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Artikel „Haller, Karl Ludwig von“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 431–436, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Haller,_Karl_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 05:07 Uhr UTC)
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Band 10 (1879), S. 431–436 (Quelle).
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Haller: Karl Ludwig v. H. (1768–1854), der zweite Sohn Gottlieb Emanuels v. H., wurde den 1. August 1768 in Bern geboren. Von 1776–79 einem Pfarrer auf dem Lande zur Erziehung übergeben, zeigte er schon früh außergewöhnliche Geistesanlagen; er besuchte nachher einige Classen des bernischen Gymnasiums, aber schon im 16. Jahre trat er von der Schulbank weg in die Staatskanzlei der Republik ein und hörte nur nebenbei einige philosophische Vorlesungen an. Eine Universität hat er niemals besucht, und sich hernach selbst Glück gewünscht, daß er genöthigt worden sei, selbst zu forschen, selbst zu denken und zu arbeiten. Seine Begabung wurde bald bemerkt, schon 1787 erhielt er das wichtige Amt des Commissionsschreibers, das die Berichterstattung über politische Geschäfte, über Verwaltungs-Angelegenheiten und Criminalproceduren in sich schloß und ihm einen vollständigen Einblick in den Gang der Staatsverwaltung verschaffte. Die Funktionen als Secretär der schweizerischen Tagsatzungen zu Baden und zu Frauenfeld lenkten seine Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse des weiteren eidgenössischen Bundes, und eine Reise nach Paris im J. 1790 gab zugleich Gelegenheit, die großen, weltbewegenden Ideen kennen zu lernen. Als Legationssecretär begleitete H. 1792 eine Berner Gesandtschaft nach Genf, um wegen Rückzugs der dort stehenden Schweizer-Truppen mit dem französischen General zu unterhandeln; 1795 ging er in gleicher Eigenschaft nach Ulm, wo es sich um Regelung der Kornzufuhr aus Süddeutschland handelte, und 1797 nach Lugano, Mailand und Paris, als es galt, die neutrale Stellung der Schweiz zur Anerkennung zu bringen zwischen den kriegführenden [432] Staaten. Durch diese Missionen, die er hernach eingehend darstellte, kam H. in persönlichen Verkehr mit den bedeutendsten Männern der Zeit, mit dem General Bonaparte, mit Talleyrand etc. – Unterdessen war seine erste juristische Arbeit im Druck erschienen, ein im Auftrage der Regierung abgefaßtes gründliches „Gutachten über die Verbesserung der bernischen Criminal-Proceßform“ (1797). Noch ein Mal wurde er nach Rastatt gesendet, um vor dem Congreß den Sturm zu beschwören, der die Schweiz zu bedrohen begann. Es war zu spät: als er im Februar 1798 zurückkehrte, stand die französische Armee bereits auf bernischem Gebiete. Um wenigstens den Wunsch der eigenen Bürger im letzten Augenblicke zu befriedigen, verfaßte H. im Namen der provisorischen Regierung in der kurz bestimmten Zeit von 10 Tagen ein „Project einer Constitution für die schweizerische Republik Bern“. Es bildet diese Schrift mit ihren 259 Paragraphen oder vielmehr Lehrsätzen einen sonderbaren Gegensatz zu dem, was er später bekannte; sie kam aber niemals praktisch in Frage, da am 5. März die alte Schweiz zusammenbrach. Schon in Paris hatte H. die neue Freiheit und deren Freunde in der Nähe gesehen und war sehr arg ernüchtert worden; von nun an wurde er ein entschiedener Gegner der Revolution. In dem neu begründeten helvetischen Einheitsstaate bekleidete er zwar noch anfangs ein Amt, legte es jedoch bald nieder und schrieb nun die „Helvetischen Annalen“, eine Zeitung, welche in scharfer und nicht immer erfolgloser Weise die Ausschreitungen der revolutionären Behörden und ihrer Gesetzesprojecte geißelte. Die beißende Satire: „Beiträge zu einem revolutionären Gesetzbuch“, zog jedoch das Verbot der Annalen nach sich; einer weiteren Verfolgung entzog er sich durch Entfernung aus dem Lande. Von nun an war H. der Reactionär und wurde mehr und mehr der Mann, der „von den Einen als Retter einer fast verzweifelten Sache zum Himmel erhoben, von den Anderen als Verräther an Recht und Menschenwürde gehaßt und verachtet war, dem aber Alle selbständige Kraft des Gedankens, Folgerichtigkeit und Unerschrockenheit in Schlüssen und Reichthum des Wissens zuerkennen“ (Mohl). Zunächst begab sich H. wieder nach Rastatt, wo er bei dem Fürsten Metternich, dem Vater des späteren Ministers, die günstigste Aufnahme fand, erhielt dann beim Wiederausbruch des Krieges eine Stelle in der Kanzlei des Erzherzogs Karl und folgte mit den übrigen schweizerischen Emigrirten dem österreichischen Heere bei seinem Einzuge in die Schweiz (Mai 1799). Die Niederlage bei Zürich (26. September 1799) zwang ihn von neuem zur Flucht; er ging erst nach Erlangen, dann nach Wien, wo er als Secretär des Kriegsraths Verwendung fand. Auch hier war er politisch thätig, ungewöhnliches Aufsehen erregten seine Flugschriften: „Was ist besser, Krieg oder Frieden mit den Franzosen?“ (1800) und „Wer ist der Angreifer, Oesterreich oder Frankreich?“ (1805). Beim Anzuge der Franzosen zog er sich nach Agram zurück. In der Schweiz hatte unterdeß ein Stimmungswechsel stattgefunden, die Berner Regierung berief 1806 H. als Professor der Rechtswissenschaften an die neu reorganisirte höhere Schule der Akademie. Schon seine Antrittsrede „Ueber die Nothwendigkeit einer anderen obersten Begründung des Staatsrechts“, zeigte deutlich, was er wollte und zog ihm viele Feindschaft zu. Eine Reihe weiterer Abhandlungen ließ er meist im litterarischen Archiv der Akademie erscheinen, so: „Ueber Domänen und Regalien“ (1807), – „Abhandlung über das zweckmäßigste Mittel, Secten zu bekämpfen und auszurotten“ (1808), – „Ideen zu einem allgemeinen philosophischen Krankenrecht nach dem Grundsatz der Theilung der Gewalten“ (1808, eine Satire), – „Politische Religion oder biblische Staatslehre“ (1811). Eine vollständigere Darlegung seiner Lehre gab er 1808 heraus: „Handbuch der allgemeinen Staatenkunde, des darauf begründeten allgemeinen Rechts und der allgemeinen Staatsklugheit nach den Gesetzen der Natur“, [433] eine Schrift, welcher Mohl geneigt ist, den Vorzug zuzuerkennen vor dem späteren größeren Werk. Sie verschaffte ihm einen Ruf nach Göttingen durch Johannes v. Müller, damals Minister am westfälischen Hofe. H. blieb indessen in Bern, und nach der Wiedereinsetzung der alten aristokratischen Regierung (1814), die er in mehreren Flugschriften begrüßte, wurde er Mitglied des Großen, dann auch des Geheimen Raths; nur eine vollständige Rückkehr zu den Verhältnissen wie sie vor 1798 bestanden hatten, würde ihm genügt haben, und daß eine solche nicht möglich sei, sah er weder damals noch später ein. An Conflikten mit der öffentlichen Meinung fehlte es nicht. Zunehmende Unpopularität als Hochschullehrer und Mißverhältnisse zu den Collegen, bewogen ihn 1817, seine Professur niederzulegen, und die im J. 1820 erschienene, das ganze constitutionelle System verwerfende Schrift: „Ueber die spanischen Cortes“, gab solchen Anstoß, daß die Berner Regierung den Verkauf derselben verbot. Im folgenden Jahre vollzog H. den entscheidenden Schritt, den Uebertritt zur katholischen Kirche, der gewissermaßen ein europäisches Ereigniß wurde. Er war im April 1821 nach Paris gereist und von dort aus zeigte er seiner Familie an, was er gethan, in einem den Entschluß motivirenden Briefe, der gedruckt bei 50 Auflagen in den verschiedensten Sprachen erfuhr. Mit feiner Selbsterkenntniß schilderte er hier die längst empfundene Neigung zum katholischen Glauben und die wachsende Einsicht in den inneren nothwendigen Zusammenhang zwischen seinen politischen und seinen religiösen Grundsätzen: „Es war eine einzige, zwar einfache, aber fruchtbare Idee, wahrhaft von der Gnade Gottes mir eingegeben, nämlich von Oben nach Unten zu gehen, und wie in der Natur, so auch in der Ordnung der Zeit und in der Wissenschaft, den Vater vor die Kinder, den Herrn vor den Diener, den Fürsten vor die Unterthanen, den Lehrer vor den Schüler zu setzen“; aber unmöglich sei es ihm gewesen, im politischen Alles von Oben herab und im kirchlichen Alles von Unten herauf zu erklären, dort die ursprüngliche Freiheit und Gleichheit, die Volkssouveränität oder gar die Verwerfung aller höheren Autorität zu bekämpfen, hier dieselbe anzunehmen. Schon im J. 1808 bekannte er im Herzen Katholik gewesen zu sein; zufällige Begegnung mit hervorragenden Gliedern des Clerus trugen das Ihre dazu bei; die Reformation erschien ihm als „Bild und Vorläufer der heutigen politischen Revolution, und mein Abscheu vor der letzteren erweckte auch Abscheu und Widerwillen gegen die erstere“. Am 7. October 1820 war der Uebertritt vollzogen worden auf einem Landgute bei Freiburg (in der Schweiz), im Beisein des dortigen Bischofs; er blieb nicht lange geheim, das Gerücht verbreitete sich und bewog den Convertiten endlich zu seiner offenen Erklärung. Noch vor der Rückkehr aus Paris erfolgte durch Mehrheitsbeschluß die Streichung Haller’s aus dem Großen Rathe der Republik, eine politische Maßregel, die freilich vom Gesetze nicht gefordert war, aber namentlich durch den Versuch der Geheimhaltung begründet wurde. Zum dritten Male verließ H. mit seiner Familie die Heimath, diesmal für immer. Seine Gattin, eine geborene v. Wattenwyl, und seine beiden erwachsenen Söhne traten einige Jahre später gleichfalls über. „Haller’s Theorie reifte in der Muße und in der Verbitterung der Verbannung aus dem Vaterlande“. Es entstand in diesen Jahren das Hauptwerk, zu welchem „alles Uebrige sich nur als Vorbereitung, Anwendung oder Beigabe verhält“ (Mohl), von welchem er auch die ganz zutreffende Bezeichnung „der Restaurator“ erhielt, nämlich die „Restauration der Staatswissenschaft oder Theorie des natürlich geselligen Zustandes, der Chimäre des künstlich bürgerlichen entgegengesetzt“. Der erste Band war schon 1816 erschienen, er enthält die Geschichte und die Widerlegung der älteren Staatslehren und stellt die allgemeinen Principien des neuen Staatssystems auf. Die folgenden Bände enthalten die Anwendung dieser [434] Principien, und zwar der II. (1817) auf die Monarchien und insbesondere auf die Patrimonialstaaten; der III. (1818) auf die Militärstaaten; der IV. (1820) und V. (1834) auf die geistlichen Staaten, der VI. (1825) auf die Republiken und freien Genossenschaften. Der Titel des Werkes läßt keinen Zweifel über dessen Tendenz; es ist hervorgegangen aus einem gründlichen Hasse gegen die Lehren des „Contrat social“. Eines hatte H. aus den vorangegangenen Revolutionszeiten gewonnen, nämlich die Ueberzeugung von der Unhaltbarkeit und Falschheit der bisherigen Theorie über die Entstehung der Staaten und die Begründung der obersten Gewalt im Staate. Diese Ueberzeugung ergriff und erfüllte ihn mit der ganzen Macht eines religiösen Glaubens, wie die Vorrede zeigt: „Eine neue Welt von Wahrheiten öffnete sich mir; es war, als ob die Herrlichkeit Gottes in allen Verhältnissen und Verknüpfungen der Menschen sich vor mir entfaltet hätte. Da hätte ich dem Geber aller guten Gedanken hundert Ochsen schlachten mögen, da entbrannte in meiner Seele die unwiderstehliche Begierde, was mir Gott geoffenbaret, auch anderen mitzutheilen, den alten Glauben mit erneutem Glanze herzustellen; da schwur ich bei mir selbst, den Götzen des bürgerlichen Contracts zu stürzen, die Ehre Gottes in der Natur wieder auf den Thron der Wissenschaft zu erheben“. Die dem Werk zu Grunde liegenden Sätze, mit deren Richtigkeit das ganze Gebäude steht oder fällt, faßt ein competenter Kritiker (R. Mohl) in folgenden Worten zusammen: „H. geht von dem Gedanken aus, der Grundfehler der gewöhnlichen Lehre vom Staate bestehe darin, diesen als etwas Eigenthümliches anzusehen, und für seine Entstehung und sein Wesen besondere Gesetze aufzusuchen, während er doch nichts sei als eine gewöhnliche und auf allgemeinen Rechtssätzen beruhende Gesellschaft von Menschen. Wie alle menschlichen Verhältnisse aus dem Hülfe- und Schutzbedürfnisse einerseits und aus der zur Leistung befähigten Macht andererseits entstehen, so sei dies auch beim Staate der Fall. Hieraus folgert er dann, daß es falsch, ja unmöglich sei, den Staat aus dem freien Willen und aus einer allgemeinen Verabredung der Theilnehmer hervorgehen, demselben beliebige Zwecke setzen zu lassen, und daß es geradezu widersinnig sei, die Macht durch eine Uebertragung von Seiten der Schwachen zu begründen; vielmehr sei die Entstehung des Staates eine, gleichgültig jetzt aus welchem Grunde, vorhandene Macht, welcher sich Schutzbedürftige anschließen. Das Herrschen der Starken und das Dienen des Unmächtigen sei ein allgemeines Gesetz der Natur, und somit der Staat keineswegs ein Gegensatz mit dem Naturzustande, sondern vielmehr eine Fortsetzung und eine der Formen desselben“. – In der Anwendung dieser Grundanschauung verfuhr H. mit unläugbarem Scharfsinn und logischer Folgerichtigkeit, aber mit einem Fanatismus, der gerade ins entgegengesetzte Extrem überschlägt, indem er den „gottgeordneten“ Staat schließlich alles höheren Inhalts und aller sittlichen Zwecke entleerte; den an die Spitze gestellten Begriff der Autorität auf denjenigen der bloßen Nützlichkeit heruntersetzte und selbst die Pflicht des Unterthanengehorsams da aufhören ließ, wo das Schutzbedürfniß endet. „Das Werk Haller’s“, sagt Mohl ferner, „war nicht blos ein Buch, sondern es war eine mächtige politische That; und als solche haben es auch sowol zahlreiche fanatische Freunde, als noch zahlreichere erbitterte Feinde genommen. Es möchte schwer sein, eine vollständige Uebersicht aller, selbst auch nur der ausführlichen Beurtheilungen zu geben. Nicht nur kann sich keine geschichtliche Arbeit über die Staatswissenschaften überhaupt oder über das philosophische Staatsrecht insbesondere einer eingehenden Beachtung entschlagen; sondern es gibt auch eine eigene Litteratur, welche diese Beurtheilung zum ausschließlichen Gegenstande hat“. „Die Begründung seines Grundgedankens“, erklärt die nämliche Autorität, „ist H. vollständig mißglückt“; die Lehre selbst betrachtet Mohl als [435] praktisch „höchst gefährlich“; dagegen erkennt er es als „ein unläugbares Verdienst um die gesammte dogmatische Staatswissenschaft, wenn H. den bisher gezogenen engen Kreis durch die Darstellung einer Reihe von Staatsarten, welche in jenem gar keine Stelle gefunden hatten, erweiterte“. – Das Werk wurde vollständig ins Italienische übersetzt, theilweise ins Französische und im Auszuge ins Lateinische, Spanische und Englische. H. begab sich, als er Bern verließ, wieder nach Paris, genoß dort in den Kreisen Gleichgesinnter hohe Gunst, erhielt 1825 eine Anstellung, und der Minister Polignac war im Begriff, ihm eine höchst dankbare Wirksamkeit an der Bildung junger Diplomaten zu eröffnen, als die Julirevolution von 1830 diese Pläne durchkreuzte. H. zog sich nun nach Solothurn zurück, wo er sich ein Landgut erworben hatte und verlebte dort den Rest seiner Jahre. Auch jetzt blieb er schriftstellerisch thätig; wie er in Paris ein eifriger Mitarbeiter des „Drapeau blanc“ gewesen war, so schrieb er aus Solothurn zahlreiche Artikel in das „Berliner Wochenblatt“ (von 1831–40), in die „Neue Preußische Zeitung“ (Kreuzzeitung), in die „Historisch-politischen Blätter“ von Görres und Phillips und namentlich in die „Deutsche Volkshalle“. Dazu veröffentlichte er noch eine Anzahl selbständiger Schriften, alle einig in der Klage über die revolutionäre Zeitrichtung, im bittern Tadel aller Anhänger einer freisinnigen Richtung in Staat und Kirche, in der Behauptung einer allgemeinen Verschwörung zum Umsturz der Throne und Altäre, in der Aufforderung zu gemeinschaftlicher Bekämpfung des Uebels und im Anpreisen der eigenen Staatsidee: „Ueber die Ursachen, welche die Revolution der Schweiz im Jahre 1830 und 1831 hervorgerufen haben“. – „Satan und die Revolution“ (1835), – „Geschichte der kirchlichen Revolution oder der protestantischen Reform des Kantons Bern und der umliegenden Gegenden“ (1836). Diese letztere auch französisch herausgegeben in „Mélanges de droit public et de haute politique“ (2 Bde., Paris 1839), ferner: „Die Freimaurerei und ihr Einfluß in der Schweiz“ (1840), – „Staatsrechtliche Prüfung des preußischen vereinigten Landtags, nebst redlichem Rathe an den König zur Behauptung seines guten Rechts“ (Schaffhausen 1847); – „Die wahren Ursachen und die einzig wirksamen Abhülfsmittel der allgemeinen Verarmung und Verdienstlosigkeit“ (1850). Noch ein Mal trat H. wieder im öffentlichen Leben auf; er wurde 1833 in Solothurn zum Mitglied des Großen Rathes gewählt und übte in einer politisch und kirchlich sehr bewegten Zeit einen nicht geringen Einfluß aus. Im vollen Besitz seiner Geistesfähigkeiten, starb er, fast 86 Jahre alt, als frommer Katholik nach dem Empfang der Sterbesacramente am 20. Mai 1854. Der Mann, der im 30. Lebensjahre durch die Revolution aus einer bevorzugten Stellung und aus einer glänzenden Laufbahn herausgeworfen worden war, konnte für die Grundsätze der Revolution kaum etwas anderes als Haß empfinden; diese persönliche Verbitterung ist aber auch in seinen wissenschaftlichen Argumentationen allzu sehr fühlbar geworden, als daß dieselben unbefangen hätten geprüft werden können. Der rücksichtslose Muth, mit dem er für seine Ueberzeugungen kämpfte, hätte Achtung einflößen können, hat aber viel öfter als Schroffheit verletzt, als cynische Härte abgestoßen. Haller’s Charakter wird meistens ungünstig beurtheilt, so daß er mit einem gewissen Rechte sagen konnte: „In Deutschland lehren Viele meine Ideen, aber sie verläugnen mich“. „H. steht vor uns als ein Mann von gewaltiger Kraft des Geistes, von großer Folgerichtigkeit des Denkens, von Unerschrockenheit und Zähigkeit des Charakters, von nicht verächtlichem Wissen und Scharfsinn. Er hat ein Werk geliefert, welches seinen Namen auf die späte Nachwelt bringen wird“ (Mohl).

R. v. Mohl, Geschichte und Litteratur der Staatswissenschaften, Bd. II. S. 529–60. – Alfred Hartmann, Gallerie berühmter Schweizer, Bd. II. [436] Baden 1871. – Staatswörterbuch von Bluntschli, S. 622. (Von Risch.) – Kritische Ueberschau d. d. Gesetzgebung u. Rechtswissenschaft, München, III. Bd. S. 89–104. – Th. Scherer, Erinnerungen am Grabe K. L. v. Haller’s. Solothurn 1854. – Notice sur la vie et les écrits de Ch. L. de Haller, Fribourg 1854. – Missionen der Berner Regierung nach Genf, Mailand, Paris und Rastatt, aus dem Nachlaß des Hrn. K. L. v. Haller, von Karl v. Haller in Solothurn (ohne Druckort und Jahresangabe). – Als Schriften, welche eigens der Bekämpfung Haller’s bestimmt sind, nennt Mohl (a. a. O.): W. T. Krug, Die Staatswissenschaft im Restaurationsprocesse des Hrn. v. Haller, Adam Müller und Consorten, Leipzig 1817. – G. Escher, Ueber die Philosophie des Staatsrechts, mit besonderer Beziehung auf die H.’sche Restauration, Zürich 1821. – Riedel, Haller’s staatsrechtliche Grundsätze, Berlin 1842, und von ausführlichen Beurtheilungen in litterargeschichtlichen u. rechtsphilosophischen Werken diejenigen von Weitzel, Leo, Stahl, Struve u. Fichte.