf Bürgschaft erfolgte; der Proceß aber wurde noch sieben Jahre hindurch gegen sie absichtlich und mit rücksichtsloser Hintansetzung gesetzlicher Vorschriften fortgeschleppt. Durch bloßes Regierungsdecret blieben sie mittlerweile in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit (im politischen Stimmrecht) eingestellt; ein zweimaliges obergerichtliches Zwischenerkenntniß, daß die gesuchte „Connexität“ nicht bestehe, wurde durch verfassungswidrigen Machtspruch des Großen Rathes aufgehoben, ein neuer Staatsanwalt ernannt und unter ungewöhnlicher Veröffentlichung der Untersuchungsacten vor erfolgtem Urtheil das Verfahren so lange verzögert, bis die Wahl eines neuen Obergerichtes vorgenommen und dasselbe mit ergebenen Anhängern der Regierung besetzt werden konnte, die auf „Connexität“ erkannten. Ende 1837 erfolgte endlich das erstinstanzliche Urtheil, welches nach der Gerichtsordnung auch ohne Appellation noch an das Obergericht gelangen mußte; die Sieben wesentlich freisprechend, wurde es nicht publicirt. Erst am 30. Decbr. 1839 fällte das Obergericht seinen entgegengesetzten Entscheid. Ohne Erwähnung des erstinstanzlichen Urtheils erklärte derselbe F. des hohen, Tscharner einigen Verdachtes der Urheberschaft an Hochverrathsversuch, ihre vier Collegen (ein Siebner, der betagte Alt-Sekelmeister v. Jenner, war mittlerweile gestorben) polizeilichen Vergehens schuldig und verfällte die beiden ersteren zu zweijähriger, letztere vier zu einjähriger Gefängnißstrafe und zur Tragung der Kosten der ganzen langen Procedur. Das Bewußtsein ganzer Kreise der Bevölkerung, der Stadt vor allem, aber auch persönlicher und grundsätzlicher Gegner der Sieben, wie Neuhaus, selbst Schultheiß v. Tscharner’s und des den Schnell verwandten Blösch (s. d.) u. a. m. lehnte sich laut gegen dies Urtheil auf; zahlreiche Bittschriften für die Sieben, ein von Neuhaus angeregter Regierungsantrag auf Amnestie gelangten an den Großen Rath. Aber obwol die Brüder Hans und Karl Schnell, welche dem Proceß mit bewußter Absicht seinen Gang aufgeprägt hatten, seit 1838 nicht mehr in der Behörde saßen, bewirkte doch die leidenschaftliche Sprache ihres Organs, des Volksfreundes, und des Restes ihrer Anhänger die Verwerfung der Amnestie. Anerbotene Aussicht auf Gnade bei Gesuch der Verurtheilten, konnte nur einen derselben, den Krankheit, Alter und dringende Bitten der Seinigen beugten, zu solchem Gesuche bewegen. F. aber, Tscharner und ihre drei Collegen, v. Diesbach, Dr. jur. Hahn und Dr. med. Lutz traten die über sie verhängte, durch ihre freundschaftliche Verbindung erleichterte gemeinsame Haft auf dem Schlosse Thorberg, unweit Bern, [60] an und blieben, letztere drei bis 1841, F. und Tscharner bis Anfangs März 1842 in derselben. Die vorangehenden langen Jahre der Dauer des Processes, von 1833–40 hatte F. im Waadtlande und in Genf zugebracht, persönlich frei, aber aller politischen Rechte beraubt und durch die Ungewißheit seines Schicksals gebunden. In Genf ließ er damals eine Darstellung über alle Phasen des Processes drucken: („Exposé succinct de la marche du procès intenté par le Gouvernement de Berne, en 1832, aux membres de la commission du Conseil de la ville, et de la sentence de la Cour suprème du 30. Dec. 1839, Genève, Gruaz 1840. 1840. (Als Manuskript gedruckt.) Zehn Jahre reifster Manneskraft waren ihm unter diesen Prüfungen verflossen, den Sechzigen nahe trat er nach erstandener Haft in wirkliche Freiheit zurück. Einen Versuch der Stadtgemeinde Bern, für ihre einstigen Bevollmächtigten die ihnen auferlegten Proceßkosten zu tragen, bestrafte die Regierung mit Entsetzung der Mitglieder des Bürgerrathes, die den von der Gemeinde mit fast einstimmigem Mehr angenommenen Antrag vor letztere gebracht hatten; die Summe mußte von den Verurtheilten selbst entrichtet werden. Acht Jahre brachte nun F. theils in stiller Muße auf einem erkauften Landsitze bei Bern, theils auf einigen Reisen zu, ein aufmerksamer, aber aller activen Theilnahme fernstehender Beobachter der Zeitereignisse, der Umwälzung der Schweiz durch den Sonderbundskrieg von 1847, der europäischen Revolution von 1848 u. s. f., bis 1850 die ausschließliche Herrschaft der jungradicalen Schule Stämpfli’s in Bern der Opposition aller Andersgesinnten und einer durchgreifenden Volksbewegung weichen mußte. Den Nachfolgern der ehemaligen liberalen Partei unter Blösch (s. d.) schlossen sich hierbei die Stadtbürgerschaft von Bern in großer Mehrheit und auch viele der, freilich längst keine politische Partei mehr bildenden Patricier an, zumeist jüngerer Generation. Auch F. drängte man zur Theilnahme. Kühl sah er der Entwicklung der Dinge zu, wünschte denselben fern zu bleiben, unternahm eine Reise ins Ausland, wurde aber dennoch, wider seinen Willen, in Brienz zum Mitgliede des neuen Großen Rathes gewählt, der nach dem Siege der Bewegung durch die (zweite) Volksversammlung von Münsingen vom 25. März 1850 aufgestellt wurde. F. glaubte sich verpflichtet, das Ergebniß der sehr bestrittenen Wahlen in Brienz selbst, wie im Canton überhaupt, nicht durch Ablehnung zu gefährden, entsagte seiner Ruhe und hielt nun, ein Veteran von 64 Jahren, mit großer Treue und Aufopferung zu der aus so verschiedenartigen Elementen bestehenden Partei, die, Blösch an der Spitze, das Ruder ergriff. Keine Rückerinnerung, auch nicht der Mangel innigeren Verständnisses zwischen Blösch, dem das alte Bern fremd war, und ihm selbst hielt F. ab, die Neue Regierung kräftig zu unterstützen und die Einigkeit unter den Verbundenen zu wahren und zu fördern. Sofort aber ersahen sich auch Stämpfli und dessen Partei F. und die Patricier zum ganz besonderen Angriffspunkt und während der von Blösch einst vermittelte Dotationsvergleich zwischen dem Staate und der Stadt Bern zu Verdächtigungen wider Blösch dienen mußte, warf Stämpfli seine Beschuldigungen gegen das Patriciat über angeblich unterschlagene Gelder aus dem im J. 1798 von den Franzosen geplünderten Staatsschatze ins Publicum. Als F. und 48 seiner Standesgenossen gerichtliche Klage gegen ihn erhoben, suchte Stämpfli sich dem ordentlichen Rechtsverfahren zu entziehen, bahnte einen Petitionssturm an den Großen Rath an, damit dieser eine außerordentliche Untersuchung über die Schatzgelder und die Dotationsgüter der Stadt anordne und hoffte durch den verlangten Austritt aller Stadtberner bei der Berathung die Ernennung einer ihm blind ergebenen Untersuchungscommission zu erzielen. Die Berechnung mißlang; der Große Rath lehnte ein Zurückkommen auf die Dotationsangelegenheit ab und bestellte zur Prüfung der Schatzgelder-Frage eine aus fünf Unparteiischen und vier Anhängern Stämpfli’s zusammengesetzte [61] Commission. Die Widerlegung aller Behauptungen des Letzteren durch die Commission auf Grund der Acten des bernischen Archives, eine schneidige Flugschrift Fischer’s: „Herr Stämpfli und die Millionen. Wer hat gesammelt und wer hat zerstreut?“ (Bern 1852) und die gerichtliche Verurtheilung Stämpfli’s auf Klage der von ihm Angeschuldigten, die aus den eigenen Papieren der einstigen französischen Plünderer Berns die Grundlosigkeit seiner Verläumdungen nachweisen konnten, machten seinem Unterfangen ein Ende. Indessen blieb die ungewisse politische Lage Berns im Ganzen dieselbe, bis nach vierjährigem heftigem Kampfe der Parteien Aufstellung einer sogen. Fusionsregierung erfolgte, in welche Blösch und Stämpfli zusammen eintraten. Hierbei erwirkten Letzterer und seine Freunde die Anerkennung von Großrathswahlen im Kreise Brienz, welche ihre dortigen Anhänger unter tumultuarischer Vergewaltigung der Mehrheit ganz ungesetzlicher Weise vorgenommen hatten, um die Wiederwahl von F. und eines Gesinnungsgenossen desselben zu verhindern. F., dessen Ausschluß aus dem Großen Rathe eine Vorbedingung der Fusion gewesen zu sein scheint, wurde von der Partei selbst preisgegeben, die er mit uneigennützigster Aufopferung unterstützt hatte. Die wiedererlangte Ruhe und Freiheit des Privatstandes ließ ihn das Gefühl der erlittenen schweren Unbill überwinden. Noch 16 Jahre eines rüstigen, bis zuletzt thätigen Greisenalters waren ihm beschieden. Der Stadt ganz nahe wohnend, betheiligte er sich, wie seit 1842, an mannigfachen Bestrebungen gemeinnütziger, kirchlicher und wohlthätiger Zwecke, blieb bis 1857 Präsident des städtischen Armenvereins, bis 1868 Präsident der Kirchgemeinde an der Nydek, der er angehörte und für die er an der Bezirks- und Cantonalsynode als weltliches Mitglied wiederholt Theil nahm. Jetzt schrieb er auch zwei größere historische Werke; 1867, zum Andenken seines einstigen Amtsgenossen, die „Erinnerung an Niklaus Rudolf v. Wattenwyl, weiland Schultheiß der Stadt und Republik Bern“ (Bern, Dalp 1867), 1868 seine „Rückblicke eines alten Berners“ (Bern, bei K. J. Wyß). Beide Schriften sind reich an Aufschlüssen zur neuern Geschichte Berns und schöne Denkmale für Wattenwyl, für das alte Bern und den Verfasser, der das 80. Lebensjahr überschritten hatte, als er diese Arbeiten schrieb. Auch andere Aufzeichnungen über Berns Geschichte beschäftigten F. jetzt wie früher. Erst 1869 verließ den Greis die Arbeitslust und nach kurzer Krankheit starb er, der „letzte Schultheiß des alten Bern“, am 39. Jahrestage seines einstigen Rücktrittes vom Amte, der das Ende des von ihm geleiteten Freistaates besiegelte. Bis ins höchste Alter hatte seltene Würde auch das Aeußere, die hohe Gestalt, den eindringenden Blick des ausgezeichneten Mannes umgeben.

Lebensnachrichten über Em. Friedrich v. Fischer, Schultheiß der Stadt und Republik Bern, p. K. L. Friedrich v. Fischer, Bern, K. J. Wyß, 1874. – Fischer’s angeführte eigene Werke. (Eine 1847 von ihm auf Verlangen der Redaction des Pariser Annuaire historique et biographique verfaßte kurze Selbstbiographie in diesem Sammelwerke war uns nicht zugänglich.) – Tillier, Geschichte der Eidgenossenschaft während der sogen. Restaurationszeit, 2 Bde., Bern und Zürich 1848–49. – Derselbe, Geschichte der Eidgenossenschaft während der Zeit des sogen. Fortschrittes, 3 Bde., Bern 1853–55. – Untersuchungsacten über die in der Republik Bern im J. 1832 stattgefundenen Reactionsversuche, 8 Bde. Burgdorf, C. Langlois 1834. – Wyß, Rud., Vertheidigung der Mitglieder der Specialcommission des Stadtrathes von Bern, Bern 1834. – Derselbe, Geschichte des Stadt- und Staatsgutes der alten Republik Bern. Bern und Zürich, Schultheß 1851. Nebst Nachtrag. – Gonzenbach, Aug. v., Eingangsbericht des Berichterstatters der Schatzgeldercommission, Bern 1853. – Eigene persönliche Erinnerungen.